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ID0804601600

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    Vokabeln: 11
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/46 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 46. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 Inhalt: Absetzung zweier Punkte von der Tagesordnung 3469 A Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — Strauß CDU/CSU 3469 B Dr. Ehmke SPD 3485 C Hoppe FDP 3497 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . . 3502 D Dr. Barzel CDU/CSU 3512 A Reuschenbach SPD 3521 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 3525 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 3532 D Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 3539 D Löffler SPD 3543 D Gärtner FDP 3547 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3551 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3553* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 3469 46. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr.Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Fellermaier * 5. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz ** 7. 10. Frau Hürland 5. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker * 7. 10. Lagershausen ** 7. 10. Lange * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich ** 7. 10. Lemp * 7. 10. Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. Müller (Mühlheim) * 7. 10. Neuhaus 5. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe * 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Wehner 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. von Wrangel 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zywietz * 6. 10.
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    Rede von Dr. Hans Friderichs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Ich möchte die heute vormittag begonnene Grundsatzaussprache anläßlich des Haushalts gern fortsetzen und Sie bitten, nach den grundsätzlichen politischen Reden am Vormittag einen kleinen Augenblick lang darauf zu schauen, wie die Lage im Moment ist, und auf dieser Basis über eine kurze Ursachenanalyse den Versuch zu machen, auch für die Zukunft Erfahrungen zu sammeln.
    Es trifft zu, daß die konjunkturelle Erholung und damit das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr des laufenden Jahres hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist. Das Sozialprodukt ist gegenüber dem Vorjahr um 3 % gestiegen; 5 % waren an-



