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    Plenarprotokoll 8/132 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 132. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) - Drucksachen 8/2150, 8/2317 - Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - Drucksachen 8/2406, 8/2470 - in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung - Drucksache 8/2424 - in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung - Drucksache 8/2426 - Dr. Riedl (München) CDU/CSU 10395 C Walther SPD . . . . . . . . . . 10399 D Dr. Wendig FDP 10403 B Dr. Dregger CDU/CSU 10406 D Baum, Bundesminister BMI 10412 D Liedtke SPD 10420 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 10424 D Dr. Gruhl fraktionslos . . . . . . . 10428 B Dr. Nöbel SPD . . . . . . . . . . 10429 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - Drucksache 8/2407 - Dr. Friedmann CDU/CSU 10432 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . . 10435 B Kleinert FDP . . . . . . . . . . 10439 A Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 10442 A Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU . . . 10445 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/2415 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 10448 C Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . 10451 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Glos CDU/CSU . . . . . . . . . 10451 C Ewen SPD 10455 B Eimer (Fürth) FDP 10458 D Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 10461 B Frau Geier CDU/CSU . . . . . . . 10470 C Hauck SPD 10474 D Frau Funcke FDP . . . . . . . . . 10478 A Frau Dr. Wex CDU/CSU . . . . . . 10481 C Frau Dr. Lepsius SPD . . . . . . . 10485 B Präsident Carstens . . . . . . . . 10467 A Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - Drucksachen 8/2411, 8/2470 - Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 10487 D Grobecker SPD . . . . . . . . . 10490 C Hölscher FDP 10493 C Müller (Remscheid) CDU/CSU . . . . 10495 B Lutz SPD 10499 B Kraus CDU/CSU . . . . . . . . . 10501 D Cronenberg FDP 10504 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 10506 B Vizepräsident Frau Funcke . . . . . 10499 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 8/2421, 8/2470 — Dr. Dübber SPD 10509 D Dr. Stavenhagen CDU/CSU 10511 A Dr.-Ing. Laermann FDP 10513 D Dr. Hauff, Bundesminister BMFT . . . 10516 D Dr. Probst CDU/CSU 10519 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/2422 — 10521 C Haushaltsgesetz 1979 — Drucksachen 8/2428, 8/2470, 8/2469 — Metz CDU/CSU 10521 D Löffler SPD 10522 D Beratung der Sammelübersicht 38 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. Dezember 1978 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/2473 — 10523 A Nächste Sitzung 10523 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10525*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 10395 132. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1979 Beginn: 9.00 Uhr Präsident. Carstens: Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Wir fahren mit Punkt I der Tagesordnung fort: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) Ich rufe zunächst die folgenden Einzelpläne auf: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 8/2406, 8/2470 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl (München) Abgeordneter Löffler Abgeordneter Hoppe Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/2424 —Berichterstatter: Abgeordneter Metz Einzelplan 36 Zivile Verteidigung Drucksache 8/2426 — Berichterstatter: Abgeordneter Gerster (Mainz) Im Ältestenrat ist eine verbundene Debatte vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Riedl. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dritte Tag dieser Haushaltsberatungen beginnt mit der Diskussion über den Etat des Bundesinnenministeriums; Anlaß und Ort für das Parlament, präzise Fragen danach zu stellen, mit welchem Erfolg oder — wahrscheinlich — Mißerfolg der amtierende Bundesinnenminister seinen Verfassungsauftrag, vor allem auch als Verfassungsminister, erfüllt. Lassen Sie mich diese Untersuchung mit einer nüchternen Feststellung beginnen. Ich halte — und das Beispiel von Professor Werner Maihofer zeigt es — für äußerst problematisch, daß so wichtige Staatsamt des Bundesinnenministers mit dem Vertreter einer in sich zerrissenen und von rund 95 % unserer deutschen Wähler nicht gewählten Partei zu besetzen. Bundesinnenminister Baum steht vor dem gleichen Dilemma, an dem Professor Werner Maihofer gescheitert ist, nämlich vor der unüberbrückbaren Kluft zwischen linkem theoretischem Wunsch seiner Partei und amts- und verfassungsbedingter Wirklichkeit. Professor Maihofer, den wir bei den Haushaltsberatungen vor einem Jahr noch bewundern konnten, ist gescheitert, weil er als jemand, der sich Alternativprofessor genannt hat, die Erwartungen der Linken in seiner Partei enttäuschen mußte. (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!) Amt und Parteiideologie haben diesen ehrenwerten Professor zerrissen. Sein Nachfolger, Gerhard Baum, ist ganz offensichtlich dem gleichen innerparteilichen Druck unterworfen. Seine Verpflichtungen gegenüber den Linken in seiner Partei gehen aber offensichtlich noch weiter als die von Herrn Maihofer. (Glos [CDU/CSU] : Genauso ist es!) Der frühere Bundesinnenminister Hermann Höcherl, dessen Ratgeberkompetenz für die Regierung der Herr Bundeskanzler gestern hier gelobt hat, hat einmal gesagt: Der Bundesinnenminister ist am allerwenigsten dazu berufen, ein Publikumsliebling zu 10396 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Dr. Riedl (München) werden. Nun, meine Damen und Herren, die Opposition verlangt nicht, daß der Bundesinnenminister. ein Publikumsliebling ist. Das hätten wir auch gar nicht so gern, wenn auf dieser Bank völlig unerwartet ein Publikumsliebling säße. Aber das Amt des Bundesinnenministers fordert von dem Amtsinhaber nicht nur ein hohes Maß an echten Führungsqualitäten, sondern auch — und darum geht es bei Ihnen, Herr Minister Baum — ein klares inneres und äußeres Bekenntnis zu den Prinzipien unseres Staates und damit insbesondere die unbeschränkte Einsicht in die Notwendigkeit unserer inneren Sicherheit. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Bundesinnenminister muß der Verteidiger unserer Freiheit vor den Feinden der Verfassung und damit der Verteidiger unseres Staates nach innen sein. Der Bundesinnenminister muß der Verteidiger der Rechte des ganzen Volkes und nicht der Verteidiger elitärer Gruppen sein, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als ein lästiges Hindernis auf ihrem Weg durch die Institutionen betrachten. (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Er steht nicht hinter der Verfassung, er schleicht hinter ihr her! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Sie, Herr Minister Baum, haben weder in Ihrer Amtszeit als Parlamentarischer Staatssekretär noch als Bundesinnenminister bisher den Beweis erbracht, daß Sie für unser Land in diesem Sinne der richtige Verteidiger sind. Ich will dies an vier Beispielen aufzeigen. Beispiel Nr. 1: Kaum waren Sie im Amt, haben Sie mit der langsamen, aber sicheren Entmachtung unseres Verfassungsschutzes begonnen. Als erstes — das war eine Ihrer ersten Amtshandlungen — untersagten Sie die bewährte und notwendige Amtshilfe des Bundesgrenzschutzes für das Bundesamt für Verfassungsschutz, indem Sie die dem Bundesgrenzschutz und sonst niemand anderem zugänglichen Informationen über Reisebewegungen, vor allen Dingen aus der DDR in die Bundesrepublik, unterbunden haben. Sie erleichterten damit die ohnehin schon kaum begrenzte Einreise von Agenten aus der DDR, aber auch die Reisen von Terroristen und Extremisten und der Leute aus der dazugehörigen Grenzzone, die oft noch weit gefährlicher sind. Das ist nicht nur unglaublich fahrlässig, sondern, weil Sie es vorsätzlich getan haben, Herr Bundesinnenminister, eines deutschen Innenministers unwürdig. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn dieser Bundesinnenminister öffentlich wiederholt sagt, die Arbeit des Bundesverfassungsschutzes sollte durchsichtiger gemacht werden, um das Mißtrauen gegen diese Behörde abzubauen, dann hat dieser Bundesminister entweder keine Ahnung, was Verfassungsschutz ist, oder er arbeitet bewußt am sukzessiven, aber sicheren Abbau unseres Sicherheitsorgans Bundesamt für Verfassungsschutz. (Beifall bei der CDU/CSU) Mißtrauen gegen den Verfassungsschutz hat doch nicht die überwiegende Mehrheit unseres Volkes, die diesen Staat will, die diesen Staat bejaht, die für diesen Staat arbeitet und für diesen Staat lebt. Mißtrauen hat, wer gegen diesen Staat ist und an seine Stelle ein anderes System setzen möchte. Wie wollen Sie, Herr Minister, die Beamten, Ihre Verfassungsschutzbeamten noch motivieren, wenn Sie sich als oberster Dienstherr bei jeder Gelegenheit vom Verfassungsschutz distanzieren, ihn nicht verteidigen, seine Befugnisse Stück für Stück abbauen und durch konkludente Handlungen seine Isolierung betreiben? Dem Kollegen Dr. Dollinger verdanke ich einen außerordentlich interessanten Artikel aus der „Nürnberger Zeitung" vom 15. Januar 1979, also von der vorigen Woche. Dieser Artikel über eine Landesdelegiertenversammlung der Jungdemokraten ist überschreiben: „Kritische Diskussionen bei der Landesdelegiertenversammlung der Jungdemokraten." Es heißt hier: „Verfassungsschutz überflüssig" ; Professor Uwe Wesel — das ist der vom Russell-Tribunal —: (Zurufe von der CDU/CSU) „Dieses Amt muß abgeschafft werden" ; Christoph Strässer, Bundesvorsitzender der Judos: „Beste Verfassungsschützer sind die aktiven Bürger." Dann heißt es: „MdB Engelhard" - das ist Ihr FDP-Mitglied in der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Geheimdienste — „hielt sich zurück. — Es gab reichen Beifall." Nicht für Herrn Engelhard, sondern für den Spruch: Verfassungsschutz überflüssig — er muß abgeschafft werden. Herr Bundesinnenminister, Sie bekommen das gleich nach meiner Rede. Außerdem gebe ich Ihnen eine zwei Tage später in dieser Zeitung veröffentlichte Leserzuschrift des in Mittelfranken und in Bayern sehr bekannten Oberstaatsanwalts Alfred Einhorn unter der Überschrift: „Seltsames Demokratieverständnis". Ich kann aus zeitlichen Gründen hieraus nicht zitieren, aber ich möchte Sie bitten, zu diesen beiden Artikeln heute und hier in dieser Debatte des Deutschen Bundestages klar Stellung zu nehmen. Beispiel Nr. 2 ist die Haltung dieses Bundesinnenministers zu dem Problem der Einstellung von Radikalen im öffentlichen Dienst. Auf dieses Problem sind gestern unser Fraktionsvorsitzender und Herr Dr. Barzel eingegangen, und dazu wird heute mein Kollege Dr. Dregger im Laufe dieser Debatte noch gründlich sprechen. Aus meinem Munde nur dies in Kürze: Die von ihnen erfundene — Sie sind der Erfinder der Abschaffung der Regelanfrage — und durchgesetzte Abkehr der Bundesregierung vom Extremistenbeschluß ist die Preisgabe eines wesentlichen Selbstverteidigungsrechtes unseres Staates. