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ID0804606200

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    Plenarprotokoll 8/46 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 46. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 Inhalt: Absetzung zweier Punkte von der Tagesordnung 3469 A Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — Strauß CDU/CSU 3469 B Dr. Ehmke SPD 3485 C Hoppe FDP 3497 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . . 3502 D Dr. Barzel CDU/CSU 3512 A Reuschenbach SPD 3521 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 3525 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 3532 D Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 3539 D Löffler SPD 3543 D Gärtner FDP 3547 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3551 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3553* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 3469 46. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr.Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Fellermaier * 5. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz ** 7. 10. Frau Hürland 5. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker * 7. 10. Lagershausen ** 7. 10. Lange * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich ** 7. 10. Lemp * 7. 10. Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. Müller (Mühlheim) * 7. 10. Neuhaus 5. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe * 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Wehner 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. von Wrangel 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zywietz * 6. 10.
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    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich sage Ihnen: Ich bekenne mich zu dieser Aussage. Sie entspricht dem, was ich strukturpolitisch will.

    (Beifall bei der SPD)

    Jetzt will ich gern auf die Aktivreserve eingehen. Nun führen wir natürlich über das Thema „Aktivreserve" eine Debatte, die eine Scheindebatte ist, weil die Aktivreserve, wie Sie wissen, hochverehrter Herr Dr. Sprung, eine Maßnahme für Zeiten überschäumender Konjunktur wäre. Das werden Sie mir zugeben. Insofern ist dies sehr weit gezielt. Ich denke, daß wir es im Moment nicht mit diesem Problem zu tun haben. Wir werden es für einige Zeit vielmehr mit dem umgekehrten Problem zu tun haben.
    Wenn man die Aktivreserve aber schon zur Debatte stellt, muß man sagen, daß es — so steht es in unserem Antrag — zwei Schlüssel gibt. Schlüssel Nummer 1: Antrag der Bundesregierung, diese Maßnahme einzuführen; Schlüssel Nummer 2: Bundesbank, die dieses akzeptiert oder auch nicht akzeptiert. So ist es vorgesehen. Hier gibt es also keine Anweisung der Regierung gegenüber der Bundesbank, diese Maßnahme zu ergreifen, sondern es gibt einen Zwei-Schlüssel-Mechanismus. Ich sage Ihnen ganz offen: Über dieses Instrument der Aktivreserve ist vor wenigen Jahren im Kreise der Bundesregierung, im Kreise des Kabinetts sehr nüchtern debattiert worden, und zwar mit dem Ergebnis, daß die Bundesregierung es damals nicht für opportun gehalten hat. Die Bundesbank hat gesagt, sie möchte dieses Instrument nicht.

    (Dr. Sprung [CDU/CSU] : Die Unabhängigkeit ist bedroht!)

    — Nein, die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank wird doch dadurch überhaupt nicht berührt.
    Was heißt denn im übrigen überhaupt „Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank" ? Autonomie heißt, daß zwei autonome Institutionen miteinander Politik machen, aufeinander zugehen, aufeinander Rücksicht nehmen. So steht es mit anderen Worten im Bundesbankgesetz. Wenn wir uns über eines keine Sorge zu machen brauchen, dann darüber, daß die Autonomie der Deutschen Bundesbank irgendwie gefährdet sei. Wir können vielmehr mit Dankbarkeit feststellen, daß die Deutsche Bundesbank in einer großartigen Weise — ihrem Geldmengenziel und ihrer Stabilitätspolitik treu bleibend — die Wachstums- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützt hat und damit mit ein Verdienst daran hat, daß es in unserem Lande so unvergleichlich besser läuft als bei fast allen unseren Nachbarn.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich zusammenfassen. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, was Herr Dr. Barzel an Vorschlägen und Alternativen der CDU/CSU empfohlen



    Bundesminister Dr. Apel
    hat. Er ist erst einmal für mehr politische Stabilität. Darunter versteht er für sich ein Ministeramt

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Nichts da!)

    und für uns die Opposition. Dieses ist legitim. Dagegen habe ich überhaupt nichts. Konjunkturpolitisch bringt dies aber natürlich sehr wenig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zweitens haben Sie gesagt, Sie wollten das System der. Sozialen Marktwirtschaft wiederherstellen. Diese Debatte werden wir fortzusetzen haben. Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Einstellung zu diesen dringlichen Fragen der Sozialen Marktwirtschaft zu steril ist.