    Bundesminister Dr. Friderichs
    gepeilt. Im Jahresverlauf kam es über eine deutliche Wachstumsverlangsamung im ersten Quartal sogar zu einer Stagnation im zweiten Quartal.
    Wo liegen nun die Schwachstellen im einzelnen? Ich finde, man sollte sie gleich der Jahresprojektion gegenüberstellen; denn hier ist gar nichts zu vertuschen.
    Die Warenausfuhr war mit plus 8 bis 10 % projiziert. Tatsächlich waren es im ersten Halbjahr plus 6,9 %. Damit stellt sich sofort die Frage: Sind wir weniger wettbewerbsfähig geworden? Woran liegt das?
    Es ist anzumerken, daß der Welthandel insgesamt weniger gewachsen ist, als er von der OECD prognostiziert war. Hinzu kommt, daß wir einen überproportionalen Anteil an Export in jene Länder haben, die im ersten Halbjahr unter besonderen Wachstumsschwierigkeiten zu leiden hatten. Wir exportieren mehr als 40 % nach Europa. Außer uns sind die einzigen Länder mit deutlichem Wachstum Japan und die USA. Das bedeutet: Es kommt nicht nur auf die Warenstruktur, sondern auch auf den Bestimmungsort an, um hier die Zahlen richtig zu werten.
    Der private Verbrauch war mit real plus 4,5 % projiziert. De facto lag er nur bei plus 2,5 %. Das liegt sicher nicht daran, daß die erforderlichen Bruttoeinkommen nicht zur Verfügung standen. Denn sie sind gestiegen, und zwar nominal und real. Sie sind aber ganz offensichtlich bisher nicht im erwarteten Ausmaß in den Konsum eingegangen. Ich glaube, im zweiten Halbjahr ist beim Aggregat „privater Verbrauch" eher mit einer dynamischeren Entwicklung zu rechnen.
    Der Staatsverbrauch war mit real plus 2 % projiziert. Tatsächlich liegt er bei plus/minus null. Das bedeutet: Über das Aggregat „Staatsverbrauch" hat es keinen Beitrag zur konjunkturellen Entwicklung gegeben. Nun wissen Sie, wie der Anteil des Bundes an den öffentlichen Ausgaben ist, Sie wissen, wie hoch der Anteil der Länder und der Gemeinden ist. Ich will hier nicht abrechnen im Sinn von richten. Aber eines steht fest: Der Staatsverbrauch insgesamt hat nicht nur keinen positiven Beitrag geleistet, sondern, gemessen an der tatsächlichen Wachstumsrate, eher einen negativen.
    Die Unternehmensinvestitionen haben real um 6,1 % zugenommen. Sie waren mit 8 % projiziert.
    Fazit: An diesen Daten zeigt sich, daß wir an keinem Punkt einen dramatischen Einbruch haben, der das Weniger an Wachstum verursacht hat. Vielmehr sind alle Aggregate mehr oder weniger hinter der Projektion zurückgeblieben — wie übrigens auch in einer Reihe anderer Länder.
    Einige Worte zu den Ursachen.
    Der Welthandel hat im ersten Halbjahr mit 5 % real — bei einer deutschen Warenausfuhr von plus 6,9 %— langsamer zugenommen, als unterstellt worden war. Ich habe schon darauf hingewiesen. Ich muß auch noch einmal die Entwicklung in den wichtigsten Abnehmerländern unterstreichen.
