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ID0804706400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/47 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 6. Oktober 1977 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Malaysischen Unterhauses und einer Delegation . 3555 A Begrüßung der Vorsitzenden der britischen Kommission für Kommunalpolitik, Baroness Bea Serota, des Ombudsmann von Finnland, Dr. Aalto, und des Beauftragten der Stadt Zürich in Beschwerdesachen, Dr. Vontobel 3566 A Begrüßung einer Delegation des Parlaments von Kenia 3571 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 3555 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . 3555 D Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Fortsetzung der Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Anwendung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft — Drucksachen 8/876, 8/983, 8/992 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/987 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung — Drucksachen 8/900, 8/905 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/988 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 8/984, 8/992 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Oktober 1977 Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zum Abbau der Überbesteuerung der Arbeitnehmer und Betriebe sowie zur Erhöhung des Kindergeldes für Kinderreiche (Steuerentlastungsgesetz 1978) — Drucksache 8/592 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/988 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 8/985, 8/992 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung — Drucksache 8/974 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/988 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 8/986, 8/992 — Dr. Langner CDU/CSU . . . . 3556 D, 3573 C Dr. Diederich (Berlin) SPD . . . 3558 D, 3576 B Dr. Kreile CDU/CSU . . . . . . . . . 3560 C Dr. Böhme (Freiburg) SPD 3566 A Frau Funcke FDP 3571 A Frau Matthäus-Maier FDP 3578 A Dr. Apel, Bundesminister BMF 3580 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU . 3582 B, 3585 D Porzner SPD 3586 A Stutzer CDU/CSU 3586 C Dr. Spöri SPD 3587 C Schmidt, Bundeskanzler 3596 A Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . 3607A Mischnick FDP 3619 B Dr. Ehmke SPD 3623 D Namentliche Abstimmungen . . 3591 A, 3592 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Sechsten Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern (Sechstes Bundesbesoldungserhöhungsgesetz) — Drucksache 8/998 — Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3594 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1977 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1977) — Drucksache 8/365 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/970 — Dr. Warnke CDU/CSU . . . . . . . 3626 C Roth SPD 3628 C Angermeyer FDP 3630 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Reiseveranstaltungsvertrag — Drucksache 8/786 — Dr. de With, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 3632 B Dr. Hennig CDU/CSU . . . . . . . . 3633 B Dr. Schöfberger SPD 3635 C Kleinert FDP 3637 C Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes — Drucksache 8/971 — . 3638 B Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Pockenschutzimpfung — Drucksache 8/933 — 3638 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik auf dem Gebiet des Wohnungswesens (Wohnungsstichprobengesetz 1978) — Drucksache 8/921 — 3638 C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Weihnachts-Freibetrages und Verbesserung der Abschreibungsbedingungen — Drucksache 8/990 — 3638 C Beratung der Ubersicht 3 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/925 — 3638 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Oktober 1977 III Bundeseigenes Gelände in Wilhelmshaven, Rüstersieler Groden; hier: Veräußerung einer Teilfläche an das Land Niedersachsen — Drucksache 8/937 — . . . . . . . . 3638 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren — Drucksachen 7/5222, 8/913 — 3639 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Luftreifen von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern — Drucksachen 8/55, 8/934 — 3639 A Beratung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 3177/76 des Rates zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge anwendbar sind Vorschlag zur Änderung des Verfahrens für die Angleichung der Dienstbezüge der Beamten und der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften — Drucksachen 8/850, 8/947 — 3639 B Nächste Sitzung 3639 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3641* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Oktober 1977 3555 47. Sitzung Bonn, den 6. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. van Aerssen * 7. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr. Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Dr. von Bismarck 7. 10. Blumenfeld * 7. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Dr. Früh * 6. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Helmrich 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz** 7. 10. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker* 7. 10. Lagershausen* * 7. 10. Lange * 7. 10. Lemmrich * 7. 10. Lemp * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. _ Müller (Mülheim) * 7. 10. Müller (Wadern) * 7. 10. Dr. Müller-Hermann * 7. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schmöle 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe ' 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Dr. Schwörer * 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Starke (Franken) * 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Frau Dr. Walz * 7. 10. Wawrzik * 7. 10. Wehner 7.10. Windelen 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zeyer * 7. 10. Zywietz * 6. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, danke schön! —
    Meine Damen und Herren, die Folgen liegen schon auf der Hand. Am 12. September hat das Politbüromitglied Mückenberger gesagt — das wird in alle Welt verbreitet —, die Bundesrepublik sei auf dem besten Wege, eine Kappler-Republik zu werden; das enge Zusammenwirken der neofaschistischen Kräfte in Westeuropa sei Ausdruck eines Sich-bereits-wieder-stark-Fühlens revanchistischer faschistischer Kreise.
    Meine Damen und Herren, ich behaupte nicht, daß Sie das absichtlich machen, aber in Ihrer Torheit und politischen Kurzsichtigkeit helfen Sie doch solchen Angriffen gegen die Bundesrepublik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Bundeskanzler, Herr Brandt, Herr Ehmke oder Herr Bahr, der ja ein Altmeister dieser Kunst ist,

