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ID0814502400

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    7. Waltemathe.: 1
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    Plenarprotokoll 8/145 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Inhalt: Gedenkworte zum 130. Jahrestag der Verabschiedung der Frankfurter Reichsverfassung 11559 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Schachtschabel und Dr. Gradl . . 11560 C Wahl des Abg. Müller (Nordenham) zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Dr. Enders zum stellvertretenden Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt 11560 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 11560 C Erweiterung der Tagesordnung 11561 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 11673 B Beratung des Antrags der- Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines 18. Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Gradl CDU/CSU 11561 D Dr. Emmerlich SPD 11565 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 11569 D Kleinert FDP 11575 C Schmidt, Bundeskanzler 11579 A Graf Stauffenberg CDU/CSU 11581 A Dr. Wendig FDP 11585 D Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 11590 B Waltemathe SPD 11593 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 11596 A Dr. Mikat CDU/CSU 11601 C Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 11607 C Dr. Vogel (München) SPD 11611 C Engelhard FDP 11617 A Dr. Weber (Köln) SPD 11619 C Wissmann CDU/CSU 11622 A Oostergetelo SPD 11624 A Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU 11625 D Frau Matthäus-Maier FDP 11627 C Blumenfeld CDU/CSU 11631 A Hartmann CDU/CSU 11633 B Hansen SPD 11635 B Helmrich CDU/CSU 11638 A Dr. Schwencke (Nienburg) SPD 11639 C Dr. Schwarz- Schilling CDU/CSU 11642 B Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 11645 B Sieglerschmidt SPD 11647 A Josten CDU/CSU 11649 C Präsident Carstens 11575 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2708 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/2707 — Krey CDU/CSU 11651 A Bühling SPD 11652 C Dr. Klepsch CDU/CSU 11654 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 11656 D Luster CDU/CSU 11657 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 8/2453 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2697 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/2696 — Hölscher FDP 11658 C, 11660 C Burger CDU/CSU 11658 D Kratz SPD 11659 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 11661 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" und dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. Narjes und der Fraktion der CDU/CSU Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" — Drucksachen 8/2353, 8/2374, 8/2628 — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 11663 B Ueberhorst SPD 11664 D Dr.-Ing. Laermann FDP 11666 A Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Pfeffermann und der Fraktion der CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 III Einrichtung einer Prognose- und Bewertungskapazität zur Begutachtung technologischer und forschungspolitischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag — Drucksachen 8/1241, 8/2629 (neu) — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 11667 B Stockleben SPD 11669 B Dr.-Ing. Laermann FDP 11670 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen — Drucksache 8/2437 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2686 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2642 — 11672 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr — Drucksache 8/2366 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2640 — 11673 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr — Drucksache 8/2436 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2669 — 11673 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes — Drucksache 8/2646 — 11673 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Juli 1978 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über verschiedene Fragen der Sozialen Sicherheit Drucksache 8/2645 — 11673 D Beratung der Sammelübersicht 43 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2665 11673 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Standortübungsplatzes Bad Vilbel an die Stadt Frankfurt — Drucksachen 8/2478, 8/2648 — 11674- A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken — Drucksachen 8/2558, 8/2649 — 11674 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/79 — Zollkontingent für Walzdraht 1. Halbjahr 1979) — Drucksachen 8/2536, 8/2632 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der Kapazität für den gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 8/2357, 8/2641 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein — Drucksachen 8/2513 Nr. 3, 8/2670 — . . 