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ID0813001500

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    Plenarprotokoll 8/130 Deutscher Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Januar 1979 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Höhmann . . . . 10131 A Eintritt der Abg. Frau Dr. Czempiel in den Deutschen Bundestag 10131 D Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksachen 8/2150, 8/2317 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/2408 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksachen 8/2427, 8/2470 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksachen 8/2423, 8/2470 — Haase (Kassel) CDU/CSU 10132 B Löffler SPD 10138 A Hoppe FDP 10142 B Matthöfer, Bundesminister BMF 10145 D Dr. Häfele CDU/CSU 10154 C Frau Funcke FDP 10159 D Glos CDU/CSU 10161 B Wohlrabe CDU/CSU 10164 A Dr. Dübber SPD 10166 D Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/2417 — 10167 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Januar 1979 Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/2412, 8/2470 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 10168 A Müller (Nordenham) SPD 10172 A Hoffie FDP 10173 D, 10183 B Lemmrich CDU/CSU . . . . . . . . 10176 D Mahne SPD 10179 A Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 10181 A Feinendegen CDU/CSU . . . . . . . 10182 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 8/2409, 8/2470 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . 10184 D Frau Simonis SPD 10187 C Dr. Haussmann FDP 10191 A Dr. Biedenkopf CDU/CSU . . . . . . 10193 A Roth SPD 10197 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 10201 D, 10209 C Dr. Narjes CDU/CSU . . . . . . . . 10205 D Metz CDU/CSU 10210 A Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2413 — Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . . 10211 A Müller (Nordenham) SPD . . . . . . 10213 D Hoffie FDP 10215 B Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . . 10217 C Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/2410 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . . . 10219 C Simpfendörfer SPD . . . . . . . . 10222 C Peters (Poppenbüll) FDP 10225 B Ertl, Bundesminister BML 10226 A Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 8/2419, 8/2470 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 10228 B Frau Traupe SPD 10230 C Dr. Schneider CDU/CSU 10233 B Müntefering SPD 10236 A Gattermann FDP 10237 D Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 10241 A Krockert SPD 10243 A Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 10243 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 8/2401 — 10246 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/2403 — . . . . . . . . 10246 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/2416 — . . . . . . . . 10246 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 8/2418, 8/2470 — Picard CDU/CSU 10246 C Esters SPD 10248 B Gärtner FDP 10248 D Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . . . 10249 C Schluckebier SPD . . . . . . . . . 10251 B Stommel CDU/CSU . . . . . . . . 10252 D Dr. Vohrer FDP . . . . . . . . . 10254 B Höffkes CDU/CSU . . . . . . . . 10255 D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . . 10257 C Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . 10260 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 8/2402, 8/2470 — . . . . 10262 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 10263 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 10265 A Anlage 2 Offizielle deutsch-sowjetische Gespräche über Waffenlieferungen an die Volksrepublik China SchrAnfr B4 12.01.79 Drs 08/2464 Würzbach CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 10265* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Januar 1979 10131 130. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. Aigner * 26. 1. Alber * 24. 1. Dr. Bayerl * 25. 1. Dr. Becher (Pullach) 23. 1. Dr. von Bismarck 23. 1. Blumenfeld * 23. 1. Brandt 26. 1. Dr. v. Dohnanyi 23. 1. Flämig ' 26. 1. Haase (Fürth) * 26. 1. Haberl 25. 1. Hoffmann (Saarbrücken) * 26. 1. Ibrügger * 26. 1. Dr. h. c. Kiesinger 24. 1. Dr. Klepsch * 23. 1. Koblitz 26. 1. Dr. Köhler (Duisburg) 23. 1. Lange * 25. 1. Luster * 26. 1. Müller Bayreuth) 23. 1. Müller (Berlin) 26. 1. Müller (Mülheim) * 26. 1. Müller (Wadern) * 23. 1. Neuhaus 24. 1. Schmidt (München) * 26. 1. Schmidt (Wuppertal) 24. 1. Dr. Schmitt-Vockenhausen 26. 1. Schreiber * 26. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schröder (Düsseldorf) 26. 1. Dr. Schwörer * 23. 1. Seefeld * 24. 1. Sieglerschmidt * 23. 1. Dr. Starke (Franken) * 24. 1. Dr. Todenhöfer 23. 1. Wawrzik * 25. 1. Weber (Heidelberg) 23. 1. Dr. von Weizsäcker 25. 1. Frau Dr. Wisniewski 23. 1. Würtz * 26. 1. Ziegler 26. 1. Anlage 2 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Würzbach (CDU/CSU) (Drucksache 8/2464 Frage B 4) : Haben sich offizielle sowjetische Dienststellen oder Diplomaten der UdSSR an Behörden oder Diplomaten der Bundesrepublik Deutschland gewandt, um die Bundesrepublik Deutschland von Waffenverkäufen an die Volksrepublik China abzuhalten, und - trifft dies zu - wie haben dazu Bundesregierung bzw. ihre diplomatischen Vertreter darauf geantwortet? Wie der Bundeskanzler in seiner Pressekonferenz am 12. Januar 1979 bereits mitgeteilt hat, hat er zwei Briefe von Breschnew bekommen, die sich auf die Frage von Waffenverkäufen an die VR China bezogen. Die beiden Briefe werden demächst beantwortet werden. Zur Sache selbst verweise ich auf die bekannte, restriktive Rüstungsexport-Politik der Bundesrepublik Deutschland.
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    Rede von Hans Matthöfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Haase, Sie hatten das schon in Ihrer Rede gesagt; ich wäre auch ohne Ihre Zwischenfrage auf Ihr Argument eingegangen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es gibt doch immer wieder solche Situationen, und jeder von uns, der Verwaltungsverantwortung getragen hat, weiß doch, daß in einem bestimmten Ministerium, wenn ein Problem neu und verstärkt angegangen werden soll, nicht immer personelle Problemlösungskapazität vorhanden ist. Da muß man auch auf außenstehenden Sachverstand zurückgreifen und ihn in das Ministerium hineinnehmen können.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie mögen das für überflüssig oder lächerlich halten oder lächerlich machen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ihre eigenen Leute halten es doch für überflüssig!)