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : War!)

    machen das doch nur, um von den wahren Verhältnissen abzulenken.
    Denn vernünftigerweise kann doch niemand auf den Gedanken kommen, daß diese Terroristen aus dem rechten Spektrum stammen. Die haben mit dem Faschismus nun wirklich nichts zu tun. Sie haben mit dem Faschismus etwas gemeinsam, nämlich die
    Verachtung des menschlichen Lebens, der menschlichen Persönlichkeit, die Unmenschlichkeit. Aber das ist nichts Neues. Wir, die Union, haben zu jeder totalitären Gesinnung immer nein gesagt, ob sie faschistisch oder kommunistisch ist. Wir sind auf keinem Auge blind!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bestimmte Teile der SPD, meine Damen und Herren, sind doch drauf und dran, dies alles gar nicht mehr zu begreifen. Ihr Blick ist doch verstellt, daß sich die politische Zielsetzung solcher Köpfe, die sich dann noch sozialistisch nennen, verabsolutiert, daß sie zwangsläufig in totalitärem Anspruch und brutaler Gewalt enden muß.

    (Konrad [SPD] : Aber!)

    Ich will das gar nicht mit meinen Worten sagen. Ein Mann, der einige Verdienste um die Geschichte Ihrer Partei, genauer gesagt, um die Geschichtsschreibung Ihrer Partei, hat, der wohl beste Kenner, wie ich neidlos anerkenne, der Weimarer Republik, der Bonner Politikwissenschaftler Karl Dietrich Bracher, hat in diesen Tagen in einem Artikel in einer großen deutschen Tageszeitung folgendes geschrieben — ich zitiere —:
    Diese Tabuisierung geschieht auch in den aktuellen Kontroversen über die Wurzeln und Erscheinungsformen des linksextremen Terrorismus, indem man diesen als „faschistisch" klassifiziert und den Kindern Hitlers zuschiebt, die doch so erklärtermaßen Kinder Marxens und Lenins sind. Bewußt oder nicht bedeutet dies ein Bagatellisieren oder Exkulpieren der totalitären Wurzeln und Konsequenzen.
    Meine Damen und Herren, mit diesem Satz müssen Sie sich auseinandersetzen. Ich sage das nicht schadenfroh. Es ist Aufgabe einer demokratischen Partei, hier nicht Spuren zu verwischen, sondern Dinge auszumerzen, wenn es etwas auszumerzen gibt.
    Es ist dann natürlich schon erstaunlich, daß Herr Bahr vor einigen Tagen — es ist ein Verdient, daß er diese Zeilen Willy Brandts an die Öffentlichkeit gebracht hat — eine Passage eines Aufrufs von Willy Brandt an die Sympathisanten der Terroristen veröffentlichte, indem er Brandt wörtlich wie folgt zitierte:
    Wissen Sie nicht, daß Sie politisch zu denken vorgeben, daß Sie, statt mehr Freiheit und Gerechtigkeit für die breiten Schichten in diesem Lande zu schaffen, die Geschäfte der finsteren Reaktion, ja, der Neo-Nazis betreiben? Daß Sie das Bewußtsein der Bevölkerung

    (Zuruf von der SPD) — bitte hören Sie zu! —

    über den Rand hinausbomben, hinter dem es
    nur noch den Abgrund .von Chaos, Polizeistaat
    oder Diktatur gibt? Oder wollen Sie genau das?
    Das Zitat ist von Brandt.

    (Zuruf von der SPD)

    Meine Damen und Herren, was für eine Verwirrung muß eigentlich in Willy Brandts Kopf vor sich



    Dr. Kohl
    gehen? Er ist doch ausgezogen, mehr Demokratie zu wagen. Mit welchem Volke denn? Mit einem Volk, das sich von einigen Terroristen zurechtbomben läßt, um einen Polizeistaat zuzulassen? — Es ist nicht das Volk der Bundesrepublik, an das Sie denken und für das Sie handeln wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Was ist das für ein pseudoelitärer Quatsch, der hier als Grundlage politischen Tuns ausgegeben wird?

