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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/131 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 131. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Inhalt: Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 10267 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/2404 — Dr. Kohl CDU/CSU 10267 C Wehner SPD 10281 B Mischnick FDP 10290 B Dr. Althammer CDU/CSU 10296 C Dr. Ehmke SPD 10303 A, 10352 B Hoppe FDP 10305 A Schmidt, Bundeskanzler . . . 10306 C, 10342 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 10320 D Genscher, Bundesminister AA 10327 B Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 10334 C Dr. Marx CDU/CSU 10347 C Dr. Bangemann FDP 10359 A Namentliche Abstimmung 10366 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 8/2405, 8/2470 — Picard CDU/CSU 10368 B Dr. Bußmann SPD 10371 B Schäfer (Mainz) FDP 10372 A Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 10374 C Vizepräsident Frau Funcke 10369 C Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/2420 — 10376 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 8/2414, 8/2470 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 10376 C Stöckl SPD 10378 D Weiskirch (Olpe) CDU/CSU . . . . . 10380 B Möllemann FDP 10383 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 10386 D Namentliche Abstimmung . . . . . . 10389 A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/2425 — 10391 C Nächste Sitzung 10391 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10393 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 10267 131. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. von Aerssen 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber * 24. 1. Dr. Bayerl * 25. 1. Brandt 26. 1. Flämig * 26. 1. Gruhl 24. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 24. 1. Klinker 26. 1. Koblitz 26. 1. Kroll-Schlüter 24. 1. Lange * 25. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 26. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lücker * 24. 1. Luster * 26. 1. Müller (Bayreuth) 26. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Neuhaus 24. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Schmidt (Wuppertal) 24. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Seefeld * 24. 1. Dr. Starke (Franken) * 24. 1. Frau Dr. Walz * 26. 1. Wawrzik * 25. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, aus der Diskussion, die Sie soeben mit dem Kollegen Barzel geführt haben, möchte ich einen einzigen Punkt noch einmal aufnehmen. Ich möchte gerne den einen Satz aufnehmen, in dem Sie sagten, Herr Barzel habe dort, wo er sehr konkret auf das neue Abkommen mit der DDR zu sprechen kam, nur die halbe Wahrheit gesagt. Dies ist ein Vorwurf, der nicht richtig ist.
    Ich würde sogar gerne noch, Herr Kollege Barzel, ergänzen und sagen: Wenn jetzt ein neuer Vertrag bis 1989 abgeschlossen worden ist, dann ist dies ein Vertrag, dem die Korrekturklausel fehlt. Es kann durchaus sein, daß die DDR, die natürlich als Partner gebunden ist, sich an den Inhalt des Abgeschlossenen zu halten, gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich der Besuchsmöglichkeiten macht. Dann sind wir, weil wir keine Korrekturklausel mehr haben, trotzdem gezwungen, die jetzt festgelegte besonders hohe Zahl an DM-Leistungen jährlich an sie zu überweisen.
    Ich möchte gerne, Herr Außenminister, zwei Fragen, die Sie gestellt haben, in aller Kürze beantworten. Ihre erste Frage lautete, ob wir uns denn nicht an der Diskussion um eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung beteiligen wollten. Natürlich — das wissen Sie doch — beteiligen wir uns schon die ganze Zeit daran.
    Aber das entscheidende Thema ist doch: Was ist gerecht? Was verstehen die einzelnen darunter? Was sind unsere Kriterien dabei? Weil es da offensichtlich zwischen uns und einigen Mitgliedern der Gruppe der 77 erhebliche Definitionsschwierigkeiten und Unterschiede gibt, können wir eben nicht einer nicht klaren und unpräzisen Darstellung unser Jawort geben. Wir müssen die Diskussion weiterführen. Wir ermuntern die Bundesregierung, dies auch ihrerseits, wenn es geht, mit uns zu tun.
    Sie haben zweitens gefragt, ob wir uns an dem sehr interessanten französischen Abrüstungsvorschlag beteiligen würden, der eine Abrüstung vom Atlantik bis zum Ural vorsieht. Nun, Sie wissen, wir werden in Kürze in diesem Hause über all diese Themen im einzelnen sprechen. Wir werden diesen Vorschlag genau studieren müssen und, Herr Kollege Genscher, wir werden ihn natürlich auch im Zusammenhang mit all dem diskutieren, was wir mittlerweile aus Wien hören, wo die Verhandlungen über MBFR ja zögernd, aber ständig weiterlaufen.
    Was ich aber gerne, Herr Bundesaußenminister, in Ihrer Darlegung zu Ihrem Haushalt gehört hätte,