    Wir werden aber den Konservativen dieses Landes nicht gestatten, uns zu hindern, weiter auf dem Wege zur Gleichberechtigung der Frau voranzuschreiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP —Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Genauso ist es mit den ausländischen Kindern. Welch ein großes Gefährdungspotential liegt hier. Ich darf auch auf die Jugendarbeitslosigkeit hinweisen. 60 Prozent haben wegen der Sprachschwierigkeiten keinen Hauptschulabschluß. Wie steht es denn mit der Jugendkriminalität, mit der Arbeitslosigkeit, mit dem Drogenproblem, das auf uns zukommt?

    ( V o r s i t z : Vizepräsident Stücklen)

    Von der Bundesregierung aus wird hier angeregt, daß den Ländern gegenüber Vorschläge gemacht
    werden, damit wir gemeinsam — Städte, Länder und Gemeinden —uns dieses drängenden Problems annehmen, das uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten plagen wird, wenn wir seine Lösung jetzt nicht unverzüglich durch vernünftige Vorschläge und Untersuchungen in Angriff nehmen und die ersten Schritte zur Lösung tun. Dies wird von Ihnen personalisiert, und der Versuch der Bundesregierung, hier einen Schritt vorwärtszukommen, wird von Ihnen lächerlich gemacht.
    Ich möchte mich hier Herrn Hoppe anschließen und mich ausdrücklich bei den Tarifvertragsparteien für den vorzüglichen und für die Konjunktur geradezu maßgeschneiderten Abschluß in der hessischen Metallindustrie bedanken. Hier haben die deutschen Gewerkschaften wieder einmal ihr volkswirtschaftliches Verantwortungsbewußtsein bewiesen. Wir sollten dankbar dafür sein, daß wir solche Gewerkschaften haben, denn diese Gewerkschaften sind der Garant der Leistungskraft unseres Volkes.
    Die optimistische Stimmung in der Wirtschaft wird auch dafür sorgen, daß die Investitionen zunehmen. Wir werden insgesamt auf ein Wachstum von real gut 4 Prozent kommen. Dies ist eine ausgezeichnete Leistung, und zwar nicht nur jetzt im Vergleich mit anderen Ländern, sondern auch im historischen Durchschnitt. Steuersenkungen und Kindergeldanhebungen werden die realen Nettoeinkommen der Arbeitnehmer erneut kräftig ansteigen lassen. Der private Verbrauch bleibt weiterhin eine wichtige Stütze der Konjunktur. All das wird sich auch positiv auf die Investitionsnachfrage auswirken. Die deutsche Wirtschaft wird angesichts der D-Mark-Aufwertung und des Strukturwandels auf den In- und Auslandsmärkten und der fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung beträchtliche Anstrengungen unternehmen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Es ist zu hoffen, daß die schwierigen Bemühungen um eine Stabilisierung des Dollars und des internationalen Währungsgefüges insgesamt erfolgreich verlaufen und daß keine nachhaltigen Störungen des internationalen Handels und der Energiemärkte eintreten.
    Diese gesamte Entwicklung bestätigt die Richtigkeit unserer Politik. Ohne z. B. das Programm für Zukunftsinvestitionen vom Frühjahr 1977, das bis Ende 1978 immerhin zu Auftragsvergaben von insgesamt 11 Milliarden DM führte, ohne die expansive Haushaltsgestaltung bei Inkaufnahme hoher Haushaltsdefizite, die auch uns Sorge machen, Herr Kollege Haase, wäre das wirtschaftliche Ergebnis 1978 wesentlich schlechter ausgefallen und wäre die Arbeitslosigkeit in diesem Jahre höher gewesen. Daran kann doch gar kein Zweifel bestehen.
    Wir haben die Politik der Nachfragestärke in Verbindung mit einer dauerhaften Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit den Beschlüssen vom 28. Juli 1978 fortgesetzt. Zu Jahresbeginn folgten deshalb die Entlastungen bei der Lohn- und Einkommensteuer, die Erhöhung des Kindergeldes für das dritte und jedes weitere Kind; Mitte des Jahres folgen die Erhöhung des



