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ID0813105700

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    Plenarprotokoll 8/131 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 131. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Inhalt: Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 10267 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksache 8/2404 — Dr. Kohl CDU/CSU 10267 C Wehner SPD 10281 B Mischnick FDP 10290 B Dr. Althammer CDU/CSU 10296 C Dr. Ehmke SPD 10303 A, 10352 B Hoppe FDP 10305 A Schmidt, Bundeskanzler . . . 10306 C, 10342 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 10320 D Genscher, Bundesminister AA 10327 B Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 10334 C Dr. Marx CDU/CSU 10347 C Dr. Bangemann FDP 10359 A Namentliche Abstimmung 10366 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 8/2405, 8/2470 — Picard CDU/CSU 10368 B Dr. Bußmann SPD 10371 B Schäfer (Mainz) FDP 10372 A Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 10374 C Vizepräsident Frau Funcke 10369 C Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/2420 — 10376 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 8/2414, 8/2470 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 10376 C Stöckl SPD 10378 D Weiskirch (Olpe) CDU/CSU . . . . . 10380 B Möllemann FDP 10383 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 10386 D Namentliche Abstimmung . . . . . . 10389 A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/2425 — 10391 C Nächste Sitzung 10391 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10393 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979 10267 131. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. von Aerssen 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber * 24. 1. Dr. Bayerl * 25. 1. Brandt 26. 1. Flämig * 26. 1. Gruhl 24. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 24. 1. Klinker 26. 1. Koblitz 26. 1. Kroll-Schlüter 24. 1. Lange * 25. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 26. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lücker * 24. 1. Luster * 26. 1. Müller (Bayreuth) 26. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Neuhaus 24. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Schmidt (Wuppertal) 24. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Seefeld * 24. 1. Dr. Starke (Franken) * 24. 1. Frau Dr. Walz * 26. 1. Wawrzik * 25. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Althammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Das freut mich außerordentlich; denn ich habe jetzt einige sehr dringliche Fragen an ihn zu stellen, die sowohl mit der inneren Verfassung eines künftigen Europa wie auch der inneren Verfassung der Bundesrepublik selbst zu tun haben. Diese Fragen sind vereinfacht auf den Nenner zu bringen: Herr Bundeskanzler, wie halten Sie es mit der Sozialen Marktwirtschaft?

    (Lachen bei der SPD)

    Da gibt es merkwürdigerweise eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Äußerungen des Bundeskanzlers selbst. Einmal, z. B. in seinem „Spiegel"-Interview, preist er die Vorzüge der Sozialen Marktwirtschaft an, während er in anderen Fällen, z. B. auch hier im Deutschen Bundestag, abfällige Bemerkungen macht: Das sei mehr ein gutes Propagandawort, erfunden von der CDU/CSU.
    Uns geht es' aber, Herr Bundeskanzler, um die inhaltliche Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialstruktur unseres Landes und damit auch Europas. Wir gehen nämlich davon aus, daß Europa nicht frei sein kann, wenn es nicht auch wirtschaftlich eine freie Struktur hat. Wenn alle die Parolen, die jetzt in Ihrem Europa-Programm ausgegeben werden — Herr Bundeskanzler, ich habe von Ihnen selbst bisher keine Äußerung zu diesem Europa-Programm Ihrer Partei gehört bzw. gelesen — und die von Investitionsmodellen, von Investitionslenkung usw. ausgehen, zusammen mit den anderen Tendenzen der sozialistischen und kommunistischen Parteien Europas gesehen werden, wenn das zu einem europäischen Modell der Wirtschaft werden soll, dann kann, glaube ich, von einer freien Wirtschaftsordnung nicht mehr die Rede sein. Deshalb, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, Ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Grundsätze der freien und sozialen Marktwirtschaft auch auf europäischer Ebene wenigstens zum Gemeingut der Parteien wird, die Sie erreichen können. Wenn da gesagt wird, die SPD habe nicht die Aufgabe, ihren Schwesterparteien Ratschläge zu geben, dann kann ich dazu nur sagen: Der Herr Bundeskanzler ist auch sonst nie pingelig, wenn er Ratschläge erteilt.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Hier wäre in der Tat ein dankbares Feld, auf dem er seine Ratschläge zum Tragen bringen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil dieses System der Sozialen Marktwirtschaft auch in der deutschen Öffentlichkeit von den linken Sozialdemokraten bis hin zu Leuten, die nicht mehr diesem Spektrum angehören, immer wieder verfälscht wird, erlaube ich mir, in wenigen Punkten die Grundpositionen der CDU/CSU zur Sozialen Marktwirtschaft Ihnen darzustellen.
    Erstens. Soziale Marktwirtschaft bedeutet nicht ungehemmten, schrankenlosen Kapitalismus.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD] : Was heißt das?)