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Herr Bundeskanzler, hier gibt es kein Vertun. Sie sind Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Noch!)

    Sie sind stellvertretender Vorsitzender der SPD. Sie haben sich heute über ein Zitat erregt, das Franz Josef Strauß gebracht hat, und Sie haben es widerrufen. Dieses Zitat können Sie nicht widerrufen. Es ist vom Bundesgeschäftsführer Ihrer Partei wiedergegeben worden. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie von diesem Pult aus sagen, was das eigentlich für eine Vorstellung im Kopf des Herrn Willy Brandt über die Möglichkeiten ist, die im deutschen Volk schlummern. Meine Damen und Herren, dürfen Sie sich wundern, wenn Tag für Tag solche Torheiten in Ihrem Lager verzapft werden, daß draußen im Ausland von unseren Feinden das Bild des häßlichen Deutschen gezeichnet wird?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sollten derartige Diskussionen aufgeben, sich dem eigentlichen Thema zuwenden, Roß und Reiter nennen und klare Trennungsstriche ziehen, statt Nebel zu verbreiten.
    Jochen Steffen hatte sicher recht, als er einmal sagte:
    Wenn eine Partei auf Klassenbewußtsein setzt oder davon profitiert,
    — die Partei der „kleinen Leute", Herr Bundeskanzler —
    muß sie auch wissen: Wer auf einem Tiger reitet, wird aufgefressen, wenn er absteigt.
    Meine Damen und Herren, dieses Wort ist des Nachdenkens wert.

    (Konrad [SPD]: So spricht ESSO!)

    — Natürlich, wenn ich Sie betrachte, ist es in der Tat so, Herr Kollege.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wer 1969 mit dem großen Aufbruchspathos anfing, wer prinzipiell Systemüberwindung forderte und nur noch darüber diskutierte, ob sie revolutionär oder auf dem Wege innerer Reformen vorzubereiten ist, wer — und das lassen Sie sich ins Stammbuch geschrieben sein, meine Damen und Herren — Politik prinzipiell als Kampf antagonistischer Interessen begreift, wer dann weiter so töricht redet wie Herr Ehmke gestern, daß diejenigen, die Konfliktstrategie oder Konfliktpädogogik kritisieren, in einem törichten
    Volkstums- und Volksgemeinschaftsdenken verbleiben

    (Dr. Ehmke [SPD] : Das habe ich zwar auch nicht gesagt, aber Sie sind ja nie bei der Wahrheit!)

    — Herr Ehmke, auf Grund unserer Herkunft, gerade auch der christlichen Herkunft, wissen wir, wie auch Sie, sehr genau, daß dies nicht eine Welt ist, die das Paradies auf Erden herbeiführt; es ist nicht das Traumziel von Christdemokraten, sondern von Sozialdemokraten, das Paradies auf Erden schaffen zu wollen —,

    (Dr. Ehmke [SPD] : Das war sehr christlich! — Weitere Zurufe von der SPD)

    wer in unserem Staate duldet, daß starke Gruppen unsere Wirtschaftsordnung, das vorhandene System, als morsch und überholt ansehen, tagtäglich so kritisieren, wie dies geschehen ist, der sitzt in der Tat auf einem gefährlichen Tiger.
    Meine Damen und Herren, wer im Interesse einer sogenannten permanenten Veränderung die Reformbedürftigkeit des Staates, die wir alle doch bejahen, zum politischen Credo erhebt, wer duldet, daß dieser Staat immer wieder, Jahr für Jahr madig gemacht wird, der darf sich doch nicht wundern, wenn bei einer nicht geringen .Zahl junger Leute natürliche Skrupel gegenüber Gewaltsamkeit abgebaut werden, wenn sittliche Barrieren eingerissen werden.
    Wenn — Herr Bundeskanzler, Sie haben das heute angesprochen; lassen Sie uns das ganz klar austragen — bekannte Männer der Literatur, Hochschullehrer, Theologen Rechtfertigungen und Begründungen für eine angeblich politisch und moralisch erlaubte Gegengewalt liefern, müssen Sie sich als führender deutscher Sozialdemokrat, als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland doch klar und deutlich mit Nennung von Roß und Reiter von diesen Leuten lossagen, auch wenn sie gestern und vorgestern Helfer Ihrer Wählerinitiative gewesen sind!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben es doch mit geduldet, daß jahrelang die klassische Aufgabe des Staates, Recht und Ordnung zu sichern und damit auch das Glück des Bürgers zu schützen, nur noch sehr schamhaft und nur noch gelegentlich als zentrale Aufgabe herausgestellt wurde. Wer aber, meine Damen und Herren, Recht und Ordnung nicht mehr als zentrale Aufgabe des Staates begreift, wer nicht zu sagen wagt, daß nur ein wirklich starker Staat mit Autorität — nicht ein autoritärer Staat, sondern ein Staat mit Autorität! — die Freiheit seiner Bürger sichern kann, der baut doch ganz selbstverständlich das Eintreten der Bürger für diese Rechtsordnung ab, und der braucht sich über den Verfall von Bürgersinn im Lande nicht mehr zu wundern. Die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien ist uns allen — in allen demokratischen Lagern — aufgegeben. Den Rechtsstaat zu schützen, ist nicht nur den Strafverfolgungsbehörden und der Polizei aufgetragen,