    Ich will nicht verhehlen, daß — aber damit will ich mich noch auseinandersetzen — auch ein Investitionsstau eine Rolle gespielt hat, der in bestimmten Sektoren unserer Volkswirtschaft festzustellen ist. Ich nenne bewußt, meine Damen und Herren, nicht nur die Kraftwerke. Es sind Kernkraftwerke, es sind Kohlekraftwerke — ich glaube, zusammen handelt es sich um ein Auftragsvolumen von etwa 15 Milliarden DM —, aber es sind auch Straßen nicht gebaut worden, die fest projektiert, eingeplant und durchfinanziert waren. Ja, man muß sogar hinzufügen: Es sind auch Umweltschutzanlagen, z. B. Kläranlagen, nicht gebaut worden, weil auch gegen sie, sei es mit Protest, sei es mit Prozeß, erfolgreich vorgegangen worden ist.
    Es wäre nicht vollständig, an dieser Stelle nicht auch ein Wort zu den Tarifabschlüssen zu sagen. Die Tarifabschlüsse, meine Damen und Herren, lagen, gemessen an der Jahresprojektion, noch eben innerhalb der Projektion, aber ganz deutlich an der Obergrenze, und zwar im Durchschnitt: einzelne darüber, einzelne darunter. Aber diese projizierte Obergrenze bei den Löhnen hat sich im nachhinein — ich betone ausdrücklich: im nachhinein — als zu hoch erwiesen; denn sie war projiziert auf ein reales Wachstum von 5 % und nicht auf eines von 3 oder 31/2 %. Das muß man sehen. Durch das niedrigere Wachstum sind die Lohnstückkosten in diesem ersten Halbjahr also wieder gestiegen, d. h., der Kostendruck von dieser Seite aus hat zugenommen. Verstärkt gehen damit normalerweise Rationalisierungsinvestitionen einher.
    Aber es hat ja gar keinen Zweck, dies so zu behandeln, wie es öffentlich leider oft getan wird, nämlich: jeder mache möglichst laute Vorwürfe an die Gegenseite; sondern bei einer so wichtigen Debatte wie der Haushaltsdebatte ist doch wohl eine Frage erlaubt: Stehen wir hier nicht vor einem wirklichen Dauerproblem in der Projektion? Ich würde die Frage mit Ja beantworten, denn wir, die jeweils amtierende Regierung, sind nach dem Stabilitäts-und-
    Wachstums-Gesetz gezwungen, eine Projektion vorzulegen und in dieser Projektion auch etwas über die Einkommenshöhe — übrigens ebenso wie über die erwartete Preissteigerungsrate — zu sagen. Es bleibt doch nicht aus, daß sich andere, die die Projektion ernst nehmen, in ihren autonomen Entscheidungsbereichen mindestens mit der Projektion beschäftigen, vielleicht hin und wieder sich sogar nach ihr richten. Wenn sie aber tatsächlich nicht eintritt, dann sind im nachhinein auch diejenigen Entscheidungen nicht mehr von der Projektion gedeckt, die sich ursprünglich nach ihr gerichtet haben.
    Vor diesem Dilemma des Stabilitäts-und-Wachstums-Gesetzes, meine Damen und Herren, steht diese Bundesregierung schon in Kürze wieder. Sie wird jedes Jahr davor stehen. Nach fünf Jahren Erfahrungen sollte man auch zu den negativen Dingen ein Wort sagen. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, daß wir miteinander überlegen, ob hier nicht in dem Gesetzesauftrag ein — ich hätte beinahe gesagt: institutionalisierter — Fehler eingebaut ist, nämlich hinsichtlich der Angabe einer Einkommens- und Preissteigerungsrate, die doch auch in die Diskussion au-



