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    Plenarprotokoll 8/131 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 131. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Inhalt: Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 10267 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/2404 — Dr. Kohl CDU/CSU 10267 C Wehner SPD 10281 B Mischnick FDP 10290 B Dr. Althammer CDU/CSU 10296 C Dr. Ehmke SPD 10303 A, 10352 B Hoppe FDP 10305 A Schmidt, Bundeskanzler . . . 10306 C, 10342 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 10320 D Genscher, Bundesminister AA 10327 B Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 10334 C Dr. Marx CDU/CSU 10347 C Dr. Bangemann FDP 10359 A Namentliche Abstimmung 10366 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 8/2405, 8/2470 — Picard CDU/CSU 10368 B Dr. Bußmann SPD 10371 B Schäfer (Mainz) FDP 10372 A Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 10374 C Vizepräsident Frau Funcke 10369 C Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/2420 — 10376 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 8/2414, 8/2470 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 10376 C Stöckl SPD 10378 D Weiskirch (Olpe) CDU/CSU . . . . . 10380 B Möllemann FDP 10383 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 10386 D Namentliche Abstimmung . . . . . . 10389 A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/2425 — 10391 C Nächste Sitzung 10391 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10393 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 10267 131. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. von Aerssen 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber * 24. 1. Dr. Bayerl * 25. 1. Brandt 26. 1. Flämig * 26. 1. Gruhl 24. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 24. 1. Klinker 26. 1. Koblitz 26. 1. Kroll-Schlüter 24. 1. Lange * 25. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 26. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lücker * 24. 1. Luster * 26. 1. Müller (Bayreuth) 26. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Neuhaus 24. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Schmidt (Wuppertal) 24. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Seefeld * 24. 1. Dr. Starke (Franken) * 24. 1. Frau Dr. Walz * 26. 1. Wawrzik * 25. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Ich glaube nicht, daß der Kollege. Friedrich eine solche erstaunliche Ausdrucksweise je gebraucht hätte, daß er sich oder daß meine Partei sich der Gewerkschaften „bedienen" würde.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich halte das, ohne Herrn Friedrich anzusehen und ohne das Zitat zu ahnen, für ein verfälschtes Zitat, Herr Professor. Allerdings wird die Sozialdemokratische Partei immer großen Wert darauf legen, in enger Lebensgemeinschaft mit den Menschen im Betrieb, in den Betriebsräten und in Iden Gewerkschaften ihre Politik zu konzipieren. Sie macht nämlich ihre Politik zu einem großen Teil für diese Menschen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das machen wir wohl alle!)

    — Herr Mertes tut dies auch, wie er sagt.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

    Vielleicht führt das einmal zu einer Unterhaltung innerhalb der Christlich Demokratischen Union, wie sich Ihre politische Partei im eigenen Interesse zukünftig zweckmäßigerweise zur deutschen Gewerkschaftsbewegung stellt. Die deutsche Gewerkschaftsbewegung möchte nämlich nicht nur nicht mit einer Partei affiliiert sein — das ist sie auch gar nicht —, sondern sie möchte von den Parteien insgesamt unabhängig sein und bleiben. Es genügt aber nicht, wenn der Parteivorsitzende, Herr Kohl, jedes Jahr einmal die Spitzen des Deutschen Gewerkschaftsbundes empfängt. Da muß man hingehen zu den Gewerkschaften.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : So wie Sie!)

    Da muß man hingehen in die Betriebe und zu den Betriebsräten und zuhören und antworten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : So wie Sie in Ludwigshafen zugehört haben!)

    — Ja, genau wie ich das tue.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kohl, ich bin immer froh über Ihre Zwischenrufe, daran rankt man sich hoch. Herr Kohl ruft mir dazwischen, er habe sich darüber geärgert,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Überhaupt nicht!)

    daß ich in seiner Stadt Ludwigshafen vor einer Belegschaftsversammlung von 18 000 Arbeitnehmern gesprochen habe. Natürlich habe ich das getan, mit Vergnügen, übrigens auf gemeinsame Einladung, Herr Kohl, der Unternehmensleitung und des Betriebsrates.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Kohl [CDU/CSU])

    — Ich sage das, weil Sie doch immer so tun, als schliche ich mich dort ein. Erstens halte ich mich immer an das Betriebsverfassungsgesetz,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    und zweitens gehe ich nur, wenn beide einladen, die Unternehmensleitung und der Betriebsrat.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/ CSU] : Kurz vor den Wahlen!)