    (Erhard [Bad Schwalbach] : [CDU/CSU] : Sehr richtig!)




    Dr. Kohl
    und doch gibt es eine sich verbreitende fatale Meinung, das sei Sache der Behörden, ,der Polizei oder der Justiz. Dort werden eine Staatsgesinnung und ein Staatsethos vorausgesetzt, die eben ein entsprechendes inneres Engagement der Bürger bedingen. Sie, die Sie jetzt so lachen, haben sich lange genug an der Verteufelung auch der Ordnungskräfte beteiligt; Sie sollten da gar nichts sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will hier nicht auf diesen törichten Streit, ob die Baader/ Meinhof-Gruppe eine Gruppe oder eine Bande ist, eingehen; ich will in diesem Zusammenhang zu vielem von dem, was Sie von diesem Pult aus in diesen Jahren gesagt haben, gar nichts weiter sagen.
    Ich finde es sehr eindrucksvoll — dafür sind wir dankbar —, daß die beiden Kirchen in diesen Tagen in ihren Erklärungen festgestellt haben, um was es geht. Ich zitiere wörtlich aus der Erklärung der katholischen Bischöfe:
    Die Begrenztheit des Menschen und die Wirklichkeit des Bösen wurden nicht mehr gesehen . .. Hand in Hand damit ging eine zynische Herabsetzung der Grundwerte und der Grundhaltungen eines menschenwürdigen Lebens. Von manchen Kathedern unserer Hochschulen und Universitäten werden seit Jahren Theorien
    der Verweigerung und der Gewalt gegen die fortgeschrittenen Industriegesellschaften gelehrt und empfohlen ... In Massenmedien und selbst im Unterricht gab und gibt es Versuche, unseren Staat, seine Verfassung, seine Gesetze und seine Vertreter herabzusetzen und lächerlich zu machen.
    Meine Damen und Herren, der Text spricht für sich. Er entspricht der Erfahrung der riesigen Mehrheit der Bürger unseres Landes. Ich will darauf verzichten, solche Beispiele intellektueller Verwahrlosung im einzelnen zu nennen. Sie alle kennen sie genug.
    Aber, meine Damen und Herren, ich bin strikt dagegen, daß jetzt in dieser Nebelwand über all das, was mit zu dieser Heimsuchung geführt hat, geschwiegen wird. Es gibt — und jeder, der um die geistige Zukunft dieses Landes besorgt ist, wird sich damit auseinandersetzen müssen — einen sehr interessanten Aufruf des Vorstands der Humanistischen Union, einen offenen Brief an den Herrn Bundespräsidenten. Darin steht manches, was sehr bedenkenswert ist. Aber, meine Damen und Herren, ich vermisse in diesem Brief, daß man sich mit dem, womit wir uns jetzt beschäftigen müssen, kräftig, entschlossen und entschieden auseinandersetzt. Das Problem der Bundesrepublik ist nicht eine Hexenjagd auf Intellektuelle. Wer bläst denn zu dieser Hexenjagd?

    (Konrad [SPD] : Wer denn?)

    — Sie werden gleich auf Ihre Rechnung kommen. Ich wäre etwas zurückhaltend.
    Wer bläst denn zu einer Hexenjagd?

    (Zuruf von der SPD: Die CDU!)

    Wo geht denn in der Bundesrepublik McCarthy um?