11674 C Beratung des Berichts der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Umstellung des 7 b EStG auf ein anderes Förderungssystem — Drucksache 8/2554 — 11674 D Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes über steudrliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude auf das geltende Grunderwerbsteuerrecht und über die Überlegungen, die zur Reform des Rechts der Grunderwerbsteuer angestellt worden sind — Grunderwerbsteuerbericht — Drucksache 8/2555 — 11674 D Nächste Sitzung 11675 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 11677* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11559 145. Sitzung Bonn, den 29. März 1979 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 144. Sitzung, Seite 11 405 A: In den Zeilen 10 bis 13 ist statt „ ... an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend —" zu lesen: ,,... an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend —" ; Seite 11 526 * D: In der Zeile 8 von unten ist statt „36" zu lesen: „38". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Aigner * 30. 3. Dr. Althammer 30.3. Dr. Bangemann* 29. 3. Dr. Becher (Pullach) 30. 3. Frau Berger (Berlin) 30. 3. Blumenfeld ** 30. 3. Dr. Corterier ** 30. 3. Frau Erler 30. 3. Fellermaier * 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Friedrich (Würzburg) 29. 3. Genscher 30. 3. Dr. Hornhues 30. 3. Horstmeier 29. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 3. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *5) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Kiesinger 30. 3. Klinker 30. 3. Koblitz 30. 3. Lange * 30. 3. Leber 30.3. Lemp * 30.3. Lenzer 30.3. Dr. Müller *** 29.3. Müller (Mülheim) * 30. 3. Müller (Remscheid) 30. 3. Sauer (Salzgitter) 30. 3. Schmidt (München) * 30. 3. Schreiber* 30. 3. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 29. 3. Dr. Schwörer * 29. 3. Seefeld * 30. 3. Spitzmüller 30. 3. Stahlberg 30. 3. Dr. Starke (Franken) * 30. 3. Frau Tübler 30. 3. Dr. Vohrer *** 29. 3. Frau Dr. Walz 30. 3. Baron von Wrangel 30. 3. Wuwer 30.3. Ziegler 30. 3.
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    Rede von Friedrich Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Jahn, ich habe mit dem Hinweis darauf begonnen, daß diese Debatte als eine Debatte für oder gegen die Verjährung von Mord generell geführt wird. Dies wollen wir doch einmal festhalten, weil ich der Auffassung bin, daß die Debatte so genau falsch geführt wird.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Wir sind dabei, wegen einer Frage in einem geschichtlichen Augenblick eine Entwicklung über Bord zu werfen, von der ich — dabei bleibe ich — sagen möchte: Es ist eine rechtspolitische Errungenschaft, daß es die Verjährung bei uns in Deutschland gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vielleicht komme ich in einem anderen Zusammenhang auf das, was Sie angesprochen haben, noch zurück.
    Ich meine jedenfalls, daß die derzeitige Diskussion uns gar keinen Anlaß gibt, die generelle Frage nach der Verjährbarkeit oder Nichtverjährbarkeit von Mord aufzuwerfen. Insoweit sind wir heute auch in einer anderen Entscheidungssituation als 1969. Damals wurde über die Frage im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Großen Strafrechtsreform diskutiert und entschieden. Diejenigen, die damals dabeigewesen sind, können sich an diesen Vorgang noch genau erinnern.
    Der einzige Anlaß, weshalb wir heute über diese Frage diskutieren — daran kann doch keiner vorbeiargumentieren —, ist, daß am 31. Dezember dieses Jahres NS-Verbrechen, die den Tatbestand des Mordes erfüllen, verjähren. Das ist der einzige Grund.

