Rede:
ID0804600700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8046

  • date_rangeDatum: 5. Oktober 1977

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/46 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 46. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 Inhalt: Absetzung zweier Punkte von der Tagesordnung 3469 A Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — Strauß CDU/CSU 3469 B Dr. Ehmke SPD 3485 C Hoppe FDP 3497 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . . 3502 D Dr. Barzel CDU/CSU 3512 A Reuschenbach SPD 3521 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 3525 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 3532 D Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 3539 D Löffler SPD 3543 D Gärtner FDP 3547 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3551 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3553* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 3469 46. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr.Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Fellermaier * 5. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz ** 7. 10. Frau Hürland 5. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker * 7. 10. Lagershausen ** 7. 10. Lange * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich ** 7. 10. Lemp * 7. 10. Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. Müller (Mühlheim) * 7. 10. Neuhaus 5. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe * 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Wehner 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. von Wrangel 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zywietz * 6. 10.
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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind Herrn Kollegen Strauß für seine 100-Minuten-Rede aus einem Grund dankbar: weil sie enthüllt hat,

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Wie es wirklich ist! — Beifall bei der CDU/CSU)

    daß es sich bei der Aktion, die Herr Kollege Kohl etwas euphorisch unter dem Titel „Herbstoffensive der Opposition" angekündigt hat, nur um eine weitere Aktion „Nebelwerfer" handelt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Ritz [CDU/CSU]: Ach, Herr Ehmke!)

    Herr Kollege Strauß, Sie haben heute wieder viel Nebel verbreitet,

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Da klatschen noch nicht einmal Ihre eigenen Leute!)

    um die Konturen der politischen Landschaft in diesem Land zu verwischen.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: Wir verstehen ja, daß Sie es schwer haben!)

    Ich frage mich, Herr Strauß, wie Sie eigentlich selbst einmal aus dem dichten Nebel herauskommen werden, den Sie nun schon seit vielen Jahren verbreiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] : Wo sind die 50 Mille?)

    Meine Phantasie reicht nicht aus — und die von Herrn Kohl vermutlich auch nicht —, sich das vorzustellen. Aber vielleicht geht das dann so, Herr Strauß, daß Sie sich eines Abends auf die Zinnen von Neuschwanstein stellen, sich magisch anleuchten lassen, und während unten im Nebel noch die Blaskapelle Wagner spielt, reißen Sie mit einem Ruck die Nebeldecke von unserem Land weg, um



    Dr. Ehmke
    dann — wie Sie es neulich in Amberg so eindrucksvoll formuliert haben — „in den Wirren dieser Zeit in Deutschland und von Bayern aus die Wende herbeizuführen".

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Strauß, da wir und andere nicht so recht wissen, was - Sie mit uns in diesem Nebel vorhaben, möchte ich versuchen, diesen Nebel, den Sie heute verbreitet haben, wieder zu zerteilen, und zwar zunächst, was den Haushaltsentwurf der Bundesregierung betrifft.
    Dieser Haushaltsentwurf wird in einem Moment vorgelegt, in dem auf Grund der weltwirtschaftlichen Entwicklung unsere wirtschaftlichen Sorgen sicher nicht abgenommen haben. Es ist inzwischen klar, daß das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik hinter der Zielprojektion der Bundesregierung zurückbleiben wird. Zugleich hat das Bewußtsein dafür zugenommen, daß — da im Augenblick die Produktivität schneller steigt als die Produktion — Wachstum zwar eine unverzichtbare, aber keine alleine ausreichende Voraussetzung für Vollbeschäftigung ist.
    Das Hohe Haus steht daher in der Diskussion des Haushaltsentwurfs vor der Aufgabe, zu prüfen, ob der Entwurf und das mit ihm verbundene Programm für die Förderung von Wachstum und Beschäftigung konjunkturpolitisch-kurzfristig und strukturpolitisch-mittelfristig geeignet sind, wirtschaftliches Wachstum anzuregen und uns der Vollbeschäftigung, dem obersten Ziel unserer Wirtschaftspolitik, wieder näherzubringen. Die Bundestagsfraktion der SPD beantwortet diese Frage mit Ja. Konjunkturpolitisch signalisiert der Bundeshaushalt mit seiner zweistelligen Steigerungsrate den Übergang zu einer wieder expansiven Haushaltspolitik. Das ist aber nur dadurch möglich geworden, meine Damen und Herren, daß wir die Inflationsrate unter 4 % gedrückt haben. Herr Strauß, ich weiß wirklich nicht, warum Sie angesichts der Tatsache, daß dieses Land eine der niedrigsten Inflationsquoten in der Welt hat, immer noch meinen, uns hier etwas vorwerfen, uns in diesem Punkt belehren zu müssen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Unruhe)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Ich bitte auch den Herrn Kollegen Picard, Platz zu nehmen, und um Ihre Aufmerksamkeit für den Redner.

