Rede:
ID0813111700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8131

  • date_rangeDatum: 24. Januar 1979

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    Plenarprotokoll 8/131 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 131. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Inhalt: Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 10267 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/2404 — Dr. Kohl CDU/CSU 10267 C Wehner SPD 10281 B Mischnick FDP 10290 B Dr. Althammer CDU/CSU 10296 C Dr. Ehmke SPD 10303 A, 10352 B Hoppe FDP 10305 A Schmidt, Bundeskanzler . . . 10306 C, 10342 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 10320 D Genscher, Bundesminister AA 10327 B Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 10334 C Dr. Marx CDU/CSU 10347 C Dr. Bangemann FDP 10359 A Namentliche Abstimmung 10366 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 8/2405, 8/2470 — Picard CDU/CSU 10368 B Dr. Bußmann SPD 10371 B Schäfer (Mainz) FDP 10372 A Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 10374 C Vizepräsident Frau Funcke 10369 C Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/2420 — 10376 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 8/2414, 8/2470 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 10376 C Stöckl SPD 10378 D Weiskirch (Olpe) CDU/CSU . . . . . 10380 B Möllemann FDP 10383 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 10386 D Namentliche Abstimmung . . . . . . 10389 A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/2425 — 10391 C Nächste Sitzung 10391 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10393 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 10267 131. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. von Aerssen 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber * 24. 1. Dr. Bayerl * 25. 1. Brandt 26. 1. Flämig * 26. 1. Gruhl 24. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 24. 1. Klinker 26. 1. Koblitz 26. 1. Kroll-Schlüter 24. 1. Lange * 25. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 26. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lücker * 24. 1. Luster * 26. 1. Müller (Bayreuth) 26. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Neuhaus 24. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Schmidt (Wuppertal) 24. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Seefeld * 24. 1. Dr. Starke (Franken) * 24. 1. Frau Dr. Walz * 26. 1. Wawrzik * 25. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Alois Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Bundesminister, erweckt die Einigung zwischen Bundeskanzler Schmidt und Generalsekretär Breschnew über die Parität nicht einen falschen, einen irreführenden Eindruck, nämlich daß man in der Sache einig geworden sei, während die verbale Einigung die unverändert weiter bestehenden Sachgegensätze nur überkleistert?
    Genscher, Bundesminister: Herr Kollege, wie häufig nehmen Sie mir sozusagen den nächsten Satz, den ich ohnehin sagen wollte, aus dem Munde. Die Datendiskussion, die noch notwendig ist, wird klarmachen, daß in dieser Frage eine Übereinstimmung noch nicht erzielt werden konnte. Nachdem wir aber Jahre darüber gesprochen haben, ob die vorhandene Disparität Grundlage der Sicherheit ist — was zunächst von der östlichen Seite behauptet wurde — oder ob es notwendig ist, zur gegenseitigen Interessenwahrung Parität zu schaffen, und nunmehr die sowjetische Seite diese Auffassung übernommen hat, liegt darin ein ganz wesentlicher Fortschritt für die internationale Abrüstungsdiskussion.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das so ist, darf bei einer solchen Debatte auch nicht untergehen, daß die Diskussion über die sogenannte Grauzonen-Problematik nicht eine Diskussion war, die von der Opposition ausgelöst wurde, oder von einem unserer Verbündeten, die angeblich Mißtrauen in unsere Haltung zum Bündnis haben, sondern daß diese Bundesregierung und der Bundeskanzler dafür gesorgt haben, daß überhaupt das Problem der Grauzonen-Waffen in die internationale Rüstungskontrolldiskussion eingeführt worden ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, nun wollen wir uns dieser Frage zuwenden. Ich warne vor der Vorstellung, daß es sich hier nur um ein Problem zwischen den Staaten des westlichen Verteidigungsbündnis-



    Bundesminister Genscher
    ses und den Staaten des Warschauer Pakts handelt. Von diesen strategischen Waffen der Sowjetunion — in der Reichweite nicht interkontinental, in der Wirkung wohl aber strategisch — sind alle direkten Anrainerländer der Sowjetunion betroffen — oder sagen Sie: bedroht —, nicht nur die, die der NATO angehören.
    Ich glaube, daß es auch gut gewesen wäre, wenn die Opposition — da diese Fragen heute nun einmal angeschnitten worden sind — gesagt hätte,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Steht in unserer Großen Anfrage!)

    ob sie die bisherigen Äußerungen der Bundesregierung zu dieser Frage unterstützen kann, ob sie auch unsere positive Haltung zum Vorschlag der französischen Regierung für eine europäische Abrüstungskonferenz, die dann zu einer Erweiterung käme, unterstützen kann.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Haben wir schon getan!)