    (Wehner [SPD]: Das ist ja wohl auch ein Grund!)

    — Herr Kollege Wehner, wer wäre auf die Idee gekommen, jetzt eine Grundsatzdiskussion über die Frage auszulösen, ob Mord verjähren soll oder nicht und ob wir das, was rechtshistorisch bei uns gewachsen ist, ändern sollen, wenn es diesen Termin des 31. Dezember dieses Jahres nicht gäbe?

    (Wehner [SPD]: Es war so gewachsen, daß es zwischen 1933 und 1945 plötzlich ausgesetzt hat! Machen Sie doch nicht diese Sprüche!)

    — Herr Kollege Wehner, Sie können mich in dieser Frage nicht provozieren. Das möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen.

    (Wehner [SPD] : Das verstehe ich! Sie sind selbstsicher!)

    Ich meine jedenfalls, daß niemand hier — ich sage es noch einmal — so tun sollte, als habe er die bessere moralische Position für sich. Auch bei Zwischenfragen sollte in diesem Parlament nie-



    Vogel (Ennepetal)

    mand so fragen, als habe er diese bessere Position auf seiner Seite.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Der Schiedsrichter sind Sie — in eigener Sache! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : 1931 hat er noch anders gesprochen!)

    Herr Kollege Maihofer hat Überlegungen angestellt, von denen ich zunächst einmal sagen möchte, daß sie im Ansatz ehrlicher als die Diskussion sind, die im übrigen über die Frage der Verjährbarkeit oder Unverjährbarkeit von Mord geführt wird. Ich meine, daß es sich lohnt — ich kann Herrn Kollegen Maihofer nichts vorwegnehmen —, sich auch im weiteren Beratungsgang mit diesen Überlegungen des Kollegen Maihofer auseinanderzusetzen. Sie haben für sich, daß konsequent eine Linie weitergeführt wird, die einer Entscheidung des Deutschen Bundestages im Jahre 1969 entspricht. Damals hat der Deutsche Bundestag entschieden, daß Völkermord, d. h. ein Verbrechen, das den Tatbestand des § 220 a des Strafgesetzbuchs erfüllt, nicht verjährt. Das ist der Anknüpfungspunkt für Herrn Kollegen Maihofer. Er muß uns nur hilfreich sein, Bedenken auszuräumen, die sich hier auftun können.
    Herr Kollege Maihofer, wir müssen bei solchen Überlegungen den Verdacht vermeiden, es könne sich hier um ein Sondergesetz für bestimmte Tätergruppen handeln. Dies ist ein rechtsstaatliches Erfordernis. Dies müssen wir klar „abklopfen", und wir müssen uns auch mit der Frage auseinandersetzen, ob dies nicht eine Umgehung des im Strafrecht geltenden Rückwirkungsverbots ist; denn zu unserem Strafrecht gehört es, daß es einige eherne Grundsätze gibt, an denen wir nicht rütteln können, wenn der Rechtsstaat bei uns nicht Schaden leiden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu gehört auch die strikte Einhaltung des Rückwirkungsverbotes, weil wir sonst nämlich Unrecht begehen. Diese Bedenken werden auszuräumen sein, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Maihofer, wenn Sie in Ihren Ausführungen auch dazu einiges sagen könnten, um uns zu zeigen, ob hier möglicherweise eine Brücke ist, die es uns möglich macht, die Frage, die sich konkret jetzt stellt, zufriedenstellend zu beantworten, ohne daß wir die Frage der Verjährbarkeit von Mord insgesamt heute anders als 1969 entscheiden.
    Im übrigen hat mir noch niemand die Frage beantwortet, warum wir heute — das ist eine so allgemeine Fragestellung — zwar den Mord, aber nicht den Totschlag für unverjährbar erklären wollen. Diese Frage kann mir niemand schlüssig beantworten. Wer hier A sagt, muß, wie ich meine, auch bereit sein, B zu sagen.