    Dr. Marx
    das sind doch die Beurteilungen der Bundesregierung zu den entscheidenden politischen Problemen, wie wir sie seit einigen Monaten mit besonderer Bedrängnis erleben. Ich hätte zum Beispiel gern gewußt: Wie beurteilt die Bundesregierung den chinesisch-japanischen Vertrag, der sicher eine wichtige nicht nur politische, sondern auch psychologische Öffnung für China gewesen war? Ich hätte gern in diesem Hause gehört: Wie beurteilt die Bundesregierung das neue Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Peking? Denn ohne jeden Zweifel handelt es sich dabei um ein Ereignis von wahrhaft geschichtlichem Ausmaß. Wir hätten auch gern etwas mehr als das, was soeben der Bundeskanzler in seiner kursorischen Bemerkung gesagt hat, über die Entwicklung in Afrika, in Afghanistan, im Iran und in Kambodscha gehört.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Tendenzen dieser Entwicklung nicht einheitlich sind, aber die Dynamik, die ihnen innewohnt, fordert unser Land, an einer Nahtstelle von Ost und West gelegen, zu einem eigenen Handeln, zur Wahrung seiner eigenen Interessen. Ich denke, daß wir sehr oft zu sehr in den Gegebenheiten Europas befangen sind und uns immer wieder zunächst den europäischen Fragen zuwenden, und daß dabei — das ist ein Vorwurf an die Bundesregierung — zu wenig die stürmische Entwicklung in anderen Teilen der Welt beobachtet und beachtet wird.
    Der Bundeskanzler selbst hat diesem Gefühl vor einiger Zeit in einer kuriosen Antwort Ausdruck gegeben, in der er den Hinweis auf die sowjetischkubanische Intervention im afrikanischen Angola mit dem wahrhaftig erstaunlichen Satz quittierte, es handele sich bei diesem Teil der Welt nicht um einen Teil des vereinbarten Entspannungsraumes.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Mittlerweile aber haben die Tatsachen — und wir spüren das ganz unmittelbar — ihre eigene und unmißverständliche Sprache gesprochen; denn Europas Friede hängt auch — und besonders — von den Geschehnissen in anderen Teilen der Welt ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn im Nahen oder Mittleren Osten zum Beispiel die Lebensadern, die Nervenstränge Europas abgeklemmt oder durchschnitten werden, dann kann dieses ganze freie und prosperierende Europa, auf dessen Fähigkeit und Hilfe sich die Hoffnungen vieler Völker und Länder richten, politisch erpreßt und in kurzer Zeit in die Knie gezwungen werden.
    Wir hören oft die Meinung, Europa sei vor Angriffen sicher, weil die NATO Schutz gewähre. Das gilt solange, als die NATO ihre Anstrengungen verstärkt, um das Angriffsrisiko für einen Gegner unkalkulierbar zu halten. Da die sowjetischen .Führer keine Narren sind, sondern kühle Rechner, werden sie dann nicht angreifen, wenn sie mit ihrer eigenen Vernichtung rechnen müssen. Zu einer solchen Bewertung kommt man aber nicht nur durch das Zählen von Waffen und Gerät und Divisionen, sondern durch die Glaubhaftigkeit, durch die Entschiedenheit und Stetigkeit, die westlichen politischem und militärpolitischem Denken und Sagen
    in weit höherem Maße innewohnen müßte, als es tatsächlich im Augenblick der Fall ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben gerade eben das Thema Türkei angesprochen. Wir ermuntern Sie sehr und wir fordern Sie auf, bei der in Aussicht genommenen Hilfe für diesen wichtigen Partner unseren eigenen Teil dazu beizutragen. Und ich fordere alle Kollegen auf, wenn wir über die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft sprechen, über das Hereinnehmen der Griechen, der Spanier und der Portugiesen, dabei auch immer wieder an die Türken und deren ganz besondere Situation zu denken, und nicht nur daran zu denken, sondern auch entsprechend zu handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die NATO, meine Damen und Herren, ist vor 30 Jahren konzipiert, aber die Qualität der Bedrohung hat sich seit dieser Zeit bedeutend verändert. Sie hat — so kann man sagen — heute eine weltweite Dimension. Während die Bundesregierung in fast jeder Darstellung ihrer Außenpolitik das Ritual der Entspannung zelebriert — das hat heute der Bundesaußenminister allerdings mit dem interessanten Beisatz, daß es sich um eine vernünftige, reale Entspannungspolitik handeln müsse, wiederholt — und von seiten der Bundesregierung die fälschliche Behauptung aufgestellt wird, es gebe zur Entspannung keine Alternative, hat, meine Damen und Herren von der Regierung, Ihr Entspannungspartner, die Sowjetunion, das Klima einer frommen Selbsttäuschung des Westens entschlossen genutzt.
    Die Sowjetunion hält nicht nur ihre Elemente der ,Spannung aufrecht, sondern sie baut ihre eigenen Streitkräfte in einer Weise aus, die ihresgleichen in der Geschichte sucht. Mitten im Zeitalter der Entspannung hat das sowjetische Reich gerüstet wie niemals vorher. In der Zeit der Entspannung ist die sowjetische Kriegsmaschine gewaltiger, moderner, wie wir auch sagen können: furchterregender geworden. Sie hat die Rüstungsfähigkeiten des Westens eingeholt und auf wichtigen Gebieten überholt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist deren Entspannungspolitik!)