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Abschaffung der Regelanfrage von Einstellungsbehörden beim Bundesamt für Verfassungsschutz bedeutet grünes Licht und freie Fahrt für Radikale, für Kommunisten. Die „Süddeutsche Zeitung" hat völlig recht, wenn sie auf der ersten Seite schreibt: „Künftig auch DKP-Mitglieder und Kommunisten im öf- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 10397 Dr. Riedl (München) fentlichen Dienst". Eine Schande für diesen Staat, meine Damen und Herren, wenn wir unter einem Bundesinnenminister, der den Amtseid auf diese Verfassung geschworen hat, so etwas über 30 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichen! (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der FDP) Meine Damen und Herren, jetzt können sie zufrieden sein und sich die Hände reiben, die Eurokommunisten, die Eurosozialisten, die Deutschlandhasser, die Mitterrands, die Berlinguers, die Marchais und wie sie alle heißen haben jetzt ein wesentliches Ziel in der Verteufelung dieses neuen, dieses freien Deutschland erreicht. (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD) Ich bin seit 1952 im öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren. Als ob es bei uns je eine Hexenjagd bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst gegeben hätte! Als ob es Gesinnungsschnüffelei wäre, Regelanfragen durch den Verfassungsschutz beantworten zu lassen! Als ob es bei uns je Berufsverbote gegeben hätte! Bei uns gibt es klare Voraussetzungen für die Einstellung in den öffentlichen Dienst. Die wichtigste Voraussetzung ist die, kein Verfassungsfeind zu sein; und die muß erfüllt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Dabei weisen die vorhandenen Zahlen diesen Unsinn ganz klar nach. Sie haben meist Ihren elektronischen Taschenrechner dabei. Nehmen Sie ihn einmal aus der Tasche und rechnen Sie nach. Ich nehme jetzt ein Beispiel aus dem Freistaat Bayern, dem ja gerne von Ihnen nachgesagt wird, daß er besonders schnüffelfreudig sei. Im Freistaat Bayern sind in den Jahren 1973 bis 1977 von rund 130 000 überprüften Bewerbern rund 90 — in Ziffern: neun null — nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt worden. Jetzt muß der Computer rechnen. Das sind 99,9 %. (Zurufe von der SPD) Das ist der gleiche Prozentsatz wie auf Bundesebene. Und dann reden Sie davon, daß die Jugend in unserem Lande durch die Regelanfragen verunsichert werde. (Zurufe von der CDU/CSU und von der SPD) Sie sind mir schöne Mathematiker. (Heiterkeit) Im übrigen werden wir sehr genau darauf achten — hier deutet sich ein neuer Konflikt an —, ob der Bundesdisziplinaranwalt wie bisher — rechtlich völlig einwandfrei — Ermittlungen gegen solche Beamte auch künftig veranlaßt, die durch Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen gegen ihre Dienstpflichten verstoßen. Wir werden es, Herr Innenminister Baum, nicht hinnehmen, wenn Sie versuchen sollten, diese Aufgaben des Bundesdisziplinaranwalts zu beschränken oder ihm eine Rechtsauffassung aufzunötigen, die dem geltenden Recht nicht hundertprozentig entspricht. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein weiteres Beispiel, das die Linkslastigkeit eines Bundesinnenministers namens Gerhard Baum beweisen soll. Das ist Ihr Nachgeben gegenüber dem linken Druck im Bereich der Kulturpolitik. Ich meine hier die Filmförderung. Da erhält aus Steuermitteln des Bundes der Regisseur Werner Herzog 1,135 Millionen DM innerhalb von sechs Jahren, der bei der Uraufführung seines Filmes „Nosferatu" wörtlich folgendes gesagt hat — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —: In Deutschland, wo die terroristische Tätigkeit die Polizei nur um so allgegenwärtiger und sichtbarer gemacht hat, leben wir alle unter ständiger Bewachung und sind uns dieses Umstandes auch wohl bewußt. Die Angst ist unser tägliches Brot. (Lachen bei der CDU/CSU) Persönlich habe ich keine Angst; aber ich finde, daß unsere Gesellschaft immer unterdrückender und repressiver wird. Dieses Klima der Unterdrückung spiegelt sich notwendig in der Literatur und im Film. Wir sind Zeuge der Geburt einer Gegenkultur als Reaktion auf eine überintellektuelle, allzu rationalistische und hypermechanisierte Gesellschaft. Meine Damen und Herren, da kassiert ein Werner Fassbinder vom Bund in den letzten Jahren 3,4 Millionen DM, davon allein 1,2 Millionen DM aus Filmförderungsmitteln des Bundesinnenministeriums, und beschimpft dafür im US-Magazin „Newsweek" die Bundesrepublik Deutschland als das Land mit der miesesten Filmförderung. Natürlich stagniert die Filmförderung des Bundes. Aber statt daß die vorhandenen bescheidenen Mittel dafür verwendet werden, filmische Beiträge zur Weiterentwicklung unserer pluralistischen Kultur zu fördern, kommen diese Steuermillionen zu einem beträchtlichen Teil jenen zugute, die diesen freiheitlichen Pluralismus mit filmischen Mitteln total kaputtzumachen versuchen, und das geht nicht. (Beifall und Zurufe von der CDU/CSU) Lassen Sie mich noch ein viertes Beispiel nennen, das den ganzen Zwiespalt dieses Ministers aufzeigt. (Zuruf von der CDU/CSU: Liberale Staatsräson) Mit dem Herzen und — Herr Minister Baum, wenn Sie ganz ehrlich sind — dem Verstand sind Sie auf der Seite der Kalkar-Gegner gewesen, als Bundesinnenminister aber sind Sie Teil jenes Rücktrittskartells gewesen, das Ihr Parteivorsitzender Genscher zur Überwindung eben jener Kalkar-Gegner und zur Disziplinierung der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag in einer dramatischen Drohgebärde zur Geltung gebracht hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Es muß doch jedem aufrichtigen und liberal denkenden Menschen in unserem Land den Magen um- 10398 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Dr. Riedl (München) drehen, wenn er diese Drohungen des Parteivorsitzenden gegenüber seinen Parteimitgliedern — und Sie waren eines der Hauptdrehwerkzeuge in dieser Angelegenheit — zum Kern einer innerparteilichen und parlamentarischen Auseinandersetzung macht. In Abwandlung eines viel zitierten, auch von Herrn Wehner gestern wieder gebrachten und einem früheren sächsischen König zugeschriebenen Zitats muß ich sagen: Ihr seid mir schöne Liberale. Da geht es bei uns in der CSU weitaus liberaler zu; das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD]) — Herr Ehmke, was meinen Sie, wie ich mich freuen würde, wenn Sie einmal zu mir auf eine CSU-Versammlung nach München kämen. Das könnten Sie gar nicht aushalten. Kommen Sie doch einmal! (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD] : Das werde ich tun! — Löffler [SPD] : Zum Skatspielen?!) Unsere Kritik an Ihnen, Herr Bundesinnenminister, betrifft nicht nur Ihre Handlungsunfähigkeit gegenüber den Linken. Die CDU/CSU hat Ihnen auch eine Reihe schwerwiegender Konzeptionslosigkeiten vorzuhalten. Ich darf aus zeitlichen Gründen nur einige wenige Beispiele nennen und als erstes die seit 1969 angekündigte und inzwischen kläglich gescheiterte Reform des öffentlichen Dienstes herausgreifen. Seit Antritt der SPD/FDP-Koalition 1969 in den Regierungserklärungen immer wieder groß dargestellt, hat der deutsche Steuerzahler dafür mehr als 10 Millionen DM aufwenden müssen. Noch zum Haushalt 1978 hat die Bundesregierung ein neues Aktionsprogramm, dessen Inhalt zugegebenerweise sehr verschwommen war, angekündigt, und der Kollege Liedtke mußte im Auftrag seiner Fraktion die künftigen Punkte einer Reform des öffentlichen Dienstrechts ganz detailliert vorbeten. Ich habe damals in der Haushaltsdebatte vor einem Jahr gesagt: Man braucht kein Prophet zu sein, um das unrühmliche Ende auch dieser Bemühungen vorherzusehen. Darauf haben Sie auf der linken Seite alle gelacht. Vor kurzem hat es auf der beamtenpolitischen Tagung des Deutschen Beamtenbundes in Bad Kissingen eine große Beerdigung gegeben, und der Zeremonienmeister war der Herr Bundesinnenminister. Er hat wörtlich gesagt: Ich werde das Wort Dienstrechtsreform in Zukunft vermeiden. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Dazu möchte ich etwas salopp sagen: Heiße Luft und Kuchenkrümel sind das Ergebnis jahrelanger Bemühungen, die den deutschen Steuerzahlern über 10 Millionen DM gekostet haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Erneut und eindringlich muß ich darauf hinweisen, daß eine Reform des öffentlichen Dienstrechtes in der Tat aber notwendig ist. Anstatt die Steuergelder für utopische Vorstellungen über die radikale Umgestaltung des öffentlichen Dienstrechtes zu verschwenden, wäre es besser gewesen, dieser Bundesinnenminister und sein Vorgänger hätten sich mit den tatsächlichen Problemen unserer Beamtenschaft befaßt. Aus der Vielzahl der unerledigten Probleme darf ich Ihnen nur einige ins Gedächtnis zurückrufen. Vielleicht sind sie für Sie Anlaß, im nächsten Jahr, wenn Sie noch im Amt sein sollten, Herr Innenminister, eine Antwort dazu zu geben. Wie steht es mit der Verwirklichung des Grundsatzes der funktionsgerechten Besoldung? Wie steht es mit der Entwicklung von praktikablen Systemen zur Dienstposten- und Leistungsbewertung? Wie steht es mit der Vereinheitlichung der Besoldungsstruktur, insbesondere der vergleichbaren Funktionen? Wie steht es mit der vollen finanziellen Gleichstellung der kinderreichen Beamten mit Beamten mit weniger Kindern? Aber statt sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, konzentrieren Sie sich mit Ihrer ganzen Arbeitskraft darauf, wie Sie aus der geringen Zahl Ihrer FDP-Mitglieder die hohen Positionen in Ihrem Amte besetzen können. Das ist offensichtlich Ihre Reform des öffentlichen Dienstrechtes. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe dem Kollegen Wehner im letzten Jahr schon gesagt, er soll sich einmal das Gliederungsschaublatt des Innenministeriums nehmen und mit den gängigen Farben, die für die Bundestagsparteien verwendet werden, anmalen? FDP gelb, CDU/ CSU natürlich schwarz, und SPD rot. Da werden Sie, Herr Wehner, ein gelbes Gemälde finden. Ein einziger Roter ist dabei — der beschummelt Sie nämlich auch —, (Heiterkeit) und zwei, drei Schwarze. (Beifall bei CDU/CSU — Anhaltende Heiterkeit) Er weiß es. O, der Herr Wehner kennt die Personalpolitik des Bundes ganz genau. Aber er sagt sich: Laßt doch den Innenminister machen, was er will; die übrigen Ministerien haben wir, und da setzen wir unsere Genossen schon rein; da braucht sich der Riedl keine Sorgen zu machen. — Ich weiß schon, wie Sie das machen. (Anhaltende Heiterkeit bei der CDU/CSU — Wittmann [Straubing] [SPD] : Von Ihnen gelernt!) — Ach, das können Sie von uns gar nicht gelernt haben, weil wir das in Bayern ganz anders machen, Herr Wittmann. (Heiterkeit) Ein weiteres Beispiel für Ihre Konzeptionslosigkeit ist das Thema „Deutsche Nationalstiftung", ein außerordentlich ernstes und für jeden Deutschen betrübliches Kapitel. Vom Bundeskanzler Helmut Schmidt immer groß angekündigt, zerbarst dieses Projekt im vergangenen Jahr leider Gottes wie eine Seifenblase. Natürlich wissen wir — ich will das hier ganz offen ansprechen —, daß die Sowjetunion ihren bekannten Widerstand gegen die Deutsche Nationalstiftung geltend machen würde, so wie sie gegen alles ist, was in Berlin neu entsteht. Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 10399 Dr. Riedl (München) Aber es fehlte doch bisher, ganz unabhängig von den sowjetischen Drohungen, ein klares Konzept dieser Bundesregierung und des dafür verantwortlichen Bundesministers, und es fehlte der klare Durchsetzungswille dieser Regierung für diese Stiftung. Jahr für Jahr stehen in diesem Haushalt 12,5 Millionen DM, und Sie trauen sich nicht einmal, als Zweckbestimmung zu schreiben: „Deutsche Nationalstiftung Berlin" . (Zuruf des Abg. Haase [Kassel] [CDU/CSU]) Aus diesem Grund wiederholen wir unseren Antrag auch in dieser Debatte und stellen ihn zur Abstimmung. Die Deutsche Nationalstiftung muß geschaffen werden, und sie gehört nach Berlin. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich muß mich leider sehr kurz fassen, weil die Zeit drängt. Ich will nur ganz knapp noch das vierte Beispiel für Konzeptionslosigkeit anschneiden. Das betrifft die Standortfrage der Abteilung Terrorismusbekämpfung des Bundeskriminalamts. (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ein Trauerspiel!) — Das ist ein Trauerspiel, Kollege Haase. (Zuruf des Abg. Gerster [Mainz] [CDU/ CSU]) Wir haben sowohl im Innenausschuß als auch im Haushaltsausschuß vor Jahren immer gesagt: Die Terrorismusbekämpfung gehört abteilungsmäßig zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden. Nur die Eierköpfe in der Regierung haben sich gedacht: Jetzt kommen die großen Erfolge in der Terrorismusbekämpfung; sozusagen Mogadischu in Fortsetzung. Da wollen wir die Erfolge möglichst regierungsnah hier in Bonn haben, (Zuruf des Abg. Haase [Kassel] [CDU/ CSU]) Und was haben Sie gemacht? Sie haben die Abteilung TE -- Terrorismusbekämpfung — nach Bad Godesberg gelegt. Dann hat der Herr Maihofer gemerkt: Na, so arg ist das auch nicht mit der Terrorismusbekämpfung; da gibt es ja Fehlschläge; da gibt es ja Mißerfolge. (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Durch Glatteis!) Das wollen wir von der Regierung lieber wegnehmen, damit die Fehler dem Herrn Bundeskanzler und mir nicht allzu sehr angelastet werden. — Schwupp! Man hat die Beamten ins Auto gesetzt und die ganze Abteilung mit vielen, vielen Millionen Kosten — der Steuerzahler bezahlt ja — wieder nach Wiesbaden versetzt. In einem hochmodernisierten, industrialisierten Staat, von dem man erwarten muß, daß er die Verbrechensbekämpfung bis aufs I-Tüpfelchen beherrscht, weiß man nicht einmal, wo man die Abteilung Terrorismusbekämpfung hinsetzt. Ihr seid mir schöne Terroristenbekämpfer, wenn ihr nicht einmal wißt, wohin diese Abteilung lokalmäßig in einem so überschaubaren Land wie der Bundesrepublik Deutschland hingehört! (Bravo-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU) Ich bin am Ende. (Heiterkeit) — Ja, ja. Das ist der berühmte Satz, den die Parlamentarier immer machen, damit Sie etwas zum Lachen haben. Ich weiß das schon. Aus diesem Grund habe ich ihn auch gesagt. Vor einem halben Jahr gab es an der Bundeswehrhochsdiule in München eine Diskussion über das Problem der Radikalen im öffentlichen Dienst. Da war auch ein Mann dabei, der in München und in Bayern bei allen politischen Kräften höchstes Ansehen genießt: der frühere bayerische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner. Dr. Wilhelm Hoegner ist in der Diskussion nach seiner Meinung über die Radikalen im öffentlichen Dienst befragt worden. Er hat ganz schlicht und einfach gesagt: Meine größte Befürchtung ist es, daß der heutige demokratische Staat zu wenig von seinen Machtmitteln Gebrauch macht, um Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. Herr Bundesinnenminister Baum, die Telefonnummer von Herrn Wilhelm Hoegner können Sie in jedem Münchener Telefonbuch lesen. Rufen Sie ihn doch einmal an und fragen ihn, was er von Ihrer Politik im allgemeinen und Ihrer jüngsten Entscheidung über die Abschaffung der Regelanfrage im besonderen hält. Wir fordern diesen Bundesinnenminister auf: Erfüllen Sie Ihren Verfassungsauftrag, sorgen Sie für die Erhaltung unseres Rechtsstaates, und halten Sie uns die Kommunisten aus dem Staatsdienst fern! (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn Sie dies tun, haben Sie uns auf Ihrer Seite. Da Sie dies aber nicht können, lehnen wir Ihre Politik ab und damit folgerichtig auch Ihren Haushaltsplan. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Carstens: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walther. Walther (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben wieder einmal eine Neuauflage des Schauspiels erlebt, das da heißt „Wer kann besser polemisieren, die CSU oder die CDU?" Da nach Herrn Riedl der nach seiner Wahlniederlage in Hessen nur noch als „Zampanio" zu bezeichnende Herr Dregger kommen wird, mußte er natürlich zeigen, daß er es besser kann, so wie Herr Biedenkopf ja Herrn Kohl gesagt hat, wer es besser können sollte. (Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Ritz [CDU/CSU): Das war ein toller Einstieg!) Ich werde auf die einzelnen Punkte, die Herr Kollege Riedl angesprochen hat, noch zurückkommen. Nur, Herr Kollege Riedl: eine Haushaltsrede war 10400 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Walther das nun wirklich nicht, die Sie heute morgen hier geboten haben. (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU) — Ja, die hören wir jetzt. Ich rede nämlich jetzt über die tatsächlichen Probleme, die in diesem Haushalt stecken. Ich stimme in der Beurteilung des Bundesinnenministers Gerhart Baum mit Ihnen überhaupt nicht überein. Ganz im Gegenteil. Ich sage: dieser Minister hat alle die Lügen gestraft, die ihm vor nicht allzulanger Zeit, als er in seinem Amt begonnen hat, mit Reserve gegenübergestanden haben. Manche haben es ihm nicht zugetraut. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung hat Herr Baum sein Amt hervorragend ausgefüllt und in der relativ kurzen Zeit seiner Amtstätigkeit bewiesen, daß man den zugegebenermaßen schwierigen Pfad zwischen Sicherheit und Freiheit gehen kann, ohne daß das eine dem anderen geopfert werden muß. (Beifall bei der SPD und der FDP) Wir danken Ihnen, Herr Minister, dafür, daß Sie in diesem Amt sozialliberale Positionen wieder deutlich gemacht haben. Das gilt auch — ich komme darauf zurück — für jenen Extremistenerlaß, über den wir uns gestern unterhalten haben und über den wir heute reden werden - Herr Zimmermann wird es wahrscheinlich morgen auch noch tun. Das wird ja sicherlich noch eine ganze Zeit ein Dauerlutscher sein. Wir werden das ertragen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das muß Sie doch nachdenklich stimmen!) — Ich komme noch darauf. Haben Sie doch mal Geduld, junger Mann, Sie sind doch noch nicht dran. Ich wiederhole: das gilt auch für den Extremistenerlaß, den berühmt-berüchtigten, über den wir ja schon lange reden. (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das ist überhaupt kein Erlaß!) — Ob das nun ein Erlaß ist oder nicht, Herr Vogel, das ist doch wurscht. Wir wissen doch, über was wir reden. Wir danken Ihnen dafür, daß Sie mit geholfen haben, den sogenannten Extremistenerlaß so zu modifizieren, daß junge Menschen, die keine notorischen Verfassungsfeinde sind, sich auch dann mit unserem demokratischen Staat identifizieren können, wenn sie kritische Vorbehalte haben. (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Dafür werden die Gegner eingestellt!) — Entschuldigen Sie, Herr Gerster, Herr Kollege Riedl hat doch genau das Argument gebracht, warum das Ganze Unsinn ist. Er hat gesagt, 130 000 seien überprüft worden und 90 seien hängengeblieben. Davon waren ja leider auch eine ganze Menge Sozialdemokraten, Herr Riedl; das haben Sie verschwiegen. Weshalb dann dieser große Aufwand 130 000 junge Menschen zu überprüfen, sie zu verunsichern, damit man 90 herauskriegt, Herr Kollege Riedl? Das macht den ganzen Unsinn Ihrer Praxis deutlich. (Zuruf von der CDU/CSU: Weil die 90 Schaden anrichten können! — Dr. Miltner [CDU/CSU] : Sie wissen gar nicht, wie das geht!) — Natürlich, Herr Miltner, ich war zwar nicht beim Verfassungsschutz wie Sie, aber ich weiß es trotzdem. Wir begrüßen auch ausdrücklich, Herr Minister, daß Sie gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit aus den Fahndungspannen beim Bundeskriminalamt — die werden ja nicht geleugnet, die können nicht geleugnet werden — die notwendigen innerorganisatorischen Konsequenzen gezogen haben. Herr Riedl, bei dieser Umorganisation war eben nicht die Farbe gelb, sondern die Farbe schwarz mit im Spiel. Das hätten Sie fairerweise auch hier zugeben und den Minister dafür loben müssen. Wir bedanken uns auch dafür, daß Sie aus dem Höcherl-Bericht die Konsequenzen gezogen und diese schnell in die Tat umgesetzt haben. Bei alle dem, was uns natürlich bei den Fahndungspannen bedrückt, sollten wir aber auch nicht vergessen, daß es einige bemerkenswerte Erfolge gegeben hat, die ganz offenbar die Logistik der Terroristen angeschlagen haben. Es ist aber weiterhin größte Wachsamkeit geboten. Der Minister sagt das ja auch jeden Tag, an dem er zu diesem Thema gefragt wird. Denn die Internationale des Terrorismus — davon gehe ich aus — hat noch lange nicht aufgegeben. Die Zeit der scheinbaren Ruhe sollte genutzt werden, Herr Minister, auch in unserem Bereich, um die Erfahrungen der Vergangenheit aufzuarbeiten und die Schlagkraft der Polizei von Bund und Ländern noch zu verbessern. Jener Spionagefall, der sich jetzt in Karlsruhe ereignet hat, macht deutlich, was ich damit meine. Ich habe gelesen, daß dort ein Beamter, der schon 14 Stunden im Dienst war, allein geschickt wurde, um den Spion zu fassen und einzusperren. Da gibt es also offenbar auch Führungsschwierigkeiten auf der mittleren Ebene. (Schwarz [CDU/CSU] : Oben nicht, da sind alle gut! Nur unten, der kleine Mann!) Ich möchte in diesem Zusammenhang die Landesregierungen, die es angeht — es sind ja eine ganze Menge CDU-regierter Länder dabei wie in Kiel, Mainz oder Hannover —, auffordern, nun endlich dafür zu sorgen, daß sie die Polizeidichte von 1 : 400 erreichen, ehe sie mit Fingern auf andere zeigen. Denn die Sollstärke ist in vielen Ländern noch nicht erreicht, obwohl — Herr Kollege Friedmann, das wissen Sie aus dem Haushaltsausschuß, das wissen aber viele andere nicht, und deshalb sage ich es hier — der Bund ja die Ausrüstung der Bereitschaftspolizeien voll bezahlt und damit die Länderhaushalte erheblich entlastet. Man sollte sich nicht darauf verlassen, daß der Bundesgrenzschutz als Eingreifreserve immer zur Verfügung steht. Jeder, der die Lage im Grenzschutz kennt — und die Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 10401 Walther Kollegen aus dem Innenausschuß wissen Bescheid —, der weiß, daß dieser wahrend der schwierigen Phase seiner Umstellung auf das neue Ausbildungskonzept nicht noch weiter belastet werden kann, dies um so mehr, als wir auf Grund der von uns nur schweren Herzens geschluckten Verwaltungsvereinbarungen mit dem Land Niedersachsen erhebliche Polizeikräfte des Grenzschutzes nach Gorleben abstellen müssen. Um so mehr — ich denke, da spreche ich für alle hier im Hause — haben wir den Angehörigen der Sicherheitskräfte im Bund und Ländern zu danken für ihren schweren und aufopferungsvollen Einsatz. Ein paar Bemerkungen zu den vom Haushaltsausschuß beschlossenen Kürzungen der Planstellen im Bereich der inneren Sicherheit. Ich will hier deutlich machen, daß diese Kürzungen deshalb erfolgt sind, weil für diese Stellen im kommenden Jahr keine geeigneten Bewerber zur Verfügung stehen werden. Aber ich gebe hier im Deutschen Bundestag öffentlich zu Protokoll, daß wir bereit sind, die Stellen, die benötigt werden, um die zukünftigen Bewerber einstellen zu können, auch bereitzustellen, und daß wir das Sicherheitsprogramm der Bundesregierung voll mittragen, auch den personellen Teil. (Beifall bei der SPD) Vielleicht sollte ich noch darauf hinweisen, daß wir gleichwohl in diesem Jahr 500 neue Stellen im Sicherheitsbereich bewilligen wollen, die mit qualifizierten Bewerbern besetzt werden können. Damit kann ein zusätzliches Stück innerer Sicherheit auf organisatorischem und operativem Gebiet gewonnen werden. Herr Kollege Riedl —,— Ist er weg? — Ach, da ist er ja! Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie sich nach links abgesetzt haben, Herr Kollege Riedl; das entspricht gar nicht Ihrer Art. Sie haben etwas über die angebliche Entmachtung des Verfassungsschutzes gesagt. Wer so argumentiert wie Sie, Herr Kollege Riedl, dem fehlt die notwendige Sensibilität für das Verhältnis zwischen der Demokratie und der Macht geheimer Dienste. (Spranger [CDU/CSU]: Was ist denn das?) Der Bundesinnenminister hat nicht den Verfassungsschutz entmachtet, sondern ihn auf seine eigentliche Aufgabe zurückgeführt. Dafür danken wir ihm. Der Kollege Hugo Brandt hat bei anderer Gelegenheit einmal hier im Deutschen Bundestag gesagt: Der Verfassungsschutz hat seine Aufgabe — Hüter der Verfassung ist er nicht! Hüter der Verfassung, finde ich, sind alle Deutschen, insbesondere auch wir hier in diesem Parlament. Ich möchte nun einen Schwerpunkt ansprechen, der in diesem -Haushalt deutlich gesetzt wird, den aber der Kollege Riedl — er weiß, warum — übersehen hat. Diesen deutlichen Schwerpunkt setzen wir beim Umweltschutz. Hier steigen die Aufwendungen um 52 % auf über 560 Millionen DM. Zusammen mit dem, was in anderen Haushalten und im ERP-Wirtschaftsprogramm steht, sind das mehr als eineinhalb Milliarden DM. Wenn Sie noch hinzurechnen, was Länder, Gemeinden und Private in diesem Bereich investieren, dann wird deutlich, daß dies eine finanzielle Anstrengung besonderer Art ist. Das führt die von manchen in die Diskussion gebrachte These, Umweltschutz führe zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, ad absurdum. Von diesen Mitteln gehen vielmehr bedeutende wachstums- und arbeitsplatzwirksame Impulse aus. Die helfen mit, Arbeitsplätze zu sichern, nicht, Arbeitsplätze zu vernichten, wie es mancher aus dem Lobby-Bereich sagt. (Beifall bei der SPD und der FDP) Ich füge hinzu, daß das Programm für Zukunftsinvestitionen, zwar von der Opposition mitgetragen, aber mit sehr viel kritischen Anmerkungen versehen, wie wir alle noch in Erinnerung haben, in diesem Bereich ganz hervorragend läuft und auch mit dazu beigetragen hat, daß die Bauwirtschaft wieder zu einer Wachstumsbranche geworden ist. Wenn dieses Programm abgeschlossen sein wird, werden wir mit Sicherheit noch nicht. am Ende sein; das ist klar. Aber dann wird die Wasserqualität von Rhein und Main sowie anderer Flüsse deutlich verbessert sein. Das macht deutlich, daß wir auf diesem Wege fortschreiten müssen. Wir begrüßen, daß in diesem Etat 65 Millionen DM eingesetzt worden sind, um Demonstrationsvorhaben für die Luftreinhaltung bei Altanlagen als Pilotprojekte zu fördern. Meine Damen und Herren, das ist ungeheuer wichtig. Sie wissen, daß die Bundesregierung dabei ist, das Bundesimmissionsschutzgesetz zu novellieren. Wir müssen wissen, was bei Altanlagen zumutbar ist. Deshalb ist es notwendig, daß diese Mittel dafür eingesetzt werden. Wir begrüßen dies. Im Zusammenhang mit der geplanten Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes warne ich alle, die die bisherige Regelung verwässern wollen. Wir werden eher ein Scheitern der Novellierung hinnehmen als eine Verschlechterung der bisherigen Anforderungen. Ich hoffe sehr, Herr Minister Baum, daß der von der Bundesregierung im Prinzip gebilligte Entwurf eines Umweltchemikaliengesetzes, den ich begrüße, möglichst schnell auf den Weg gebracht wird. Hier tickt eine Zeitbombe, von der ich behaupte, daß sie noch erheblich gefährlicher ist als die von der Kernenergie ausgehenden Gefahren. Es kommt doch nicht von ungefähr, daß der Stand der Medizin immer höher wird, der Zustand der Volksgesundheit sich aber verschlechtert. Wir wissen schon eine ganze Menge auf diesem Gebiet. Die Wirkungen chemischer Substanzen in der Umwelt, die wir kennen, sind schon gefährlich genug. Wir wissen beispielsweise, daß 15 % aller Krebserkrankungen bei Männern und 5 % aller Krebserkrankungen bei Frauen auf beruflich bedingte Einwirkungen zurückzuführen sind, oder besser gesagt: 1,2 Millionen Menschen der heutigen Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland werden einmal an Krebs erkranken, der auf Umweltchemikalien zurückzuführen ist. (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Die rauchen zuviel!) 10402 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 Walther — Das Rauchen ist noch viel schlimmer, ich weiß, Herr Kollege Haase. Aber ich rede im Moment gerade von den Umweltchemikalien. Ich bitte um Verständnis, daß in diesem Zusammenhang keine Zeit bleibt, um auch noch über das Rauchen zu reden. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Wir wissen, daß beispielsweise noch immer das hochgiftige Pentachlorphenol in Holzschutzmitteln wie Xylamon verwendet wird, obwohl durch die Wirkung von Xylamon bereits schon eine Reihe von Krebserkrankungen entstanden sind. Wir wissen, daß im Ruhrgebiet der Lungenkrebs 1,6mal öfter auftritt als in weniger belasteten Gebieten. Die Aufzählung dessen, was wir wissen, könnte ich hier noch eine Weile fortsetzen. Trotzdem wissen wir noch viel zuwenig; denn rund 63 000 Substanzen gelangen schon jetzt in die Umwelt; jährlich kommen 500 neue hinzu. Von diesen 63 000 haben wir gerade 6 000 auf ihre Cancerogenität geprüft. Tausend haben sich dabei als krebserregend herausgestellt. Meine Damen und Herren, ohne durchgreifende gesetzliche Regelungen und zusätzliche Anstrengungen in der chemischen Forschung werden wir dieser Lage nicht Herr werden. Wir müssen die Wirkungen prüfen, bevor solche gefährlichen Substanzen in den Umlauf kommen. (Broll [CDU/CSU]: Bier zum Beispiel!) Die letzte Gaswolke in Oberbayern hat deutlich gemacht, daß auch eine Störfallverordnung für die chemische Industrie dringend notwendig ist. Ich wäre dankbar, wenn Ihr Haus, Herr Minister, das zur Kenntnis nähme. Ich bin Herrn Staatssekretär Hartkopf dankbar, daß er als einer der wenigen im öffentlichen Bereich auf diese Gefahren aufmerksam gemacht hat. Seine öffentlich ausgesprochene Warnung vor den Wirkungen der Fluorkohlenwasserstoffe beispielsweise sollte dazu führen, Herr Staatssekreträr und Herr Minister, daß derartige Stoffe möglichst schnell in der Bundesrepublik Deutschland verboten werden. Dieser Schwerpunkt, nämlich Chemikalienbereich und Umweltschutz, sollte gleichwohl nicht dazu führen, die Gefahren der Kernenergie zu verharmlosen. Wir sollten uns beispielsweise überlegen, ob wir das Verschweigen, Vertuschen, Verheimlichen von Störfällen in Kernkraftwerken nicht unter hohe Strafe stellen, wie das beispielsweise in Amerika der Fall ist. Wir sollten uns überlegen — ich habe gehört, Sie wollen das —, ob wir jetzt nicht schnell die Konsequenzen aus den Vorfällen in Brunsbüttel ziehen und die Richtlinien für die Anforderungen, die an die Betreiber von Kernkraftwerken und an das Schichtpersonal gestellt werden, hoch ansetzen, um menschliches Versagen, das noch immer das größte Risikopotential darstellt, so weit wie möglich auszuschalten. Meine Damen und Herren, zu einem anderen Thema; ich möchte hier an dieser Stelle die Aufforderung wiederholen, die wir schon im Haushaltsausschuß an die Adresse der Bundesregierung ausgesprochen haben —, zu der Ankündigung des Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung, Fragen der inneren Pressefreiheit gesetzlich regeln zu wollen, wenn sich die Tarifpartner selbst nicht einigen. Herr Minister, ich weiß, daß Sie dieses Thema mit Vorbehalt angehen; Sie haben sich öffentlich dazu geäußert. Trotzdem sage ich: Je größer die Zahl der Regionen wird, in denen Zeitungsmonopole bestehen — Herr Kollege Dregger weiß ja, wie das in Fulda ist; (Dr. Dregger [CDU/CSU]: In Kassel!) deswegen kommt er da immer so gut weg —, um so wichtiger ist eine Regelung, die sicherstellt, daß Pressefreiheit nicht nur das Recht einiger weniger Verleger ist, ihre eigene Meinung durch von ihnen abhängige Journalisten verbreiten zu lassen. (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Siehe „Vorwärts"!) Ich wollte, meine Damen und Herren, heute morgen gern das vorgetragen haben, was der Bund auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturförderung tut. Es ist auch im Interesse der engagierten Beamten, die auf diesem Gebiet arbeiten, wirklich notwendig, daß wir darüber hier im Plenum einmal diskutieren. Ich rege an, daß wir bei Gelegenheit einmal eine solche Debatte führen. Nur, Herr Kollege Dr. Riedl, wenn Sie beklagen, daß die Deutsche Nationalstiftung noch immer nicht gegründet worden ist, dann beklage ich das mit Ihnen. (Spranger [CDU/CSU] : Sie haben die Mehrheit, Sie müssen das ändern!) — Aber entschuldigen Sie, Herr Spranger, Sie sind doch nicht so dumm, wie Ihr Zwischenruf glauben machen könnte. (Spranger [CDU/CSU] : Sie haben eine charmante Art! Diese Rückschlüsse sind besser auf Sie anzuwenden!) Herr Kollege Spranger, Sie wissen doch, welche Hindernisse dem entgegenstehen. Der Standort ist nur ein Punkt unter vielen. (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Die Frage des Standorts könnte doch längst gelöst sein, wenn eine Erklärung der Regierung da wäre!) — Entschuldigen Sie, Herr Miltner, Sie wissen ganz genau, daß es da nicht nur die Frage des Standorts, sondern daß es da auch noch eine ganze Menge föderalistischer Querelen gibt, die immer noch nicht überwunden sind. (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Fordern Sie die Regierung auf, den Standort festzulegen!) Die Frage des Standorts ist für mich zweitrangig, wenn es darum geht, daß wir die Förderung lebender Künstler vorantreiben; die haben es doch verdammt nötig, meine Damen und Herren. Noch ein Wort zur Sportförderung. Meine Damen und Herren, wir gehen von dem Grundsatz aus, daß die Sportförderung, in ihrer ganzen Vielfalt eine gesamtstaatliche Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ist. Dieses Prinzip hat sich bewährt. Es muß weiter gefestigt und ausgebaut werden. Mit den im Bundeshaushalt 1979 zur Verfügung stehenden Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1979 10403 Walther Mitteln kann die Bundesregierung einen erheblichen Beitrag dazu leisten, daß das insgesamt hohe und international anerkannte Sportförderungsniveau in der Bundesrepublik stabilisiert und weiterentwickelt werden kann. Nur, Weltrekorde — Herr Riedl, da sind wir uns sicherlich einig — im Austragen von Welt- und Europameisterschaften sollten wir nicht jedes Jahr wieder neu anstreben wollen. Wegen der wenigen mir noch verbleibenden Zeit kann ich zur Zivilverteidigung nur ein paar Worte sagen, obwohl ich weiß, daß das ein Lieblingsthema meines — soll ich sagen: neuhessischen? — Landsmannes Dregger ist. Die vom Haushaltsausschuß beschlossene Steigerungsrate von 11,5 % ist respektabel. Sie setzt neue Zeichen und hilft mit, insbesondere den Katastrophenschutz — gerade bei den Katastrophenschutzorganisationen bis hin zur Feuerwehr — und den öffentlichen Schutzraumbau exemplarisch zu verbessern. Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten sind mit dem Ergebnis der Haushaltsberatungen über die Einzelpläne des Bundesinnenministers zufrieden. Von ihnen gehen, so meinen wir, erhebliche Impulse für eine gestalterische Form der deutschen Innenpolitik aus. Wir Sozialdemokraten sagen deshalb aus vollen Herzen ja zu diesem Haushalt. (Beifall bei der SPD und der FDP)
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. van Aerssen * 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Dr. Bayerl * 26. 1. Brandt 26. 1. Flämig * 26. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Frau Hürland 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. Klepsch * 26. 1. Klinker 26. 1. Koblitz 26. 1. Lange * 25. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemp * 26. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 26. 1., Luster * 26. 1. Müller (Bayreuth) 26. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Müller (Wadern) * 26. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Frau Dr. Walz * 26. 1. Wawrzik * 25. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Claus Grobecker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Wittgenstein, Heinz Kühn takeln Sie nicht so ab, wie Sie das mit Ihrem Kohl hier machen. Das bilden Sie sich mal nicht ein. Mit solchen Mätzchen geht das nun nicht.