    Bundesminister Matthöfer
    Kindergeldes für das zweite Kind, die Einführung des Mutterschaftsurlaubs, die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in zwei Stufen, die Entlastung bei der Gewerbesteuer und die Abschaffung der Lohnsummensteuer. Gegenrechnen muß man dann die Erhöhung der Umsatzsteuer vom 1. Juli 1979 ab von 12 auf L3 v. H. bzw. bei den niedrigeren Sätzen um ein halbes Prozent. Das soll die Haushaltsdefizite von Bund und Ländern begrenzen und damit der Kapitalmarktentlastungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen nünftiger Schritt auf dem Wege hin zu einer besseren Steuerstruktur ist.
    Die steuerlichen und die sozial- und familienpolitischen Maßnahmen zusammen mit den Ausgaben des Bundes für strukturelle Hilfen für Berlin sowie für Forschung, Entwicklung und Innovation belaufen sich auf insgesamt 13,5 Milliarden DM im Jahre 1979, auf gut 15 Milliarden DM im Jahre 1980 mit steigender Tendenz in den folgenden Jahren. Mit diesen Maßnahmen zielen wir auf eine Stärkung der privaten Kaufkraft, auf eine Entlastung des Arbeitsmarktes und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Leistung dienen. Wir glauben auch, daß dies ein verWirtschaft ab.
    Ich begrüße, daß der Haushaltsausschuß, immer ein starker Verbündeter des Finanzministers, nach sorgfältiger Prüfung das Konzept dieses Haushalts mitträgt. Dem Ausschuß ist es gelungen, den Mehrbedarf gegenüber der Regierungsvorlage durch Einsparungen in anderen Bereichen aufzufangen und darüber hinaus noch das Ausgabenvolumen um rund 750 Millionen DM zu verringern.
    Die günstigeren wirtschaftlichen Aussichten für 1979 werden sich auch auf der Einnahmenseite des Bundeshaushalts zeigen. Wir können für 1979 gegenüber der letzten Steuerschätzung mit etwa 2 Milliarden DM Steuereinnahmen mehr rechnen.
    Ferner möchte der Haushaltsausschuß, daß die Deutsche Bundespost neben ihrer gesetzlichen Ablieferung — das sind in diesem Jahr 2,4 Milliarden DM — 1979 eine Sonderablieferung an den Bund in Höhe von 1,1 Milliarden DM vornimmt. Das hatte auch die Bundesregierung bei ihren Haushaltsüberlegungen für erwägenswert gehalten. Diese Abgabe wird die Investitionskraft der Bundespost nicht schmälern. Auch im Interesse eines noch besseren und breiteren Leistungsangebots in den 80er Jahren ist es erforderlich und richtig, daß die Bundespost weiterhin massiv investiert, übrigens auch in neue Technologien und in Pilotmodellvorhaben. Daß diese Investitionsplanung auch die allgemeine wirtschaftliche Belebung stärkt, sei hier am Rande vermerkt.
    Herr Kollege Löffler und Herr Kollege Hoppe hatten schon darauf hingewiesen, daß sich die für 1979 geplante Nettokreditaufnahme dadurch wesentlich vermindert. Der Kreditbedarf wird deshalb auch leichter an den Kapitalmärkten zu decken sein.
    In Ausgaben und Einnahmen hat der Haushaltsausschuß somit den Etatentwurf der Entwicklung angepaßt und Umschichtungen vorgenommen, die ich insgesamt begrüße.
    Möglicherweise wird sich übrigens auch bei den Ländern zeigen — wie das in den letzten Jahren immer der Fall war —, daß der für 1979 veranschlagte Kreditbedarf im vorgesehenen Umfang überhaupt nicht benötigt wird. Ich bin zuversichtlich, daß die öffentlichen Hände 1979 zur Haushaltsfinanzierung weniger als 50 Milliarden DM am Kapitalmarkt aufnehmen werden. Das ist deutlich weniger als jene 60 Milliarden DM, die wir in Abstimmung mit der Bundesbank Mitte vergangenen Sommers als obere Grenze angesehen haben.
    Herr Kollege Haase, eine Bemerkung — weil Sie darauf eingegangen sind — über das Verhältnis des Bundesfinanzministers zur Bundesbank. Ich kann Ihnen sagen: Das ist ein solidarisches, freundschaftliches, ja geradezu kameradschaftliches Verhältnis.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na! Na!)

    — Bitte, wir haben im letzten Jahre ganz schwierige Dinge gemeinsam zustande gebracht: bei der Dollarstabilisierung, beim EWS, bei der Finanzierung. Die Bundesbank hat ihren gesetzlichen Auftrag, die Politik der Bundesregierung zu unterstützen, in vollem Umfange erfüllt. Es gibt überhaupt keine Kritik an ihrem Verhalten. Es gibt keinen Streit, es gibt keine Rüge.
    Herr Kollege Haase, es ging in der einen Frage der Erhöhung des Lombardsatzes um den Zeitpunkt. Sie hätten besser daran getan, einmal nachzulesen, was denn da nun eigentlich vorgegangen ist. Sie haben es nicht getroffen. Tut mir leid, das sagen zu müssen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das zeigt doch die Tendenz!)

    Nun frage ich mich: War die ganze Aufregung eigentlich erforderlich? Ich kann Herrn Präsidenten Emminger nur zustimmen, der gestern nachmittag in Offenbach gesagt hat, die Dramatisierung sei völlig überflüssig gewesen. Dieser Meinung bin auch ich. Weder ist die Entscheidung so ungeheuer wichtig gewesen noch war der Kommentar dazu angetan — Herr Kollege Häfele, nun bitte ich Sie aber doch herzlich —, darin einen Angriff auf die Autonomie der Bundesbank zu sehen. Wie können Sie nur zu solchen Schlußfolgerungen kommen, wenn Sie sich den Tatbestand ansehen?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Wir kennen Sie doch!)

    Ich darf da einmal an Ihre Logik appellieren: Welchen Sinn hätte denn Autonomie, wenn sie sich nicht auch im Falle einer Meinungsverschiedenheit bewähren könnte?

    (Dr. Häfele [CDU/CSU] : Künftige Fälle!)

