Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den Herr Haase soeben für die Auffassung der Opposition in Anspruch genommen hat, nennt für die gegenwärtige Finanzpolitik drei Ziele, die er in seinem letzten Gutachten wie folgt beschreibt — ich zitiere mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
Die Finanzpolitik steht weiterhin vor der Aufgabe, die noch schwachen konjunkturellen Auftriebskräfte zunächst durch expansive Impulse zu stützen, gleichzeitig aber die Wachstumsbedingungen für den privaten Sektor zu verbessern, um zur Lösung der mittelfristigen Beschäftigungsprobleme beizutragen, und auf mittlere Frist den Abbau der hohen Haushaltsdefizite zu betreiben, die in diesem und den nächsten Jahren entstehen werden.
Alle drei Ziele, expansive Haushaltspolitik, Steuererleichterungen — wie man wohl die mittlere der Forderungen übersetzen kann — und Abbau. des Haushaltsdefizits, kann man zwar hintereinander aufschreiben, aber in der praktischen Finanzpolitik nicht auf einmal und vollständig erreichen. Diese drei Ziele lassen sich nur schwer auf einen Nenner bringen. Welches dieser drei Ziele ich auch herausnehme und isoliert betrachte, es steht in Widerspruch zu den anderen beiden, wenn ich es konsequent und ohne Abstriche verfolgen wollte. An dieser Elle müßte man eigentlich die Ausführungen des Kollegen Haase messen; aber ich will mir das ersparen.
Daraus ergibt sich für uns, daß keines dieser drei Ziele gegenwärtig einen eindeutigen Vorrang vor den anderen beiden hat. Keines dieser Ziele kann überbetont werden, ohne erhebliche Gefahren für unsere gesamtwirtschaftliche Entwicklung und damit für die Entwicklung unserer sozialen Gesellschaft heraufbeschwören. Deshalb wäre es falsch,. wollte man die finanzpolitischen Maßnahmen nur von einem dieser Ziele bestimmen lassen.
Der von mir erwähnte Widerspruch läßt sich nur durch einen Kompromiß zwischen diesen drei finanzpolitischen Vorstellungen auflösen. Dieser Kompromiß hat sich danach auszurichten, wie unsere Bürger in der Gegenwart, aber auch in der Zukunft leben sollen, wie wir den hohen sozialen Standard halten und weiterentwickeln können. Hier kann ich nur das wiederholen, was ich sinngemäß schon ein-
mal an anderer Stelle gesagt habe: alle Zahlen müssen stimmen, die im Haushalt, aber auch die gesellschaftspolitischen Daten, die die Lebensverhältnisse der Menschen in unserem Lande widerspiegeln. Es kommt darauf an, zwischen diesen drei finanzpolitischen Zielen die rechte Balance zu finden und zu halten.
Herr Kollege Haase hat mich mit meinem Wort vom Dezember vorigen Jahres zitiert, wo ich etwas über zerrüttete Finanzen und ein gesundes Staatswesen gesagt habe. Herr Kollege Haase, schauen Sie hinein in die Geschichtsbücher, schauen Sie hinein in die finanzwissenschaftlichen Bücher! Dann werden Sie dahinterkommen: ein gesunder Staat hat eben keine zerrütteten Finanzen, und da wir ein gesunder Staat sind, haben wir eben keine zerrütteten Finanzen,
auch wenn die Opposition diesen Zustand immer herbeireden will. Ich weiß eigentlich gar nicht, weshalb Sie ihn herbeireden wollen, denn politisch bringt das für Sie nichts.