    (Zuruf von der SPD: Genau das!)

    Es ist eine konservative, rückwärtsgerichtete Betrachtung nach dem Motto „Wie war das doch vor 20 Jahren alles noch gut" ; keine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir dagegen bemühen uns. Wir können im übrigen auch feststellen, daß wir in der Regierungserklärung gerade in diesem Bereich der Branchen- und der regionalen Strukturpolitik einen Fortschritt erzielt haben. Hier stehen ausdrücklich Aufträge in der Regierungserklärung, die zwar nicht so weit gehen wie der Leitantrag zu unserem Parteitag, aber durchaus in dieselbe Richtung zielen.
    Dann haben Sie gesagt, wir brauchen. Gesetze, die die Marktwirtschaft von Gesetzen befreien. Damit bin ich bei dem Thema „Investitionshemmnisse". Ich bin sehr dafür, daß wir uns das nicht so leicht machen, wie es sich hier manche zu machen versucht haben. Wir haben darüber am Freitag mit den Ministerpräsidenten gesprochen, und dabei ist mir deutlich geworden, wo die Hemmnisse liegen. Sie liegen erstens z. B. in der Tatsache, daß 80 % der Gemeinden — dies ist eine Aussage des Finanzministers des Landes Rheinland-Pfalz, meines Kollegen Gaddum — keine Bebauungspläne haben. Die Kommunalpolitiker — so sagt er; ich kann das nicht beurteilen und will mich vorsichtig ausdrücken — wollen dies nicht, weil dies auch Schwierigkeiten gibt. Und das produziert in einem hohen Maße Investitionshemmnisse. — Wenn dies so ist, laßt uns also einmal an dieses Thema herangehen.
    Zweitens. Wir haben in diesem Lande eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, an der niemand von uns vorbeikommt. Es hat doch überhaupt keinen Zweck, hier schwarze Peter hin- und herzuschieben; das ist so.
    Drittens — und damit bin ich beim Punkt, Herr Kollege Dr. Barzel — haben wir eine Reihe von Gesetzen gemacht, die in der Tat bei Investitionsprojekten die Frist bis zur Entscheidung verlängert haben. Nur, hier gibt es eine interessante Debatte im Finanzplanungsrat. Da gibt es einen Finanzminister, der war bis vor kurzem Umweltschutzminister; er gehört nicht meiner Partei an. Und der sieht natürlich von seiner eigenen politischen Vergangenheit her meine Vorwürfe im Finanzplanungsrat, daß hier
    etwas zu geschehen habe, ganz anders an, weil er für Umweltschutzpolitik mitverantwortlich ist oder war.
    Hier hat es also wenig Zweck, die Verantwortlichkeiten hin- und herzuschieben; hier müssen wir wohl herangehen und uns diese Gesetze einmal anschauen, und zwar möglichst gemeinsam. Ich höre im übrigen, daß das die Länder in einem hohen Maße tun; ich kann das nur begrüßen. Wir wollen ähnliches tun, allerdings nicht um den Preis, daß wir bei dieser Gelegenheit mal eben die ganze Problematik des Umweltschutzes über Bord werfen und vergessen, daß wir in einem dichtbesiedelten Industriestaat leben, der, meine sehr verehrten Damen und Herren, Umweltschutz allerdings auch dringend braucht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Als letzten Punkt haben Sie diesen genannt: Wir brauchen insbesondere einen Konsens, und wir brauchen die soziale Partnerschaft. Bitte, Herr Kollege Barzel, wenn dies so ist und wenn Sie dies sagen — und es trifft sich mit meinen, mit unseren politischen Vorstellungen —, bitte ich Sie um eines: auf diejenigen, die die Klage zur Mitbestimmung eingereicht haben, einzuwirken,