    Und wenn hier eine Kapitalismuskritik betrieben wird, dann trifft dies nicht die Soziale Marktwirtschaft. Das ist ja der Kniff, daß man einen Pappkameraden aufbaut und dann so tut, als sei dies die Soziale Marktwirtschaft.
    Zweitens. Die Soziale Marktwirtschaft bewegt sich in einem gesetzlichen Ordnungsrahmen, für den der Staat verantwortlich ist. Zu diesem gesetzlichen Ordnungsrahmen für eine freie Marktwirtschaft gehören das Wettbewerbsrecht, das Kartellrecht, das Verbraucherschutzrecht, die Mißbrauchsaufsicht und eine ganze Fülle anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen.
    Drittens. Darüber hinaus hat der Staat ein Instrumentarium zur Beeinflussung der Wirtschaftsentwicklung zur Verfügung. Seit 1968 ist dieses Instrumentarium im Stabilitätsgesetz festgeschrieben. Dort sind auch die Leitziele der Sozialen Marktwirtschaft angegeben: Vollbeschäftigung, Stabilität, angemessenes Wirtschaftswachstum, außenwirtschaftliches Gleichgewicht. In der Sozialen Marktwirtschaft muß der Staat mit marktkonformen Mitteln diese Ziele anstreben. Marktkonforme Mittel sind z. B. Mittel der Finanzpolitik, der Regionalpolitik, der Strukturpolitik. Nicht zu solchen marktkonformen Mitteln gehören nach unserer Auffassung Verstaatlichung, Vergesellschaftung, Investitionskontrolle, planwirtschaftliche Maßnahmen aller Art.
    Viertens. Die Soziale Marktwirtschaft beruht auf dem verfassungsmäßig garantierten Privateigentum auch an Produktionsmitteln, auf der freien Wirtschaftsinitiative freier Bürger, auf dem partnerschaftlichen Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Unternehmen und überbetrieblich.
    Der Staat hingegen hat nach unserer Auffassung nicht die Zuständigkeit, sich in diesen privaten Wettbewerb von Wirtschaftsunternehmen einzuschalten. Wir wissen, daß das in Europa eine sehr große Rolle spielen wird. Wenn das hier in Deutschland schon geschehen ist, Herr Bundeskanzler, dann sollten Sie einmal prüfen, was in dem Bereich der Reprivatisierung in der Bundesrepublik geschehen kann.
    Gestern ist beklagt worden, daß große Unternehmen sich immer mehr ausbreiten und andere Wirtschaftsbereiche aufkaufen. Dazu ist auf das Beispiel des Volkswagenwerks hinzuweisen, das ebenfalls versucht, sich durch Diversifikation, durch diese Art von Verbreiterung, auszudehnen.
    Aber wir sind nicht der Meinung, daß staatliche Unternehmen Privatunternehmen Konkurrenz machen sollen, bis diese ruiniert sind. Wir haben derlei z. B. im Aluminiumbereich erlebt, wo mit Steuergeldern staatliche Unternehmen gestützt worden und Privatunternehmen in der Konkurrenz schließlich zugrunde gegangen sind. Das ist nicht die Art von Wirtschaftspolitik, die wir wollen. Es wäre sehr verdienstvoll, wenn der Herr Bundeskanzler sich zu diesen Fragen einmal äußern würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)




    Dr. Althammer
    Fünftens. Die soziale Komponente der Sozialen Marktwirtschaft besteht nicht nur in der optimalen Leistungsfähigkeit, die jeder sozialistischen Wirtschaftsordnung überlegen ist, sondern sie besteht auch in der Möglichkeit, den Privaten einen vermehrten Anteil am Vermögenszuwachs zuzuwenden. Hier kommt der Bereich der privaten Vermögensbildung ins Spiel. Auch hier, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, haben wir seit langer Zeit von der Regierungsseite überhaupt keine Initiative mehr. Man stellt sich die Frage, ob auch im Bereich der Vermögensbildung die SPD zu der Haltung zurückfallen will, die sie einmal unter Viktor Agartz innehatte, als sie sagte: Wir wollen nicht den Kleinbürger mit eigenem Privatvermögen; wir wollen den verfügbaren Proletarier, der für den Klassenkampf einsatzfähig ist. Wenn Sie diesen Verdacht entkräften wollen, würde ich Sie bitten, auch im Bereich der Vermögensbildung künftighin etwas zu unternehmen.
    Schließlich — das ist der sechste Punkt — ist für uns die Soziale Marktwirtschaft eine zentrale Voraussetzung der sozialen Leistungsfähigkeit unseres Staates. Das haben wir ja alles erlebt. Wir wissen, wie schnell die Finanzierbarkeit von Sozialleistungen aufhört, wenn die Marktwirtschaft nicht durch ein angemessenes Wachstum und durch Vollbeschäftigung erst einmal die finanziellen Voraussetzungen dafür schafft. Darum ist es einfach notwendig, daß man durch die Anwendung der marktwirtschaftlichen Mittel die Dinge wieder ins Lot bringt. Man darf nicht versuchen, durch irgendwelche dirigistischen Methoden die Probleme zu bewältigen. Das wird nicht gelingen, und das ist nicht möglich.
    Siebtens. Zum Bereich der Sozialen Marktwirtschaft gehört auch das Mitwirkungsrecht der Arbeitnehmer im Betrieb und überbetrieblich.