    Das gilt nicht nur für Zahl, Training und Bewaffnung ihrer Verbände in Ostmitteleuropa; das gilt für alle Teile der Welt. Die sowjetische Macht hat sich längst vom unmittelbaren europäischen Thema gelöst. Sie denkt und sie handelt global. Der Bär hat fliegen und schwimmen gelernt. Die kontinentale Supermacht beherrscht jetzt auch das Maritime. Man muß hinzufügen, daß sie sich auf allen Weltmeeren die Instrumente dafür geschaffen hat.
    Meine Damen und Herren, was ist für uns heute, wenn Sie auf die Karte blicken, von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung? Ich würde gerne nennen den Persischen Golf, das Rote Meer, den Suez-Kanal, das Mittelmeer und Südafrika. Unsere Rohstoffversorgung hängt wie die aller hochindustrialisierten und rohstoffarmen Länder von ungefährdeten Fördergebieten und von sicheren Seewegen ab.

    Dr. Marx
    Wenn die NATO auf den nordatlantischen Raum diesseits des Wendekreises beschränkt ist, dann kann sie unterlaufen und ausgehebelt werden, weil jenseits dieser Linie lebenswichtige Entscheidungen fallen, ohne daß das Bündnis in der Lage ist zu handeln.
    Wenn aber die Bedrohung, die militärpolitische Strategie der Sowjetunion umfassend und weltumspannend ist, dann muß die Verteidigung ebenfalls umfassend und auf die neuen Möglichkeiten vorbereitet sein. Wie das dann organisiert wird, ist eine andere Frage.
    Von diesem Handeln, von unserer und der Verbündeten entschlossenen Politik hängt vieles ab: die Sicherheit und die Freiheit der westlichen Völker, aber noch weit darüber hinaus; denn wir wissen, daß viele Nationen in der Welt bereit sind, sich nach jenen Kräften zu orientieren, die ihrerseits wissen, was sie wollen, die Schutz verbürgen und Sicherheit, nicht Wankelmut und nicht Wetterwendigkeit.
    Hier in Europa, dessen Völker jetzt mit einiger Mühe dabei sind, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, wo wir uns anschicken, vom. Europa der Neun zu dem der Zwölf überzugehen, hier gilt es, die Fähigkeiten der Verteidigung und den Willen dazu — denn der Wille ist immer in der Politik das Entscheidende — gegen einen immer stärker gewordenen Gegner zu erhöhen.
    Die NATO, ihre verantwortlichen Politiker, ihre führenden Offiziere suchen nach neuen Waffensystemen, die eine wirksame Verteidigung ermöglichen. Aber seltsamerweise, Herr Bundeskanzler, gibt es in Ihrer Partei — das ist heute wiederholt angesprochen worden — nicht wenige wichtige und einflußreiche Männer, die durch ihre Aktionen eine öffentlich erwiesene Doppelbödigkeit in den Aussagen ihrer Parteiführung erzwingen. Wer die Äußerungen etwa des trefflichen Verteidigungsexperten Egon Bahr liest oder die des Herrn Pawelczyk oder die des Herrn Wehner, die neuesten, die vorhin angesprochen worden sind, wird finden, daß von diesen Kollegen eigentlich ohne Rücksicht auf die tatsächliche Lage, ohne auch nur einen Augenblick z. B. über die sowjetische Neutronenwaffe, über die Organisation der militärischen Gewalt in Osteuropa nachzudenken, Vorschläge gemacht werden, von denen ich sagen muß, daß sie den Westen in einer entscheidenden Zeit an entscheidender Stelle schwächen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] : Leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, ich muß dieses Haus noch einmal auf einen Versuch des Kollegen Wehner aufmerksam machen, die notwendige Stärkung unserer militärischen Positionen zu verhindern. Mit großer Sorge, Herr Wehner, sehen wir Sie aufs neue am Werk. Sie haben kürzlich behauptet, die reale Lage unseres Landes mache es nicht nötig, über zusätzliche Waffensysteme zu diskutieren. Sie haben sogar gemeint, es werde nur aus „vorgeblicher Notwendigkeit" darüber gesprochen und — das ist sozusagen das Resümee der drängenden Fragen, wie der Westen auf die enorme, über jedes
    vertretbare Maß hinausgehende Aufrüstung der Sowjets antworten solle — es werde sogar die Gefahr heraufbeschworen, daß hierzulande zusätzliche Waffen disloziert würden. Es ist schade, Herr Kollege Wehner, daß Sie offenbar so unzureichend von Ihren Fraktionskollegen über eine Information unterrichtet worden sind, die vor kurzem Mitglieder der Bundesregierung und Beamte und hohe Offiziere den Kollegen des Verteidigungsausschusses haben zuteil werden lassen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Da hat er sich die Ohren zugehalten!)