    Beide, Bundesbank und Bundesregierung, hier vertreten durch den Bundesfinanzminister, werden keine Entwicklung zulassen, die inflationären Charakter trägt. Wir werden sie — wie bisher — mit allen unseren Kräften bekämpfen. Wir werden gemeinsam — Bundesbank und Bundesregierung — eine Entwicklung anstreben, die sich ohne nachfrage-



    Bundesminister Matthöfer
    stützende Maßnahmen des Bundes und der Länder selbst trägt und auch — hoffnungsvollerweise — selbst verstärkt.
    Wie soll man sich Ihrer Meinung nach verhalten, wenn eine Situation dergestalt eintritt, daß man unter Freunden über den Zeitpunkt einer bestimmten Maßnahme eine unterschiedliche Meinung hat? Ist der Bundesfinanzminister verpflichtet, sich immer der Meinung des Zentralbankrates anzuschließen? Doch sicher nicht! Wie soll man sich verhalten, wenn man einmal, wie das in dieser Einzelfrage der Fall ist, unterschiedlicher Meinung ist? Soll man heucheln, soll man sagen: Jawohl, das war alles richtig, ich habe das auch immer so gewollt? Soll man hinter vorgehaltener Hand indiskretionieren: Ich bin aber ganz anderer Meinung? Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Dies ist nicht die Art, wie ich mit Freunden umgehe; das wissen Sie genau. Ich bin für offene Aussprache und offene Darlegung der Probleme, damit auch das deutsche Volk die Frage „Zinserhöhung zu diesem Zeitpunkt — ja oder nein?" einmal diskutieren kann. Leider ist es nicht dazu gekommen, weil auch Sie — das muß ich leider sagen — nicht über den Inhalt der Bemerkung diskutiert, sondern die Tatsache der Bemerkung zum Anlaß für Angriffe genommen haben, die weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Ich habe daraus gelernt, ich werde bei solchen Dingen in Zukunft noch vorsichtiger sein. Das wird zu bedauern sein, weil die öffentliche Diskussion über wirtschaftliche Fragen dadurch sicher nicht gefördert wird. Lassen wir uns doch normal zusammensetzen und uns überlegen, wie wir — ohne nun jede Frage zu Wahlkampfzwecken und zur Diffamierung des anderen ausnutzen zu wollen — eine solche volkswirtschaftliche Debatte auf breiter Grundlage in der Bundesrepublik zustande bringen! Es wäre zum Nutzen des deutschen Volkes, wenn uns beiden das gemeinsam gelänge.
    Ich muß Herrn Hoppe zustimmen, daß wir die konjunkturstützenden Impulse des Staates nicht zu schnell und zu drastisch zurückdrehen können. Sonst drosseln wir die konjunkturelle Entwicklung, bevor der erwähnte, sich selbst tragende Aufschwung zustande gekommen ist. Andererseits muß sich der Staat — auch hier, Herr Kollege Hoppe, volle Zustimmung —, will er eine Überforderung der gesamtwirtschaftlichen Ressourcen und der finanziellen Möglichkeiten vermeiden, mit zunehmender wirtschaftlicher Erholung zurückziehen, damit er den Spielraum der Wirtschaft nicht einengt. Der Sachverständigenrat hat das so formuliert:
    Baut der Staat seine stützenden Impulse zu schnell ab, könnte daraus eine. Konjunkturbremse werden. Zieht er sich nicht schnell genug zurück, könnte er den Spielraum für private Aktivitäten einengen und damit als Wachstumsbremse wirken.
    Dies ist in der Tat das Dilemma. Das erfordert ein sorgfältiges Ausbalancieren, und darum ging es, Herr Kollege Häfele, um nichts anderes.
    Mit dem schrittweisen Abbau der nachfragestützenden Impulse des Staates muß sich das Gewicht stärker auf jene staatlichen Aktivitäten verlagern, die die Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung auf mittlere und längere Sicht verbessern. Mit dem Haushalt 1978 und dem Nachtrag — deutlicher noch jetzt mit dem Haushalt 1979 — haben wir die Wachstumsbedingungen in vielfacher Weise verbessert. Auch künftig müssen wir die Ausgaben zugunsten zukunftsgerichteter . Investitionen, für Innovationen, für Forschung und Entwicklung neuer Technologien, für Umweltschutz und Humanisierung der Arbeit verstärken. Die Verbesserung des Ausbildungsangebots für Jugendliche, insbesondere auch für ausländische Jugendliche, und die Schaffung neuer, zukunftsreicher Arbeitsplätze haben nach wie vor Vorrang. Da der finanzielle Handlungsspielraum begrenzt ist, kann dies nur über eine weitere Umstrukturierung der Haushalte zugunsten der zukunftsorientierten öffentlichen Ausgaben erfolgen.
    Lieber Herr Kollege Haase, ich bin nun einmal Preuße; ich bin in Preußen geboren und aufgewachsen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Ich auch! — Glos [CDU/CSU]: Aber die Tugenden fehlen!)

    Hessen ist in der Tat, glaube ich, seit 1871 als preußisch zu betrachten. Aber wir wissen ja — auch die, die nicht das Glück haben, in Preußen geboren zu sein —, was wir unter preußischen Tugenden verstehen. Wir wissen auch beide, daß wir diese als erstrebenswert betrachten, aber im Sinn Lothar Löfflers. Herr Löffler hat völlig recht, wenn er darauf hinweist, was schon damals der preußische Staat an Gewerbeförderung unternommen hat

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Investitionen!)

    und was er an Infrastrukturinvestitionen geleistet hat. Es gilt eben — und da bitte ich um Ihre Unterstützung —, die Haushalte so umzustrukturieren, daß, wenn der Haushalt nicht mehr so stark wächst oder vielleicht auch mal stabil bleibt, die Struktur zugunsten zukunftssichernder Ausgaben zu ändern. Da, muß ich allerdings sagen, gefällt mir überhaupt nicht, was ich so von der CDU/CSU an neuen Ausgabenforderungen oder Einnahmenverminderungen höre. Wir haben das mal aufgelistet. Allein in diesem Jahr — und das Jahr ist ja noch jung — sind es zwölfeinhalb Milliarden DM.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie schütteln den Kopf, Herr Häfele. Ich schreibe Ihnen einen Brief und bringe Ihnen die Belege.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Da haben Sie jeden einzelnen Vorschlag zugezählt!)