    — Nein, das gehört hier in die Diskussion. Man darf nicht immer nur sagen, was die Regierung angeblich unterläßt. Man muß auch die Kraft haben, einmal zum Ausdruck zu bringen, meine Damen und Herren: Hier ist die Regierung auf dem-richtigen Wege, hier kann sie sich auf uns verlassen. Das ist doch gar nichts Schlimmes. Das ehrt doch das Parlament, wenn man das hier zum Ausdruck bringt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das haben Sie schon oft erlebt!)

    Zu dem, was Berlin angeht: Herr Kollege von Weizsäcker, Sie wissen; daß das, was der Gesetzgeber zur Erfüllung der Vereinbarungen der Parteivorsitzenden tun kann, durch die Einstellung in den Haushalt und den gemeinsamen Antrag der Fraktionen auf den Weg gebracht worden ist. Da gibt es zwar weitergehende Wünsche der Industrie- und Handelskammer in Berlin — das ist verständlich —,

    (Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU] : Nicht weitergehende Wünsche, sondern nur Erfüllungswünsche!)

    aber zunächst einmal geht es um die Realisierung dessen, was wir uns vorgenommen haben — und das ist auf den Weg gebracht. Man sollte, wenn man in dieser Debatte die Haltung der einzelnen Parteien zu Berlin erläutern und darlegen will, nicht unterlassen, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Probleme, über die wir heute in Berlin sprechen — verglichen mit dem Zustand, den wir vor dem Viermächteabkommen hatten —, Probleme sind, die nicht mehr diese zentrale Bedeutung haben, und daß das Viermächteabkommen deshalb einen wesentlichen Fortschritt darstellte. Ich hätte es für einen Gewinn gehalten, Herr Kollege von Weizsäcker, wenn Sie hier als derjenige, der sich um das Amt des Regierenden Bürgermeisters bewirbt, ein positives Wort zu dem Viermächteabkommen hätten finden können,

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU] : Das habe ich schon oft gemacht!)

    gerade in der jetzigen Situation. Denn das wäre auch ein Stück Gemeinsamkeit für Berlin, die wir doch brauchen, um dort Fortschritte zu machen.
    Nun, meine Damen und Herren, zu der Frage, wie wir — mit „wir" meine ich die Regierung in ihrer Gesamtheit: den Bundeskanzler und jedes einzelne Mitglied — zur Einheit unseres Volkes und zur Nation stehen: Alle diese Kollegen und Mitglieder der Bundesregierung — der Bundeskanzler an der Spitze — haben sich zu einer Politik bekannt, die darauf gerichtet ist, durch eine realistische Entspannungspolitik, zu der wir — wie unsere Verbündeten und Partner — keine vertretbare Alternative sehen, das zu tun, was wir unter den gegenwärtigen Machtverhältnissen in Europa tun können, um den Bestand an Einheit unseres Volkes nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen. Diese Chancen, die damit eröffnet sind, wollen wir ausfüllen in der Absicht, eine Politik fortzusetzen, die es uns ermöglicht — ohne Kalten Krieg, der uns zurückwerfen würde —, auf einem Wege weiterzugehen, an dessen Ende hoffentlich die Selbtsbestimmung für unser ganzes Volk stehen wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich verstehe sehr gut, daß sich der Herr Bundesaußenminister — wohl überwiegend in seiner Eigenschaft als Vizekanzler — hier in die Debatte begeben hat; ich finde das gut. Denn alle Fragen, die wir nun zu stellen haben, gehen ihn genauso an. Denn es ist ja einfach wahr, daß die Freie Demokratische Partei und Fraktion und auch Sie, Herr Kollege Genscher, die volle Verantwortung für die von der Koalition gemeinsam getragene Bundespolitik haben. Deshalb begrüße ich es sehr, daß ich die Fragen, die ich habe, gleich an Sie beide richten kann.
    Der Herr Bundeskanzler bat in seiner Intervention, wir möchten bitte konkret und subtil sein; ich will Ihnen dazu helfen. Ich möchte Fragen zu Themen stellen, die im Volk von Interesse sind. Im wesentlichen sind es Fragen zu fünf Punkten, und die betreffen, wie ich glaube, zentrale Bereiche der Innen-, Deutschland- und Außenpolitik. Allen diesen fünf Punkten ist eines gemein: Sie zeigen wesentliche Veränderungen in wichtigen Positionen der deutschen Politik über die Jahre. Und sie zeigen, wie ich fürchte, fehlende geistige Führung. Das ist ja das Thema, daß wir beide, Herr Bundeskanzler, in diesem Hause miteinander diskutieren, seitdem Sie Regierungschef sind.
    Zum ersten: Herr Kollege Wehner hat — das war, glaube ich, sehr vernünftig — an die Regierungserklärung erinnert, die für diesen Bundestag gilt, an diese sieben Punkte. Diese Regierungserklärung von Bundeskanzler Schmidt — sie datiert vom 16. Dezember 1976, — nennt als wichtigste — „vorrangige" heißt es wörtlich — „Aufgabe" der Regierung die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung.