    (Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Entweder Sie haben sachlich etwas einzuwenden gegen die Einrichtung eines solchen Beauftragten — und sachlich ist nichts einzuwenden, das haben wir ja eben gehört —, oder aber Sie lassen die Finger von Heinz Kühn. Was dieser Mann geleistet hat, das müssen Sie erst einmal nachmachen.


    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Jetzt kommen die Tränen! Wann können wir die Füße küssen?)

    Sie müßten eigentlich wissen, daß die Kompetenzen des Bundes gegenüber den Schwierigkeiten und Problemen für ausländische Arbeitnehmer außerordentlich eingeschränkt sind. Sie wissen so gut wie ich, daß man da eigentlich nur etwas tun kann, indem man sozusagen mit jeder einzelnen Länderregierung und Kommune Gespräche führt, daß man da nicht einfach von der Bundesregierung aus sagen kann: so und so wird das nun gemacht. Vielmehr braucht man jemanden, eben so einen Mann wie Heinz Kühn, der überall bekannt ist, der Vertrauen hat, der auch versuchen kann zu koordinieren. Die Stelle ist ja nicht irgendsowas, sondern es ist eine Koordinationsfunktion. Deshalb haben wir geglaubt, wir müßten da mitmachen.
    Wogegen wir uns gewandt haben — das haben Sie nicht gesagt, das überlassen Sie mir —: wir wollten keine neue Stellen schaffen, wir wollten natürlich eine Aufwandsentschädigung geben — das ist klar — für den Fall, daß Aufwand entsteht, und wir wollten einen Beauftragten haben. Aber wir wollten keinen neuen Apparat haben. Dagegen haben wir uns gewandt. Da haben Sie recht. Jetzt wollen wir das mal ausprobieren, wie das funktioniert. Lassen Sie das mal anderthalb Jahre, zwei Jahre laufen. Dann wollen wir gucken, ob das erfolgreich ist.
    Das gleiche gilt ja für das Arbeitsgericht. Herr Wittgenstein, ich finde es gut, daß Sie ausdrücklich sagen, wir hätten das einvernehmlich gemacht. Aber ich hätte Sie mal sehen mögen, wenn der Arbeitsminister gekommen wäre, wo wir doch ganz deutlich rechtzeitig signalisiert haben, restriktiv mit den Personalausgaben zu sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Na sicher, der Finanzminister hat das gemacht. Wir haben das im vorigen Jahr gemacht. Wir haben gesagt: Kommt uns ja nicht mit neuen Beamtenstellen. Wenn der Arbeitsminister mit derart kostspieligen Stellen gekommen wäre, wie die Richter dort in Kassel haben müssen! Deshalb haben wir gesagt, daß wir das nur einvernehmlich über das Parlament machen können, damit die Dinge in Kassel schneller laufen, damit unsere Kollegen, die Arbeitnehmer, nicht zwei, drei Jahre lang auf ihre Urteile warten müssen.