    Wir können den strukturellen Problemen, die wirtschaftliches Wachstum und auch die Arbeitsplätze gefährden, erfolgreich nur über einen umfassenderen Neuerungsprozeß, über neue Produkte, neue umweltschonende und arbeitsplatzfreundlichere Produktionsverfahren, neue Bezugs- und Absatzmärkte, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, begegnen. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, daß sich Schwächen in bestimmten Regio-



    Bundesminister Matthöfer
    nen verstärken und sich steppenbrandartig ausweiten und die wirtschaftliche und soziale Stabilität großer Gebiete gefährden können. Wir haben deshalb eine Reihe von Ausgaben im Haushalt 1979 unternommen für Forschung und Entwicklung neuer Technologien, Verbesserung der Anpassungsfähigkeit, Kreativität, Innovationsbereitschaft, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen, Ansätze zur Sicherung unserer Rohstoff- und Energieversorgung, Umweltschutz, Humanisierung der Arbeitswelt, Verbesserung der beruflichen Bildung.
    Nun gibt es zwei Bereiche, die uns besondere Sorge machen. Ich denke an den deutschen Steinkohlenbergbau und an die Werften, an das ganze Gebiet der Küsten. In beiden Fällen stellt der Bund beträchtliche finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Beschäftigung zu sichern und die notwendigen Anpassungen zu unterstützen.
    Die Küstenregion steht vor erheblichen Schwierigkeiten, nicht nur im Schiffbau, aber insbesondere dort. Die Auftrags- und Beschäftigungslage im Seeschiffbau und in der Seeschiffahrt sind kritisch. Nach hohen Wachstumsraten bis Anfang der siebziger Jahre und der entsprechenden Ausweitung der Werftkapazitäten hat sich die Lage tiefgreifend verändert. Verlangsamtes Wachstum in den westlichen Industrieländern, ein nicht mehr so dynamischer Welthandel, massive Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Interventionen woanders haben nach und nach alle Bereiche der Seeschiffahrt und damit natürlich auch die Beschäftigungslage in den Werften erheblich beeinträchtigt. Dazu kommen noch die Ertragseinbußen durch die Währungsentwicklung. Die Bundesregierung hat nach Anhörung der unmittelbar Beteiligten — denn die haben ja die wesentliche Verantwortung, d. h. also Werften, die Eigentümer, sprich: die Konzernmütter, die Reeder und auch die Gewerkschaften — in gemeinsamer Prüfung mit den Küstenländern, die auch hier die unmittelbare regionale Verantwortung haben, Maßnahmen für den Seeschiffbau und die Seeschiffahrt verabschiedet, um kurzfristig Beschäftigungseinbrüche zu verhindern. Diese Maßnahmen entlassen jedoch die wirtschaftlich unmittelbar Betroffenen nicht aus ihrer Verantwortung. Die Bewältigung des Strukturwandels und der notwendigen Anpassungsprozesse sind in unserer Wirtschaftsordnung in erster Linie Aufgabe der Unternehmen selbst. Maßnahmen der öffentlichen Hand — Bund und Küstenländer — sind nur befristete Hilfe zur Selbsthilfe.
    Gleichzeitig müssen längerfristige Maßnahmen ergriffen werden, um die Wirtschaftsstruktur der Küstenländer dauerhaft zu verbessern. Es wird unvermeidlich sein, daß sich die Werften neben ihren traditionellen Produktionsgebieten stärker als bisher schiffbaunahen Fertigungen, vielleicht auch anderen Fertigungen zuwenden, wo man die Qualifikationen, die man im Schiffbau gewonnen hat, leicht übertragen kann. Das hohe technische Niveau dieses Wirtschaftszweiges und die hohe Qualifikation seiner Arbeitnehmer sollten genützt werden, um durch neue Produkte und Produktionsverfahren die bisher einseitige Fertigungsstruktur krisenfester
    zu gestalten und mehr Beschäftigung außerhalb des Schiffsbaues zu suchen. Die Bundesregierung hat die Küstenländer aufgefordert, zusammen mit dem Bund ein Gesamtkonzept für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des norddeutschen Raumes zu erarbeiten.
    In ähnlicher Weise werden wir uns auch mit den Zukunftsaussichten des Ruhrgebietes befassen müssen. Es- wird darum gehen, einem industriellen Ballungsraum, der immerhin immer noch zu den industriell leistungsfähigsten der Bundesrepublik gehört, über eine zu einseitige Abhängigkeit vom Montanbereich hinwegzuhelfen und ihm neue, zukunftsweisende Fertigungen zu verschaffen. Die langfristige Sicherung der Kohle als eines Rohstoffes und Energieträgers ist eine vordringliche Aufgabe, da die Kohle der einzige Energieträger ist, der in unserem Lande in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Die Hilfen für den Steinkohlenbergbau sind erst vor kurzem aufgestockt worden; in diesem Haushalt stehen rund 2 Milliarden DM zur Verfügung. Hinzu kommen rund 2 Milliarden über den Kohlepfennig. Auch die Leistungen für Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet wurden wesentlich verstärkt, und die strukturellen Hilfen wurden durch soziale Maßnahmen für die Arbeitnehmer im Steinkohlenbergbau unterstützt.
    Wir werden uns auch mit besonderem Nachdruck mit der Förderung Berlins befassen müssen. Diese Förderung nimmt angesichts der staatspolitischen Bedeutung Berlins und seiner benachteiligten Lage, aber auch angesichts des Umfangs der Hilfen eine Sonderstellung ein. Kernstück der Finanzbeziehungen des Bundes zu Berlin ist die Bundeshilfe zum Ausgleich des Defizits im Berliner Landeshaushalt. Sie wird 1979 mehr als 8,4 Milliarden DM betragen. Im Jahre 1969 betrug die Bundeshilfe 2,7 Milliarden DM. Das bedeutet eine Verdreifachung in einem Zeitraum von nur zehn Jahren. Oder ein anderer Vergleich: Die Bundeshilfe ist in diesem Zeitabschnitt um 218 Prozent gestiegen, während der Umfang des Bundeshaushalts nur um 149 Prozent zugenommen hat. Auch an diesen Zahlen wird das Engagement des Bundes für Berlin deutlich. Berlin ist dadurch stets in die Lage versetzt worden, die erforderlichen Ausgaben zur wirtschaftlichen und sozialen Sicherung seiner Bevölkerung zu leisten.
    Hier also, Herr Kollege Haase, haben Sie ein weiteres Beispiel für das, was Sie „Politik zu Lasten der Zukunft" genannt haben. Sie sagen, wir beuteten die kommenden Generationen aus. Ich will hier nicht in eine — für Fachleute sicher interessante — Diskussion darüber einsteigen, ob ein Transfer realer Ressourcen von einer Generation zur anderen überhaupt möglich ist. Es kann aber keine Rede davon sein, daß wir diese künftigen Generationen real wirklich ausbeuteten, es sei denn dadurch, daß wir Rohstoffe verbrauchen, die endlich sind und deshalb zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich will hier auch nicht auf die nominalen Vorgänge, in denen sich das abspielt, eingehen. 60 Prozent der Verpflichtungen des Bundes haben, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, eine Laufzeit von bis zu vier



