Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchem Kollegen der Koalition hat es bei diesem Thema, wie wir gerade festgestellt haben, die Stimme verschlagen, und das ist eigentlich auch gut zu verstehen. Denn Herr Minister Offergeld hat in diesen Tagen den in der Öffentlichkeit allgemein vorherrschenden Eindruck von der desolaten Leitung des Ministeriums voll bestätigt.
Er hat unser Gedächtnis aufgefrischt; er hat uns nämlich an den vierfachen Ministerwechsel in vier Jahren erinnert. Herr Eppler scheiterte an seinem Weltverbessererkurs, Herr Bahr erlag seiner Selbstüberschätzung, Frau Schlei „verunfallte" in Afrika, und Herr Offergeld versucht es nun im Auftrag des Bundeskanzlers mit der Siebenschläferrolle. So gelangen wir, glaube ich, in der Bundesrepublik langsam, aber sicher vom Regen unter Umgehung der Traufe in die absolute Patsche, Herr Minister Offergeld.
Dieser erste Haushaltsplan, den Sie vorlegen, Herr Minister, ist dafür ein beredtes Zeugnis. Mit der Überschreitung der 4-Milliarden-Grenze erscheint er — wie auch Sie beim Antritt des Amtes — eindrucksvoll, er ist es aber nicht. Gegenüber dem Vorjahr wurde nämlich eine Menge draufgelegt, aber viel umgebucht. Die Endzahlen täuschen. Abziehen muß man von diesem Soll zunächst 310 Millionen DM aus dem Tilgungsverrechnungskonto, dann 110 Millionen aus dem ERP-Vermögen und 25 Millionen für die Förderung von Niederlassungen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern. Damit liegt die Steigerungsrate des Entwicklungshilfehaushalts bei 3 %, während sich die Steigerung des gesamten Bundeshaushalts auf 8,4 % beläuft.
10250 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode.— 130. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Januar 1979
Dr. Hoffacker
Der Herr Minister hat uns im AWZ mit Ergriffen-
heit — ich gestehe es — andere Zahlen genannt. Das liegt aber daran, daß er Soll und Ist aus den Jahren 1978 und 1979 zu vergleichen versucht hat und das ging leider nicht.
Noch schlechter steht es allerdings um die Verpflichtungsermächtigungen. Sie sind von 5,3 Milliarden im Jahre 1978 auf 5,1 Milliarden für 1979 gesunken. Der Rückgang beträgt also etwa 5 %. Das, Herr Minister Offergeld, ist ein Programm der entwicklungspolitischen Demontage.
Deshalb ist es auch vorbei mit den großangekündigten Maßnahmen einer stärkeren Unterstützung der LLDCs, der intensiveren Zusammenarbeit mit den Schwellenländern oder der Verstärkung der arbeitsplatzsichernden Maßnahmen bei uns sowie der Förderung des Mittelstandes.
Einige klassische Beispiele aus dem Haushalt; denn wir haben ja eine Haushaltsdebatte:
Erstes Beispiel: Das BMZ schaffte zwei Leertitel, einmal zur Nutzung neuer Energiequellen in Südeuropa und zum anderen für die Förderung regenerativer Energiemaßnahmen in den Entwicklungsländern. Diese Leertitel blieben auch im Haushaltsausschuß leer, obwohl es genug Projekte gäbe.
Aber damit nicht genug! Die Koalitionsstrategen ließen auch den Kanzler leer ausgehen. Alle Beteiligten der Koalition und der Regierung hatten nämlich vergessen, daß sie mit einer Ausstattung dieser Leertitel einen schönen politischen Coup hätten landen können, nämlich die Erfüllung des KanzlerVersprechens zu Ziffer 17 des Schlußkommuniqués vom vergangenen Bonner Wirtschaftsgipfel. Nichts geschah. Alle ließen den Kanzler hängen. Aber das ist offenbar zwischen Regierung und Koalition eine gute Übung; sonst wären nicht beide so gut voneinander isoliert.
Geradezu als Bubenstreich — damit komme ich zu einem zweiten Beispiel — erweist sich die beabsichtigte Förderung von Niederlassungen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern. Folgendes Rezept: Man nehme 25 Millionen DM Barmittel aus dem ERP-Vermögen, übernehme sie in den Haushalt, gebe keine Vergaberichtlinien, vergesse die Verpflichtungsermächtigung, und dann behaupte man, man tue etwas für den Mittelstand! — Nun, diese Sache mußte natürlich im Haushaltsausschuß auffallen. Und was machte der Haushaltsausschuß? — Er mußte bei dieser Sachlage natürlich die Notbremse ziehen und eine qualifizierte Sperre anbringen.
Ja, so wird ein Minister gesperrt. Rote Karte, möchte man sagen, Herr Minister Offergeld, weil Ihnen Kreativität fehlt, Mut, Einfallsreichtum und auch das, was mit Flexibilität zusammenhängt. Es mangelt, Herr Minister, an Mut, an Stehvermögen. Denn wenn Sie eine offensiv nach vorne gerichtete Politik betrieben, würden Sie nicht so kleinliche und kleinmütige Interviews geben, wie Sie es tun.
Ich frage Sie: Was haben Sie unternommen, um haushaltsrechtliche Barrieren beim Mittelabfluß zu beseitigen? Wie steht es mit dem Stufenplan? Wie
steht es um Ihre Vorsätze zum Marshallplan? Was ist aus Ihren öffentlichen Bekenntnissen zu mehr Bewegung bei privaten Ressourcen geworden? — Ihre Worte sind Worte geblieben und keine Wirklichkeit geworden. Dagegen breiten sich Defätismus, Resignation, Verwirrung und Mutlosigkeit in Ihrer engsten Umgebung aus.