    (Friedrich [Würzburg] [SPD] : Herr Spranger! Nirgendwo. Eines muß doch gesagt werden: Wir als Demokraten bejahen alle den kritischen Dialog mit den Intellektuellen. Aber gerade, wenn wir — und ich sage das ganz klar und deutlich als Vorsitzender der Unionsfraktion und Vorsitzender der CDU — zu diesem Dialog ja sagen, erfordert das auch Offenheit und Fairneß auf der anderen Seite. Da gibt es doch keinen Sondertatbestand. Wer für sich in Anspruch nimmt — ich bin bereit, diese Vorgabe zu machen —, in jenen Bereichen, die die Menschen bewegen, besonders sensibel zu sein, und diese Bereiche zum Ausdruck bringen zu können, der muß sich auch entsprechend befragen lassen. Intellektuelle sind doch zunächst Bürger dieses Landes. Sie stehen doch nicht unter einem positiven oder negativen Sondergesetz. Sie sind Bürger wie jeder von uns auch. Dies ist die Stunde der Herausforderung des freiheitlichen Rechtsstaats, der die Kraft und den Einsatz und das Engagement seiner Bürger braucht, auch jedes einzelnen Intellektuellen in unserem Land. Jetzt gilt es, Partei zu ergreifen für diesen Staat. Wenn man mitten in diesem Staat lebt — weil mir keine sozialistischen Neidgefühle eigen sind, sage ich sogar ohne Scheu: wenn man in diesem Staat als Intellektueller gut lebt —, dann könnte man doch eigentlich erwarten, daß man sich zunächst mit der Gefahr auseinandersetzt und nicht damit, daß man irgend jemandem zu nahe getreten sein könnte, vor allem, wenn es um solche Leute geht, die in der Wahl ihrer Mittel, anderen zu nahe zu treten, wahrlich nicht zimperlich sind. Lesen Sie doch einmal nach, was in dieser Woche Ihr großer Trommler für die Wahl, (Dr. Stark [Nürtigen] [CDU/CSU] : Jetzt sind sie Mimosen!)


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Günter Grass, in der „Frankfurter Rundschau" in einem Interview gesagt hat. Das ist ein lesenswertes Interview, weil es eine Welt aufhellt, die mit der Bundesrepublik nur noch sehr bedingt etwas zu tun hat. Ich bin nicht dagegen, daß ein Schriftsteller in Visionen denkt; aber dies ist eine schlimme Vision. Dies ist nicht unsere, nicht meine Bundesrepublik — wenn ich das ganz persönlich, als einzelner Bürger für mich sagen darf. Ich zitiere ihn wörtlich. Herr Grass sagt auf die Frage „Und wie hat ein Günter Grass in dieser Situation" — das ist die Gesamtlage, die angesprochen ist — „reagiert?" folgendes:

    (Dr. Sperling [SPD]: Jetzt generalisieren Sie!)

    Ich bin seit einigen Wochen unterwegs, merke die Beklommenheit und Unsicherheit in diesem Lande. Ich spüre, wie froh viele junge Menschen sind, wenn überhaupt noch jemand den Mut hat



    Dr. Kohl
    — für mich ist es eine Selbstverständlichkeit —, über das zu sprechen, was die jungen Leute bedrückt: Radikalenerlaß, Jugendarbeitslosigkeit, Alternativlosigkeit,
    — das sind alles Vorwürfe an Sie, Herr Bundeskanzler -
    nicht motiviert sein für irgend etwas. Von Ausnahmen abgesehen, werden aber solche Gespräche weitgehend ausgespart,
    — und jetzt kommt die entscheidende Stelle —
    und dafür wird etwas getan, was uns, wenn Dregger und Strauß jemals Regierungsgewalt bekommen, rechtlich gesehen, ins Mittelalter zurückwerfen würde.

    (Zuruf von der SPD) — Ja, Sie klatschen dazu.


    (Frau Dr. Timm [SPD] : Wir klatschen doch gar nicht! — Dr. Marx [CDU/CSU] : Er weiß gar nicht, was Mittelalter ist!)