    Bundeskanzler Schmidt
    Ich war vor zwei Tagen in Geislingen bei der Württembergischen Metallwarenfabrik. Dort ist ja nun wirklich keine Wahl im Gange. Einen Monat davor war ich auf einer Kohlenzeche in Nordrhein-Westfalen. Da ist ja wohl auch gerade keine Wahl im Gange.
    Ich will Ihnen sagen: Sie verstehen in Wirklichkeit nicht, daß es unsereins als Notwendigkeit empfindet, dort hinzugehen, zu reden, Rede und Antwort zu stehen und zuzuhören.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Im Vorbeigehen muß ich zwei Bemerkungen von Herrn Biedenkopf richtigstellen. Herr Biedenkopf, Sie haben mich gestern zitiert, ich hätte Kritik geübt an Landwirten, die ihre Schweine erfrieren ließen, weil sie mit Schadensersatz rechneten. So ähnlich habe ich Sie verstanden. Ich habe dergleichen nie gesagt. Ich bitte Sie, das aus Ihrem Repertoire zu streichen.
    Sie haben ferner behauptet, ich hätte Architekten zum bürgerlichen Ungehorsam aufgefordert. Ich habe dergleichen nie gesagt. Ich bitte, das aus Ihrem Repertoire zu streichen.

    (Beifall bei der SPD)

    Gestern hat Sie mein Kollege Wolfgang Roth schon ganz gut bedient, Herr Biedenkopf, als Sie sich aufgerankt hatten an der Kandidatenaufstellung zum Europäischen Parlament. Wir hätten zu viele Gewerkschafter, und das sei eine Gefahr für Europa. Herbert Wehner hat vorhin an Jean Monnet erinnert. Hier sitzen einige von Ihnen, die 20 Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet haben. Der Mann hat gewußt, warum er nicht nur die konservativen, liberalen, sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas in seinem Komitee vereinigte, sondern auch die Gewerkschaften. Die Gewerkschafter gehören zu Europa dazu, die Arbeitnehmer gehören zu Europa dazu!

    (Beifall bei der SPD)

    Aber um noch einmal auf Herrn Roth zurückzukommen: Er hat Ihnen ja die rhetorische Frage entgegengehalten, ob es denn nun so viel besser sei, jemanden als Kandidaten ins Europäische Parlament zu schicken, der nichts dabei findet, sich mit Kaiserliche Hoheit anreden zu lassen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nun habe ich gar nichts dagegen; jeder Mensch hat seinen Vogel. Warum soll er sich nicht Kaiserliche Hoheit nennen lassen?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Glos [CDU/CSU] : Sehr billig!)

    Wogegen ich etwas habe bei dem Mann, das ist die politische Gesinnung.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich lese Ihnen aus einem Aufsatz von Otto von Habsburg unter der Überschrift „Zeitgerechte Abwehr" vor. Da stehen die folgenden erstaunlichen Sätze — und da ist nicht nur von Deutschland,
    sondern von demokratischen Staaten schlechthin die Rede —:
    In der Perspektive der großen kommenden Gefahr ist eine eilige Verfassungsreform unserer demokratischen Staaten geboten ... Was geschehen sollte, drängt sich förmlich auf: Vorerst müßte der Begriff des „Staatsnotstandes" neu umschrieben werden; und es müßte die Ausrufung dieses Staatsnotstandes zum automatischen Inkrafttreten der Sonderbestimmungen führen ... Das Wesentliche wäre: Alle Macht, ohne Verzug, wird auf neun Monate an eine einzige Person übertragen. Dieser Mann sollte, nur für die Zeit des Notstandes, das Recht haben, sämtliche Gesetze zu suspendieren...

    (Zuruf von der SPD: Verfassungsbruch!)

    Mit dem Staatsnotstand tritt er automatisch an die Stelle des Kanzlers.
    — Das macht mir besonders viel Angst. —
    Auch die Funktion des Bundespräsidenten
    müßte für die Zeit des Staatsnotstandes ruhen.

    (Zurufe von der SPD: Schwachsinnig!)

    Dies ist ganz offensichtlich durch ein ganz erstaunliches Maß politischer Unreife gekennzeichnet. Ehe Sie uns bestreiten, daß wir Gewerkschaftskollegen nach Europa schicken, schicken Sie uns bitte nicht solche unreifen Menschen nach Europa!