    (Beifall bei der SPD)




    Grobecker
    Wenn das der Minister gemacht hätte! Sie wollen ihm die Verantwortung zuschieben. Das ist nicht richtig. Das kann nur einvernehmlich, auch mit dem Finanzminister, gemacht werden.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Das ist Aufgabe der Regierung!)

    Im übrigen will ich Ihnen einmal etwas sagen, Herr Wittgenstein. Was immer Sie hier zur Kostendämpfung gesagt haben — auch für den Fall, daß es einmal Fingerhakeleien untereinander gibt —: Sie kriegen mit solchen Mätzchen die Koalition nicht auseinander. Im Gegenteil. Wir beweisen damit, daß es bei uns lange Diskussionen, langfristige Meinungsbildungsprozesse gibt. Wenn wir dann zuschlagen, dann machen wir auch anständige Gesetze. Das hat ja das Kostendämpfungsgesetz gezeigt. Wir haben ja Erfolg. Das paßt Ihnen nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Natürlich haben wir Erfolg damit. Es paßt Ihnen nicht, daß wir inzwischen wesentlich weniger Geld ausgeben. Nun fangen Sie hier an zu schüren. Die Freien Demokraten sind keine Sozialdemokraten, und wir sind auch keine Freien Demokraten. Das ist der Punkt. Wir reden darüber, was wir machen können und was wir nicht machen können. Sie werden sehen, daß läuft wie geflutscht, und zwar über 1980 hinaus. Darauf können Sie sich verlassen.

    (Beifall bei der FDP)

    — Sehen Sie, wie das jetzt wieder geht?

    (Heiterkeit)

    Im Zusammenhang mit dem sogenannten Wirtschaftsgipfel — ich mag das Wort auch nicht so gern —, der im Sommer stattgefunden hat, konnten wir alle miteinander feststellen — wir haben das ja inzwischen, jedenfalls teilweise, vollzogen —, daß die Sozialpolitik eben nicht am Ende ist, sondern daß wir sozusagen integriert mit Wirtschafts- und Finanzpolitik auch die Sozialpolitik als ein wichtiges konjunkturförderndes Instrument einsetzen. Es ist nicht so, daß man erst neue Sachen hat erfinden müssen, sondern sie waren fertig. Es sind ja alte, uralte Forderungen der Sozialdemokratie, z. B. die Forderung, bei den Schwerbehinderten die flexible Altersgrenze herunterzusetzen. Dies ist der Zeitpunkt gewesen. Ich sage das deshalb, weil natürlich Herr Wittgenstein als echter Konservativer auch zu denen gehört, die sagen: In der Rezession ist die Sozialpolitik am Ende. Es gibt keine Sozialpolitik mehr. — Das stimmt nicht. Wir haben Ihnen dies bewiesen. Erstens: Die flexible Altersgrenze für Schwerbehinderte ist seit dem 1. Januar schon jetzt um ein Jahr heruntergesetzt, und sie wird im nächsten Jahr noch einmal úm ein Jahr heruntergesetzt. Zweitens wird der viermonatige Mutterschutzurlaub im nächsten Jahr in Kraft gesetzt. Wir haben den Gesetzentwurf vorliegen. Wir werden ihn hier behandeln. Das sind zwei wesentliche Punkte. Das gleiche gilt auch für das Gesetz über die kostenlose Beförderung von Schwerbehinderten. Das sind drei wesentliche Gesetze, die jetzt — in rezessiven Zeiten — behandelt und verabschiedet werden, weil sie dazu beitragen, Konjunkturtiefen zu überwinden. Das bedeutet nicht, daß wir an Stelle von Konjunkturpolitik jetzt Sozialpolitik machten; aber umgekehrt gilt eben auch nicht, daß in der Rezession etwa die Sozialpolitik am Ende sei.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wer hat das gesagt?)

    Meine Damen und Herren, ich will noch ein paar Takte zu dem sagen, was am Arbeitsmarkt los ist. Sie haben die Beschlüsse des Haushaltsausschusses ja eben noch einmal unterstrichen. Es ist eine Tatsache, daß wir 1978 weniger Arbeitslose haben und daß wir mit der ganz vorsichtigen Prognose, mit der wir jedenfalls, die Haushaltspolitiker, versuchen, 1979 einzuschätzen, immerhin in der Lage waren, den Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit um 550 Millionen DM gegenüber dem Entwurf zu senken. Das ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Konsolidierung der Bundesfinanzen, sondern es zeigt deutlich und ist der Beweis dafür, daß die Konjunktur angezogen hat, daß es ein zartes Pflänzchen ist, aber daß wir eben nicht mehr so viel Geld nach Nürnberg überweisen müssen, weil wir weniger Arbeitslose haben.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Weil sie länger arbeitslos sind!)

    In diesem Augenblick haben Sie Anträge gestellt, noch einmal tüchtig hinzulangen. Sie wollten noch einmal 200 oder 300 Millionen DM mehr haben. Sie wollten ursprünglich i Milliarde DM weniger Zuschüsse nach Nürnberg überweisen. Ich meine jetzt auch die Gewerkschafter unter Ihnen. Hier beim Einzelplan 11 treten sie ja immer auf. Sonst sind sie in Ihrer Fraktion nirgends zu sehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage das ohne Häme; im Gegenteil. Herr Wehner hat gesagt, er bemitleidet Kohl. Bei mir ist das immer so: Ich bekomme Mitleidsgefühle, wenn ich einen anständigen Gewerkschafter in den Reihen der CDU sehe. Das ist schon ein schweres Leben für Sie, das sehe ich ein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wie großzügig! Zuruf des Abg. Franke [CDU/CSU])

    — Ich meine ja die richtigen Gewerkschafter, die im
    DGB. Sie meine ich ja nicht. So ist das nicht gemeint.
    Ich wollte nur sagen, daß wir mit diesem Einzelplan 11 das, was bei der Arbeitsmarktpolitik notwendig ist, für 1979 beschließen werden. Wir glauben, daß man davon ausgehen kann, daß die Bundesanstalt mit dem Zuschuß von 2,2 Milliarden DM auskommt.
    Es ist richtig, Herr Wittgenstein, dies muß auch noch einmal geklärt werden: Wenn wir Zuschüsse überweisen, darf uns das Selbstverwaltungsorgan bei der Bundesanstalt in Nürnberg, der Verwaltungsrat, nicht vorwerfen, daß wir im Haushaltsausschuß unser Budgetrecht in Anspruch nehmen. Das muß klar und möglichst einvernehmlich klar sein. Der Rechnungshof hat uns ein Gutachten vorgelegt, das wir im Haushaltsausschuß, Her Windelen, noch einmal behandeln werden. Aus diesem Gutachten



    Grobecker
    geht hervor, daß in dem Augenblick, da wir Zuschüsse leisten, diese Zuschüsse nicht in Nürnberg festgelegt werden, sondern bei uns. Dann wird darüber geredet, wie die Bundesanstalt ihren Haushalt mit unseren Zuschüssen zu gestalten hat. Es geht nicht, daß das Budgetrecht des Parlaments mißachtet wird.
    Herr Wittgenstein, ich sehe ja ein, daß die Situation Sie furchtbar ärgert. Deshalb haben Sie ja auch noch einmal versucht, das mit .der Rentenversicherung hochzuziehen, und zwar so, als sei da etwas nicht in Ordnung.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Ist es auch nicht!)