    — Ich muß Ihnen sagen: Wenn ich Sie betrachte, muß ich das Mittelalter gegen Sie in Schutz nehmen. Das ist die erste Feststellung, die ich hierzu zu treffen habe.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das ist jetzt wirklich keine ironische Betrachtung. Das führt in eine ganz andere Dimension. Was geht im Kopf dieses Mannes vor, wenn er in einer solchen Weise Haß sät? Etwas anderes als blanker Haß ist es nicht, der hier gesät wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bringe ein anderes Beispiel. Herr Bundeskanzler, Sie und ich und eine Reihe von Kollegen sind in diesen Wochen, in dieser besonders schlimmen Zeit nach der Entführung von Dr. Hanns Martin Schleyer oft zusammen gewesen. Wir haben — ich darf das einmal so salopp sagen, ohne mißverstanden zu werden —

    (Stahl [Kempen] [SPD] Sie reden überhaupt salopp!)

    beinahe hautnah immer wieder mit den führenden Repräsentanten unserer Kriminalpolizei und wichtigen Repräsentanten der Ordnungsmacht des Staates zusammengesessen. Wir haben erlebt, wie diese Beamten und wie die vielen Beamten draußen bis zum letzten ihre Pflicht tun, und dafür haben wir ihnen zu danken. Nun lesen wir alle, Woche für Woche, seit Jahren, einen „Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten". Dieser Informationsdienst ist nicht eingestellt worden, er kommt jede Woche heraus.

    (Zuruf des Abg. Dr. Sperling [SPD])

    — Herr Kollege, bevor Sie dazwischenrufen, sollten Sie sich erst einmal um den Gegenstand bemühen. — In diesem Informationsdienst, der in einer ziemlich großen Auflage herauskommt, wird im wesentlichen aus den Gefängnissen der Bundesrepublik berichtet, die in der Sprache des Terrorismus als Lager bezeichnet werden, um den politischen Anspruch deutlich zu machen.
    Jetzt lese ich Ihnen etwas aus einer Nummer vor, die acht Tage nach der Ermordung von Siegfried Buback herausgekommen ist. Der Bericht kommt aus dem „Lager Tegel" ; das ist die Strafvollzugsanstalt in Tegel. Ich zitiere wörtlich:
    Wahrlich, die Gefangenen hatten und haben bei diesem Anlaß Grund zum Jubeln, da sie, also wir, diese Verbrechen, Schikanen und praktischen Selbstmorde täglich am eigenen Leib verspüren, für die einzig und allein Siegfried Buback als letzter Mann dieses mörderischen deutschen Justizapparates in hohem Maße die Schuld und Verantwortung trug. Buback war und ist für uns eine Verkörperung für deutschen Faschismus und Sadismus innerhalb der Bundesrepublik und West-Berlins. Die Hinrichtung von Siegfried Buback war und ist eine unmißverständliche Warnung an alle jene Faschisten, die skrupellos wie vor 35 Jahren schon wieder unschuldige Menschenleben zerstören und vernichten. Nun endlich muß es diesen zweibeinigen Raubtieren langsam dämmern, klargeworden sein, daß keiner von ihnen früher oder später der gerechten Strafe des Volkes entgeht.

    (Dr. Sperling [SPD] : Warum lesen Sie das vor? Wollen Sie sagen, daß wir damit etwas zu tun haben?)

    Der Text ist schlimm genug. Aber die Zusammensetzung des Beirates dieses ID, meine Damen und Herren von der SPD, ist noch schlimmer. Ich will nicht alle Namen vorlesen, aber ich will von diesem Pult aus sagen: Daß Helmut Gollwitzer bis zur Stunde diesem Beirat angehört, ist eine Schande für die intellektuelle Redlichkeit.

    (Pfui-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU)

    Gerade weil wir uns leidenschaftlich, offen und unvoreingenommen mit den Intellektuellen — soweit es sie überhaupt in dieser Verallgemeinerung gibt — auseinandersetzen wollen, können wir nicht hinnehmen, daß derartige Auswüchse schlimmster Art — auch im Blick auf die betroffenen Familien — ungerügt durchgehen. Dieser Deutsche Bundestag hat überhaupt nicht die Aufgabe einer intellektuellen Vergangenheitsbewältigung. Aber wir haben die Pflicht, im Plenum des Bundestages deutliche Worte zu staatlichen Verlautbarungen zu sagen, in denen Konflikttheorien, parteiische Geschichtsklitterung, ein ideologisch einseitiges Gesellschafts- und Verfassungsverständnis übernommen werden. Dies alles muß jetzt angesprochen und ausgetragen werden. Denn wir können uns weder Experimente noch falsch verstandene Toleranz leisten. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Das ist das Gebot der Stunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gerade in der Erziehung junger Leute dürfen wir das Feld nicht den Ideologen überlassen, die alles für machbar halten und die sich das vermessene Ziel setzen, einen neuen Menschen für eine neue Gesellschaft nach ihrem Bilde heranzuzüchten. Allzu lange, viel zu lange ist einer oft niederträchtigen Systemkritik, ist Forderungen nach Systemüberwin-