    (Zuruf von der SPD: Mitbestimmung!)

    Es ist ganz interessant, daß die Mitbestimmung, die von der CDU/CSU in den 50er Jahren — 1952, Betriebsverfassungsgesetz, vorher schon Montan-Mitbestimmung — eingeführt worden ist, in den letzten Jahren auch von den anderen europäischen Ländern nun plötzlich als eine der positiven Leistungen erkannt worden ist und daß man jetzt in Europa von der „Partizipation" spricht.
    Aber wir sagen auch ganz deutlich, was wir unter „Mitbestimmung" nicht verstehen. Wir verstehen darunter nicht eine Überparität der einen Seite, und wir verstehen darunter nicht eine Kombination mit Vermögensrechten, die in Fonds eingebracht werden, über die Funktionäre verfügen, um auf diesem Wege dann unsere Gesellschaftsordnung in eine andere umzuformen. Das ist nicht das, was wir unter Mitbestimmung verstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wir haben doch gar keine Parität!)

    Zu diesem Punkt wird das Bundesverfassungsgericht am 1. März einiges sagen. Ich nehme an, das Bundesverfassungsgericht wird zu diesem Punkt seine Entscheidung ohne Rücksicht darauf treffen, was inzwischen an massivsten Beeinflussungsversuchen nicht nur von Herrn Farthmann, sondern
    leider auch vom Herrn Bundeskanzler in dieser Frage unternommen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf Ihnen sagen: Wir verstehen den Rechtsstaat so, daß wir froh sind, daß wir ein Verfassungsgericht haben, das in diesen zentralen Fragen unsere Verfassung auslegt und damit dafür Sorge trägt, daß hier nicht verfassungswidrig eine Umformung unserer Gesellschaftsordnung vorgenommen wird.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD] : Da dachte Adenauer aber anders! — Roth [SPD]: Letzte Hoffnung! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Kollege Wehner, das ist keine letzte Hoffnung! — Entschuldigung, Herr Roth hat das offenbar dazwischengerufen, aber es könnte ja möglicherweise aus derselben Ecke kommen; ich weiß das nicht so genau. — Wir dürfen und sollten alle froh darüber sein, wenn solche Grundsatzfragen auch verfassungsgerichtlich geklärt werden können.
    Eines möchte ich Ihnen sehr dringlich vor Augen halten: Bitte, zwingen Sie uns nicht dazu, das Problem der Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst noch einmal vor das Bundesverfassungsgericht bringen zu müssen, indem Sie hier Entscheidungen treffen, die nach unserer und nach der Auffassung namhafter Verfassungsrechtler ganz klar in Widerspruch zu unserem Grundgesetz stehen!
    Ich darf auch noch einen Wunsch anbringen, weil dies heute vormittag schon wiederholt angesprochen worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat dankenswerterweise in seinem „Spiegel"-Interview ein Wort zum Verfassungsschutz gesagt, ein positives Wort. Aber, Herr Bundeskanzler, diese sporadische Erklärung genügt unseres Erachtens nicht. Wir sehen die Gefahr, daß unser Verfassungsschutz durch fortlaufende, dauernde, systematische Angriffe in eine Situation gebracht wird, in der die Männer und Frauen, die sich hier um die Erhaltung unserer Grundordnung bemühen, resignieren und nicht mehr bereit sind, ihre Pflicht zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf als ein betroffener Vater mit mehreren heranwachsenden Söhnen auch eines sagen: Es wäre dringend erforderlich, daß der Herr Bundeskanzler der unterschwelligen Propaganda von linksextremer Seite an Schulen entgegentritt, die dahin geht, daß an den Schulen unseres Landes Schüler vom Verfassungsschutz als Spitzel ausgebildet und bezahlt würden. Der Herr Bundeskanzler ist dringend aufgefordert, da für Klarheit zu sorgen. Denn wenn man diese infame Unterstellung, diese Lügen, die hier verbreitet werden, von verantwortlicher Seite unwidersprochen stehen läßt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn das Klima bei unserer Jugend in eine Richtung geht, die uns alle vielleicht nicht mehr erfreut.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Herr Bundeskanzler ist bei der Haushaltsdebatte, bei der Beratung seines Etats, nicht nur zu dem gefordert, was er und sein Kabinett in der Vergangenheit geleistet oder unterlassen