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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Strauß, ich billige durchaus das, was Sie zu dem Problem des „stop and go" gesagt haben. Aber daß die Empfehlungen mit dem Konjunkturverlauf wechseln, das ist ja nun nicht etwas, was nur für Regierungsmitglieder gilt. Herr Apel hat es gestern für den Sachverständigenbeirat und für wirtschaftliche Institute vorgeführt. Auch Sie selbst, Herr Strauß, und die Herren von der Union haben ja vor zwei Jahren noch den finanziellen Staatsbankrott angekündigt und wollen heute auf 15 Milliarden DM Steuern verzichten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Strukturpolitisch signalisiert dieser Entwurf mit der Steigerung der Investitionsausgaben um ein Sechstel eine verstärkte Anstrengung, mit der Hilfe öffentlicher Investitionen humanes Wachstum auch in der Zukunft möglich zu machen. Diese Doppelfunktion des Haushalts, konjunkturpolitisch auf der einen, strukturpolitisch auf der anderen Seite, findet ihre Entsprechung auf der Einnahmenseite: Dem Einnahmeverzicht zur Stimulierung der Nachfrage nach Verbrauchs- wie nach Investitionsgütern steht eine zeitliche Streckung der Konsolidierung der Haushalte, d. h. eine Ausdehnung der Kreditaufnahme zur Deckung des Haushaltsdefizits, gegenüber.
    Die Sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist sich bei ihrer Zustimmung zu diesem Haushaltsentwurf natürlich bewußt, daß wir mit diesem Programm unsere Abhängigkeit von der Weltwirtschaft, von dem, was in anderen Teilen der Welt geschieht, was andere Regierungen tun oder aber unterlassen, nicht ändern können. Tatsache ist, wir durchleben eine Krise weltwirtschaftlichen Strukturwandels, die „Rezession" zu nennen man sich angewöhnt hat, ohne damit die Tatsache von 15 Millionen Arbeitslosen allein in den OECD-Ländern beseitigen zu können. Diese Krise, meine Damen und Herren von der Opposition, stellt eine Herausforderung für uns alle dar. Sie kann nicht durch Parteipolemik bestanden werden.
    Der Zusammenhang zwischen der Weltwirtschaftskrise und unseren wirtschaftlichen Schwierigkeiten liegt auf der Hand. Der Einbruch der Weltrezession im Übergang der Jahre 1974 auf 1975 spiegelt sich in folgenden Zahlen: Der Auftragseingang aus dem Ausland sank drastisch, nämlich real um 22 %. Dies führte zu einem Rückgang der Exportquote um 1,5 %, was einem Ausfall von 15 Milliarden DM am Bruttosozialprodukt entsprach. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit um eine halbe Million auf über eine Million. Sicher kamen auch binnenwirtschaftliche Gründe hinzu, z. B. die Sättigung bestimmter Märkte für langlebige Konsumgüter. Deswegen darf man aber nicht einfach die zentrale Bedeutung des Auslandseinflusses bestreiten, wie Herr Strauß es heute erneut getan hat.
    Die Experten der OECD sind 1976 hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik zu dem Schluß gekommen, „daß die Rezession, die die Bundesrepublik 1975 erlebte, zu einem großen Teil ,importiert' war". Im Gegensatz zu diesem Urteil internationaler Fachleute hat Herr Strauß heute erneut seine Propagandathese vertreten, unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten entsprängen gar nicht der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Das sei nur, so hat Herr Strauß kürzlich auf dem CSU-Parteitag formuliert, eine „grandiose Ausrede", ein „Schwindel, der auch aus Kanzlermunde produziert nicht wahrer" werde. Läßt man diesen Schimpfschwall einmal fort, so reduziert sich, Herr Strauß, Ihre These auf die Behauptung, an dem mangelnden Wirtschaftswachstum und der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik sei die Regierung und nicht die Weltwirtschaftskrise schuld.



    Dr. Ehmke
    Nur ist Herr Strauß dabei nicht ganz konsequent. Angesichts der engen Verflechtung der Bundesrepublik mit der Weltwirtschaft — wir exportieren bekanntlich etwa ein Viertel unseres Bruttosozialprodukts — müßte Herr Strauß eigentlich behaupten, die Sozialdemokraten und die sozialliberale Koalition seien überhaupt an der ganzen Weltwirtschaftskrise schuld. Wir hätten die Welt angesteckt und nicht die Welt uns. Wir und nicht der Vietnamkrieg seien für die Währungskrise und die weltweite Inflation verantwortlich. Wir und nicht das Preiskartell der OPEC-Staaten hätten die Energie- und die Rohstoffmärkte durcheinandergebracht. Wir und nicht die lange wirtschaftliche und politische Geschichte des Nord-Süd-Verhältnisses seien daran schuld, daß heute der eine Teil der Welt im Elend lebt, während der andere Teil an mangelnder Kapazitätsauslastung leidet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Strauß müßte weiter behaupten, wir und nicht der weltweite Strukturwandel seien schuld an der weltweit hohen Arbeitslosigkeit. Die Tatsache, daß sich die Bundesrepublik in dieser Weltwirtschaftskrise bisher am besten geschlagen hat — mit einer der niedrigsten Inflationsquoten und im internationalen Vergleich einer immer noch geringen Arbeitslosenquote — müßte Herr Strauß dann als Zufall ausgeben, falls er sie nicht überhaupt als Erfolg seiner fulminanten wirtschaftspolitischen Oppositionsreden ausgeben will.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Strauß unterschätzt auch hier wieder einmal die Intelligenz unserer Bürger. Der gesunde Menschenverstand sagt den Bürgern draußen, daß die These von Herrn Strauß, nicht die Weltwirtschaftskrise, sondern die Regierung sei schuld an unseren wirtschaftlichen Schwierigkeiten, trotz des Wortschwalls, in den er diese Behauptung jeweils zu kleiden pflegt, einfach Unsinn ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Strauß, aus Ihnen spricht der Geist, der stets verneint.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich hielte es für sinnvoller, wir würden gemeinsam von der Tatsache der Weltwirtschaftskrise ausgehen, deren binnenwirtschaftliche Aspekte analysieren — zu denen übrigens auch die von den Unionsparteien verhinderte rechtzeitige Anpassung des D-Mark-Wechselkurses gehörte —