    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich etwas anderes ansprechen, wo ich aus eigener Erfahrung meine, in dieser Debatte etwas beitragen zu können. Ich habe in meinem früheren Beruf als Richter einige Jahre mit der Entschädigung von NS-Opfern als Entschädigungsrichter zugebracht. Ich bin Strafrichter im Schwurgericht gewesen, habe
    als Strafrichter im Schwurgericht im Jahre 1960 einen großen KZ-Prozeß gehabt, wo die Ärzte des Konzentrationslagers Sachsenhausen auf der Anklagebank saßen, ich habe einen Judendeportationsprozeß gehabt. Ich meine, daß das eine Erfahrung ist, die man eigentlich haben sollte, wenn man eine letztgültige Antwort auf die hier gestellten Fragen geben will.
    Ich kann niemandem von Ihnen die erdrückende Atmosphäre in einem solchen Prozeß vermitteln, wo eine unmenschliche Vergangenheit für die zur Gegenwart wird, die an diesem Prozeß beteiligt sind, wo die Vergangenheit für die Täter, für die Opfer, für die Richter, für die Staatsanwälte und für die Verteidiger in die Gegenwart hineingeholt wird. Man muß das erlebt haben, wenn in einem solchen Prozeß plötzlich die Schergen von gestern ihren Opfern gegenüberstehen und die Opfer ihren Schergen von gestern gegenüberstehen und in ihnen das, was sie an Grauen erlebt haben, wieder aufbricht. Solche Prozesse werden von' denen, die daran beteiligt sind, nicht geführt, sondern solche Prozesse werden erlitten. Daran muß, wie ich meine, jeder denken, der hier ohne einen solchen Realitätsbezug redet.
    Und dann muß man auch wissen, in welcher Situation sich die Gerichte, die Richter befinden, wenn sie auf der einen Seite um das Grauen wissen, das in einem Konzentrationslager tagtäglich war, und wenn sie auf der anderen Seite wegen der Beweisschwierigkeiten nicht in der Lage sind, den Täter zu identifizieren und festzustellen, ob der, der dort als Angeklagter vor ihnen sitzt, der Täter ist, inzwischen 20, 25, 30 oder 35 Jahre älter als zu der Zeit, als er in einem solchen Konzentrationslager gewesen ist.
    Herr Kollege Erhard hat heute morgen diese Frage angesprochen: Gibt es denn überhaupt eine Chance, heute noch in diesen Prozessen der Wahrheit auf die Spur zu kommen, die Wahrheit herauszufinden? Und wie ist denn eigentlich, ohne daß wir der Wahrheit auf die Spur kommen können, Gerechtigkeit gegenüber den Tätern und Gerechtigkeit gegenüber den Opfern möglich? Und welche Chance hat denn das Gericht wirklich, bei der Suche nach Wahrheit ein hohes Maß an Wahrheit zu ermitteln und die belastenden und — was ja auch seine Pflicht ist — die entlastenden Tatumstände festzustellen? Dies gehört doch wohl zu einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren.
    Was am Schluß für die Richter in einem solchem Prozeß übrigbleibt, kann ich Ihnen aus eigenem Erleben sagen: Es ist ein schlechtes Gewissen beim Urteil, ein schlechtes Gewissen in dem Bewußtsein, weder die Wahrheit gefunden zu haben noch in der Lage gewesen zu sein, dem, was dort geschehen ist, wirklich gerecht zu werden — ich sage noch einmal: gegenüber dem Täter und auch gegenüber dem Opfer.
    Der Richter, dem wir das alles weiterhin zumuten wollen, erlebt und durchlebt die Begrenztheit menschlicher Wahrheitssuche und die Begrenztheit irdischer Gerechtigkeit. Er kann dabei eigentlich nur demütig werden.