    Dr. Barzel
    Nun, Herr Bundeskanzler, in derselben Erklärung haben Sie moniert — das hängt ja damit zusammen, wie ich gleich dartun werde —, daß Sie viele Formulare und Abrechnungen nicht lesen könnten. Sie haben dies als einen Tatbestand benannt, der diesem Ziel entgegensteht. Das ist auch vollkommen richtig, denn dieses Übermaß an Paragraphen ist ein Erdrosselungstatbestand für freie Initiative, ein Vernichtungswerkzeug für den Mittelstand. Das bewirkt eben zusätzliche Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich frage deshalb, in der Hälfte dieser Periode, ganz konkret: Was haben Sie g e t an, dieser Hydra von Paragraphen, dieser Wanderdüne, Einhalt zu gebieten?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Was haben Sie auf diesem Gebiet getan? Das ist eine Frage, die die Bürger haben. Da kann man sich nicht helfen, indem man auf Beamte und Bürokratien schimpft. Sie haben das in Ihrer Regierungserklärung, glaube ich, undurchsichtige Bürokratismen oder so genannt. Das klang ganz gefährlich; das war schon beinahe Kafkas Schloß. Nur, von den Beamten — ich habe das hier schon einmal gesagt — ernennt sich keiner selbst, befördert sich keiner selbst, vermehrt sich keiner selbst, wendet keiner andere Vorschriften an als die, welche die Politiker machen. Wo ist der Beitrag dieser Bundesregierung, um diesen Dschungel zu durchforsten, Herr Bundeskanzler?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da ist zu hören, der Bundeskanzler und die Regierung hätten einen Staatssekretärausschuß gebildet oder — ich weiß nicht genau - einen Auftrag an Staatssekretäre gegeben. Nun, so schiebt man ein Problem vor sich her. Es ist zu hören, daß die Herren erst einmal von den Ländern Papiere angefordert haben. So wird der Papierberg durch weiteres Papierproduzieren doch noch weiter vergrößert. Herr Bundeskanzler, es ist zu fragen: Was haben Sie g e t an, um dieser „Überforderung der Bürger", „der Anonymität der Macht der Bürokratie" — das sind Ihre Worte — entgegenzutreten?
    Dies ist doch ein enorm wichtiger Punkt, wenn wir an Vollbeschäftigung und Wirtschaftskraft denken: Sie haben doch am Ende des Jahres 1977 laut vorgerechnet, daß im Jahre 1977, als alles auf Investitionen wartete, 25 Milliarden DM nicht investiert worden seien, obwohl das Geld und die Pläne und die Antragsteller dagewesen seien. Es sei nicht investiert worden — so Ihre Worte —, weil öffentliche Hemmnisse diese Investitionen verhindert hätten. Sie haben dann weitergerechnet: Wegen dieser Hemmnisse habe das Wachstum ein Prozent weniger betragen als es sonst gewesen wäre; das habe uns 100 000 zusätzliche Arbeitslose gekostet. Das sind alles Ihre Rechnungen. Ich frage nun, zur Hälfte der Periode: Was haben Sie dagegen g e - t a n , und wie sehen diese Zahlen — haben Sie den Mut? — für 1978 aus? Haben sie sich vermindert oder sind sie angewachsen? Das