    Bundesminister Matthöfer
    Jahren, d. h., in vier Jahren muß das überwälzt werden. Um einmal den finanziellen Aspekt, der von dem realen deutlich zu trennen ist, herauszunehmen: Das, was passiert, bedeutet, daß die Schuld überwälzt wird und im Vergleich zum wachsenden Sozialprodukt — so hoffen wir ja — weniger bedeutungsvoll wird. Zum Teil kann sie sogar zurückgezahlt und dadurch in ihrer Bedeutung noch einmal vermindert werden. Die Zinszahlungen werden • jeweils von der betreffenden Generation durch die Steuerzahler geleistet, d. h., ein Teil der zukünftigen Generation in seiner Eigenschaft als Steuerzahler zahlt an einen anderen Teil der zukünftigen Generation in seiner Eigenschaft als Zinsempfänger, wobei sich diese Kreise natürlich weitgehend überlappen. Das alles können Sie ja in der amerikanischen Diskussion über dieses Problem nachlesen.
    Aber wie sieht der reale Vorgang aus? Wir sichern, so sagte ich, durch die Nettokreditaufnahme den wirtschaftlichen Kreislauf und verhindern dadurch Massenarbeitslosigkeit. Wem würde es denn in den zukünftigen Generationen nützen, wenn wir heute Massenarbeitslosigkeit durch eine falsche, von Ihnen empfohlene Politik in Kauf nähmen? — Niemand!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gar nicht die Frage!)

    Im Gegenteil! Was wir mit dieser Nettokreditaufnahme finanzieren, ist ein Teil der Ausgaben, etwa 15 Prozent, wie ich es Ihnen vorgetragen habe.
    Ist es wichtig für die zukünftigen Generationen, daß wir etwa die 2 Milliarden DM für die Kohle leisten? — Natürlich! Die Kohle wird die entscheidende Energiequelle für die zukünftigen Generationen in diesem Lande sein. Und indem wir durch Subventionen sicherstellen, daß nicht zugemacht zu werden braucht, daß mit Hilfe der technischen Entwicklung ein leistungsfähiger Bergbau sichergestellt wird, beuten wir die zukünftigen Generationen nicht aus, sondern sichern ihnen durch unsere Nettokreditaufnahme einen leistungsfähigen Bergbau.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Genauso ist es mit den 13,5 Milliarden DM für die Bundesbahn, die Sie erwähnt haben. Was Sie gesagt haben, ist natürlich richtig. Aber sollen wir denn wirklich eine drastische Schrumpfung der Bundesbahn hinnehmen? Ist es denn nicht richtig — von den sozialen Folgen für die betroffenen Beschäftigten ganz abgesehen in einer Zeit, in der man schon absehen kann, daß das 01 sehr viel teurer und vor allen Dingen knapper werden wird, den zukünftigen Generationen auch mit Hilfe von Zuschüssen, die mit Krediten finanziert werden müssen, ein Transportsystem zu sichern, das genau auf die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen in der Bundesrepublik zugeschnitten ist?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und wie steht es mit den Straßen, mit der Verkehrsinfrastruktur?