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und würden uns dann darüber streiten, ob die Bundesregierung die richtigen Maßnahmen ergriffen hat und ob das, was sie vorschlägt, zusätzlich Nutzen bringen kann. Gehen wir diese Maßnahmen der Bundesregierung doch einmal durch.
    Die Situation, in der wir uns heute befinden, unterscheidet sich von der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, die zum Zusammenbruch der ersten deutschen Demokratie führte, politisch vor allem durch die Tatsache einer engen politischen Abstimmung zur Überwindung dieser Krise. Rambouillet,
    Puerto Rico und London waren erste Ansätze zu einer internationalen wirtschaftspolitischen Kooperation, die ausgebaut, vertieft und schließlich institutionalisiert werden muß. Sicher, auch die Weltwirtschaftsgipfel der westlichen Industriestaaten können keine Patentrezepte anbieten. Sie haben aber immerhin die Rückkehr in einen Protektionismus verhindert, der die Wirtschaftskrise nur noch vertiefen würde.
    Es liegt auch auf der Hand, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft durch diese Krise in ihrer Entwicklung gehemmt worden ist. Das eigentlich Bemerkenswerte, verehrte Kollegen, scheint mir aber zu sein, daß und wie die EG diese Krise überhaupt überstanden hat. Die Verdienste, die sich Bundeskanzler Helmut Schmidt auf diesem Felde erworben hat, sind unter ernsthaften Leuten unbestritten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Opposition kann aber auch das nur schlechtmachen.
    Die Bundesregierung ist auch im übrigen weltwirtschaftlich nicht untätig geblieben. Herr Bundesfinanzminister Apel hat das in seiner Rede vom 27. September vor dem Gouverneursrat des Internationalen Währungsfonds im einzelnen dargelegt. Wir Sozialdemokraten begrüßen die Teilnahme der Bundesrepublik an der Stärkung der internationalen Wirtschaftsorganisationen, die deren Fähigkeit, zur Entwicklung der Dritten Welt beizutragen, entscheidend verbessern sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten danken in diesem Zusammenhang auch Herrn Bundesaußenminister Genscher für seine große Rede zum Nord-Süd-Konflikt vor den Vereinten Nationen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir Sozialdemokraten begrüßen außerdem die über die Anhebung der internationalen Mittel weit hinausgehende Steigerung des Ansatzes für den Einzelplan 23, die mit 22 % der doppelten Steigerungsrate des Gesamthaushalts entspricht. Unseren Bürgern erscheint Entwicklungshilfe oft immer noch so, als ob ihr sauer verdientes Geld an andere, ferne Länder verschenkt würde. Unseren Bürgern sei noch einmal gesagt, daß diese Hilfe zur Selbsthilfe für die Dritte Welt im Kreislauf der Weltwirtschaft gerade uns als exportabhängigem Land wieder zugute kommt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir handeln hier im wohlverstandenen Eigeninteresse. Aufträge von draußen sind Arbeitsplätze drinnen. Aus den Reihen der Opposition aber erleben wir den Versuch, gegen die Entwicklungshilfe Vorurteile zu schüren.
    Hinsichtlich der übernationalen Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft möchte ich für meine Fraktion schließlich den von seiten der SPD gemachten Vorschlag unterstützen, ein Solidaritätsprogramm für Südeuropa aufzulegen. Ein solches Programm soll der Tatsache Rechnung tragen, daß mit der politisch notwendigen Aufnahme der drei vom