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Eine schlechte Visitenkarte für Deutschland, Menschen mit solcher politischer Auffassung.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Demgegenüber sind die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer unseres Landes eine gute Visitenkarte für Deutschland.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Herr Biedenkopf hat gestern, sein großes Schlagwort Ordnungspolitik wieder vorführend, wenigstens in der Frageform auch ein paar konkrete bedrängende Fragen angesprochen. Er hat von der Ruhr geredet, vom Stahl; er hätte auch vom Schiffbau reden können. Er hätte konkret reden können von mehreren Branchen unserer Industrie, die jede Zigtausende Arbeitsplätze umfassen. Bei einigen sind die schmerzlichen Prozesse schon sehr weit gediehen, zum Teil schon verdaut; ich rede von der Textilindustrie. Er hätte reden können von manchen deutschen Branchen — ebenso wie in Frankreich, ebenso wie in Holland, ebenso wie in Italien, ebenso wie in England, ebenso wie in Norwegen, in der ganzen europäischen Industriegesellschaft —, die es heute mit den Konsequenzen von fast 20 Jahren gemeinsam betriebener Entwicklungshilfe zu tun bekommen.
    Wir haben allesamt an Entwicklungsländer Kapital geliefert. Wir haben die Techniken, die Verfahren bzw., wie man heute neumodisch sagt, die Technologien geliefert. Wir haben ihnen ja keine Walzwerke geliefert, damit die daraus ein Museum ma-



    Bundeskanzler Schmidt
    chen, sondern damit sie damit auch wirklich Stahl walzen. Wir haben ihnen Stahlwerke geliefert, damit sie Stahl kochen. Wir haben ihnen die Technologie geliefert, damit sie damit Schiffe bauen. Und jetzt bauen sie die Schiffe. Die sind billiger als unsere, und deren Stahl ist billiger als unserer. Weshalb? Weil die Löhne dort so niedrig sind, weil die Renten dort viel niedriger sind, weil infolgedessen auch die sozialen Kosten, die Lohnnebenkosten, dort soviel niedriger sind.
    Wir wollen unsere hohen Löhne und unsere hohen Renten nicht aufgeben! Das können wir auch nicht wollen. Aber jene bleiben billiger als wir. Infolgedessen ist es notwendig, daß unsere Unternehmungen, unsere Unternehmensleitungen, unsere Kaufleute, unsere Ingenieure, unsere Betriebsräte, die Gewerkschaften, auch die Aufsichtsräte sich anstrengen, herauszufinden: Was können sie in Zukunft Neues produzieren, das in den nächsten zehn oder 20 Jahren jene anderen noch nicht so gut anbieten können, selbst wenn die Lohnkosten und die Lohnnebenkosten in Korea und Taiwan, Hongkong und Brasilien, und wie diese Länder alle heißen, niedriger bleiben werden?
    Herr Biedenkopf hat die Frage nicht beantwortet. Er hat sie gar nicht so ausführlich gestellt, wie ich sie eben wiederholt habe. Aber mit dem Schlagwort „Ordnungspolitik" allein, Herr Biedenkopf, kommen Sie nicht zu Rande.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich habe vor mir eine Reihe von Notizen liegen, die ich mir im Laufe der letzten drei, vier Jahre immer gemacht habe, wenn der Herr Ministerpräsident Stoltenberg zur Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik gesprochen hat. Ich will nun nicht Stoltenberg gegen Biedenkopf ausspielen. Stoltenberg ist praxisnäher; er trägt ja Verantwortung.