    Wir werden in Kürze auf der Grundlage unserer Großen Anfrage zur Abrüstung und Rüstungskontrolle und der vorher formulierten Anfrage der Kollegen der SPD über diese Themen ausführlich diskutieren. Ich möchte deshalb heute nur noch folgendes dazu sagen:
    Einseitige Abrüstung, Vorleistungen, Zeichen des sogenannten guten Willens im Angesicht einer stets fortdauernden Modernisierung und Aufrüstung bei allen Warschauer-Pakt-Staaten kommen der Preisgabe unserer Sicherheit und der elementaren Gefährdung unserer Freiheit gleich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Abrüstung, zu deren Notwendigkeit wir uns bekennen, hat nur dann Sinn, wenn sie auf beiden Seiten vergleichbar, gleichzeitig, kontrollierbar und dauerhaft vorgenommen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man fragt sich allerdings bei all diesen Gegenständen, ob wir in der Entspannung und in der Abrüstung je zu wirklich vergleichbaren Maßnahmen in Ost und West kommen. Ist die andere Seite denn in dem, was sie sagt und tut, wirklich verläßlich und ehrlich? Haben wir nicht bei den sogenannten KSZE-Folgeverhandlungen erlebt, wie rasch und ohne jeden Skrupel die sowjetische Seite das heute Zugesagte morgen vergißt

    (Baron von Wrangel [CDU/CSU]: So ist es!)

    oder einfach abstreitet oder klare Texte uminterpretiert?
    Leider, muß ich sagen, hat diese Methode auch die Bundesregierung dazu gebracht, möglichst wenig über die KSZE zu sprechen. Man war vor einigen Jahren noch geneigt, sie uns für das Nonplusultra der internationalen Politik zu verkaufen. Jetzt wird Sie amtlich- ins Gedächtnisloch geworfen. Niemand von seiten der Regierung hat heute diese Formel von der KSZE, die früher doch so sehr die Hoffnungen und die Zeilen der Propaganda füllte, noch einmal in den Mund genommen. Dies allein spricht doch schon Bände.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nirgendwo hat sich die Umschichtung weltpolitischer Gewichte eindrucksvoller gezeigt als in den tiefgreifenden Änderungen, die sowohl in der Volksrepublik China selber als auch in ihrer Politik gegegenüber anderen Staaten deutlich geworden ist.