    Dr. Ehmke
    Faschismus befreiten Länder Südeuropas — Griechenland, Portugal und Spanien — die EG aus einem Club von Industriestaaten zu einer Gemeinschaft von Industrie- und Entwicklungsländern werden wird. Ein solches Programm für Südeuropa müßte eng mit der EG-Mittelmeerpolitik abgestimmt werden und könnte durch ein spezielles Programm für die Türkei ergänzt werden.
    Hinsichtlich der Finanzierung eines solchen Programms scheint uns ein vom Direktor der Hamburger Landesbank, Herrn Fahning, für den Verband der Öffentlichen Banken gemachter Vorschlag besondere Aufmerksamkeit zu verdienen. Er sieht vor, Teile der Währungsreserven der wohlhabenden Länder über einen bei der Europäischen Investitionsbank zu bildenden Fonds für Zwecke der Wirtschaftsbelebung zu mobilisieren. So etwas diskutieren die Oppositionsparteien natürlich nicht. Ihnen fällt immer nur eins ein: die staatliche Verantwortung für die Wirtschaft abzubauen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Damit komme ich zu den binnenwirtschaftlichstrukturpolitischen Aspekten des Haushaltsentwurfs und des mit ihm verbundenen Programms zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Zum 16-Milliarden-Programm für den Ausbau einer modernen Infrastruktur will ich hier nicht noch einmal Stellung nehmen. Derartige mehrjährige Sonderprogramme für Investitionen können zu einer Verstetigung der öffentlichen Investitionstätigkeit führen, die sonst zu leicht Opfer des Auf und Ab der Konjunktur und auch der Konjunkturpolitik wird. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat das Programm zu laufen begonnen. Das entbindet uns allerdings nicht von der Notwendigkeit, die Gründe der anfänglichen Verzögerungen aufzuspüren, die offenbar in einer föderativen Überbürokratisierung liegen, zum Teil jedenfalls, und diese Gründe zu beseitigen. Der Haushaltsentwurf 1978 bringt darüber hinaus eine wesentliche Steigerung der Investitionen des Bundes einschließlich der Investitionen der Bundespost. Wir appellieren von hier aus eindringlich an Länder und Gemeinden, dem Beispiel des Bundes zu folgen und nicht durch Attentismus den Erfolg dieses Programms zu gefährden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Haushaltsentwurf sieht auch erhebliche zusätzliche Mittel für besondere Investitionsprogramme vor. Das gilt z. B. für das Sozial- und Regionalprogramm des sozialen Wohnungsbaus wie für den Schiffbau. Es gilt für die Förderung des Energiesparens (Wärmedämmung, Wärmepumpen, Sonnenkollektoren), wie für die Förderung der privatwirtschaftlichen Forschung. Außerdem sollen die ERP-Mittel für das Existenzgründungsprogramm für Selbständige verdoppelt werden.
    Die zuletzt genannte Tatsache ist neben vielen bereits beschlossenen Maßnahmen in den Bereichen des Kartellrechts, des Steuerrechts, der Forschung, der Beratung und der direkten Hilfe ein weiterer Baustein im Mittelstandsprogramm der sozialliberalen Koalition, um das sich der scheidende Kollege Friderichs besondere Verdienste erworben hat.
    Herr Strauß, gestatten Sie mir eine Bemerkung zu dem, was Sie dem Herrn Kollegen Friderichs gesagt haben. Wenn in dieser Situation ein Mann vom Kaliber von Herrn Friderichs auf den Posten geht, den vorher der von Terroristen erschossene Jürgen Ponto innegehabt hat, dann halte ich es für unwürdig, diesen Mann hier vor dem Hohen Haus der politischen Fahnenflucht zu beschuldigen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was das Mittelstandsprogramm betrifft, so hat Kollege Friderichs vor kurzem in den „Bonner Perspektiven" mit Recht darauf hingewiesen, daß das, was Sie als Mittelstandsgesetzentwurf vorgelegt haben, meine Herren von den Unionsparteien, doch nur der Versuch ist, das zu kopieren, was wir im Mittelstandsprogramm praktisch bereits gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nun kann man sich in aller Ruhe darüber unterhalten, daß es in der Tat große Schwierigkeiten für die mittelständische Wirtschaft gibt, vor allen Dingen im Vergleich mit den Großunternehmen. Herr Strauß, ich stimme Ihnen zu: Das gilt vor allem auch für die Kreditmöglichkeiten. Aber das hat viele Gründe. Bei uns im Württembergischen ist z. B. einer der Gründe, daß wir viele Betriebe haben, die im Familienmanagement geführt werden, obwohl das nicht mehr ausreicht — nicht deshalb, weil die Leute schlecht sein müssen, sondern deshalb, weil die Betriebe in den Jahren des wirtschaftlichen Wachstums nach dem Krieg über die Größe hinausgewachsen sind, die noch im Familienmanagement geführt werden kann. Jede Bank in Baden-Württemberg erzählt Ihnen, welche Probleme es da gibt. Dann haben Sie das Problem, daß nicht genügend Sicherheiten da sind. Weiter haben Sie das Problem, das wir durch Beratung zu lösen suchen, daß nämlich keine Ubersicht da ist, jedenfalls nicht so wie bei den Großen. Nur eines müssen Sie doch zugeben, meine Damen und Herren von der Opposition: Das sind Folgen des Marktes. Es ist in unserer vermachteten Wirtschaft eben nicht so, daß Tüchtigkeit und Leistung automatisch honoriert werden. Das ist eben nicht der Fall! Und ich sage Ihnen: Wer das korrigieren will, darf nicht gleichzeitig den Markt, einschließlich seiner Ungerechtigkeiten, für tabu erklären.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier bestehen auf seiten der Unionsparteien Doppelzüngigkeiten, die sich der Mittelstand genauer anschauen sollte.
    Das gilt auch in folgendem Zusammenhang: Wer den vielfältigen staatlichen Förderungs- und Investitionsprogrammen zustimmt, kann nicht gleichzeitig, wie Herr Strauß es tut, die Vorschläge der Sozialdemokraten für eine besser abgestimmte Beeinflussung der Investitionen durch eine gesamtwirtschaftliche Rahmenplanung, durch regionale und sektorale Strukturpolitik für verwerflich erklären. Warum können wir uns in diesem Hause nicht einmal in Ruhe über die Probleme unserer Industrie- und Wirtschaftsstruktur unterhalten, auch wenn wir nachher vielleicht zu verschiedenen Lösungsvorschlägen kommen? Herr Strauß, Ihre wirtschafts-