ist auch die Folge Ihrer mangelnden Führung in energiepolitischen Fragen, die Ende des Jahres doch hier eine Quittung bekommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Oder, Herr Bundeskanzler, ist es der Entschluß der Koalition, in dieser Frage energisch die Zügel schleifen zu lassen? Ich sage: Wenn Sie das nicht anpacken, werden Sie Ihr erstes Ziel, die Vollbeschäftigung, nicht erreichen. Wir werden zu immer mehr Staat, immer mehr Paragraphen, immer mehr erdrosselter Initiative, Vernichtung des Mittelstandes und zu vermehrter Arbeitslosigkeit kommen.
    Hierzu gehört auch ein zweiter Punkt. Den kann ich kurz machen, weil meine Kollegen bereits auf Ihren Ärger mit Herrn Klose, Ihrem Hamburger Parteifreund und Bürgermeister der Freien und Hansestadt, zu sprechen gekommen sind. Aber ich möchte doch ganz gerne, daß diese Dinge, die Sie da beschwert haben, auch im Protokoll stehen. Herr Klose, dessen Eigenschaft ich eben bezeichnet habe, erklärte am 30. November in der Zeitschrift „konkret" — ich zitiere wörtlich —:
    So würde ich heute nicht mehr ohne weiteres bereit sein, die Analyse von Stamokap als ganz und gar falsch zurückzuweisen ... Weil ich
    - er meint sich —
    interveniere, will ich auch lenken ... Dann übe ich eine Investitionskontrolle aus . .. Dann haben wir im Grunde das System einer gelenkten Marktwirtschaft.
    Ich verstehe sehr gut, Herr Bundeskanzler, daß Sie dies und ein anderer Punkt in den Ausführungen von Herrn Klose veranlaßt hat, sofort zum nächstmöglichen Wochenende nach Hamburg zu eilen. Ich erinnere mich sehr gut, daß es sehr laut war, als Sie hineilten. Ich erinnere mich, daß es ganz leise und verhalten verbröckelte und verbröselte, was da wohl gewesen sei, als Sie zurückgekommen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Ihre Partei hat es doch gleich abgewiegelt. Noch bevor Sie mit Herrn Klose sprechen konnten, erklärte doch der Pressesprecher der Fraktion oder der Partei — ich weiß es jetzt nicht; ich habe es bei meinen Akten —, die Äußerungen Kloses seien — ich zitiere wörtlich — „in der verkürzten Wiedergabe eines längeren Interviews mißverständlich". Da wird nicht gesagt, die seien falsch, abwegig, unrichtig, programmwidrig, nicht die Meinung der Sozialdemokratischen Partei oder Fraktion, —„mißverständlich". Dann protestiert Ihr Kollege Koschnick — Ihr Kollege auch in der Führung der Sozialdemokratischen Partei in der „Welt" vom 5. Dezember gegen das Wort Stamokap. Er erklärte dann später — so in der „Rundschau" vom 9. Dezember —, inhaltlich habe Klose recht. Auf die Frage, was aus dem sonntäglichen Gespräch geworden sei, teilte Herr Koschnick, der praktisch im Augenblick die Partei führt, öffentlich mit, in dieser Frage sei sich der Kanzler „am Ende weitgehend mit seinem Parteifreund Klose einig" gewesen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)