    Dr. Althammer
    haben; er ist auch gefordert, Antwort auf die brennenden zentralen Fragen zu geben, die unser ganzes Land, unser Volk und Europa in der nächsten Zukunft beschäftigen werden. Hier ist eine Fülle ungeklärter Fragen. Wir haben in mehreren Fällen erlebt, daß der Bundeskanzler zu spät gekommen ist, daß er in seiner eigenen Partei unterlegen ist, z. B. in der Frage Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst. Es ist dringend zu wünschen, daß bei den zentralen Fragen, wie dieses Europa inhaltlich aussehen soll, wie dann die Rückwirkungen auf unsere deutschen Verhältnisse sind, daß der Bundeskanzler hier Klarheit schafft, daß er nicht versucht, immer wieder nachzugeben und eine Formel zu finden, mit der er die Linken in seiner Partei einfangen kann. Hier muß einmal klargemacht werden, wo die Grenzen unseres gemeinsamen Staats-und Verfassungsverständnisses sind und wo die Punkte sind, an denen Linke nicht mehr mit uns konform gehen können, weil sie diese Staats- und Gesellschaftsordnung nicht wünschen.
    Der Herr Bundeskanzler hat viele Fragen offengelassen. Wir hoffen, daß er vielleicht heute nachmittag in seinem Beitrag zu diesen zentralen Fragen noch Stellung nehmen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehmke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit
    I will ich vor der Mittagspause nur zwei Fragen anschneiden. Den Rest können wir dann heute nachmittag machen.
    Zunächst, Herr Kollege Althammer, bin ich mit Ihnen der Meinung, daß man in der Tat einer so bedeutenden Entwicklung wie der des Eurokommunismus sorgfältige Aufmerksamkeit schenken muß. Ich komme darauf heute nachmittag noch zurück, aber ich will Ihnen doch drei Dinge in Erinnerung rufen:
    In Italien ist es Ihr christdemokratischer Parteifreund Andreotti, der die Unterstützung der größten kommunistischen Partei in Westeuropa benötigt.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU] : Warum wohl?)

    — Weil leider das Land so heruntergewirtschaftet worden ist, daß es ohne die Unterstützung der Kommunisten heute nicht mehr vor dem Zusammenbruch bewahrt werden kann —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    nach der Meinung Ihrer christdemokratischen Parteifreunde. Herr Andreotti hat sich ja oft genug mit Ihnen darüber unterhalten.

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

    Die KPI ist eine Partei, Herr Althammer, die versucht, eine christdemokratische Regierung zu stützen, weil sie meint, daß es dazu keine Alternative gibt in der Situation, in der sich Italien befindet.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Weil die Sozialisten in Italien versagen!)

    — Ich wäre doch dankbar, wenn diejenigen, die über Italien sprechen, Herr Mertes, wenigstens gewisse Kenntnisse der Innenpolitik in Italien hätten, statt hier Märchen zu erzählen.

    (Beifall bei der SPD)

    Fragen Sie doch Ihre christdemokratischen Freunde!

    (Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/ CSU] )

    Der zweite Punkt: Ich weiß gar nicht, warum Sie hier die eurokommunistischen Parteien als Kinderschreck aufbauen; denn im Europäischen Parlament arbeiten Sie doch mit Ihnen zusammen. Wenn ich das jetzt nicht ganz falsch im Kopf habe, ist der augenblicklich amtierende Präsident des Europäischen Parlaments, der italienische Christdemokrat Colombo, mit Stimmen der italienischen Kommunisten gewählt worden. Ich habe nicht gehört, daß Sie diese Stimmen im Europäischen Parlament zurückgewiesen hätten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist eine rein formalistische Angelegenheit!)

    — Warum soll das denn formalistisch sein? Wenn ich sage, im Europäischen Parlament könnte es sein, daß man zusammen stimmt, dann stellen Sie das hier als Untergang des Abendlandes hin; aber Sie nehmen die Stimmen von den Leuten, wenn Ihr Präsident gewählt wird. Das ist doch schizophren!