    Dr. Ehmke
    politischen Reden sind doch gespenstisch! Sie verbreiten hier seit Monaten Lehrbuchweisheiten über Leistungswillen, Investitionen, Steuersenkung, über die angeblich wundersame Heilswirkung einer niedrigen Staats- und Sozialquote. Aber auf das, was unsere Wirtschaftslage seit dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise kennzeichnet, nämlich die starken Unterschiede in der Branchenentwicklung, gehen Sie nie mit einem Wort ein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Tatsache ist aber: Die Automobilindustrie ist im Boom, während die Stahlindustrie unten ist. Tatsache ist: Die Uhrenindustrie ist in der Krise, zum Teil deshalb, weil sie manches an elektronischer Innovation verpaßt hat. Die Elektronik entwickelt sich ihrerseits gut, bringt aber mit den Mikroprozessoren große Beschäftigungsprobleme für die Geräte-und Maschinenbau-Industrie mit sich. Was sollen denn da Ihre Verallgemeinerungen! Die haben mit dem, was in diesem Lande wirtschaftlich vor sich geht, überhaupt nichts zu tun.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie sind denn ja auch eigentümlich widersprüchlich: Auf der einen Seite beklagen Sie die hohen Lohnkosten. Die sind sehr hoch. In einem Land mit einem hohen Lebensstandard kann das auch nicht anders sein. Wir brauchen auch eine maßvolle Lohnpolitik. Dann muß man die Gewerkschaften aber auch so behandeln, daß man sie dazu ermutigt, auf dem bisherigen Wege fortzufahren, und darf man nicht das tun, was Sie hier heute gemacht haben. Wenn die Löhne seit langem zu hoch wären, wie Sie offenbar unterstellen, wie erklären Sie dann den Erfolg unserer Exportindustrie, den Sie gerade herausgestellt haben?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und was heißt denn: Die Liquidität sei nicht am richtigen Platz? Im März haben Sie uns hier erzählt, das Problem bestehe darin, daß die Unternehmen Geld aus den Betrieben herausnähmen, um es ins Anlagengeschäft zu stecken, weil die Rendite für festverzinsliche Wertpapiere höher sei als die Kapitalrendite. Was ist denn nun eigentlich wahr? Oder geht das immer nur so, wie es Ihnen in Ihre Argumentation paßt?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bin also der Meinung, wir sollten über die Strukturfrage — da hat ja niemand die Weisheit mit Löffeln gegessen — in Ruhe reden. Das im Auftrag der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung erstellte Prognos-Gutachten über Vor- und Nachteile von Steuerungsinstrumenten in Strukturkrisen wäre dafür z. B. ein guter Ansatzpunkt.
    Herr Strauß, Sie haben vorhin gesagt, es wäre ganz schlimm: auch die FDP diskutiere nun diese Probleme. Das ist eben eine offene Partei. Wir diskutieren doch nur Probleme, die auch bestehen. Wir können doch nichts dafür, daß die CDU nach 30 Jahren in Berlin nun glücklich wieder bei der Grundsatzdiskussion darüber gelandet ist, ob der Ordoliberalismus mit der katholischen Soziallehre vereinbar sei.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kohl, Sie machen ein so schmerzverzerrtes Gesicht.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Es ist bestürzend, daß ein Professor so einen politischen Unsinn daherredet!)

    Ich darf Ihnen einmal einen Ratschlag geben: Sie können diese Grundwertediskussion in der CDU schnell beenden, wenn Sie einmal die päpstlichen Enzykliken lesen.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Ausgerechnet Sie! Haben Sie die überhaupt schon einmal gelesen?)

    Aus denen ergibt sich nämlich, daß Ordoliberalismus und katholische Soziallehre nicht miteinander vereinbar sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Strukturfragen sind kein Spielfeld der SPD, wie Herr Strauß das darstellen will. Die Bundesrepublik wird sich mit ihnen vielmehr besonders beschäftigen müssen, weil bei uns der Anteil des Industriesektors mit am höchsten in der Welt ist. Wir werden daher von dem Strukturwandel, der in der Welt vor sich geht, besonders betroffen sein.
    Die Unsicherheit der Unternehmer beruht heute im wesentlichen auf der Unsicherheit über die Entwicklung der Weltmärkte.

    (Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

    Es gibt natürlich auch Unternehmer, die von Herrn Strauß verunsichert sind. Aber meiner Hochachtung vor deutschen Unternehmern entspricht es, daß ich diesen Faktor hier statistisch vernachlässige.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es besteht Unsicherheit über die Rohstoff- und Energiemärkte, über die Absatzmärkte, über das Ausmaß und die Richtung zukünftiger Bedarfs- und Nachfrageentwicklungen. Anders als diejenigen, die aus der Marktwirtschaft eine Ideologie machen, sind Unternehmer und Investoren deshalb an allem interessiert, was ihnen die Einschätzung künftiger Märkte und künftiger Entwicklungen erleichtern könnte. Die Bundesregierung hat aus diesem Grund mit Recht in der Regierungserklärung vom Herbst 1976 die Notwendigkeit der Strukturpolitik und des Ausbaus des strukturpolitischen Instrumentariums unterstrichen.
    In diesem Rahmen, Herr Strauß, ist auch unser Vorschlag zu sehen, zur Erörterung strukturpolitischer Fragen die autonomen Gruppen und die öffentlichen Hände an einen Tisch zu bringen.
    Ich bin bestürzt, daß Sie Ihren lieben CDU-Kollegen Kiep des Spätmarxismus bezichtigt haben. Als Sie vorhin so gegen die Strukturräte donnerten, habe ich nämlich gedacht, Sie hätten die heutige Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor



    Dr. Ehmke
    Augen, die da heißt: „Kiep fordert einen Strukturrat."

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist eben ein sehr vernünftiger Mann, der Herr Kiep.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Über diese Argumentation kann man nur lachen!)

    — Da kann man nicht lachen! Sie lachen nur, weil Sie weder uns noch Herrn Kiep gelesen haben, Herr Kohl.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Über so billige Verfälschungen kann man nur lachen!)