    Dr. Marx
    Die Volksrepublik China hat durch die Beendigung einer 1976 im Ansatz erkennbaren zweiten Kulturrevolution -die Voraussetzungen für eine jetzt immer stürmischer angestrebte Normalisierung im Innern und diese als die Voraussetzung einer Normalisierung nach außen geschaffen. Ihre Führer erkennen den Rückstand des Landes. Sie mobilisieren die lange vernachlässigten und mit ideologischem Hochmut verurteilten wissenschaftlichen Disziplinen, und sie entdecken — davon sind alle chinesischen Zeitungen und die Reden ihrer Führer heute voll — die alten Tugenden des Fleißes und der Leistung.
    Die Volksrepublik China öffnet sich der Welt. Hua Kuo Fengs Reise in die europäische Peripherie nach Rumänien und Jugoslawien war, wie ich glaube, ein Ereignis von großem politischem Gewicht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Sein angekündigter Besuch bei Ländern der Europäischen Gemeinschaft will die Beziehungen zwischen dem 900-Millionen-Reich und uns, wie ich hoffe, positiv weiterentwickeln. Er wird hoffentlich nicht von irgend jemand mit Gebärden der Angstlichkeit gegenüber jener Sowjetunion begleitet, die versucht, durch Pressionen verschiedener Art europäische Regierungen zu zwingen, ihr außenpolitisches Verhalten nach sowjetischen Vorstellungen auszurichten.
    Wir jedenfalls sehen in der chinesischen Europapolitik eine wichtige Neuentwicklung in den internationalen Beziehungen, die wir begrüßen. Wir nehmen unsere Interessen' dabei in wohlverstandenem Sinn wahr, wenn wir die durch die Bundesregierung so einseitig festgelegte Ostpolitik durch vielfältige politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Kontakte mit China ergänzen, erweitern und verbessern.
    Heute war wiederholt von den Briefen Breschnews die Rede. Auf die Frage, die der Kollege Barzel nach gewissen Inhalten stellte, ist ja interessanterweise vom Bundeskanzler nicht geantwortet worden.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Wir können nur vermerken, daß wir in diesen Briefen einen rüden Versuch sehen, unsere außenpolitische Haltung von außen her zu bestimmen. Wir sind nicht bereit, uns an irgendein Vorstadium der Breschnew-Doktrin zu gewöhnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In allem Ernst: Wie kann es eigentlich sein, daß der sowjetische Parteichef solche Briefe schreibt? Ist nicht denkbar, daß er sich durch die Art. der westlichen Politik ermuntert und ermutigt fühlt? Könnte es z. B. nicht sein, daß die Art und Weise, wie der Kollege Bahr die Diskussion über die Neutronenwaffe behandelt hat, von der sowjetischen Führung geradezu als eine Ermunterung verstanden wird,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    um in ähnlicher Weise in unsere eigenen Entscheidungen einzugreifen? Man muß sich über die Unverfrorenheit solcher Aufforderungen sehr wundern.
    Der Bundeskanzler hat gesagt, es handele sich bei. der Sowjetunion um einen großen Waffenexporteur. Dieser Waffenexporteur fordert uns auf, keine Waffen weiterzugeben, wo er doch selber seine eigenen Waffen — und dabei Angriffswaffen jeder Art — in viele Länder der Welt gebracht hat, um sie dort in Busch- und Bürgerkriegen als Instrumente einer besonders grausamen Unterdrückung und eines hinterhältigen Terrors verwenden zu lassen. Ich habe nicht gehört, daß die Bundesregierung an die Machthaber im Kreml Briefe gerichtet hätte, um sich gegen eine Entwicklungshilfe mit Waffen zur Wehr zu setzen.
    In Großbritannien hat man den Brief Breschnews kühl behandelt, kühl als eine Einmischung zurück- gewiesen. Herr Bundeskanzler, das, was wir von Ihnen' wünschen und fordern, ist, daß auch Sie kühl und. eindeutig und ohne- Wenn und Aber solche Briefe und diese Inhalte zurückweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im' übrigen, Herr Bundeskanzler, darf ich folgen- des hinzufügen: Ihre Regierung, die sonst in . der Veröffentlichung von allen möglichen Glückwunschbriefen sehr fingerfertig ist, sollte doch bitte auch einmal den Wortlaut des Briefes von Herrn Breschnew vorlegen und dann auch den Wortlaut ihrer Antwort, wenn sie fertig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich einige Worte zu Afrika sagen. Die kubanische Invasionsarmee z. B., die gegenwärtig etwa 50 000 Soldaten zählt, müßte nackt durch den Busch schleichen, wenn sie alles ablegen wollte, was sowjetischer Herkunft ist,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Sie könnte nicht einmal schleichen wegen der Verpflegung!)

    die Wäsche und die Uniformen, die Waffen und das Gerät. Sowjetische Flugzeuge, nicht Kriegsmaschinen, sondern. die angeblich zivilen Maschinen der Aeroflot haben ja ebenso wie hübsch angestrichene Fahrgastschiffe, die sonst von westlichen Ferienreisenden benutzt werden, Zehntausende kubanische Soldaten aus Angola um Nord- und Südafrika herum nach dem Südjemen, nach Äthiopien und auch nach Mozambique gebracht.
    Der frühere Bundeskanzler Brandt hat doch erinnern wir uns daran! - mit Stoph bei seinem Treffen in Erfurt ein Dokument unterzeichnet, in dem der Satz steht, nie wieder dürfe von deutschem Boden ein Krieg ausgehen. Ganz abgesehen davon, daß wenige Jahre vorher deutsche Soldaten mit anderen zusammen die benachbarte Tschechoslowakei überfallen haben, ist es doch eine Tatsache — und ich vermisse, daß die Bundesregierung sie in diesem Hause und draußen auch öffentlich angreift und rügt —, daß wieder von deutschem Boden, nämlich dem der DDR, Krieg und Kriegslehre in 16 afrikanische Staaten ausgehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Hoffmann, der Kriegsminister der DDR — ich weigere mich, ihn als einen „Verteidigungsminister" zu bezeichnen —, hat vor wenigen Tagen ja