    Vogel (Ennepetal)

    Es geht nicht darum, dem Gebirge an Schuld und Unheil, das hinter uns liegt — wie Adolf Arndt gesagt hat —, den Rücken zu kehren. Natürlich werden die Richter das ja noch viele Jahre tun müssen. Natürlich werden die Richter ihre Aufgabe weiterhin wahrnehmen. Und es ist auch ihre Pflicht, diese Aufgabe wahrzunehmen. Sie werden noch viele Jahre „kleine demütige Kärrner der Gerechtigkeit" sein.
    Aber Ludwig Raiser — um ihn noch einmal zu zitieren — hat doch recht, wenn er unter Berufung auf Adolf Jahn die Verjährung eine Schutzvorkehrung gegen die Gefahr des Justizirrtums und ein Menetekel vor der Hybris irdischer Justiz genannt hat.
    Meine Kolleginnen und Kollegen, uns steht es nicht zu, Jüngstes Gericht zu spielen. Justitia und Judicium, so hat Rainer Barzel 1965 in der Verjährungsdebatte hier gesagt, sind nicht dasselbe, und eine iustitia triumphans gibt es hier auf Erden schon gar nicht. Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns auch bescheiden bleiben, lassen Sie uns auch die christliche Tugend der Demut in dieser Frage fühlen. Die Verjährung verzichtet der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wegen auf die letzte Gerechtigkeit. Derjenige, der einen solchen Standpunkt einnimmt und vielleicht andere durch einen solchen Standpunkt provoziert, kann nur die, die er provoziert, um Verzeihung bitten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Waltemathe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Waltemathe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Plenartag des Deutschen Bundestages müßte eigentlich eine Lehrstunde für parlamentarische Demokratie und gleichzeitig für den antifaschistischen Auftrag der Demokraten sein; denn hier stehen ja keine partei- oder fraktionsspezifischen Meinungen zur Debatte, wohl aber geht es um die demokratische Substanz.
    Ich finde es in diesem Zusammenhang richtig und begrüße es, daß das Stichwort „Gewissen", das sicher nicht ohne Absicht gesprochen worden ist, schon lange vor Beginn dieser Debatte gefallen ist. Damit wurde klargestellt, es soll sich erstens nicht um einen juristischen Gelehrtenstreit, sondern um die persönliche politische Haltung eines jeden einzelnen von uns Abgeordneten handeln, und zwar zu einem Anlaß, der eine klare und gewissenhafte Entscheidung . dringend erfordert. Zweitens — auch der Bundeskanzler hat das heilte morgen bereits klargemacht — geht es nicht um vordergründige Machtfragen wie bei den meisten Debatten dieses Parlaments, es geht nicht darum, ob man einer Koalitionsvorlage zustimmt oder ihr ablehnend gegenübersteht, sondern ganz schlicht um das Selbstverständnis und das Selbstbewußtsein von Politikern, die der Freiheit und der demokratischen Grundordnung verpflichtet sind, mithin aus der braunen Diktatur gelernt haben sollten, Diktaturen in Zukunft zu verhindern.
    Nun stimme ich zunächst einmal mir Herrn Vogel (Ennepetal) dahin überein, was den Anlaß dieser Debatte anlangt. Auch ich gehe davon aus, daß wir heute nicht debattiert hätten, ob und welche Verjährungsfristen für Mord im Strafrecht zu verankern sind oder auch nicht, wenn nicht, falls nichts geschieht, am 31. Dezember dieses Jahres ein Zustand entstehen würde, wo ein Mörder, der sich in der Zeit des deutschen Faschismus der Ermordung von Menschen schuldig gemacht hat und bislang unentdeckt oder unauffindbar geblieben ist, auf einmal herkommen und sagen könnte:,,Jawohl, ich habe Menschen umgebracht, soundsoviel waren es; ich habe damals nichts als meine Pflicht getan", und wir müßten hilflos zusehen, wie entsprechende Bilder auftauchen, möglicherweise Illustriertenserien erscheinen und neue Filme gedreht werden. Dies ist also der Anlaß, ob wir zulassen wollen, daß Teilnehmer am damaligen staatlichen Terrorismus davonkommen sollen, sich womöglich noch zu ihren Untaten bekennen dürfen, oder ob sie mit Feststellung ihrer persönlichen Schuld unabhängig von irgendwelchen Fristen rechnen müssen.
    Auch wenn ein Gesetzentwurf beraten wird, der ganz allgemein die Unverjährbarkeit der Strafverfolgung von Mordtaten postuliert, wir hätten keine Veranlassung, ein solches Gesetz zu diskutieren, gäbe es nicht das Problem der Nazi-Mörder. Dieses Problem ist nicht bloß ein Fertigwerden mit der Vergangenheit mit juristischen Mitteln, sondern vielmehr eine Bewältigung unserer Zukunft, um unserer eigenen demokratischen Glaubwürdigkeit willen. Deshalb werde ich, abgesehen davon, daß ich selbst während der nationalsozialistischen Zeit im Ausland aufgewachsen bin, nicht darauf eingehen, was wohl das Ausland von dieser Debatte und von dem Ergebnis hält, sondern nur darauf, was wir selber davon halten.
    Unser Grundgesetz verpflichtet uns zu antifaschistischem Handeln. Da paßt nun schlecht eine Haltung hinein, die das, was damals Rechtens war, heute nicht als Unrecht ansehen will.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Doppelversion von Gewissen darf es doch wohl nicht ausgerechnet dann geben, wenn es um das höchste Recht des Menschen, nämlich um sein Leben geht. Dieses Menschenrecht ist unteilbar, entweder ja oder nein, ein Drittes gibt es nicht. Oder gibt es etwa doch zwei Wirklichkeiten unserer Geschichte, die' Geschichte der Opfer auf der einen Seite und die Geschichte der heimlichen Sieger, nämlich der Ja-Sager, der Heil-Rufer, der Beiseitegucker, der Pflichterfüller, der jedem Befehl Gehorsamen. Unter einem Mord ganz allgemein kann sich jeder etwas ganz Konkretes vorstellen. Es geht ja um Einzelschicksale, sowohl auf der Seite des Opfers als auch der des Mörders. Selbst bei terroristisch organisierten Morden ist noch eine Teilindividualität erkennbar, wenn auch Parallelen zu Mordtaten aus ideologischer Verblendung und damit zu einer gewissen Anonymität der daran beteiligten einzelnen Individuen gezogen werden könnten. Aber eine staatlich angeordnete, organisierte und staatlich durchgeführte Ausrottungspoli-