    Dr. Kohl
    dung, ist der Denunziation unserer Verfassungsordnung interessierte Toleranz entgegengebracht worden. Die sie vorbrachten, waren auf dem besten Wege, alle anderen mundtot zu machen. Es muß klar sein, daß diese destruktive Kritik weder fortschrittlich noch progressiv ist noch irgendeinen Wert hat, wie überhaupt Veränderung an sich keinen Wert darstellen kann. Kein politisches Ziel, keine Gewalt, kein Terror ist zu rechtfertigen.
    Ich will mit einem Satz des Züricher Philosophen Hermann Lübbe schließen, eines großen Sozialdemokraten, wie Sie wissen, der an die Adresse der allzu toleranten 'Bewunderer kritischer Intelligenz folgendes sagte:
    Verächtlich machen sich Gemeinwesen, die den Angriff auf ihre rechtlichen und moralischen Grundlagen, anstatt ihn abzuwehren, zum Ausdruck einer höheren Form kritischen Bewußtseins emporloben.
    Verächtlich wird, wer Tritte, die man ihm versetzt, „unbequem" nennt und die Tretenden ihrer kritischen Gesinnung wegen rügt.
    Verächtlich macht sich, wer jede politische Provokation sich bieten läßt, weil er nicht wahrhaben möchte, daß es Leute gibt, deren politische Feindschaftserklärung wirklich ernst und total gemeint ist.
    Dieses Zitat muß doch eigentlich jeden anrühren. Wir, meine Damen und Herren in diesem Saal, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, werden vor _der Geschichte einmal nicht am politischen Urteil dieses oder jenes literarischen Zeitgenossen gemessen, sondern daran, ob wir den inneren und äußeren Frieden, der diesem Lande und seinen Bürgern Freiheit, Sicherheit und Wohlstand gebracht hat, entschlossen, mutig und wirksam gegen alle Feinde verteidigt haben.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

(Einige Abgeordnete der CDU/CSU verlassen den Saal — Zuruf von der FDP: Das ist der neue Stil! — Weitere Zurufe von der FDP)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe volles Verständnis dafür, daß man, wenn man über drei Stunden hier gesessen hat, nicht mehr stilvoll sein kann.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wir bleiben aber hier!)

    — Aber lieber Herr Kollege Kohl, wenn Sie hier die Meinung vertreten haben, daß die Frage, ob diese oder jene Zahl anwesend ist, eine Frage des Stils ist, dann hat die Union einen Nachholbedarf
    an Stil, der von niemandem in diesem Haus zu überbieten ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Von uns sind mehr anwesend als von Ihnen! — Zurufe von der CDU/CSU: Zählen!)

    — Im Augenblick sind Sie selbstverständlich in etwas größerer Zahl anwesend; sonst sieht das immer ein bißchen anders aus. Wir sollten diese Frage nicht zum Maßstab der Diskussion machen.
    Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß er dieses Schlagwort ;,Soziale Marktwirtschaft" nie übernommen habe, und er hat von der formierten Gesellschaft und von den Pinschern gesprochen. Ich kann nur feststellen: Für die Freien Demokraten ist die Soziale Marktwirtschaft nie ein Schlagwort gewesen. Für uns war es immer der Begriff für eine Wirtschaftsform, die dieser freiheitlichdemokratischen Gesellschaft am meisten gemäß ist, und wir werden immer in diesem Sinne politisch tätig sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

    Daß man über Bezeichnungen, über Zusätze streiten kann, darüber besteht kein Zweifel. Es besteht auch kein Zweifel darüber, daß sie nicht in der Verfassung verankert ist. Aber es hat sich in dieser freiheitlich-demokratischen Gesellschaft das herausgeschält, was manche gern mit dem Begriff „die normative Kraft des Faktischen" bezeichnen. Die Marktwirtschaft ist ein Teil unseres Verfassungslebens geworden, obwohl sie nicht in der Verfassung verankert ist; das ist kein Zweifel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir Freien Demokraten haben diese Marktwirtschaft aber auch nie als etwas Statisches, sondern immer als eine dynamische Möglichkeit empfunden, und deshalb kann nicht jeder Vorschlag, dies oder jenes zu verändern, schon als Kritik oder als Zweifel an der Marktwirtschaft bezeichnet werden, wie es leider oft auch aus den Reihen der Opposition geschehen ist.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: So nicht!)