    (Beifall bei der SPD)

    Dann kommt der dritte Punkt, Herr Althammer. Wenn Sie fragen, ob es denn Punkte geben wird, an denen es sein kann, daß die italienischen Kommunisten stimmen wie wir, dann lautet die Antwort: Aber ja. Nehmen Sie doch einmal an, es würde das Thema der Erweiterung der Rechte des Parlaments aufkommen, Herr Kollege Kohl, Herr Kollege Althammer! Dann werden alle deutschen Parteien und alle italienischen Parteien einschließlich der italienischen Kommunisten dafür sein, und die mit Ihnen verbundenen Gaullisten und die mit uns verbundenen französischen Sozialisten werden dagegen sein.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Herr Ehmke, das ist doch nicht die Frage, um die es hier geht!)

    — Doch, das ist die Frage. Sie können nicht dort mit einer Partei zusammenarbeiten und dann hinterher so tun, als müßte man Berührungsangst haben. Das ist ein wichtiges Problem. Ich komme noch einmal darauf zurück. Ich habe lange und sorgfältig genug darüber gearbeitet. Aber es hat doch keinen Zweck, das wieder in der Form eines Schreckeffekts zu bringen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist nicht die Substanz der Frage!)

    Das war eine Vorbemerkung. Dann habe ich eine Frage an Herrn Kohl. Herr Kohl, wir haben, offen gesprochen, die „Übung Carstens" heute morgen nicht vetstanden. Wenn ich es recht gehört habe, haben Sie gesagt, hier sei eine Kampagne gegen Herrn Carstens in Gang gesetzt worden. Dazu möchte ich folgendes sagen.
    Erstens. An der Erörterung der politischen Vergangenheit von Herrn Carstens wie von Herrn Scheel



    Dr. Ehmke
    hat sich die Sozialdemokratie nicht beteiligt und wird sie sich auch nicht beteiligen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Diese Frage ist bei uns in der Partei eingehend und öffentlich erörtert worden, als Kiesinger Bundeskanzler wurde. Sie ist für uns ausgestanden. Wir haben eine solche Erörterung jetzt nicht geführt und gedenken es auch nicht zu tun.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Zweitens. Die Diskussion, die darüber in Gang gekommen ist, ob Herr Carstens nicht ein zu konservativer Politiker ist, ist in Ihrer eigenen Partei begonnen worden.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Drehen Sie die Dinge doch nicht um!)

    Es war Ihr Kollege Evers, der die Frage aufgeworfen hat, ob es nicht besser sei, Herrn Scheel zu wählen. Ihr Kollege Evers erklärt ja auch überall, daß er und viele andere CDU-Mitglieder der Meinung seien, es wäre sehr viel besser, Herrn Scheel als Liberalen, der von der Bevölkerung in hohem Maße akzeptiert wird, zu wählen, als Herrn Carstens zu wählen. Sie dürfen diese Diskussion innerhalb Ihrer eigenen Partei doch nicht auf uns schieben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Aber das ist doch gar nicht wahr!)

    — Doch, Herr Kohl. Ich muß auch sagen, daß ich Herrn Evers verstehe. Es gibt natürlich viele in der Partei, die es komisch finden, daß Herr von Weizsäcker als ein mehr dem liberalen Flügel Ihrer Partei zugehörender Politiker, zweimal gut genug war, für das Präsidentenamt zu kandidieren, als Sie keine Mehrheit in der Bundesversammlung hatten, jetzt aber, wo Sie endlich eine Mehrheit haben, nicht mehr gut genug ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dies ist die Diskussion in Ihrer Partei. Wir führen diese Diskussion nicht. Wir haben nur gesagt: Wir wären dankbar, wenn Herr Carstens als Bundestagspräsident und als Bundespräsidentschaftskandidat nicht gar so polarisierend reden würde, wie er das in den vergangenen Wochen ein paarmal getan hat.
    Als nächster Punkt ist das Zivilverfahren zu nennen, an dem der Kollege Metzger beteiligt ist. Herr Kollege Kohl, dieses Verfahren läuft schon seit einer Zeit, in der noch gar nicht daran gedacht wurde, daß Herr Carstens eines Tages für das Bundespräsidentenamt kandidieren könnte. Wir und auch Sie haben keinen Einfluß darauf, wie die Mühlen der Justiz mahlen.
    Als letzten Punkt möchte ich schließlich den Termin des 23. Mai ansprechen. Dieser Termin schien uns deshalb unglücklich — das haben wir gesagt —, weil wir meinten, am Tag der Verfassung sollten andere Dinge im Vordergrund stehen.
    Wo soll hier also eine Kampagne geführt worden sein?