    Waltemathe
    tik ist dagegen so ungeheuerlich und so unvorstellbar, daß die Begriffe und die Paragraphen unseres täglichen Lebens offensichtlich versagen und nicht damit fertig werden. Denn was sagt uns schon eine Zahl von 6 Millionen oder einigen hunderttausend? Ist nicht das Nennen von Zahlen schon eine frevelhafte, ja eine gefährliche Abstraktion gegenüber einer Wirklichkeit, die für ganz konkrete Personen ganz konkretes Leiden bedeutete und auch heute noch bedeutet?
    Da gab es diesen Film — „Holocaust" hieß er —, von dem offenbar eine tiefe Bewegung ausging, wahrscheinlich wohl in erster Linie deshalb, weil an Hand von gedachten Einzelschicksalen gezeigt wurde, wie es wohl so ungefähr gewesen ist. Wir aber wollen nicht und sollen auch gar nicht über einen Film reden, sondern über die Wirklichkeit von damals. Diese barbarische, grausame Wirklichkeit, das ist unser Thema heute, wenn wir auch „nur" eine Verjährungsdebatte auf der Tagesordnung unseres Parlaments haben.
    Vielleicht muß man die Schrecken, Opfer staatlich organisierter, von größten Teilen der Bevölkerung schweigend und feige hingenommener Maßnahmen zu sein, in allernächster Nähe erfahren haben. Ich gestehe, daß es mir schwerfällt, Emotionen zu verbergen, wenn ich an das zurückdenke, was ich schon als Kind miterlebt habe. Das begann mit dem Aufdruck „J" im Personalausweis. Das ging weiter mit der Einführung des gelben Sterns. Dann kamen die Razzien. Was ursprüngliche, was existentielle Angst bedeutet, das wird man nicht vergessen, wenn man zurückdenkt an das Geklapper des SS-Stiefel auf der Treppe, an das Abholen des Großvaters aus der Wohnung, an die Hoffnung, die man hatte, daß die Mutter nicht auch noch mitgenommen würde, an die Ungewißheit, an das Wechselbad von Hoffnung und Schrecken. Man klammerte sich an die Hoffnung, schlichten Menschen, die sich doch nichts hatten zuschulden kommen lassen, und kleinen, unschuldigen Kindern werde doch sicherlich kein Haar gekrümmt, und wußte doch ganz genau — man wußte es damals schon —, daß der Transport, der da zusammengestellt wurde, in ein Vernichtungslager ging. Abholen, das war ein ganz schlichtes und harmloses Wort für das, was sich dahinter verbarg: die sogenannte Endlösung. Unter dem Begriff Endlösung wiederum verbarg sich der Tod von Millionen Menschen. Immer wieder muß man sich klarmachen, daß es hierbei nicht um einen Zahlenbegriff geht, sondern um unzählige einzelne, um Gute und Schlechte, um Sympathische und Unsympathische, Reiche und Arme, Fleißige und Faule, Junge und Alte, Kinder und Erwachsene, Deutsche und Ausländer, Kranke und Gesunde, aber in jedem einzelnen Fall um einen Menschen, um ein Individuum mit einem Recht auf sein eigenes Leben.
    In diesem Zusammenhang will ich aber auch sagen, daß ich in Holland als Kind erfahren habe, was menschliche Solidarität und Widerstand konkret heißen. Jedenfalls gab es Menschen — es gab sie auch in Deutschland —, die nicht wegschauten, die nicht danach fragten, welche Karriere ihnen
    wohl verlorengehen könnte, wenn sie sich gegen die Bewegung stellten, die nicht danach fragten, welcher Gefahr sie sich wohl selber aussetzen könnten, sondern 'die eine ganz schlichte Frage stellten — und durch Ihr Handeln auch beantworteten —: In welcher Not befinden sich Mitmenschen, und wie kann ich Ihnen helfen?
    Heldentum hat sich für mich vielfach dargestellt als mitmenschliche Verantwortung, als ein unbewaffnetes Handeln gegen das Unrecht, als Unbeugsamkeit gegenüber der Versuchung des Mitmachens und des Hinnehmens. Mit dem Begriff Widerstand verknüpfe ich persönlich ganz besonders diejenigen Freunde und Nachbarn, die als einfache Menschen nicht um irgendeines öffentlichen Ruhmes willen den vom Terror Verfolgten geholfen haben. Sie fragten nicht, ob die Bedrängten Christen oder ' Konservative oder Kommunisten oder Sozialisten oder Gewerkschafter oder sonst irgend etwas waren.
    Für die Beurteilung der Tapferkeit 'im Widerstand darf es andererseits auch heute keine Rolle spielen, was diejenigen, 'die sich dem Faschismus entgegenstellten, selbst gewesen sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Im konkreten Widerstand spielten Vertreter der Kirche, spielten religiöse Menschen, 'spielten Sozialisten, spielten Kommunisten eine entscheidende Rolle. Wir haben allen Anlaß, diesen Menschen zu danken, auch dann, wenn uns • ihre politische oder religiöse Einstellung nicht passen sollte.
    Kann man also wirklich sagen: Mord 'ist Mord, einerlei ob es sich um einen einzelnen handelt oder ob eine mit äußerster Perfektion und Präzision verfahrende unmenschliche Gesellschaft, ein barbarisches terroristisches System, eine staatliche Mordmaschinerie angebliche Volksschädlinge als „Ungeziefer" bekämpft?
    1871, als das Strafgesetzbuch in Kraft trat, als die Mordparagraphen formuliert worden sind, kannte man wohl noch nicht die Greuel, die ein totalitäres verbrecherisches System im 20. Jahrhundert anrichten würde. Aber heute? Müssen wir heute um unserer Zukunft willen nicht differenziertere Vorkehrungen in unserem Recht treffen — zum Teil haben wir es ja auch 'schon getan, z. B. mit § 220 a —, damit sich bei Taten gegen die Menschlichkeit niemand darauf verlassen kann, die Zeit lösche den Strafverfolgungsanspruch? Ist es nicht so, daß der Individualmord normalerweise innerhalb weitaus kürzerer Zeit als in 30 Jahren aufgeklärt und der Mörder verurteilt wird, weil die Fahndung sofort einsetzt und zumeist sämtliche Beweismittel innerhalb einigermaßen kurzer Fristen nach der Tat gesichert werden können? Und ist es nicht ferner so, daß sowohl die Tätigkeit der 'staatlichen Instanzen als auch die Mitwirkung der Bevölkerung nach einem Individualmord sofort einsetzen, Gleichgültigkeit gegenüber der Tat keine 'Rolle spielt, anders als 'bei der nachträglichen Bemühung um die Aufklärung von staatlichen Massenmorden? Ich kann deshalb sehr wohl verstehen, daß es gute Gründe gibt, Strafverfolgungsverjährungsregeln für den „Normalfall" festzulegen bzw. beizubehalten.