    Bundesminister Dr. Friderichs
    tonomer Gruppen eingeht. Kurzum: Ich glaube, wir sollten darüber nachdenken, ob man entweder die Jahresprojektion mit Alternativen versieht. Ich halte das nicht für unproblematisch; denn der Abgeordnete Dr. Strauß würde, wäre er hier, dann sicher sagen, das sei die perfekte Vernebelungstaktik.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Er ist doch da! — Da steht er doch!)

    — Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe ihn so weit
    rechts nicht vermutet; das werden Sie verstehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Frage ist also: Soll man Alternativen formulieren, oder — wir kommen zu einem anderen Punkt — muß sich die Einkommensverteilung am Beginn des Jahres in niedrigeren Grenzen bewegen, aber konsequenterweise dann mit der Möglichkeit oder gar Notwendigkeit, im nachhinein den Ausgleich den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen? Das kann über eine anschließende vermögenspolitische Maßnahme geschehen, es kann über klassisches Nachverhandeln im Bereich des Tarifvertrages sein. Je weniger sicher wir jedenfalls projizieren können — bei einem so hohen Ausfuhranteil, wie wir ihn haben, werden wir auch in den nächsten Jahren nicht mit hoher Sicherheit Voraussagen treffen können —, desto mehr müssen wir uns darauf einrichten, gesetzte Daten korrigieren zu können, und desto mehr müssen wir darauf achten, daß sich Vorausentscheidungen nicht an Extremen ausrichten. Dies wollte ich zu diesem Teil doch hinzugefügt haben.
    Ich glaube, daß wir im zweiten Halbjahr durch höhere Rentenzahlungen, Freiwerden von Spargeldern, Wirksamwerden der im Frühsommer eingeleiteten Programme eher ein etwas beschleunigtes Wachstum haben werden — die jüngsten Zahlen scheinen übrigens in diese Richtung zu gehen — als im ersten Halbjahr. Auch meine ich, daß die Beschlüsse der Bundesregierung vom 14. September 1977 mit dem dort beschlossenen Maßnahmebündel der tatsächlichen Lage besser gerecht werden als die einfache Anwendung des Stabilitäts- und Wachstums-Gesetzes durch einen Abschlag von x % von der LohnEinkommen- und Körperschaftsteuer.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich bin der Meinung, daß sie einmal feiner dosiert sind und daß zum anderen mit diesem Maßnahmenbündel, wenn es Gesetz wird — das liegt ja nun an Ihnen und am Bundesrat —, auch für die nachfolgenden Tarifverhandlungen die Rahmenbedingungen verbessert werden und wir auch von dieser Seite für das nächste Jahr einen sinnvollen Beitrag erwarten können. Mehr sollte man öffentlich zu diesem Teil nicht sagen.
    Herr Dr. Strauß hat heute morgen die „Frankfurter Rundschau" zitiert, wohl nach einer Pressekonferenz geschrieben, die ich über die Frage gegeben habe: War die Projektion — ich glaube, ich zitiere Sie sinngemäß richtig — von Anfang an eigentlich nicht erfüllbar, und warum habt ihr das, wenn es so war, nicht gesagt?
    Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich begründen, warum sie so formuliert wurde. Wir gingen zur Zeit der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts wie immer von den letzten verfügbaren Daten aus. Das sind die Daten vom Ende des Jahres 1976 gewesen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir den Jahreswirtschaftsbericht im Kabinett verabschiedeten, nämlich im Januar, lauteten die Voten der Institute wie folgt. Das Mehrheitsvotum der Gemeinschaftsdiagnose lautete auf 51/2 % Wachstum. Ich gebe zu, das Essener Institut sagte nur 3 bis 4 % voraus, das WSI 6 %, IW 5½%; die Sachverständigenprognose lautete auf 41/2°A, aber mit zusätzlichem Programm auf 5 bis 51/2 %. In dieser Lage hat die Regierung gesagt: 5 %. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß die Gemeinschaftsdiagnose über dem von der Regierung projizierten Wert lag, wobei Projektion und Prognose nicht zu verwechseln sind. Wir müssen ja sagen, welches Ziel wir erstreben, wir können nicht sagen, welches Ziel eo ipso eintritt. Glauben Sie wirklich, eine Regierung könne oder sollte sich hinstellen und sagen: Die Institute sagen uns zwar 51/2 % voraus; die wollen wir aber nicht; wir wollen nur 41/2 % oder irgend etwas darunter? Offensichtlich haben also auch andere die Projektion für erfüllbar gehalten, und zwar berechtigterweise, wie ich glaube, Herr Dr. Strauß. Das Wachstum des vierten Quartals 1976 lag nämlich um 6 %, d. h. in dem Augenblick, in dem wir projizierten, hatten wir ein Wachstum, das höher lag als das, was wir selbst projiziert hatten. Richtig ist, daß dann im ersten Quartal die Auftragseingänge zurückgegangen sind und sich anschließend der Anstieg nicht so fortgesetzt hat, wie prognostiziert war.
    Herr Dr. Strauß, ich will eines gern zugeben. Ich habe schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gesagt, daß mir die 5 % als ein ehrgeiziges Ziel vorkämen. Ich habe aber auch immer dazu gesagt, daß die Daten, die zur Verfügung stehen, auf diese 5 % hinweisen. Der Bundestag hat ja wohl einen Anspruch darauf, mit verfügbaren Daten und nicht mit subjektiven Gefühlen oder Empfindungen einzelner bedient zu werden. Als wir ein Jahr zuvor die Projektion vorlegten, sagten Sie, es werde sehr viel weniger. Am Ende wurde es noch mehr, als wir angenommen hatten. Daran erinnern wir uns sehr wohl. Dies habe ich auch unumwunden vor der Bundespressekonferenz zugegeben. Ich hätte gewünscht, Sie hätten das Protokoll der Bundespressekonferenz und nicht eine Zeitung gelesen. In dem Protokoll können Sie wörtlich nachlesen, was ich dazu gesagt habe. Ich habe mich zu dieser Projektion bekannt. Sie war damals gerechtfertigt. Es sind anschließend Daten eingetreten, die darunter lagen.
    Dann wurde unter Anspielung auf die Investitionssteuer des Jahres 1973 und die Investitionszulage des Jahres 1974 die Frage der Konjunkturpolitik und des Stop-and-go angesprochen. Erlauben Sie hier doch mal einen ganz kurzen Rückblick. Heute morgen ist ein bißchen zu kurz gekommen, wo wir im Vergleich mit vergleichbaren Nationen stehen.
    Die Bundesrepublik hat zusammen mit Japan und den USA im Jahr 1975/76 mit einem Wachstum von 5,7 % aus der Rezession herausgefunden. Wir sollten nicht unterschätzen, wie auch in der internationalen Diskussion beobachtet wird, ob wir uns dazu bekennen, daß wir zusammen mit den beiden anderen im