    Herr Strauß, ich gebe natürlich zu, daß nicht jede Sitzung solcher Beratungsgremien zu zusätzlicher Erleuchtung führt. Das haben solche Beratungsgremien mit Direktionsetagen gemeinsam. Sicher brauchen wir daher auch einen Ausbau unserer Analyse-und Prognosekapazität. Aber die gemeinsame Beratung — und da stimme ich Herrn Kiep zu — könnte sowohl für das Finden als auch für das gemeinsame Tragen einer Strukturpolitik von großer Bedeutung sein.
    Herr Kohl, haben nicht zuletzt wegen dieses Gedankens der demokratischen Teilhabe an den das gemeinsame Leben bestimmenden Entscheidungen alle drei Fraktionen dieses Hohen Hauses dem Mitbestimmungsgesetz zugestimmt? Und haben wir nicht mit dieser Zustimmung dem alten kapitalistischen Grundsatz, daß Kapitalbesitz allein wirtschaftliche Entscheidungs- und Verfügungsgewalt legitimieren könne, eine im sozialen Verständnis der Demokratie begründete Absage erteilt?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

    Die Klage von Wirtschaftsverbänden und Großunternehmen gegen das Mitbestimmungsgesetz ist kurzsichtig und verantwortungslos.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir stellen dem unsere Überzeugung entgegen, daß die demokratischen Industriestaaten ohne eine Ausdehnung der demokratischen Teilhabe, und zwar sowohl an den Gütern — einschließlich der Beteiligung am Produktivvermögen — als auch an der wirtschaftlichen Entscheidungs- und Verfügungsgewalt, schon mittelfristig nicht mehr regierbar sein werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich selbst bin übrigens der Meinung, daß das langfristig auch für die Industriestaaten des Ostens gelten wird.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Na, na!)

    Herr Kollege Strauß, Sie haben in diesem Zusammenhang — völlig zu Recht — auch die Energiefrage angeschnitten. In der Energiepolitik haben wir große Fortschritte gemacht, denn statt einfach Zuwachsraten blind fortzuschreiben, sind wir uns inzwischen über zwei große Aufgaben einig. Das erste ist das Energiesparen. Ich weiß noch, wie Sie geguckt haben, als ich seinerzeit als Forschungsminister das erste Energiesparprogramm in diesem Hause eingebracht habe. Das zweite ist, daß wir uns auf die Entwicklung von Alternativenergien konzentrieren müssen. Die Kernenergie bleibt umstritten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei wem? — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Dann sagen Sie doch ja zur Kernenergie!)

    — Aber Sie müssen doch nicht reden. Sie sind doch auch hier wieder eine Partei, die alles bietet, Herr Kohl: Strauß auf der einen Seite und Gruhl auf der anderen Seite.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Dann sagen Sie doch ja zur Kernenergie! Sie sind doch zu feige dazu!)

    Wir sagen zunächst einmal, daß in diesem Bereich der Kernenergie, in den Milliarden von Forschungsgeldern gegangen sind und der die Zukunft folgender Generationen mitbestimmen wird, nach der einen wie nach der anderen Seite, wohl eines als Grundsatz klar sein muß, nämlich daß in diesem Bereich die Investitionen der Politik und nicht die Politik den Investitionen zu folgen hat.

    (Beifall bei der SPD) Streiten wir doch um die beste Politik!


    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Machen Sie doch mal Politik!)

    — Damit, daß Sie reden, ist noch keine Politik gemacht.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Aber daß Sie reden! Sie sind doch zu feige, ja zur Kernenergie zu sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ich freue mich ja, Herr Kohl, daß Sie sich auf diese Frage vorbereitet haben und darum jetzt aufwachen. Aber nur mit der Ruhe! Lassen Sie mich doch einmal ausreden! Wir sagen bis jetzt folgendes in dieser Angelegenheit — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sagen Sie doch ja!)

    Wir sagen, daß das, was an Kernkraftwerken da ist, fortgeführt werden soll — wenn Sie den PV-Beschluß meinen —, und daß das, was im Bau ist, zu Ende gebaut werden soll.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Was ist denn PV? Sagen Sie das doch in deutsch!)

    — Sie fragten mich doch nach der Meinung der Sozialdemokratischen Partei, verehrter Herr Kollege Barzel?

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Was ist PV?)

    — Der Parteivorstand. Herr Barzel, ich freue mich, daß ich Sie habe belehren können.
    Das, was im Bau ist, soll zu Ende gebaut werden, wenn die Entsorgung vertraglich gesichert ist.
    Jetzt sagen wir zu der dritten Frage — nun hören Sie gut zu —: Bevor wir neue Kernkraftwerke genehmigen — das ist auch die Politik der Bundesregierung —, soll die Entsorgungsfrage geklärt werden. Da sagen wir: Hier wollen wir die erste Teilrechtsgenehmigung für das integrierte Entsorgungszentrum. Sie sagen, das sei ein Widerspruch zu der



    Dr. Ehmke
    Regierung. Da sage ich nur: Das wird sich ja noch herausstellen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ja, das ist wahr!)

    — Nein, Herr Kohl, so leicht kommen Sie da nicht heraus. Was hier als Bedingung gefordert wird, ist ja kein Moratorium.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Doch!)

    Das ist eine Sicherstellung der Entsorgung. Wie lange das dauert, hat nur einer in der Hand: der CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, ich kenne das. Ihre Doppelzüngigkeit — von Strauß bis Gruhl — setzt sich hier fort: Auf der einen Seite treten Sie als die großen Verfechter der Kernenergie auf; das ist dann ja vielleicht auch ganz gut für die Wahlkampfkasse. Aber auf der anderen Seite wagen Sie es doch nicht, in Gorleben Entscheidungen zu treffen, bevor die Kommunalwahl stattgefunden hat. Das ist doch das eigentliche Problem.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Der Kanzler hat doch Sorgen mit Ihnen!)