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    — Ja, er ist seit einer Reihe von Jahren Ministerpräsident — vielleicht nicht mehr so lange; meine Freunde geben sich Mühe, das zu beenden.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber ich möchte doch Herrn Biedenkopf einmal fragen, wie es denn ordnungspolitisch in sein Weltbild paßt, wenn Herr Stoltenberg im September 1974 die Einführung einer Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft verlangt, einen Winter später die Forderung nach einem Bundesprogramm für Küstenschutz, acht Wochen später die Forderung nach Rückgängigmachung der mit dem Haushaltsstrukturgesetz vorgenommenen Einsparungen, wiederum etwas später — im Jahre 1976 — Forderung nach stärkerer Subventionierung des Schiffsbaus, 1977 Forderung nach mehr Hilfen für den Mittelstand; ebenfalls 1977 im Bundesrat plötzlich die umgekehrte Forderung nach Dezentralisation im Mitfinanzierungsbereich und Beendigung der „Fondswirtschaft", durch die der Bund alle diese Hilfen zahlt, die Herr Stoltenberg vorher verlangt hat; am Ende des Jahres 1977 wieder die umgekehrte Forderung nach Verstärkung der Gemeinschaftsaufgabe und der bundesseitigen Regionalförderung. Ich übergehe die meisten Notizen. Im Sommer 1978 Forderung nach Erhöhung der Investitionszulage, im Herbst 1978 in einem Brief an mich die Forderung nach Investitionszuschüssen für Betriebsumstellung. Et, et, et.
    Manches davon ist, wie Sie gehört haben, in sich nicht ganz konsequent und logisch. Aber ich kann den Mann verstehen. Der steht ja vor Ort und sieht ja, daß es seinen Seeschiffswerften schlecht geht. Er hat kein richtiges Konzept, wie man damit umgeht. Das wird aus diesem Forderungskatalog deutlich. Aber er zieht sich nicht wie der Herr Professor auf die große Überschrift „Ordnungspolitik" oder wie der Herr Althammer auf die große Überschrift „Soziale Marktwirtschaft" zurück-komme, was da wolle. Ich bin für Marktwirtschaft. Aber ich bin auch dafür, daß wir dort, wo es vernünftig ist, den Unternehmen vorübergehend helfen, den Weg in eine auch in Zukunft den Absatz und damit die Beschäftigung und den sozialen Standard sichernde neue Produktion zu finden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und wenn Sie es mit der Ordnungspolitik so heiß haben, dann nehmen Sie mal zu der Frage Stellung; ob Sie im Ernst die 6 Milliarden DM streichen wollen, die wir alle miteinander, Steuerzahler und Konsumenten, gemeinsam pro Jahr an die Steinkohle geben. Da Sie Abgeordneter in Nordrhein-Westfalen sind, werden Sie das wohl im Ernst so konkret nicht bejahen. Sondern Sie werden wohl zugeben müssen, daß die Steinkohle ein Paradebeispiel dafür ist, daß es aus übergeordneten Gesichtspunkten durchaus notwendig sein kann, von Staats wegen zu subventionieren, wie es bei der Steinkohle geschieht. Wir würden uns in der Tat an den Enkeln, von denen Sie, Herr Abgeordneter Kohl, geredet haben, versündigen, wenn wir die deutschen Steinkohlebergwerke absaufen ließen — und hinterher säßen wir energiepolitisch auf dem trockenen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Man. muß sich das Stück für Stück und man muß jeden Einzelfall angucken, ehe man alles über einen Leisten schlägt.
    Der Abgeordnete Kohl hat im Zusammenhang mit der Ruhr auch von der Lohnsummensteuer gesprochen und von den Sorgen, die es dazu bei den Oberbürgermeistern gegeben hat. Er hat gemeint, wir hätten uns davor zurückgezogen. Das ist nicht wahr. Die Abschaffung der Lohnsummensteuer steht inzwischen im Bundesgesetzblatt, wie Sie wissen. Wir haben uns damit in langen, zähen Verhandlungen, nicht durch Diktat und nicht durch Überwältigungen durchgesetzt. Diese Verhandlungen über den finanziellen Ausgleich haben einen guten Verlauf und ein befriedigendes Ergebnis gezeitigt. Sie sollten eigentlich zufrieden sein mit dem Ergebnis. Sie sollten uns beglückwünschen, daß wir das geschafft haben. Sie haben davon viele Jahre geredet. Aber wir haben es gemacht mit der Lohnsummensteuer.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann gab es bei Ihnen, Herr Abgeordneter Kohl, ähnlich wie gestern, ähnlich wie bei Herrn Altham-



    Bundeskanzler Schmidt
    mer Anspielungen auf öffentliche Verschuldung. Herr Biedenkopf redet auch immer darüber, ohne Zahlen zu nennen. Ich nenne Ihnen mal ein paar Zahlen. Ich vergleiche unser Land mit vergleichbaren Industriegesellschaften. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann die öffentliche Schuldenlast pro Kopf der Einwohner berechnen. Man kann sie berechnen in Prozent des jeweiligen Bruttosozialprodukts. Man kann sie in der Form berechnen, zu sagen: so viel müssen wir jedes Jahr für Zinsen für öffentliche Schulden ausgeben und diese Zinslast in ein Verhältnis zu den ordentlichen Einnahmen setzen. Das wäre vermutlich der beste Maßstab.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir hatten eine Währungsreform!)

    Ich will Ihnen sagen, was wir, wenn wir es in Prozenten des Bruttosozialprodukts messen, an Zahlen bekommen. Dann ist die Schweiz mit einer öffentlichen Schuldenlast von 31 % des jährlichen Bruttosozialprodukts ausgestattet, Schweden mit 39 %, Holland mit 40 %, Großbritannien mit 63 %, Belgien und die Vereinigten Staaten von Amerika mit 52 % und wir mit 27 %. Kein Grund zur Schwarzmalerei!

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn Sie den zweiten Maßstab nehmen — den Maßstab „Schuldenlast pro Kopf der Bevölkerung" —, dann stehen wir von all diesen Ländern an der alleruntersten Stelle. Dann ist unsere Schuldenlast die geringste.

    (Dr. Narjes [CDU/CSU] : Falsche Rechnung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Milchmädchenrechnung!)

    — Weder eine Milchmädchenrechnung noch eine falsche Rechnung! Es ist die einzig sinnvolle Rechnung, die Sie einmal gefälligst nachprüfen sollten, ehe Sie Ihre Schwarzmalerei hier dauernd ausbreiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
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  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Narjes?

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    Sehr gerne eine Zwischenfrage für das „Milchmädchen"!