    — Ich darf Sie nur daran erinnern, daß gerade aus Ihren Reihen, als die Freien Demokraten auf ihrem Freiburger Parteitag eine Fortschreibung dessen, was wir als Marktwirtschaft verstehen, diskutiert haben, die Anklage kam, das sei der Weg weg von der Marktwirtschaft. Das ist genausowenig richtig wie andere Behauptungen, die aufgestellt worden sind. Mit der formierten Gesellschaft haben wir nie etwas zu tun gehabt. Das war für uns immer ein nicht fest umrissener Begriff. Die Auseinandersetzung mit den „Pinschern" ist eine Sache, die diejenigen durchzuführen haben, die diesen Begriff in die Debatte eingebracht haben.
    Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu dem machen, was der Kollege Strauß gestern sagte. Er hat zu Beginn seiner Rede, als er gerade über die Marktwirtschaft sprach, gesagt: Hut ab vor der FDP, die sich 1949 gegen den Zeitgeist f ü r die Marktwirtschaft entschieden hat. — Meine ver-



    Mischnick
    ehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, so, wie wir uns damals gegen den Zeitgeist für die Marktwirtschaft entschieden haben, werden wir uns heute gegen manchen Zeitgeist, der den freiheitlichen Rechtsstaat nicht immer bis zum letzten verteidigt, auch zu wehren wissen und aus dieser Sicht unsere Entscheidung gerade im Bereich der Bekämpfung des Terrorismus zu fällen haben.

    (Beifall bei der FDP)

    Die entscheidende Frage richtet sich nicht auf den Zeitgeist, sondern darauf, was im Interesse dieses demokratischen Rechtsstaates notwendig ist. Die Kollegen von der Union brauchen sich keine Sorgen über die gemeinsame Grundlage der Freien Demokraten zu machen. Wenn wir das, was unsere gemeinsame Grundlage ist, durch Diskussionen auf den Parteitagen ausfüllen und unterschiedliche Meinungen austragen, dann ist das eben ein Teil unserer freiheitlichen Demokratie und nicht etwa Zeichen einer Verfallserscheinung. Es wäre schlimm, um diese Demokratie bestellt, wenn es nicht mehr möglich wäre, auf Parteitagen unterschiedliche Auffassungen zur Ausfüllung einer Grundmeinung vorzutragen. Dann hätten wir keine freiheitliche Demokratie mehr; dann hätten wir einen Staat, in dem die Partei zu bestimmen hat und der Parteifreund nicht mehr mit entscheiden kann, was diese Partei will und was sie nicht tun soll.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Herr Kollege Strauß hat davon gesprochen, es gebe vier Regierungsparteien — zwei SPDs und zwei FDPs — und daraus den Schluß gezogen, hier gebe es eigentlich keine Mehrheit mehr. Nun, es ist doch unbestritten: Am vorigen Donnerstag haben 198 von der Koalition und 173 von der Opposition für den Gesetzentwurf gestimmt;

    (Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

    heute haben 219-von der Koalition für den Gesetzentwurf gestimmt und 206 der Opposition dagegen. Sind das keine Mehrheiten? So schnell sind wir immer wieder in der Lage, Ihnen den Beweis zu liefern, daß Ihre Behauptung, wir hätten keine Mehrheit, falsch ist. Und wir werden Ihnen auch in Zukunft beweisen, daß wir die Mehrheit haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Kollege Strauß hat sich sehr lang mit dem Marxismus auseinandergesetzt und davon gesprochen, es gebe marxistische Flügel in der SPD. Er hat dann mit dem Blick auf die Freien Demokraten den Eindruck suggerieren wollen, auch bei uns gebe es Marxisten. Da kann er ganz beruhigt sein: Marxisten gibt es nicht bei uns. Und wenn jemand auf die komische Idee kommen sollte, als Marxist FDP-Mitglied werden zu wollen, werden wir ihm deutlich machen, daß er bei uns keinen Platz hat. Das können Sie ganz beruhigt uns überlassen.

    (Beifall bei der FDP)

    Der Kollege Barzel hat davon gesprochen, daß der Kollege Friderichs wegen der zentralen Spannungen, die in unserer Partei über bestimmte wirtschaftspolitische Fragen herrschen, aus dem Kabinett und aus der aktiven Politik ausscheide. Kollege Friderichs hat die entsprechende Antwort gegeben.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Nein!)