    Dr. Marx
    bestätigt und sich dessen noch gerühmt, daß ein großer und wachsender Teil von Soldaten der sogenannten Nationalen Volksarmee in Afrika eingesetzt sei. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, dazu folgendes sagen. An einem Tag, an dem wir am Abend „Holocaust" sehen, muß es möglich sein, nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die schreckliche Gegenwart zu sprechen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wo Deutsche in Afrika zum Foltern ausbilden, wo sie Konzentrationslager und Gefängnisse bauen, wo ihre Aufgabe ist, Geheimdienste auszubilden, wo sie für die technischen und die elektronischen Nachrichtenmedien arbeiten und wo sie jetzt sogar dazu übergehen, in einigen Ländern kubanische Okkupationssoldaten auszubilden.
    Herr Bundeskanzler, ich möchte gerne noch hinzufügen: Es gibt sogar Deutsche aus der DDR, die mit Stadtplänen von Swakopmund, Lüderitzbucht, Walfischbai und Windhuk ausgerüstet sind und die diese Stadtpläne lesen, studieren, in sich aufnehmen, damit sie, wie sie glauben, eines Tages hinter siegreichen SWAPO-Truppen herkommen, um dort wiederum Deutsches in Südwestafrika durchzusetzen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Wenn man das weiß, dann versteht man die merkwürdige Art und Weise, in der Sam Nujoma vor kurzem mitgeteilt hat, natürlich sei er für eine enge künftige Zusammenarbeit mit den Deutschen. Er hat natürlich nicht unsere Deutschen gemeint, sondern diejenigen, die mit ihm ideologisch, politisch, finanziell auf das engste verbunden sind.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Friedrich-EbertStiftung!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte den Kollegen Wischnewski ansprechen. Vielleicht — er ist nicht da — sagt man ihm diesen Satz.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Er packt gerade das Klima aus dem Koffer!)

    — Ja, Klima ist ein Begriff aus der Wetterkunde, der mitunter zu unzulänglich in die Politik eingeführt wird. — Wir sahen ihn auf einigen Bildern recht gemütlich in Ost-Berlin. Ich möchte gerne wissen, ob er die Gelegenheit ergriffen hat, um dort den Unwillen des deutschen Volkes - ich meine: des ganzen deutschen Volkes - über das Engagement der DDR in fremden Ländern seinen Gesprächspartnern, z. B. dem Herrn Außenminister Fischer, mitzuteilen. Ich möchte gerne wissen, ob er einmal nachgefragt hat, wie belebend sich die enormen Geldspritzen aus guter DM-West, die wir Ost-Berlin aus allen möglichen Gründen zahlen, auf Ost-Berliner außenpolitische Unternehmungen in Afrika ausgewirkt haben.
    Es wäre gut, Herr Kollege Ehmke, wenn Sie in der Lage wären, darauf nachher doch noch eine Bemerkung zu machen; denn unsere Bevölkerung möchte gerne wissen, was die DDR eigentlich mit ihren Soldaten und Waffen in Afrika zu suchen hat. Sie möchte wissen, ob dort schon wieder in deutschem Na-
    men — ich sage das frei nach Grillparzer — das Pa-
    radies versprochen wird, aber die Hölle eingerichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird bei dem demnächst fälligen Bericht über die Lage der Nation im gespaltenen Deutschland darstellen müssen, was die DDR mit ihrem Apparat für die sowjetische imperialistische Politik in Afrika leistet, welchen Zwecken ihre Berater, Offiziere und Ausbilder dort dienen. Sie sollte dabei ehrlich sein, und sie sollte nicht nur berichten, sondern sie sollte auch werten; denn wir legen großen Wert darauf, die politische Meinung der Bundesregierung zu diesen unstreitigen Vorgängen zu hören.
    Nun sagt mancher, wenn man dieses Thema anspricht: Ja, die Kubaner und die DDR-Leute sind in Afrika, weil sie gerufen worden sind. Diese Geschichte kennen wir. Denn seit Hitler wissen wir, daß man Einfälle in fremde Länder dadurch vorbereiten kann, daß man sich dort eine entsprechende Truppe schafft und finanziert, die dann eines Tages um Hilfe ruft. Diese Hilfe wird dann rasch gewährt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist die Entspannungspolitik!)