    Dr. Barzel
    Das ist doch ein Weg, der in dieser Sache hier besprochen werden muß, Herr Bundeskanzler; denn die Soziale Marktwirtschaft, die Sie heute für ein Schlagwort gehalten haben — nehmen Sie doch den Inhalt, Herr Althammer hat Ihnen doch den Inhalt auf den Tisch gelegt —, hat uns doch so weit gebracht, daß wir in Wirtschaftskraft, sozialen Leistungen und Weltgeltung da sind, wo wir Gott sei Dank stehen und wo wir auch hingehören. Hier geht es, Herr Bundeskanzler, um Fundamente. Deshalb ist zu fragen: Was gilt — Schmidt oder Klose?

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Stamokanzler! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich möchte, Herr Bundeskanzler, an dieser so wichtigen Stelle aus der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 zitieren, die der Kollege Wehner in die Debatte eingeworfen hat. Es sind nur wenige Sätze — das ist dann „Orginalton Helmut Schmidt", wenn ich so sagen darf —:
    Der notwendige neue Wachstumsprozeß ist in Gang gekommen; er wird sich aber nur dann stetig fortsetzen, wenn die Grundlagen unserer Wirtschafts- und Sozialordnung erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. Individuelle Entscheidungsfreiheit, Anerkennung des Leistungsprinzips und Anerkennung des sozialpflichtigen Privateigentums gehören ebenso dazu wie die Ausgleichsfunktionen der öffentlichen Einrichtungen und der gemeinwirtschaftlichen Einrichtungen, eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur und vor allem die Ausgestaltung des Netzes sozialer Sicherung. Der hierüber in unserer Gesellschaft entstandene Grundkonsens, die Grundübereinstimmung darüber, muß als gemeinsame Basis erhalten bleiben und darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.
    Deshalb sind Sie zu Herrn Klose gefahren, weil hier der Grundkonsens, von dem Kohl und auch andere heute morgen gesprochen haben, aufs Spiel gesetzt wurde. Und was tut der Kanzler? Er nahm hin! Ein Parteitag stand ja bevor. Geistige Führung ist auch das nicht, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie müssen sehen, indem die Sozialdemokratische Partei in ihrer Programmatik und nun auch durch Erklärungen aus dem Regierungsflügel immer mehr von der Sozialen Marktwirtschaft abrückt — ich verweise auf unsere Debatte zur Strukturpolitik im vorigen Jahr —, verunsichert sie natürlich die Wirtschaft, verhindert sie die Investitionen und trägt — es tut mir leid, dies sagen zu müssen, aber es ist so — dadurch zur andauernden Arbeitslosigkeit bei.
    Fragen Sie doch einmal, Herr Bundeskanzler, an wie vielen Konkursen und Schwierigkeiten von Unternehmen diese Dinge schuld sind! Reparieren Sie, stellen Sie soziale marktwirtschaftliche Auffassungen in der SPD wieder her, und es wird keiner mehr zu Ihnen hinkommen und sagen müssen, Sie „reparierten Kapitalismus", weil, wenn Soziale Marktwirtschaft gewollt wird und funktioniert, es diese Art Probleme gar nicht gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will auf einen dritten Punkt zu sprechen kommen. Herr Bundeskanzler, wir haben ja im Ohr, was Sie auf dem Hamburger Parteitag Ihren eigenen Freunden etwa zu der Frage der extremistischen Lehrer gesagt haben. Auch dieser Punkt markiert eine Politik, die Sie nicht wollen, aber hinnehmen — und die Sie deshalb gleichwohl verantworten. Weil Sie soviel hinnehmen, halten Sie sich so lange.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich sage das jetzt nicht an Ihre Adresse, aber an die Adresse derer, die loben, loben lassen, oder wie das heißt. Weil Sie jetzt soundso lange im Amt sind, kommen schon die Vergleiche mit Konrad Adenauer. Verzeihen Sie, der hat nicht erklärt: Jede Woche eine Reform! Der hat pro Jahr fundamentale Weichenstellungen durchgesetzt! Der hat nicht gefragt: Was ist heute machbar?, sondern: Wie setzen wir das wann durch? Das hat er gemacht, und dafür ist er in die Geschichte eingegangen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Hinweis auf die Regierungserklärung war für mich natürlich sehr hilfreich, Herr Kollege Wehner. Ich habe dann gleich noch eine weiter nachgeschlagen, nämlich die erste Regierungserklärung des jetzigen Bundeskanzlers, bekanntlich aus dem Jahre 1974. Wenn man die mit hinzuzieht, wird noch deutlicher, wie unter dieser Kanzlerschaft sich fundamentale Positionen verschieben, und zwar immer
    weg von den Fundamenten.
    Bundeskanzler Schmidt sagte in seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler, am 17. Mai 1974, folgendes. Es erfolgt erst ein Hinweis auf den Amtseid und die Gesetze. Dann folgt ein Satz, klipp und klar, ohne Hintertür: „Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehören nicht in den öffentlichen Dienst."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Das war ja auch gar kein Wunder, denn da war
    doch gerade ein Außenminister gekommen, der der
    Innenminister des Extremistenerlasses gewesen war.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben doch selbst Erfahrungen als Innensenator in Hamburg gesammelt. Wir haben alle nicht vergessen, wie es zu diesem Erlaß kam, der eigentlich doch nur das geltende Recht wiedergab. Es waren auch Sozialdemokraten, die uns damals sagten: Wir müssen hier etwas machen, wir halten die Sache nicht mehr.
    Dann haben wir den damaligen Bundeskanzler von hier aus hart bedrängt, auch von den Ländern aus bedrängt, und wir bekamen diesen Erlaß, den Kanzler Brandt machte, den Kanzler Schmidt nun weglegt. Das muß man doch einmal sehen und sagen!
    Nun sollen nach einem Beschluß Ihrer Regierung — da können Sie verbal machen, was Sie wollen —, gefaßt unter Ihrem Vorsitz, auch solche „Gegner" Ihr Wort von damals — Bundesbeamte werden können.
    Ich habe hier bei mir, wie die „Süddeutsche Zeitung", die dieser Bundesregierung doch sicher ge-