    Im Gegenteil — das wissen Sie so gut wie ich —: Inzwischen gibt es bei den Rentenversicherungsanstalten wieder Überschüsse von 2,5 Milliarden DM, die 1978 entstanden sind. Das kann man jetzt abschätzen; es kann etwas mehr, es kann etwas weniger werden. Das Konsolidierungsprogramm hat gegriffen. Das ist so!
    Eines der besten Beispiele für die Substanzlosigkeit Ihrer Fraktion ist die Tatsache, daß Sie sich aus den Beratungen sozusagen zurückgezogen haben, weil Sie keine finanziell machbare Alternative zu unserem Konsolidierungsprogramm gehabt haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Jetzt, da wir feststellen, daß das Konsolidierungsprogramm läuft, versuchen Sie, die Angelegenheit auf andere Weise aufzuzäumen.
    Was die Integration der ausländischen Arbeitnehmer angeht — abgesehen von der Einrichtung eines Beauftragten —, so sind die entsprechenden Mittel im Einzelplan 11 um 25 % aufgestockt worden. Diese Erhöhung ist hauptsächlich für Förderungs- und Betreuungsmaßnahmen ausländischer Jugendlicher vorgesehen. Von den gegenwärtig in der Bundesrepublik lebenden 4 Millionen Ausländern sind 950 000 Kinder unter 16 Jahren. Das ist eine neue Entwicklung, die man vor vier oder fünf Jahren so noch nicht hat absehen können.
    Ich will nicht die Debatte über den Einzelplan 15 wiederaufnehmen, wohl aber vorsichtig dies sagen: Kinder gibt es genug. Ich sage das mit der notwendigen Zurückhaltung und bitte das nicht mißzuverstehen. Daß man die Schwierigkeiten in bezug auf die nachziehenden Kinder unserer ausländischen Arbeitnehmer bewältigen muß, vor allen Dingen dort, wo der Knick zwischen dem Schulabgang und dem Eintritt in das Berufsleben ist — dort muß man entsprechende Kurse anbieten —, haben wir im Haushaltsausschuß eingesehen. Das beweist, daß wir eben nicht nur Fiskalisten sind, sondern daß wir Politik machen. Deshalb haben wir den Etat entsprechend aufgestockt. Wir hoffen, daß der Bundesminister für Arbeit und die freien Verbände, die in diesem Bereich tätig sind, diesbezüglich erfolgreich arbeiten können.
    Das gleiche gilt für das Kostendämpfungsgesetz. Wir haben vorhin schon einmal darüber geredet. Wir haben — Sie werden sich daran erinnern, Herr Wittgenstein — zwischen 1970 und 1975/76 im Gesundheitswesen jährliche Kostensteigerungen von 20 % gehabt. Dieses Gesetz ist mit der notwendigen Vorsicht zu betrachten, und es bedarf einer Ergänzung. Ich weiß, daß Sie sich sehr genau in dieser Materie auskennen. Tatsache ist aber, daß wir auf eine Steigerungsrate von 6 % heruntergekommen sind.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Schon vor dem Gesetz!)

    Wir haben von 20 % auf 6 % abgeflachte Steigerungsraten im Gesundheitsbereich. Das bedeutet, daß wir Geld freischaufeln für den Ausbau des Gesundheitsbereichs, aber nicht, weil irgend jemand das in die Tasche stecken will. Wir mußten einfach zu Einsparungen kommen. So ging das nicht weiter. Sonst hätten wir das nicht ausbauen können.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Durch freiwillige Vereinbarung!)

    Dann können Sie sich hier nicht hinstellen — ich kenne Sie ja sonst doch anders — und kleinlich sagen: Das und jenes ist noch nicht so weit. Warten Sie doch mal ab! Bei dem Minister, der die Rentenkonsolidierung hingekriegt, der das Kostendämpfungsgesetz durchgesetzt hat, kommt auch noch der Rest,

    (Prinz zu Syan-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Ich bin überzeugt, daß der Rest kommt!)

    und zwar in dieser Legislaturperiode; darauf können Sie sich verlassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Wort zum Zivildienst. Herr Wittgenstein, da würde ich vorsichtig sein. Keiner wirft Ihnen vor, daß Sie nach Karlsruhe gegangen sind; das ist Ihr gutes Recht. Daß das Gesetz so nicht akzeptiert wurde, ist nun wieder das Bier des Gerichtes. Aber man sollte nicht die Konsequenz daraus ziehen, die Koalition oder die Bundesregierung sei verantwortlich dafür, daß die Zivilplätze nicht besetzt werden können, weil es einen Stau gibt. Wir haben — das wissen Sie doch besser, das können wir hier doch nicht einfach so vertuschen — die Planstellen aus dem Verteidigungsministerium herausgenommen und in die Zivilverwaltung gebracht, damit dort nach unserem Gesetzentwurf zukünftig die Betreuung erfolgen kann. Nun mußten wir das nach dem Urteil revidieren. Das heißt, wir haben die Stellen wieder zum Verteidigungsministerium gebracht. Nun können Sie doch nicht sagen, das müsse genauso flutschen wie vorher. Im Gegenteil! Diese üblen, zu Recht kritisierten Prüfungsverfahren

    (Beifall bei der SPD)

    sind wieder aufgenommen • worden. Das bedeutet, daß versucht wird, diese albernen Gewissensprüfungen Stück für Stück durchzusetzen. Das gibt einen Stau. Deshalb wissen wir, daß nicht mehr als 30 000 Zivildienstleistende in diesem Jahr vermittelt werden können. Es gibt inzwischen wesentlich mehr Stellen, weil wir den Ansatz im letzten Jahr im letzten Haushalt um 50 Millionen DM aufgestockt haben. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Ich bin jedenfalls der Auffassung, daß wir — und



    Grobecker
    Sie sollten dazu beitragen — möglichst schnell ein gemeinsames, interfraktionelles Gesetz einbringen können.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Darauf richtet sich ja die Kritik!)

    — Aber ich bitte Sie, an wen richten Sie denn die Kritik? Dann bitte auch an Ihre Fraktion. Es ist die felsenfeste Absicht, weil es zu einem Gerichtsbeschluß gekommen ist, ein Gesetz zu erarbeiten, das einvernehmlich über die parlamentarischen Hürden gebracht werden kann. Nun können Sie doch nicht uns allein kritisieren. Wir sind doch längst so weit. Wir haben unsere Vorschläge doch auf den Tisch gelegt. Wir haben in der Verteidigungsdebatte gehört, daß es die ersten Gespräche gegeben hat. Es ist nicht fair, uns vorzuwerfen, wir oder das Ministerium hätten geschlurt.
    Ein letztes Wort zur Forschungsförderung. Dies ist ein relativ kleiner Posten in dem Rieseneinzelplan 11. Diese Forschungsförderung ist im Bereich der Humanisierung und der ergänzenden Maßnahmen dringend notwendig. Ich will, was diesen Punkt angeht, deutlich herausstellen, daß ich den Zielen dieser Forschung im Ressort — natürlich auch beim BMFT, aber in diesem Bereich besonders — und den Ausgaben, die dafür notwendig sind, große sozialpolitische Bedeutung zumesse. Es geht darum, Probleme zu lösen, die die technisierte Arbeitswelt und der technologische Fortschritt stellen, z. B. Fragen der Gestaltung der Arbeitsplätze, der Verminderung der Arbeitsbelastung, des Lärmschutzes, des Schutzes vor gefährlichen Arbeitsstoffen usw. Was ich bemängele, Herr Minister, und was wir im Haushaltsausschuß. aufgegriffen haben, ist, daß dieser Etat „Forschungsförderung" ein bißchen nach Bauchladen aussieht, daß reichlich viele kleine Sachen gemacht werden.

    (Zustimmung des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU])

    Es ist kein Etat, der für Wissenschaftler sozusagen die Arbeitslosigkeit vermeiden soll — so gut das für Sie als Arbeitsminister auch ist —, sondern es ist ein Etat, von dem wir Ergebnisse erwarten, die man in Tarifverträge, in Betriebsvereinbarungen umsetzen kann. Deshalb bitte ich Sie, darauf zu achten, daß diese — wie ich zugeben will — geringen Mittel gezielt eingesetzt werden, daß man über ein Jahr oder über zwei Jahre hin verfolgt, was für uns in den Betrieben notwendig ist — wenn ich das einmal als Gewerkschafter so sagen darf —, und daß man dies erforscht, damit man anschließend damit umgehen kann.
    Meine Damen und Herren, man kann in dieser kurzen Zeit nur auf einige wenige Fakten aus diesem Etat eingehen. Ich weiß, daß die erste Runde der Nur-Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuß eigentlich auch nicht die sozialpolitische Runde ist; diese bestreiten die großen Sozialpolitiker.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Das ist sehr wahr!)

    — Das geht Herrn Wittgenstein so wie mir. Dennoch ging es darum, deutlich zu machen, daß in diesem Etat noch ein paar andere Dinge darinstecken als nur das jeweilige Tagesthema, das jetzt wahrscheinlich von Ihnen behandelt wird. Es stecken ein paar Dinge mehr darin. Wir jedenfalls sind der Auffassung, daß dieser Etat auch durch den Haushaltsausschuß so gestaltet und geknetet worden ist, daß er annehmbar ist. Ich wundere mich sehr, daß Sie als Gewerkschafter da nicht mitziehen können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Hölscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war eigentlich etwas traurig, als ich gehört habe, daß Sie für die Opposition sprechen, Prinz zu Sayn-Wittgenstein. Ich hatte mit Herrn Franke gerechnet. Ich war deshalb traurig, weil ich gedacht habe: Das ist ein so anständiger und mäßigender Mensch, das gibt nicht viel Ansatzpunkte. Ich bin aber angenehm überrascht. Sie haben genug Ansatzpunkte geboten.
    Mit zehn Minuten steht mir nicht viel Zeit zur Verfügung. Ich will deshalb nicht nur schnell reden, sondern mich auch möglichst komprimiert ausdrücken. Fangen wir mit dem Zivildienst an. Prinz zu Sayn-Wittgenstein, ich muß Ihnen dasselbe sagen, was wir gestern in der verteidigungspolitischen Debatte schon Herrn Wörner gesagt haben: Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen — vielleicht könnten die Pressedienste der FDP- und der SPD-Fraktion einmal ein Rundschreiben durch die CDU/CSU-Fraktion gehen lassen —, daß bereits seit dem vorigen Jahr in dieser interfraktionellen Kommission miteinander verhandelt wird, daß ein Vorschlag des BMA, eine Stellungnahme des BMA längst vorliegt. Machen Sie doch aber uns nicht zum Vorwurf, wenn das aus strukturellen und hierarchischen Gründen Ihrer Fraktion und auch auf Grund von Informationsmängeln nicht bis zu Ihnen durchdringt.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich halte das natürlich so langsam für peinlich, wenn sich die Vertreter Ihrer Fraktion, z. B. Frau Tübler und Herr Dr. Kraske, redlich in zähem Ringen mit uns bemühen, etwas Vernünftiges zu produzieren, wir im Einvernehmen sind, daß wir den Pressekrieg im Interesse der Sache einstellen wollen, damit hier nicht Positionen aufgebockt werden, von denen keiner mehr herunter kann, und Sie dann aber dasselbe tun wie Herr Dr. Wörner und hier plötzlich wild um sich schlagen. Ich bedaure die Kollegen Ihrer Fraktion, die mit uns zusammenarbeiten müssen, denn man muß langsam den Eindruck bekommen, sie sprächen gar nicht für die CDU/CSU-Fraktion, weil der Rest der Fraktion offensichtlich gar nicht weiß, daß sie mit uns im Gespräch sind.
    Ich muß auch eines zurückweisen: Selbstverständlich sind die Streichungen auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden. Wenn wir noch nicht einmal die offenen