    Waltemathe
    Es kommt aber folgende Überlegung hinzu. Wenn es bei der Verjährung der NS-Morde am 31. Dezember 1979 verbliebe, würden dann nicht alsbald zwei Forderungen nachgeschoben? Hier beziehe ich mich auch auf meinen Vorredner, den Kollegen Vogel — obwohl er es nicht ausdrücklich gesagt und möglicherweise nicht so gemeint hat; aber man könnte es so auffassen —, der von der bedrückenden Atmosphäre in Gerichtssälen sprach. Ich bestreite gar nicht, daß es gerade in solchen NS-Prozessen — Massentransport-, Konzentrationslager-
    oder Einsatzkommandoprozessen — eine bedrückende Atmosphäre in Gerichtssälengibt. Aber ich habe noch nie gehört, daß diejenigen, die zu den Opfern zählten, oder deren Angehörige gefordert hätten: Nun macht mal Schluß mit den Prozessen. Jedenfalls könnte aus Ihrer Bemerkung über die bedrückende Atmosphäre in Gerichtssälen möglicherweise die etwas leichtfertige Schlußfolgerung gezogen werden: Nun machen wir doch damit gleich ganz Schluß.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das ist weit hergeholt!)

    — Ich sage nur, daß es auch so verstanden werden könnte, und wollte jedenfalls darauf eingehen.
    Ich ziehe also, was die NS-Morde betrifft, die Schlußfolgerungen, daß zwei Forderungen vielleicht nachgeschoben werden könnten, wenn am 31. Dezember 1979 die Verjährung einträte. Die erste Forderung, die schon bald erhoben werden könnte, würde lauten, Täter, die man bereits entdeckt und ergriffen hat, nicht mehr vor Gericht zu stellen oder auch laufende Prozesse abzubrechen. Dann käme zweitens wahrscheinlich die Forderung nach einer Generalamnestie der schon Abgeurteilten.

    (Dr. Emmerlich [SPD] : Sehr wahr!)