    Dr. Barzel
    wogen ist, das interpretiert. Herr Kollege Baum, nehmen Sie das mit für morgen, wenn Sie Ihre Debatte haben. Da heißt die Überschrift, so groß: „Auch DKP-Mitglieder können jetzt Beamte in den Bundesministerien werden." Das ist die Aufmachung der „Süddeutschen Zeitung", 19. Januar 1979.
    Wenn das nicht stimmt, kommen Sie hierher, erklären Sie das, debattieren Sie das morgen. Aber dies ist doch der Eindruck, daß hier eben die Türe auch für solche aufgemacht wird, die uns ans Leder wollen.
    Herr Bundeskanzler, kümmert Sie eigentlich nicht die Verfassungspflicht, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland möglichst aufrechtzuerhalten? . Die haben Sie doch nun verletzt. Jetzt wird es in dem einen Land so gemacht, in dem anderen Land anders. Verehrter Herr Bundeskanzler, ich fürchte, dieser mögliche Pensionsanspruch nun auch für Revolutionäre, Beamtenvorrechte auch für Feinde der Freiheit — das ist mehr als ein Schritt ab vom Wege.
    Verzeihen Sie, wenn ich das da — die Regierungsbank also — sehe, dann muß ich sagen: Seht da, traurige und erschlaffte Garde einer wehrhaften Demokratie!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen, daß der Bundeskanzler sich dabei wohlfühlt; ich kann mir nicht vorstellen, daß sich der Kollege Genscher dabei wohlfühlt. Sie haben eben, Herr Bundeskanzler, von 100 000 Überprüfungen gesprochen. Nach dem, was ich weiß — vielleicht hat sich das inzwischen verändert —, wird doch nicht jeder überprüft, sondern es wird gefragt: Habt Ihr was in den Akten? Das ist doch die Lage, glaube ich. Das soll man dann doch nicht umdrehen.
    Sie nennen das dann „Regelanfrage". Die soll wegfallen. Herr Bundeskanzler, das ist doch die Einführung von Willkür, wenn man auf „die besonderen Fälle" abstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wo bleibt denn da die Gleichheit aller vor dem Gesetz?

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Wo bleibt die Gleichbehandlung von Beamten? Wer kontrolliert das während des Dienstes? Der Vorgesetzte? Irgendwelche Aufpasser? Weg frei für Denunzianten? Das ist doch die Lage, verehrte Damen und Herren!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das wird dann kontrolliert — im Dienst. Meine Damen, meine Herren, das soll liberal sein? Ich verstehe das nicht.

    (Zuruf von der SPD: Das glaube ich!)

    Das ist für mich eine Perversion von Gerechtigkeit und Gleichheit.
    Verehrte Damen und Herren, diese Einführung von Willkür übersieht doch auch — vielleicht darf
    ich das dem Kollegen Ehmke, der so eifrig Notizen macht, gleich mitgeben —: Der Beamte muß doch nach geltendem Recht — und wer das ändern will, soll hier einen Gesetzesantrag vorlegen, damit wir ihn diskutieren und ordnungsgemäß in Rechtskraft setzen können —, wie es im Gesetz heißt, die Gewähr dafür bieten, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt. Es heißt „jederzeit" und „für".
    Sie wissen, daß der Beamte auch außerhalb des Dienstes für sein Verhalten, z. B. durch ein Disziplinarverfahren, zur Ordnung gerufen werden kann, d. h., da ist nicht zwischen der Dienstzeit und hinter- her zu unterscheiden. Eine andere Regelung würde dazu führen, daß Sie Leute haben, die von 8 bis 17 Uhr sagen: Jawohl, Herr Minister, und von 17 bis 24 Uhr arbeiten sie für die DKP, d. h. für die Revolution.
    Machen wir uns nichts vor! Wer Mitglied dieser Partei wird, tritt in eine Partei ein, in deren Programm steht, sie sei eine „revolutionäre Partei", die sich „Partei des proletarischen Internationalismus" nennt, die ihr Vorbild in der Sowjetunion und in der „großen sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland" sieht. Wer das will, kann nicht gleichzeitig jederzeit f ü r die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier machen Sie aus einem nötigen Entweder-Oder ein schlappes Sowohl-als-Auch, und das führt dann zur Unterstellung von Persönlichkeitsspaltungen, bis 17 Uhr und ab 17 Uhr. Ministerpräsident Späth hat schon recht: Die Regelanfrage ist das fairste, das transparentere und das ehrlichere Verfahren. Es hat den Vorzug der Objektivität und diskriminiert keinen Bewerber.
    Daß das alles so geschieht, ist nicht etwa Ihr Wille oder der Wille von Herrn Genscher. Das wird keiner annehmen. Auch hier haben Sie Parteitagsbeschlüsse hingenommen.
    Diese Parteitagsbeschlüsse sind, wie diejenigen in der Energiepolitik, entstanden, weil nicht rechtzeitig und energisch genug geistig und politisch geführt und gesagt wurde: Stopp, hier ist ein Grundsatz, an den man nicht heran kann! Regieren heißt eben vorausschauen, gestalten, führen und nicht — einander belauern und sich so im Amt halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte gern auf einen vierten Punkt kommen, der die Deutschlandpolitik betrifft. Ich bin unterrichtet, daß das heute hier alles zusammen behandelt werden soll; hoffentlich stimmt das.
    Im November 1978 kam es zu einigen Abmachungen mit der DDR. Die Regierung ließ das durch eine unglaubliche Pressepolitik — indem sie einige Journalisten informierte, die das dann druckten — feiern und ließ vor allem sich feiern; feiern, bevor der Bürger oder das Haus Gelegenheit hatten, diese Abkommen kennenzulernen. Wer diese Abkommen dann las und das verständig tat, leugnete natürlich nicht, daß hier punktuell, vor allen Dingen für Ber-