    Hölscher
    Stellen, die bei den Trägern vorhanden sind, besetzen können, brauchen wir auch nicht mehr Mittel für zusätzliche Plätze. Hier liegt im Grunde genommen das Hauptproblem, daß wichtige soziale Funktionen bei einigen sozialen Einrichtungen gar nicht mehr erfüllt werden können, weil wir nicht zuviel Kriegsdienstverweigerer, sondern zuwenig Zivildienstpflichtige haben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch etwas Inhaltliches sagen. Man kann auch in der Kommission darüber reden, aber Sie haben das Thema angesprochen. Für uns als Liberale ist es z. B. sehr wichtig, daß wir einen vernünftigen Verwaltungsunterbau bekommen.

    (Franke [CDU/CSU] : Ihr seid keine Liberalen, wir sind die Liberalen!)

    Dies ist sicher nur unter Mitwirkung des Bundesrates möglich. Ich hoffe hier wirklich auf die konstruktive Mitarbeit der Vertreter der Opposition im Bundesrat, damit alles in eine Form kommt, die es möglich macht, daß sich Mängel aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir sind allerdings als Koalitionsfraktion auch der Meinung — ich hoffe, Sie kennen unseren Vorschlag —, daß wir den Weg, den uns das Verfassungsgerichtsurteil auch anbietet, nämlich den Weg über die Ausgestaltung des Zivildienstes, gehen und weiterhin auf ein Prüfungsverfahren verzichten sollten, weil wir der Meinung sind, daß jede Gewissensüberprüfung, welcher Art auch immer, möglicherweise wieder dazu führt, daß eben Grundrechte nicht frei wahrgenommen werden können.
    Ein anderes Thema, das Sie ansprachen, Prinz zu Sayn-Wittgenstein, ist das des Bundesbeauftragten für ausländische Arbeitnehmer. Ich sage Ihnen in aller Offenheit, man kann wirklich geteilter Meinung sein, ob man einen Bundesbeauftragten dieser Art braucht, zumal wir Bundesbeauftragte haben, die uns nicht nur eitel Freude bereitet haben. Ein bißchen unfair finde ich aber, daß Sie einen verdienten Politiker, bevor er überhaupt eine Chance bekommen hat, zu zeigen, was er auf diesem Gebiet zu leisten vermag, von vornherein abqualifizieren. Dies hätte ich eigentlich gerade von Ihnen, Prinz zu SaynWittgenstein, nicht erwartet.
    Dann haben Sie das Thema der Renten angesprochen. Sie haben von einem Täuschungsmanöver geredet, von Verschleierung der Situation in der Rentenversicherung. Sie haben sogar behauptet, mein Fraktionsvorsitzender Mischnick habe sich gestern für unsere Thesen zur Neuordnung der Rentenversicherung entschuldigt. Er hat sich nicht entschuldigt, weiß Gott nicht. Ich glaube, Herr Mischnick war stolz darauf, und ich bin auch stolz darauf, daß ein Papier, das noch nicht einmal in meiner eigenen Partei bis zu Ende diskutiert, geschweige denn beschlossen worden ist, offensichtlich so viel Interesse findet, daß es sogar im Bundestag beraten wird.

    (Beifall bei der FDP)

    Darüber kann eine Partei eigentlich nur sehr froh sein.

    (Beifall bei der FDP)

    Herr Mischnik hat sich nicht entschuldigt, sondern hier deutlich gemacht, daß wir eine Partei sind, die es jedenfalls für unverantwortlich hielte, eine Rentenpolitik nur bis zum Tellerrand des Jahres 1980 oder 1982 zu machen, eine Partei, die gerade im Hinblick auf die Bundestagswahl 1980 den Wählern sagen will, wo es in der Rentenpolitik entlanggehen wird, wenn es nach der FDP ginge.

    (Beifall bei der FDP — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Sie haben von 1976 gelernt!)

    — Ich will nicht noch einmal auf die Ursachen, die zu den Finanzierungsproblemen geführt haben, zurückkommen. Darüber haben wir in diesem Hause schon sehr ausführlich diskutiert. Aber wir waren es nun wirklich, die bei der Bundestagswahl auf diese Ursachen, auf die Zusammenhänge ökonomischer Art — Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Stabilität — hingewiesen haben. Wir haben auch konkrete Lösungsvorschläge bei der Bundestagswahl und nicht erst nach der Bundestagswahl gemacht. Ich habe den Eindruck, Sie kritisieren die Tatsache, daß wir uns in der Partei überlegen, wie es denn nach 1982 weitergeht. Sie kritisieren etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte und was die Wähler draußen nicht nur von uns, sondern von allen Parteien erwarten, nämlich daß ihnen die Parteien klipp und klar sagen: Was ist los, wie soll es weitergehen, wenn ihr Verantwortung tragt? Warum kritisieren Sie also, daß sich die FDP überlegt, wie eine Neuordnung unseres Rentensystems nach 1982 aussehen könnte? Wenn Sie uns bereits die Tatsache ankreiden, daß sich eine Partei redlich um ein neues Rentenrezept bemüht, schaden Sie sich letztlich selbst. Denn der Wähler wird dann merken, daß Sie im Grunde genommen nicht sagen wollen, wie es nach Ihrer Meinung weitergehen soll, sondern daß Sie Nebelwerfer aufstellen, rosaroten Dunst verbreiten und den Eindruck erwecken, aus diesem Dunst heraus würden Sie dem Rentner den blauen Himmel holen.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Haben Sie 1976 denn gar nichts mitbekommen?)

    Ich glaube, das durchschaut der Wähler sehr schnell. Dabei haben Sie ja ein Konzept. Jetzt rechnen wir mal auf. Ich will versuchen, in den paar Minuten, die mir noch verbleiben, so ein bißchen den Dunst aufzulösen.
    Sie haben ein Konzept. Das stellen Sie natürlich nicht in der Tagespresse, sondern in Fachzeitschriften vor. Der Herr Kollege Franke war so offen, dies auch noch mal deutlich zu machen. Sie sagen einerseits, wenn es nach Ihnen ginge, würden die Renten wieder Jahr für Jahr brutto erhöht, so wie es bis zum vorigen Jahr der Fall war; das sagen Sie.

    (Franke [CDU/CSU] : Das habe ich geschrieben!)

    Im Kleingedruckten erscheint dann bei Ihnen etwas von einem Krankenversicherungsbeitrag, der im Grunde genommen überhaupt keiner ist; denn die Krankenversicherung bekommt hiervon nicht einen



    Hölscher
    Pfennig. Dies ist ein Rentenabschlag, allerdings ein willkürlich bestimmter Rentenabschlag,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie bitte? — Franke [CDU/CSU] : Dann verstehen Sie es nicht, Herr Hölscher!)

    der sich von unserem Rentenabschlag dadurch unterscheidet, daß er überhaupt keine Ankuppelung an die wirtschaftliche Entwicklung hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Jetzt habe ich mir das einmal schnell aufgeschrieben. Sie brauchen keinen Taschenrechner; das können Sie so nachvollziehen. FDP-Vorschlag: Rente 1 000 DM in diesem Jahr, Bruttoerhöhung für das nächste Jahr 50 DM, macht zusammen 1 050 DM; nach unserem Konzept 20 °/o Abschlag von den 50 DM Erhöhung, macht 10 DM; es verbleibt eine neue Rente 1 040 DM. Nun der CDU-Vorschlag — und darum geht es mir, einmal wirklich auszuliften, was dahintersteckt —; dies ist goldgeprägt — brutto 50 DM Zuschlag; das macht wie bei uns 1 050 DM. Jetzt kommt bei Ihnen das Kleingedruckte: davon 4 % — Ihr Vorschlag, 20. Rentenanpassungsgesetz —,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    als Krankenversicherungsbeitrag, macht 42 DM; es verbleiben 1 008 DM. Nach unserem Konzept würde der Rentner netto 40 DM mehr kriegen, nach Ihrem Konzept — nachzulesen im 20. RAG — 8 DM.

    (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Nein, ich kann keine Zwischenfrage gestatten; sie wissen auch, aus welchen Gründen. Ich habe nur noch eine Minute, Herr Kollege Franke.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Deshalb würde ich sagen: Vergrößern Sie Ihr Kleingedrucktes;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    blasen Sie den Nebel, den Sie hier verbreitet haben, einmal weg! Dann können wir uns sachlich auseinandersetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es wäre noch viel zu sagen. Abschließend will ich nur sagen: Selbstverständlich stimmen wir diesem Haushalt zu.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)