    (Zustimmung bei der SPD)

    damit dieses Hemmnis möglichst bald verschwindet.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Katzer hat heute morgen in einem Zwischenruf — ich glaube, zur Rede von Herrn Professor Ehmke — darauf aufmerksam gemacht, daß der erste Schritt zur paritätischen Mitbestimmung in der Montanindustrie unter Konrad Adenauer erfolgt ist. Dann, wenn dies so ist und wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sich zu dieser Vergangenheit heute noch bekennen, haben Sie allen Grund, mit uns zusammen um das besorgt zu sein, was hier in unserem sozialen Klima verschüttet, zerstört und verändert werden kann. Dann bin ich dafür, daß Sie Ihren Anspruch, rationale Politik zu betreiben, an diejenigen richten, die einen irrationalen Schritt getan haben und die in der Tat in der Gefahr sind, dadurch soziale Partnerschaft in unserem Lande zu verschütten.

    (Anhaltender Beifall bei .der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Haase (Kassel).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Lothar Haase


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Hoppe hat heute morgen eine in weiten Passagen recht eindrucksvolle Rede gehalten, die mich hoffen läßt, lieber Herr Hoppe, daß wir im Haushaltsausschuß in diesem Jahr wieder viel Gemeinsamkeit über die Parteigrenzen hinweg haben werden und fruchtbare Arbeit für die Republik leisten können.



    Haase (Kassel)

    Eine Bemerkung zu den letzten Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers. Herr Apel, Sie beschuldigen erneut die Gemeinden, sie würden zu wenig ausgeben und die Konjunkturpolitik der Bundesregierung nicht in ausreichendem Maße unterstützen. Schauen Sie, bei Lichte betrachtet wohnt diese Behauptung auf derselben Etage wie die Empfehlung des Herrn Bundeskanzlers vor einigen Tagen, die Kommunalaufsicht abzubauen, um den Gemeinden eine nicht so solide Verschuldungspolitik zu ermöglichen.
    Herr Finanzminister, wie sehen denn die Realitäten in Wirklichkeit aus? Sie sagen, die Gemeinden hätten Geld genug. Das ist unzutreffend. Mir hat ein guter Wind die „Hannoversche Allgemeine Zeitung" von Freitag, den 30. September 1977, zugeweht.

    (Löffler [SPD]: Sie lesen doch sonst immer die „Bild"-Zeitung, Herr Haase!)

    — Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege Löffler, um Ihr Bildungsniveau zu heben, diese Zeitung auch ab und zu zu lesen. Dann wissen Sie nämlich, wie das Volk denkt.

    (Lachen bei der SPD — Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Löffler [SPD] : Deshalb sind Sie so gebildet, Herr Haase!)