    Dr. Barzel
    lin, einiges positiv zu verbuchen war. Warum soll man das leugnen? Ich tue das nicht.
    Nur ist die Frage zu stellen: Ist das eigentlich alles? Da war in der Presse lautstark angekündigt worden: Jetzt marschiert Herr. Gaus mit mehreren Dutzend Vorschlägen nach Ost-Berlin, um ein großes Paket für einen neuen Durchbruch zu schnüren. So und ähnlich klangen die Worte. Aus den mehreren Dutzend Vorschlägen sind sechs geworden, die sehr teuer geregelt wurden. Herr Bundeskanzler: Wo ist der Rest?
    Trotzdem ergab sich eine Milliarde DM zusätzlich, von der ich gleich sprechen werde. Ich sehe wieder — Sie baten auch, subtil zu sein — eine fundamentale Veränderung der Position der Bundesregierung. Im Bundesgesetzblatt II vom 16. Oktober 1972, wo auf Seite 1449 der innerdeutsche Verkehrsvertrag abgedruckt ist — ich merke dies an, damit Sie es schneller finden —, ist als Art. 3 des Gesetzes zu lesen: „Dieses Gesetz zu dem Vertrag zwischen den beiden Staaten in Deutschland gilt auch ..." Uber diese Formulierung haben wir damals intern lange debattiert: „beide Staaten in Deutschland"; denn das ist schon für Berlin etwas fundamental anderes als „zwei deutsche Staaten".

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    „Beide Staaten in Deutschland", das ist die Realität der Hoffnung und des Anspruchs auf das Ganze.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So steht es im Bundesgesetzblatt. Bei der Verabschiedung dieser zitierten innerdeutschen Abmachungen im letzten November ist im Bulletin zu lesen, die neuen Vereinbarungen sollten die „Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten" „vertiefen" und „stabilisieren"; so wolle man „das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten krisenfester machen". Das ist etwas fundamental anderes als das, was die Formulierung im Gesetzblatt aussagt: zwei Worte, zwei Welten! Wieder fundamental verschobene Positionen.
    Ich habe am 21. November öffentlich in der Zeitung „Die Welt", weil ich hier noch nicht sein konnte, hinsichtlich der Kosten Fragen gestellt und um Aufklärung gebeten. Mir ist das so wichtig, daß ich das in diese Debatte einführen möchte. Die Pauschalgebühren — grundsätzlich sind sie richtig und vernünftig, nicht daß uns hier jetzt einer an einer falschen Stelle angreift — entwickeln sich so, daß es stutzig und mißtrauisch macht. 1971 wurde ein Jahresbetrag von 239 Millionen DM und eine Überprüfung im Jahre 1975 vereinbart. Man erwartete 1975 anwachsenden Transitverkehr und kam überein, von 1976 bis 1979 die Jahrespauschale sehr großzügig auf 400 Millionen DM festzusetzen. Die Bundesregierung pries damals diese „Korrekturklausel", weil sie garantiere, daß die Pauschale sinke, .wenn der Verkehr geringer als erwartet zunehme. 1976 und 1977 wuchs der Verkehr weniger an als angenommen. Die DDR hätte uns rund 80 Millionen DM zurückzahlen müssen. Jetzt hat man nicht nur darauf verzichtet, sondern die Korrekturklausel ist entfallen. Obwohl der Verkehr nicht so zunimmt,
    wie man erwartet, hat man die Pauschale gleich auf zehn Jahre, bis 1989, auf 525 Millionen DM pro Jahr erhöht. Ich behaupte: Diese Pauschale ist um mindestens 100 Millionen DM je Jahr zu hoch. Das macht in den zehn Jahren eine Milliarde DM. Herr Bundeskanzler, eine Milliarde: Wofür, warum und wozu?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Notopfer Ulbricht!)