    Der Herr Bundeskanzler sagte eben — das ist ein Punkt, wo wir sicher, zumindest heute, übereinstimmen, Herr Kollege Schmidt —, daß er bei Kambodschanern und bei Vietnamesen Zweifel habe, wem er seine Sympathie zuwenden solle. Dies ist gewiß richtig. Aber, meine Damen und Herren, auch in Kambodscha, in einem unglücklichen und so furchtbar durch Krieg und durch Mörderbanden geschundenen Land — es gab doch einmal ein Mitglied der Regierung, der eine andere Regierung „Mörderbande" genannt hatte; hier ist der Augenblick, wo wir das sagen können, bei Kambodschanern und bei Vietnamesen —, ist eine aufständische Gruppe sozusagen präpariert worden, der man heute in der ganzen sowjetischen Propaganda den Inhalt des politischen Angriffs und des sogenannten Sieges über die Kambodschaner zumißt.
    Meine Damen und Herren, ich möchte gerne unsere Beurteilung dieses gefährlich und tief 'eingreifenden Vorgangs ganz deutlich machen. Die CDU/ CSU verurteilt den Überfall auf Kambodscha 'als schwerwiegenden und völkerrechtswidrigen Angriff.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir fordern den Rückzug der vietnamesischen Truppen, von denen man annehmen darf, daß ihre Zahl bei 12 Divisionen liegt. Wir wissen, daß diese unsere Forderung mit der Forderung vieler anderer — vor allen Dingen asiatischer — Staaten übereinstimmt. Wir verhehlen nicht nur unseren Abscheu vor den entsetzlichen Massakern des Pol-Pot-Regimes nicht; wir nehmen den Propagandisten in Hanoi oder in Moskau — dort hat man ja den Angriff ausgedacht — auch keinen Augenblick ihre scheinheiligen Bekundungen ab, sie hätten doch nur Aufständische unterstützt, um ein System des Völkermords zu liquidieren. Vor nicht allzu langer Zeit haben Moskau und Hanoi die Regierung Pol Pot und ihre wahnsinnigen Handlungen ja noch öffentlich



    Dr. Marx
    gelobt. Man lese die Berichterstattungen im „Neuen Deutschland" nach. Sie haben den Aufbau des Sozialismus, wie sie das genannt haben, in Pnom Penh gefeiert, obwohl sie genau wußten, was dort eigentlich vorgeht. Ich vermute, daß dieser Krieg ein langdauernder und blutiger Buschkrieg werden kann, eine neue Quelle von großen Gefahren.
    Wenn der Bundeskanzler mit Recht sagt, es handle sich um einen Stellvertreterkrieg, ist die Gefahr natürlich immer gegeben, daß dann, wenn sich die Stellvertreter gegeneinander in eine immer tiefere, schlimmere und filzigere Angelegenheit verstricken, eines Tages auch die Großen mehr als bisher eingreifen müssen.

    (Glocke des Präsidenten) — Frau Präsidentin, ich bin gleich fertig.

    Wir sehen mit Sorge die Vorgänge im Mittleren und im Nahen Osten. Wir werden auch über diese Themen in der nächsten Zeit in diesem Hause noch eingehend diskutieren müssen. Ich stimme dem zu, was der Herr Kollege Barzel sagte, als er die geradezu mystischen national-religiösen Elemente charakterisierte, von denen viele in einer laizierten westlichen Welt glaubten, sie seien eigentlich als bewegende politische Elemente ganz ausgeschieden. Es kommt in diesen Ländern sehr vieles an neuer, sich auch religiös gebender und aus der Tiefe der religiösen Überlegungen geformter Kraft, was es uns sehr schwermachen wird, dies mit unseren Koordinaten zu beurteilen und zu verstehen, wie wir dem politisch begegnen sollen.
    Meine Fraktion lehnt den Einzelplan des Außenministers aus politischen Erwägungen, aus all den Gründen, die meine Kollegen und ich selbst heute vorgetragen haben, ab. Ich denke, daß wir dann die Chance haben werden, Herr Außenminister, in der nächsten Zeit — wobei ich mir auch eine etwas konkretere politische Diskussion im Auswärtigen Ausschuß wünsche —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    über all diese Fragen, im Ausschuß und hier in diesem Hause, mit jener Sorgfalt, mit jener Genauigkeit und jenem politischen Engagement zu sprechen, die wir brauchen, wenn wir unsere Aufgabe, die uns hierhergebracht hat, erfüllen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehmke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Marx, wir teilen wie Sie wissen, Ihren Wunsch hinsichtlich der Ausschußberatungen. Herr Kollege Corterier steht mit konkreten Vorschlägen bereit, die darauf abzielen, daß wir die Arbeit im Ausschuß besser strukturieren.
    Ich möchte am Ende der Beratungen zum Einzelplan 04 auf den Morgen des heutigen Tages zurückkommen. Die Fraktion der Sozialdemokraten hat in großer Ruhe und mit einer gewissen Neugierde den Auftritt des Kollegen Kohl verfolgt, der es ja nicht
    leicht hat. Wir sind natürlich auch nicht überrascht gewesen, daß er versucht hat, die Regierung, den Kanzler und die Koalition als Blitzableiter für die innerparteilichen Gewitter zu benutzen, die über ihn hereingebrochen sind. Wir haben auch mit Interesse verfolgt, daß Kollege Barzel schon versucht hat, zu zeigen, wie man eine Oppositionsrede richtig hält. Herr Zimmermann wird am Freitag dann ja die höchste Fassung liefern.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU] : Das ist doch alles schon gelaufen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Beckmesser! — Schulmeister!)