    Bundesminister Dr. Friderichs
    letzten Jahr im Gegensatz zu den Defizitländern aus der Rezession herausgefunden haben. Man muß sich doch wirklich mal fragen, wie es eigentlich kommt, daß wir 1975 begonnen haben, aus der Rezession herauszukommen, um im Jahre 1976 mit immerhin stolzen 5,7 O/0 Wachstum eine auch international beachtliche Ziffer zu erreichen. Da muß man sich doch fragen, ob es nicht unter Umständen an früheren politischen Entscheidungen liegt, daß wir so wie Japan und die USA diesen Schritt vor anderen getan und damit auch für die anderen eine befruchtende Wirkung herbeigeführt haben. Da muß man sich doch die Frage stellen, ob wir im Jahr 1973 weniger Stabilitätspolitik hätten machen sollen, wie eben mit der Kritik an der Investitionssteuer gesagt wurde. Wie wären dann die Ergebnisse gewesen?
    Welche Handlungsalternativen zur Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wären denn damals brauchbar gewesen? Wo haben sich denn andere Politikmuster besser bewährt? Ich behaupte, daß wir aus der Rezession der westlichen Welt nicht so früh herausgekommen wären, wenn wir nicht so früh, nämlich im Frühjahr 1973 — wie ich zugebe —, stabilitätspolitisch geklotzt hätten, übrigens mit Ihrer Zustimmung, wenn ich mich recht entsinne.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich gebe unumwunden zu, daß der Wirtschaftsminister bei der Investitionssteuer wahrscheinlich zurückhaltender gewesen wäre, sie vielleicht nicht einmal akzeptiert hätte, wenn er die Energiekrise des Winters 1973/74 in diesem Ausmaß quantitativ und preislich vorausgesehen hätte. -Das können Sie mir anlasten. Aber war denn hier einer, der im Frühjahr 1973 gesagt hat: Laßt bitte die Stabilitätspolitik sein, denn im Winter kriegt ihr die Energiekrise, und das, was wir jetzt tun, stört uns dann?
    Die Bundesregierung hat dann zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihre eigenen Bremsmaßnahmen aufgehoben. In diesem Augenblick ist sie von der Opposition sogar kritisiert worden, daß sie sie zu früh aufhebt. Das muß doch alles einmal der historischen Wahrheit wegen gesagt werden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Natürlich kann man über die Struktur dieses Stabilitätsprogramms des Frühjahrs 1973 streiten, wie immer. Sie können jedes Programm so und so strukturieren. Aber insgesamt war der Ansatz richtig. Ich entsinne mich, hier in der Diskussion mit Herrn Dr. Strauß gestanden zu haben, als er dem Deutschen Bundestag zweistellige Preissteigerungsraten prophezeite. Wenn ich mich recht entsinne, haben wir jetzt eine 3 vor dem Komma und nicht wie damals fast eine 8, nämlich 7,8.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Und lassen Sie mich fragen: Wären, wenn wir das nicht getan hätten, die Verteilungskämpfe, die uns ja in der Ölkrise und danach ohnedies noch arg zu schaffen gemacht haben, nicht viel härter geworden, wenn wir nicht rechtzeitig den Versuch gemacht hätten, die Rate nach unten zu drücken und damit den Trend umzukehren? Ich bin sicher, daß wir viel schwierigere Verteilungskämpfe bekommen hätten. Übrigens, der Blick ins benachbarte Ausland zeigt
    es ja: Die, die die Dinge damals haben schleifen lassen, standen danach vor schwierigsten Verteilungskämpfen in der schlechtesten Situation, in der man sie sich denken konnte, nämlich mitten in der Rezession.
    Und, meine Damen und Herren: Wie hätte unsere Wettbewerbssituation auf den Weltmärkten denn dann unmittelbar nach dem Ölschock ausgesehen, wo wir doch offensichtlich in der Lage waren, über eine boomartige Steigerung des Exports in bestimmte Länder einen Beitrag zu unserer eigenen Beschäftigungsstabilisierung zu leisten? Ich glaube, von daher war das schon konsistent.
    Ich muß auch fragen: Was hätten Sie denn nach der Erdölkrise anders gemacht? Wollten Sie eine forcierte Nachfragestimulierung nach Keynes'schem Muster? Wäre das strukturverbessernd gewesen? Denn es ist doch gar keine Frage, daß bestimmte Strukturen abgebaut werden mußten, Strukturen, die nicht mehr der Nachfrage entsprachen, und daß neue aufgebaut werden mußten. Glauben Sie wirklich, daß damals, unmittelbar nach dem Energieschock, eine gewaltige Beschäftigungstherapie mit riesigen staatlichen Ausgabenprogrammen dauerhaft richtig gewesen wäre und daß damit dann dauerhaft richtige Produktionsstrukturen geschaffen worden wären? Diese Regierung hat es nicht geglaubt.
    Sie hat auf den strukturellen Wandel gesetzt. Wir dürften uns doch wohl einig sein, daß alle Maßnahmen, die in dieser weltwirtschaftlich schwierigen Situation getroffen worden sind, am Prinzip der Stabilität und der Marktwirtschaft orientiert waren und in diesen Rahmen hineingepaßt haben.