    Für mich wäre es nach wie vor — ich glaube, das habe ich in meinen . bisherigen Ausführungen deutlich gemacht — die beste Lösung, wenn es differenzierte Regeln für die Strafverfolgungsverjährung von Mordstraftaten gäbe. Ich bitte den Rechtsausschuß unseres Bundestages, dies zumindest zu prüfen bzw. in dem Bericht für das Plenum sorgfältige Ausführungen über eine solche Prüfung zu machen. Es ist ja in diesem Jahr das letzte Mal, daß wir uns, was NS-Mörder und NS-Morde angeht, im Bundestag anschicken, eine Änderung bestehender Verjährungsregelungen zu erarbeiten. Deshalb meine ich, daß dem Bericht des Rechtsausschusses eine große Bedeutung zukommt.
    Mir als einem juristischen Laien ist bislang allerdings eine Überlegung juristischer Art überhaupt nicht klar. Wenn das Verfassungsgericht entschieden hat, daß man Verjährungsregeln als zum formellem Strafrecht zählend verändern kann, auch rückwirkend verändern kann, daß der •Gesetzgeber dazu also eine Vollmacht hat, dann müßte er von einer solchen Vollmacht auch eingeschränkt Gebrauch machen können. Ich bitte, auch diese Frage zu prüfen.
    Die allgemeine Aufhebung der Verjährung ist für mich die zweitbeste Lösung. Es ist denkbar — für
    mich jedenfalls —, daß in späteren Jahren, wenn aus rein zeitlichen und biologischen Gründen sich das Problem der NS-Mörder nicht mehr stellt, das Parlament für den Individualmord hinsichtlich des Strafverfolgungsanspruchs wieder Verjährungsfristen bestimmt. Das könnte so sein; ich weiß es nicht, denn keiner kann insoweit in die Zukunft sehen.
    Die schlechteste Lösung bzw. in meinen Augen eine Nichtlösung wäre es, wenn dieser Bundestag sich nicht mehrheitlich bereit fände, die zur Zeit geltende Verjährungsregelung zu verändern. Ich werde mich deshalb vehement dafür einsetzen, daß NS-Mörder auch nach dem 1. Januar 1980 noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
    Meine Damen und Herren, mir ist durchaus bewußt, daß es verfehlt wäre, darauf zu setzen, Vergangenheit und Zukunft ließen sich allein durch die Justiz bewältigen. Schon die Tatsache, daß lediglich noch diejenigen zur Verantwortung gezogen werden können, die nach § 211 Strafgesetzbuch abzuurteilende Taten ausgeführt haben, läßt es abwegig erscheinen, die Aufgabe der Beurteilung der nationalsozialistischen Zeit den Justizbehörden zuzuweisen. Es bleibt unbefriedigend, daß die geistigen Wegbereiter der nationalsozialistischen Endlösungs- und Verbrechenspolitik mit strafrechtlichen Mitteln offensichtlich nicht faßbar sind. Die Endlösung beispielsweise hätte es logischerweise wohl nicht gegeben, wenn es nicht seinerzeit Menschen gegeben hätte, die diskriminierende sogenannte Rassengesetze erarbeitet, erlassen und kommentiert haben oder sich auf andere Weise um nationalsozialistisches Gedankengut „verdient" gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Es bleibt ein finsteres Kapitel unseres Staates, daß wir es zugelassen haben, daß just solche Menschen prädestiniert sein sollten, in höchste Positionen einer freiheitlich-demokratischen und antifaschistischen Grundordnung zu gelangen.
    Für unsere politische Zukunft muß über Regelungen im Strafgesetzbuch hinaus festgehalten werden: Hitler ist ja nicht vom Himmel gefallen. Er hat nicht 12 Jahre . ohne das Zutun anderer geherrscht und ist dann verschwunden, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Nicht nur die Opfer von damals, sondern insbesondere auch die heutige junge Generation haben einen Anspruch darauf, vermittelt zu bekommen, daß der Faschismus der Jahre 1933 bis 1945 nicht das Ergebnis einer Überrumpelung des deutschen Volkes durch einige wenige Fanatiker war, sondern das Produkt gesellschaftlicher Entwicklungen und der Verquickung handfester wirtschaftlicher Interessen mit politischer Macht. Faschismus, das war der Bau einer Ordnung, in der der Zweck die Mittel heiligte und die einzelnen Menschen zu Befehlsempfängern degradiert wurden. Es waren die Gleichgültigkeit, das Wegsehen oder auch das Nicht-durchschauen-Wollen, trotz besseren Wissens, vieler Menschen. Es



    Waltemathe
    waren Perfektion und Feigheit, die dazu beigetragen haben, daß ein ganzes staatliches System sich schlimmster Verbrechen gegen die Menschlichkeit bediente. Wenn wir als Demokraten künftig bestehen wollen, müssen wir Widerstände gegen unmenschliches Handeln vermitteln, müssen wir mehr Achtung vor Minderheiten haben und entwickeln und auch gegen neofaschistisches Handeln heute konsequenter vorgehen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordnetender FDP)