    - Ich sage das gar nicht als Schulmeister. Ich wäre dankbar, wenn Sie da einmal zuhörten; denn der Herr Bundeskanzler hat mich dazu gebracht, daß ich heute meinen nachdenklichen Tag habe.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir sehen das gar nicht mit Schadenfreude. Das haben Sie, glaube ich, heute in der Debatte merken können. Wir sind in der Tat der Meinung, wie der Bundeskanzler neulich auch in einer Pressekonferenz gesagt hat, daß wir an einer starken Opposition interessiert sein müssen, die uns zur Sachdiskussion zwingt.

    (Zuruf von der SPD: Schön wäre es!)

    Es ist doch so, daß nicht nur die Verantwortung der Bundesregierung und das Gewicht der Bundesrepublik wachsen, es wächst auch die Verantwortung des Parlaments. Helmut Schmidt hat das in Guadeloupe sehr gut gesagt. Wir sind nur eine Mittelmacht, belastet durch unsere Vergangenheit, belastet durch die Teilung des Landes, aber wir haben wirtschaftspolitisch, bündnispolitisch und in der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus — schließlich geht die Grenze durch unser Land — eine so hohe Verantwortung, daß wir von dort her interessiert sein müssen, unter der Anregung, unter der Kontrolle einer starken Opposition in der Frage zu stehen, was deutsche Politik sein soll.
    Ich bin schon aus diesem Grunde sehr mißtrauisch gegen marktwirtschaftliche Theorien der Demokratie, die die Demokratie als eine Konkurrenz um die Macht verstehen — wer kriegt was, wann, wie? —, und damit hat es sich. So ist das nicht. Der Wettbewerb um die Macht ist völlig sinnlos, wenn er nicht gleichzeitig ein Wettbewerb um die richtige Politik, und zwar nicht um die Politik der einen oder anderen Partei, sondern um die Politik des Landes, ist.
    Darum sage ich noch einmal: Wir sehen Schwächen der Opposition nicht mit Schadenfreude, sondern eher mit Sorge. Ich werde mich nicht in die personalpolitische Diskussion der Union einmischen. Das steht uns nicht zu.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist aber neu bei Ihnen!)

    Ich bitte aber, einmal folgendes zu überlegen: Die Reden vom Kollegen Kohl, vom Kollegen Weizsäcker, vom Kollegen Barzel, vom Kollegen Marx heute sind alle an der Vergangenheit orientiert. Das



    Dr. Ehmke
    Grundmuster ist eigentlich immer noch das von Sonthofen, wenn auch stark abgemildert. Die große Gefahr kommt demnach aus dem Osten, und innenpolitisch haben wir es mit einer Regierung zu tun, die — weil das Sozialisten sind; ich habe mit Interesse die Wortwahl bemerkt, die heute der Berliner Wahlkämpfer hier gebraucht hat — dem nicht so fernsteht. Das ist im Grunde das durchgehende Strickmuster. Aber vielleicht sollten Sie einmal überlegen, daß es dieses Strickmuster ist, das Sie in diese Situation gebracht hat, in der Sie jetzt sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Analyse ist die: Sie haben sich seit 1969 gewehrt, sich mit der Tatsache abzufinden, daß Sie in der Opposition sind. Sie sind im Grunde heute noch empört, daß andere regieren, daß das auch noch Sozialdemokraten sind und daß sie dazu noch gut regieren.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Was? Das haben wir nie behauptet!)