    (Beifall bei der FDP)

    Sie haben übrigens Ihre grundsätzliche Zustimmung gefunden. Das sollte doch wohl nicht unerwähnt bleiben. Oder, meine 'Damen und Herren, hätten Sie etwa in der damaligen Situation, nach der Vervierfachung der Energiepreise und während der Verknappung des Mineralöls, einer Strukturgestaltung durch den Staat das Wort geredet?

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Wir ganz bestimmt nicht!)

    — Oh, verehrter Herr Dr. Barzel, wenn Sie wüßten, was ich in der Phase alles an Vorschlägen auf den Tisch bekommen habe und von wem. Das war nicht uninteressant! Das waren übrigens meistens solche, die im Vorsatz geschrieben haben: „Ich bin für die Marktwirtschaft. In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen aber folgende interventionistische Maßnahmen."

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das kennen wir ja doch! Es ist doch gar keine Frage, daß damals diskustiert wurde: Ist es richtig, daß die Automobilindustrie trotz dieser Situation noch wächst? Eine harte Diskussion, verständlicherweise. Heute wissen wir, daß wir dieser Tatsache jedenfalls einen Teil unserer derzeitigen Beschäftigungssituation verdanken. Denn sie hat uns im ersten Halbjahr genutzt.
    3506 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977
    Bundesminister Dr. Friderichs
    Nun ist die Frage aufgeworfen worden, ob es auf dieser Grundlage — Stabilitätspolitik 1973, gelockert und abgelöst durch die Beseitigung von restriktiven Maßnahmen im Jahre 1974 — jetzt richtig ist, zu. sagen: Statt eurer soundso viel Konjunkturprogramme hättet ihr klotzen und nicht kleckern sollen. Sie hätten anders dimensioniert sein müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Meine Damen und Herren, ich entsinne mich noch sehr gut, daß ich zwischen 1966 und 1969 junger Oppositionsabgeordneter in diesem Hause war und an dieser Stelle die damalige Bundesregierung — Finanzminister war damals Herr Dr. Strauß — wegen des zweiten Konjunkturprogramms im Jahre 1967/ 1968 kritisiert und gesagt habe: Sie werden sehen, es wirkt, wenn Sie wieder im Boom sind; sie werden daraus negative Folgen bekommen. Das geplante dritte ist übrigens unterblieben, das zweite war zu groß dimensioniert, wenn es überhaupt noch nötig war.
    Ich sage dies nicht, meine Damen und Herren, um Vorwürfe über vergangene Politik zu machen, sondern um zu zeigen: Es ist eben sehr schwierig, bei Programmen im vorhinein die richtige Dimension zu wählen. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt: Wir wollen nicht brutal draufhauen und damit neue Stabilitätsprobleme schaffen, sondern wir wollen mit gezielten Programmen, auch wenn es mehrere an der Zahl sind, den Versuch machen, die Dinge zu steuern. Wenn Sie die Wachstumsrate des letzten Jahres sehen, werden Sie mir vielleicht sogar recht geben.
    An dieser Stelle muß ich übrigens noch etwas einfügen. Eines habe ich an der Logik der Vorwürfe noch nicht begriffen. Hier wird gesagt: Ihr müßt klotzen statt zu kleckern. Ihr müßt mehr tun. Das bedeutet, entweder mehr auszugeben oder weniger einzunehmen. Wollen wir uns hier einmal darauf einigen, es auf der Einnahmenseite zu machen.. Das war wohl Ihre Idee. Dann verstehe ich an Ihrer Argumentation nicht, wie man im selben Atemzug die Nettokreditaufnahme des Staates als zu hoch und als ein virulentes Inflationspotential bezeichnen kann.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Denn, wenn ich auf 5, 6 oder 10 Milliarden DM Steuereinnahmen mehr verzichten soll, wie wir das im vorgelegten und morgen zu behandelnden Gesetzentwurf vorsehen, dann ist es überhaupt keine Frage, daß wir diese Differenz mit Kredit finanzieren müssen. Oder wollen Sie etwa in einer Situation, in der das Nachfragepotential nicht ausgelastet ist, etwa sagen: Um diesen Teil kürze ich die staatlichen Ausgaben? Die Frage ist doch wohl erlaubt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Strauß?

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    Rede von Dr. Hans Friderichs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ja.