    Kümmern Sie sich doch darum, erst einmal zu einer eigenen Linie zu kommen, statt sich unsere Sorgen zu machen. Wir werden mit unseren Sorgen schon allein fertig.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage als jemand, der glaubt, daß wir jetzt nicht
    auf Kernenergie verzichten können, noch eines: Man
    muß die Sorge der Menschen draußen ernst nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn hier Regierungspolitik und Bürger aneinandergeraten, kann man diesen Konflikt nicht frei nach Brecht lösen, indem man sagt: Wenn Regierung und Volk aufeinanderstoßen, muß man das Volk auflösen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Regierung!)

    So geht das nicht. Ich sage Ihnen: Sie reden doch nur Papier. Es muß aber eine Politik gemacht werden, in der man auch dafür sorgt, daß psychologisch in diesem Lande keine weiteren Barrieren aufgebaut werden, damit nicht auf jedem Bauplatz das passiert, was in Kalkar geschehen ist, so daß dann überhaupt nichts mehr auf diesem Gebiet zu machen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen setzt die Überwindung der Krise nicht nur voraus, daß wir mit dem Wandel der Industrie-und der Energiestruktur fertigwerden, sondern mit dem der Wirtschaftsstruktur insgesamt und das heißt auch mit der sich verschiebenden Relation zwischen Industriesektor und Dienstleistungssektor. Der öffentlichen Hand kommt auf dem komplexen Dienstleistungssektor besondere Verantwortung zu.
    Der Haushaltsentwurf 1978 sieht Personalverstärkungen des Bundes in den Bereichen Innere Sicherheit, Sicherheit im nuklearen Bereich, Flugsicherung sowie Bundeswehr-Krankenhäuser und -Hochschulen vor. Hinzu kommt die Personalaufstockung in der Bundesanstalt für Arbeit um 1 600 Stellen für Berufsberater und -vermittler.
    Wir bitten Länder und Gemeinden dringend, in ihren Bereichen, d. h. in den Bereichen der inneren Sicherheit, der Schulen — vor allem der berufsbildenden Schulen — und der sozialen Dienste für junge, alte und behinderte Menschen, dieser Personalpolitik des Bundes zu folgen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Fragen der Verkürzung der Arbeitszeit sind zusammen mit der Regelung von Lohn- und Urlaubsfragen Sache der Tarifvertragsparteien. Arbeitszeitverkürzungen werden schon angesichts der Steigerungsrate der Produktivität auch in Zukunft sowohl möglich als auch notwendig sein. Meine Damen und Herren, stellen wir uns doch einmal vor, wie unser Arbeitsmarkt heute aussähe, wenn wir seit Kriegsende die Arbeitszeit nicht in mehreren Schritten von 48 'Stunden auf 40 Stunden zurückgeführt hätten.

    (Beifall bei der SPD)

    Andererseits ist aber zu bedenken, daß wir schon wegen der Erwartungen, die andere ärmere Völker an uns stellen, nur schrittweise vorgehen können und daß dieses Vorgehen auch nur in großer Flexibilität erfolgen kann, weil die Wirtschafts- und Beschäftigungslage in verschiedenen Branchen ganz unterschiedlich ist und ja auch die Struktur der Arbeitssuchenden eine sehr große Konpliziertheit und Differenziertheit aufweist.
    Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik werden die speziellen Arbeitsbeschaffungs- und Ausbildungsprogramme mit verstärkten Mitteln fortgeführt, und zwar vor allem für jugendliche Arbeitslose. Wir begrüßen es, daß für Jugendliche ohne Ausbildungsoder Arbeitsplatz nach dem gerade vorgelegten Bericht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung im Jahre 1977/78 100 000 Plätze bereitstehen werden. Der Bund hat seinerzeit den Ausbau der Berufsschulen durch die Bereitstellung von 650 Millionen DM gefördert. Von den Unternehmern erwarten wir, daß sie ihr zwecks Vermeidung der Ausbildungsplatzabgabe gegebenes Versprechen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, voll erfüllen.

    (Beifall bei der SPD)

    Umgekehrt macht der Bund nicht nur Anstrengungen im eigenen Bereich, sondern er fährt auch fort, den Unternehmen und den Privathaushalten zu helfen. Was die Steuererleichterungen für Unternehmer angeht, so habe ich vorhin bereits auf die konjunktur- als auch strukturpolitisch motivierten besonderen Investitionszulagen hingewiesen. Außerdem ist hier die Steuerfreiheit der Ausbildungsplatzabgabe zu nennen, die die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze fördern soll. In der allgemeinen Steuerpolitik treten neben das Carry-back, die Anhebung der Gewerbesteuerfreibeträge und die Senkung der Vermögensteuer die Verbesserung der Abschreibebedingungen durch die Anhebung der degressiven AfA. Soweit dies gezielt erfolgt — wie z. B. bei der



    Dr. Ehmke
    Wiedereinführung der degressiven Gebäudeabschreibung —, scheint mir dies konjunkturpolitisch überzeugender zu sein als eine allgemeine Maßnahme.
    Strukturpolitisch wird man die Frage der Steuerentlastung der Unternehmen allerdings auch unter dem Gesichtspunkt des Standortwettbewerbs in Europa sehen müssen. Dies erfordert einen komplexen Vergleich der Standort-Vor- und -Nachteile. Die Bundesrepublik muß jedenfalls als Industriestandort attraktiv bleiben. Im europäischen Rahmen muß dafür gesorgt werden, daß im Standortwettbewerb der EG-Staaten nicht Unsitten einreißen — wie Steuererleichterungen, Minderungen des Umweltschutzes usw. —, wie wir sie binnenwirtschaftlich aus der Konkurrenz von Gemeinden bei der Industrieansiedlung hinreichend kennen.
    Für die Privathaushalte treten neben die bereits beschlossene Erhöhung der Sonderausgaben-Höchstbeträge ab 1. Januar 1978 und die Erhöhung des Kindergeldes schon zu Weihnachten dieses Jahres — nach unserem Willen jedenfalls — die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages von 100 auf 400 DM sowie eine nicht unwesentliche Anhebung des Grundfreibetrages. Diese Anhebung des Grundfreibetrages, die Sie nicht mitmachen wollen, so daß das Steuerpaket und die Steuerentlastung für den Bürger aufgehalten werden,