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase?
Matthöfer, Bundesminister: Ich hatte schon gesagt, Herr Präsident, daß ich — —

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich bin ein neuer Präsident.
    Matthöfer, Bundesminister: Ich hatte dem vorhergehenden Präsidenten bereits gesagt, daß ich keine Zwischenfragen zulassen wolle.
    Der Ausbau der Straßen und der Verkehrsinfrastruktur wird doch länger als 50, 60, 70 Jahre dauern und dient den zukünftigen Generationen. Über das, was wir an Forschung und Entwicklung neuer Technologien machen, verfügen die nächsten Generationen. Sie sollten sich das alles also noch einmal durch den Kopf gehen lassen, bevor Sie diesen Vorwurf wiederholen, der wirklich unzutreffend, •der falsch ist. Das Gegenteil ist der Fall. Das gleiche gilt natürlich für die Ausgaben für Berlin, gilt für die geplanten Hilfen für die Werften und die Seeschiffahrt, gilt für die Strukturhilfen, die wir der Stahlindustrie geben, gilt für die regionalen Hilfen, die wir gemeinsam mit den Ländern bereitstellen. Alles dies wird von uns im Interesse der zukünftigen Generationen gemacht.
    Für diese Aufgaben und für die weitere Verstärkung der zukünftigen Ausgaben muß ein angemessenes Steueraufkommen zur Verfügung stehen, weil wir — und darin stimmen wir doch alle überein — die derzeitige hohe Kreditaufnahme auf Dauer nicht aufrechterhalten wollen. Deshalb ist es finanzpolitisch unsolide und widersprüchlich, wenn die Opposition unmittelbar nach Inkrafttreten der umfangreichen Steuerentlastungen Anfang dieses Jahres neue Steuerentlastungen fordert.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es wird in dieser Legislaturperiode keine neuen ins Gewicht fallenden Steuerentlastungen mehr geben können.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das haben Sie schon einmal gesagt! — Das glaubt doch keiner!)

    — Nicht in dieser Legislaturperiode, verehrter Herr Kollege. Seien Sie bitte vorsichtig mit Ihren Zwischenrufen! Wenn Sie schon stören, müssen die Zwischenrufe wenigstens stimmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten besteht kein weiterer Handlungsbedarf. Die Steuerquote ist durch die steuerlichen Entlastungen von 25 Prozent im Jahre 1977 auf 24 Prozent im Jahre 1979 zurückgegangen. Ich halte es nicht für möglich und angesichts der Anforderungen an die öffentliche Hand auch nicht für richtig, diese Quote in Zukunft noch weiter zu senken. Wenn man die Kindergeldregelung hinzunimmt — ich hatte Ihnen das schon einmal vorgerechnet —, geht das noch



    Bundesminister Matthöfer
    einmal herunter und zwar auf einen historischen Tiefpunkt. Sie können die volkswirtschaftliche Steuerquote von 1939, von 1952 oder 1972 nehmen: die Steuerquote des nächsten Jahres schneidet im Vergleich dazu glänzend ab.
    Nun hat Herr Kollege Haase wieder die Staatsquote gebracht. Er ist wieder — gewissermaßen mit einem Vorwurf an die Sozialdemokraten — in die alte Neigung der christlich-demokratischen Parteien verfallen, vor den Folgen der eigenen Entschlüsse wegzulaufen.
    Herr Kollege Haase, was haben Sie von dem, was zur Erhöhung der Sozialquote beigetragen hat, nicht mitbeschlossen? Alles ist von Ihnen mitgetragen worden: jeder einzelne Beschluß, jeder Rentenbeschluß, jeder Krankenversicherungsbeschluß, jeder Unfallversicherungsbeschluß. Sie haben deshalb kein Recht, sich über die hohe Staatsquote zu beklagen und einen Vorwurf an die Sozialdemokraten und an die Liberalen zu richten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn Sie das aber immer wiederholen, wiederhole ich meine Frage: Was haben Sie vor? Wollen Sie das abbauen? Die Steuerquote werden Sie nicht weiter hinunterbringen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Jetzt kommt sofort wieder die soziale Demontage! Wenn man sich nur Gedanken macht, ist man sofort bei ,den Demonteuren!)

    — Bitte schön. Ich habe die soziale Demontage nicht erwähnt, Herr Kollege Haase,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Sie assoziieren das wieder!)