    Sie kennen sicherlich gut meine Position: Freiheit ist teurer als Geld. Da haben Sie mich an Ihrer Seite. Aber Geld ist teurer als nichts. Wofür haben Sie hier eine Milliarde gezahlt?
    Es war zu hören, daß der Kollege Wischnewski unlängst in Ost-Berlin war und sich dort in einem besseren Klima delektiert hat. Das ist ihm wirklich zu gönnen; wie gut und wie schön für ihn. Nur wie wäre es, wenn von diesem Klima jene Deutschen drüben, wenigstens einmal, etwas spüren könnten, die einmal von dort hierher einen Besuch machen möchten?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wo. ist das Klima, außer vielleicht bei dem Essen? Wo ist das Klima? Haben Sie es vielleicht, wenn ich das scherzhaft sagen darf, in Ihrem Reisegepäck, Herr Kollege Wischnewski? Für eine Milliarde Klima im Koffer? Wo ist der Koffer? Machen Sie ihn auf, lassen Sie einmal sehen, was mit der Milliarde geworden ist, wofür sie eigentlich gezahlt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich komme zu einem fünften Punkt. Das Zitat des Chefredakteurs Luchsinger hat eine Rolle gespielt. Ich meine — was jetzt kommt, geht sicherlich auch den Herrn Bundesaußenminister sehr viel an —, da ist offensichtlich Rauch, auch international, und wer herumkommt und manche Leute sieht und Zeitungen und auch anderes liest, der merkt hier auch Rauch. Da muß man doch verantwortlich fragen dürfen: Gibt es da auch Feuer? Ich will ein paar Fragen stellen. Der Kanzler kann, wenn er mag, das Feuer austreten, wenn es etwa falsch glimmt, falls er das kann und falls er das möchte. Ich fürchte, auch hier ist eine Veränderung Ihrer Position, die fundamental ist, festzuhalten. In Ihrer Regierungserklärung von 1974 heißt es:
    Das Gleichgewicht in der Welt und die Sicherheit Westeuropas bleiben auf absehbare Zeit in der Zukunft von der militärischen und von der politischen Präsenz der USA in Europa abhängig. Übereinstimmende sicherheitspolitische Interessen bestimmen das europäisch-amerikanische Verhältnis.
    Klare Worte, gute Worte, zutreffende Worte. Heute sind da nicht nur Zwischentöne anders, auch Akzente.
    Herr Bundeskanzler, man kann immer mehr lesen und hören, daß Sie sich nachdenklich — ja, sogar fasziniert mit dem Reichskanzler von Bismarck beschäftigen —, sicherlich nicht mit dem der Sozialistengesetze und sicherlich, wie ich annehme, auch nicht mit dem des Kulturkampfes, wohl aber mit



    Dr. Barzel
    der Außenpolitik dieses großen Reichskanzlers. Ihre Rede vor dem Historikerkongreß am 4. Oktober letzten Jahres haben Sie sich eingereiht in die „Bewunderer"" von Bismarcks außenpolitischem Kurs. Auch in dem „Spiegel"-Interview vom Beginn dieses Jahres kann man das finden. Da wird der frühere Reichskanzler ausdrücklich wegen seiner Politik des Gleichgewichts und des Friedens gelobt, auch wegen seines Beitrages „zum gegenseitigen Verständnis mit dem damaligen zaristischen Rußland"
    Herr Bundeskanzler, geschaukelt hat Bismarck in einer völlig anderen Staatenwelt. Das Reich hatte Sicherheit aus sich selbst und keinen ideologischen Gegner, der ihm ans Zeug wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir empfangen Sicherheit allein durch das Bündnis. Ich denke, jeder in diesem Haus — der Bundeskanzler eingeschlossen — weiß: Rückversicherung läuft nicht mehr.
    Der Kampf der Kommunisten kennt doch keine weißen Flecken, spart doch keinen aus. Ist es denn ein Gerücht, wenn man hört, daß von hoher sowjetrussischer Seite gesagt wird: Paßt auf, daß ihr nicht wählen müßt zwischen Détente und Diskriminierung der DKP in der Bundesrepublik .Deutschland? Das ist doch wohl nicht nur ein Gerücht.
    Der neue Botschafter der Sowjetunion war doch Anfang Januar, ich glaube, in Wuppertal bei der Feierstunde der DKP anläßlich ihres Jubiläums. Das ist die Partei, die sich als „revolutionäre Partei" bezeichnet. Das sind die Freunde Breschnews. Da gibt 'es keinen ausgesparten Punkt. Das ist die Realität.
    Bismarck hatte es mit Rußland zu tun und wir mit der Sowjetunion. Heute deutsche und russische Kommunisten in Berlin; damals standen die Soldaten des Zaren hinter dem heute einverleibten Teil Ostpolens, und beides waren Monarchien, wenn auch mit einer anderen inneren Ordnung.
    Gewiß — das räume ich jedem ein —, uns stehen Rücksicht und Augenmaß zu, uns stehen Bedachtsamkeit und höfliche, aber unmißverständlich Wahrung unserer Rechte und Interessen gut zu Gesicht.