    Herr Bundesfinanzminister, dort heißt es unter dem 30. September 1977:
    Hannover, eine SPD-regierte Stadt, „gibt 1978
    weniger aus als in diesem Jahr" . Der Oberstadtdirektor wörtlich: „Für Ausweitung kein Geld."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    So sehen die Realitäten im Lande aus.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Herr Finanzminister, jetzt liegen ja auch die Zahlen von Bund und Ländern über die Ausgaben im ersten Halbjahr dieses Jahres vor. Danach haben die Ausgaben der Länder einen Zuwachs um 5 °/o, die des Bundes dagegen nur um 2,8 °/o, gerechnet bis einschließlich August um 4,5 °/o. Lieber Herr Finanzminister, Bund und Länder haben ihr Finanzierungsdefizit in gleicher Weise um 4 Milliarden DM verringert. Was beim Bund als Erfolg der mittelfristig angestrebten Konsolidierung angesehen wird, soll bei den Ländern ein Übel sein. Das ist allerdings Ihr Latein, Herr Apel.
    Ich stehe noch ganz unter dem Eindruck der Rede des Herrn Bundeskanzlers vom letzten Montag in Berlin aus Anlaß des 75jährigen Bestehens des dortigen Daimler-Werkes, in der er die „konjunkturpolitischen Schwätzer" und „Montagsredner" attackierte, die mit unzeitgemäßen Beiträgen mehr zur Verunsicherung der Wirtschaft als zu deren positiven Motivierung beitrügen. Als er das aussprach, muß er tief in die Reihen seiner Fraktionskollegen geblickt haben. Doch sein geistiges Auge ruhte sicher mit besonderem Unwohlwollen auf seiner Kabinettsriege und hier in erster Linie auf Hans Apel, unserem Finanzminister.
    Zwar ist die Zahl der finanzpolitischen Mißerfolge des Finanzministers Legion und die der Selbsttore,
    die er im eigenen Lager placierte, beachtlich. Jedoch das tollste Stück leistete er sich in der letzten Sommerpause, als er den unter der Übersteuerung ächzenden Bürgern aus der hohlen Hand Steuererleichterungen ankündigte, allerdings erst zur nächsten Bundestagswahl und ohne dafür ein abgestimmtes Konzept zu haben. Versprechungen, die die Bundesregierung in Zugzwang brachten und das sozialliberale Lager in handfeste Auseinandersetzungen.
    Die sich daran anschließende finanz- und wirtschaftspolitische Diskussion führte in der Bundesrepublik zu einer völligen Konfusion, die insofern noch groteskere Formen annahm, als die Fehde der Koalitionsparteien auf die Ressorts übergriff und jeder dem anderen die Schuld für die wirtschaftlichen Kalamitäten in unserem Lande zuschob. Kollege Barzel nannte dies vorhin zutreffend eine „neurotische Veranstaltung". Der eine hatte zu früh konsolidiert, der andere hatte falsche Daten geliefert. Der eine hielt die Lohnabschlüsse für zu hoch, der andere beklagte die desolate Energiepolitik. Totale Verwirrung, rapide zunehmende Zerfallssymptome in der Bundesregierung waren die flankierenden psychologischen Stimulanzien, die der von Unsicherheit und Zukunftsängsten geplagten deutschen Wirtschaft verabreicht wurden. Nein, mit einer solchen Politik schafft die Bundesregierung sicher keine neue Vertrauensbasis. Apels Polemiken, sein. „stop and go", seine permanenten finanzpolitischen Richtungswechsel, seine unzutreffenden Prognosen und unerfüllten Zusagen trugen zu zusätzlicher Verunsicherung der Wirtschaft bei und erstickten jeden psychologischen Erholungsprozeß im Keime.
    Es ist noch gar nicht so lange her, daß uns auch der Bundesfinanzminister für das laufende Jahr 5 % Wachstum, Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit und eine Reduzierung der Erwerbslosigkeit voraussagte. Heute wird deutlich, was von diesen Prognosen des Finanzministers zu halten ist, der jetzt lautstark über die anderen Prognostiker klagt. Die Bundesregierung hat nicht nur ihre wirtschaftspolitischen Ziele verfehlt. Ich fürchte, daß sie auch auf einer nicht mehr zutreffenden Datenkonstellation den Haushalt 1978 aufgebaut hat, einen Etat, den uns der Finanzminister als ein solides Fundament unserer Finanzwirtschaft am letzten Dienstag anzudienen versuchte.
    Die neueste Steuerschätzung basiert auf einer realen Wachstumsannahme von 41/2 % und nominal 8 °/o. Glauben Sie daran noch wirklich, wenn Herr Friderichs nur real 3 % voraussagt, was nominal auch weniger als 8 % bedeutet? Wenn Herr Friderichs recht hat, senkt sich nicht nur das Steueraufkommen 1977, sondern vermindern sich auch die jetzt angesetzten Einnahmen.
    Der vorliegende Entwurf umfaßt ein Ausgabevolumen von 188 Milliarden DM. Das sind 10 % mehr als in diesem Jahr. Zwar bringt die hohe Ausgabensteigerung, deren Qualität noch untersucht werden muß, in Teilbereichen kurzfristig gesamtwirtschaftliche Nachfrageeffekte. Langfristig verhindert sie jedoch die Möglichkeit der Konsolidierung,