    aber wenn Sie das mit dem Begriff Staatsquote assoziieren, gehen Sie in die richtige Richtung, in die ich Ihre Gedanken führen möchte. Denn dies ist die Schlußfolgerung: Entweder Sie hören auf, über die hohe Staatsquote zu lamentieren, oder Sie sagen uns gefälligst, wo Sie sie abbauen wollen! Beides geht nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich halte die Frage für legitim. Von Überbesteuerung kann angesichts der niedrigen Steuerquote keine Rede sein. Künftig wird es die vordringliche Aufgabe der Steuerpolitik sein, das Steuersystem im Rahmen des hohen, von unserem Volk mit Recht gestellten Anspruchs auf differenzierte soziale Gerechtigkeit zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten. Die Politik der Steuervereinfachung soll- te Schritt für Schritt fortgesetzt werden. Die Abschaffung oder Reform einzelner Steuern bedarf hierbei sorgfältiger Prüfung und Abstimmung mit den Ländern und Gemeinden. Wie schwierig die Probleme dort sein können, hat sich bei der Abschaffung der Lohnsummensteuer überdeutlich gezeigt.
    Herr Kollege Häfele, ich habe jetzt zum erstenmal Gelegenheit, vor dem Forum des Bundestages auf Ihren Vorwurf der Bürokratisierung einzugehen, den Sie sicher gleich noch einmal erheben werden. Ich widerlege ihn also gewissermaßen prophylaktisch im Zusammenhang mit den • Maßnahmen, die wir im vergangenen Sommer beschlossen und die wir beide dann im Vermittlungsausschuß ausgehandelt haben. Es fing mit der Verkündigung durch christdemokratische Ministerpräsidenten an, die christdemokratische Mehrheit des Bundesrats werde diesem Paket ihren Stempel aufdrücken, und zwar familienpolitisch und in Form einer weiteren Entlastung im Gewerbebereich. Die zweite war weitgehend unstrittig; damit waren wir auch schnell fertig.
    Familienpolitisch haben Sie den Kinderfreibetrag gefordert, der 4,5 Milliarden DM gekostet hätte. Diese Zahl ist unbestritten. Diese 4,5 Milliarden DM wurden gefordert, ohne daß irgend jemand von Ihnen gesagt hätte, woher wir das Geld nehmen sollten. Es war nicht mehr da, und Deckungsvorschläge haben Sie nicht gemacht. Oder? Da Ihre Parteifreunde im Bundesrat die Mehrheit haben, mußte man sich mit Ihnen einigen. Wir haben also verhandelt, und dabei kamen diese Kinderbetreuungskosten heraus, die abzugsfähig sind und etwa 500 bis 600 Millionen DM 'im Jahr ausmachen, was gerade noch an der Grenze des Erträglichen liegt. Dies wurde zugegebenermaßen durch eine Komplizierung und Bürokratisierung des Steuersystems erzwungen. Aber dies war ihr Stempel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten haben nicht die Liberalen, nicht die Sozialdemokraten erdacht, das ist von uns nicht eingebracht und auch von der Bundesregierung nicht beschlossen worden. Diese bürokratische Mißgeburt war Ihr Stempel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das haben Sie mit der Mehrheit des Bundesrats durchgesetzt. Nun hören Sie auf, uns dies vorzuwerfen! Es sind Millionen von Menschen in diesem Lande, die das im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen verfolgen konnten, wer nämlich eine weitere Bürokratisierung, Komplizierung und Unübersichtlichkeit des Steuersystems zu verantworten hat.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das schlägt dem Faß den Boden aus! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung wird in Kürze dem Parlament Berichte zu § 7 b des Einkommensteuergesetzes und zur Grunderwerbsteuer vorlegen. Beide Steuerbereiche können an Hand dieser Berichte gründlich 'diskutiert und überprüft werden. Wir sind bereit, jedem guten, politisch durchsetzbaren Vorschlag Rechnung zu tragen. Hinsichtlich der mittelfristigen Aspekte der Finanzentwicklung des Bundeshaushalts hat sich die Opposition leider immer noch nicht zu einer sachgerechten ausgewogenen Beurteilung durchringen können, wie ich, Herr Kollege Haase, zu meinem großen Bedauern hören mußte.
    Die Feststellungen des Sachverständigenrates zur grundsätzlichen Notwendigkeit und zu den Schwerpunkten der Haushaltskonsolidierung sind_ hier ein wesentlich hilfreicherer Beitrag zur Lösung der



    Bundesminister Matthöfer
    Aufgaben der kommenden Jahre. Nur über ein kräftiges Wachstum und über zunehmende Beschäftigung wird es möglich sein, das Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts schrittweise zurückzuführen. Die Bundesregierung hat dieses Ziel verfolgt und wird es auch in Zukunft weiterverfolgen.
    Ich darf mich noch einmal sehr herzlich beim Haushaltsausschuß für seine intensive und gute Arbeit bedanken und meine Ausführungen wie folgt zusammenfassen:
    Die Aussichten für eine Verstärkung des Wachstums bei hoher Preisstabilität haben sich verbessert. Es gibt begründete Aussicht, daß die Zahl der Erwerbstätigen um 100 000 bis 150 000 zunehmen und die Arbeitslosigkeit beträchtlich zurückgehen wird. Diese positive Entwicklung ist auch das Ergebnis der Finanzpolitik der Bundesregierung, die seit 1977 z. B. gekennzeichnet, ist durch eine expansive Haushaltsgestaltung, durch höhere soziale Leistungen, Kindergeld, Mutterschaftsurlaub, Senkung der Altersgrenze — um nur die neuesten Dinge zu nennen — und durch steuerliche Entlastungen in dem Versuch, die private Nachfrage zu stützen. Der Anteil das Wirtschaftswachstum anregender und insbesondere auch mittel- und langfristig stützender Ausgaben, also Forschung und Entwicklung neuer Technologien, Innovationsförderung, Modellvorhaben, neue Existenzgründungen, Förderung mittlerer und kleinerer Unternehmen, wird erhöht. Die Bundesregierung wird sich an Programmen zur Überwindung regional bedeutsamer Strukturkrisen wie z. B. an der Küste oder im Ruhrgebiet beteiligen, wenn die Wirtschaft selbst und die Länder ihrer primären Verantwortung nachkommen. Die Bundesregierung wird sich allerdings Forderungen nach Erhaltungs- und Dauersubventionen immer mehr verschließen. Sie wird verlangen, daß zukunftweisende Konzepte zur dauerhaften Überwindung solcher Strukturkrisen vorgelegt werden.
    Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung für Berlin wahr und wird gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Stobbe ihre Bemühungen fortsetzen, die wirtschaftliche Anziehungskraft und Leistungsfähigkeit Berlins zu erhöhen.
    In dem Maße, in dem sich das Wirtschaftswachstum verstärkt, wird die Kreditaufnahme des Bundes zurückgeführt werden. Daneben besteht kein finanzpolitischer Spielraum für erneute Steuersenkungen. Nach den massiven Steuerentlastungen zu Beginn dieses Jahres muß nun eine Zeit steuerpolitischer Stabilität und Ruhe eintreten. Die Bundesregierung wird Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts und der Steuerverfahren vorlegen.
    Die Bundesregierung nimmt mit ihrer Politik ihre Verantwortung in Europa und der Welt wahr; sie legt heute die Grundlagen für Frieden, Stabilität und besseres Wachstum in der Zukunft und dient damit zukünftigen Generationen.
    Ich bitte Sie um die Zustimmung zum Haushaltsentwurf 1979, der eine Fortsetzung unserer erfolgreichen Politik gewährleisten soll.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)