    Haase (Kassel)

    gegebenenfalls die von allen Sachverständigen für notwendig erachteten Steuerentlastungen. Nicht von ungefähr heißt es in der letzten Stellungnahme des Sachverständigenrates: Eine vorübergehende zusätzliche Expansion der Staatsausgaben zur Aufblähung des Einkommenskreislaufs ist vermutlich beschäftigungspolitisch nicht besonders wirksam, jedenfalls nicht nachhaltig. Würde man demgegenüber die Ausgabenexplosion aller öffentlichen Haushalte nur um einen Vomhundertpunkt drosseln, so könnten zusätzlich 4 Milliarden Steuerentlastung bewirkt werden, die unserer Ansicht nach positivere Weiterungen auslösen würden als die gegenwärtig erfolgte Haushaltsausweitung in Teilbereichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Glos [CDU/ CSU]: So ist es!)

    In diesem Zusammenhang verdient besondere Beachtung, daß mit der vorgesehenen Ausgabensteigerung von 4 Milliarden DM gegenüber dem Finanzplan keine echte zusätzliche Nachfrage bewirkt wird. Wir sollten uns das genau merken. Der Löwenanteil dieses Betrages — Herr Strauß hat in seiner Rede darauf hingewiesen — wird der Rentenversicherung und der Bundesbahn zur Verfügung gestellt, um die verhängnisvollen Spätfolgen der Inflationspolitik der Bundesregierung zu mildern, gegebenenfalls kurzfristig zu vertuschen und dort die Defizite zu decken.

    (Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

    Die Bundesbahn ist unter der Regie dieser Bundesregierung zum Faß ohne Boden geworden. Die Entwicklung der Bundeszuschüsse an unsere Bahn ist von beängstigender Geschwindigkeit gekennzeichnet: 1977 und 1978 jeweils mehr als eine 19 %ige Steigerungsrate. 1978 werden 13,5 Milliarden DM geleistet. Das ist fast doppelt soviel wie 1972. Wir sollten uns daran erinnern, daß diese Summe dem gesamten Aufkommen der Tabak- und Branntweinsteuer in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. In den folgenden Jahren werden die Leistungen aus dem Bundeshaushalt weiter anwachsen müssen. Trotzdem ist mit steigenden Verlusten dieses Verkehrsträgers zu rechnen. Das von der Bundesregierung vorgelegte Sanierungskonzept kann nicht einmal, wie geplant, bis 1985 realisiert werden. Lieber Herr Hoppe, ich stimme Ihnen hier voll zu: Mit dieser Frage werden wir uns im Ausschuß gründlich beschäftigen und der Regierung auf die Finger klopfen müssen.

    (Löffler [SPD] : Ihre Alternative möchten wir hören!)

    — Ich erinnere mich, der Kollege Leber wollte seinerzeit — es ist gut, daß wir uns alle daran erinnern — die Bundesbahn aus dem Defizit herausfahren. Das wird heute schon völlig verdrängt.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Wer hat das denn damals kaputtgemacht?)

    — Lieber Herr Professor Schäfer, es war eine der glorreichen Neuerungen, die Sie einführen wollten: eine Bahn, die keine Defizite mehr verursacht.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: So ist es!)

    Das war die Reform Nummer ein, Herr Kollege Schäfer. Mindestens sollte man sich einmal daran erinnern.