    (Zustimmung bei der SPD)

    ist konjunkturpolitisch das einzig Vernünftige, weil sie nämlich Kaufkraft dort stärkt, wo Bedarf besteht, nicht aber bei den Einkommensgruppen, die die höchsten Sparquoten aufweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie sich dagegen wehren, so hat dies doch nichts mit Konjunkturpolitik, sondern nur etwas mit der Tatsache zu tun, daß Ihnen die Bedienung Ihrer eigenen Klientel wichtiger ist als die Konjunkturpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Strauß, ich möchte Sie, obgleich Sie gerade ein Telefongespräch führen, hier ansprechen. Sie haben gesagt, das, was in dem Papier der SPD-Orientierungsrahmen-Kommission im Hinblick auf die Primäreinkommen vorgeschlagen worden sei, sei ein Nivellieren. Meine Damen und Herren von der CDU und CSU, erklären Sie mir einmal, wie Sie dann, wenn wir nicht zu einer größeren Gerechtigkeit — keineswegs zu einer Gleichheit, wohl aber zu einer größeren Gerechtigkeit im Sinne der Anhebung der unteren Einkommen — bei der Verteilung der Primäreinkommen kommen, Ihre Vorstellungen auf sozialstaatlichem Gebiet verwirklichen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir können Ausgleichsleistungen für zu geringes Primäreinkommen doch nicht einfach unterlassen und die Leute ihrem Schicksal überlassen. Wir sind vielmehr dafür, daß man die Primäreinkommen so verteilt, daß ein Teil der Menschen, die heute auf staatliche Leistungen angewiesen sind, von ihrem Einkommen aus eigener Kraft leben können.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß dieses Steuerpaket die Tarifkorrektur nicht ersetzt, liegt auf der Hand. Herr Strauß, ich gebe auch unumwunden zu, daß die Instrumentalisierung der Steuerpolitik für Zwecke der Konjunkturpolitik im Laufe der Jahre — nicht nur in den Jahren, in denen wir regieren — die Konsistenz der Steuerpolitik sicher nicht erhöht hat. Dieses Problem sehe auch ich. Dies ist aber ein Problem, für das noch keiner von uns eine Lösung hat.
    Das Steuerpaket stellt, sozial gesehen, meines Erachtens eine gerechte Regelung und eine erhebliche Steuerentlastung für die Arbeitnehmer dar. Wer das bestreitet, Herr Strauß, zeigt nur, daß ei sich nicht recht darüber klar ist, was solche Beträge für einen Arbeitnehmerhaushalt bedeuten. Mich wundert es allerdings nicht, daß dies bestritten wird, nachdem ich neulich gelesen habe, daß Sie, Herr Strauß, in Ihrer Parteitagsrede in München gesagt haben, Sie seien sowieso der Meinung, soziales Wohlbefinden sei — so wörtlich — „nur eine UNO-Phrase".
    Insgesamt komme ich zu dem Ergebnis, daß der Haushaltsentwurf finanzpolitisch solide und daß er konjunktur-, struktur- und beschäftigungspolitisch ein vernünftig koordiniertes Maßnahmenbündel zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit darstellt. Meine Damen und Herren, eine solch nüchterne Politik verdient mehr Vertrauen als der demagogische Versuch des Ausschlachtens einer Weltwirtschaftskrise für eigensüchtige Machtinteressen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich komme jetzt zu einem Einzelposten des Haushaltsentwurfs, hinter dem eines der uns heute am meisten bedrückenden Probleme steht. Die Arbeitslosigkeit ist ja nicht das einzige Problem, das uns bedrückt, der Terrorismus ist genauso bedrückend. Die Bundestagsfraktion der SPD hat nach dem Kölner Terroranschlag erklärt, daß sie parteipolitische Polemik in einer solchen Situation für würdelos hält. Wir haben unsere Ansicht nicht geändert. Wir werden auch weiterhin die Selbstdisziplin üben, die die Lage gebietet. Die Menschen in unserem Lande wollen nach Meinung der SPD in dieser Frage nicht einen Sieg der Opposition über die Regierung oder der Regierung über die Opposition, sie wollen vielmehr einen Sieg des demokratischen Rechtsstaats über den Terrorismus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Einzelplan des Bundesministers des Innern sieht eine weitere technische und personale Verstärkung der Sicherheitsorgane vor. Der Ansatz 1978 sieht 150 Millionen DM zusätzlich vor. Der Haushaltsentwurf setzt damit die von der sozialliberalen Koalition 1969 begonnene Politik des Ausbaus unserer Sicherheitsorgane fort, ohne die schon die 1972 erfolgte Zerschlagung der ersten terroristischen Organisation gar nicht möglich gewesen wäre.
    Terroristenbekämpfung ist allerdings auch im kriminalpolitischen Bereich nicht alleine eine Sache der finanziellen Mittel, sondern vor allem eine Sache der Verbesserung der Organisation. Fahndungspannen zeigen, daß wir mehr zentrale Leitungs- und Weisungsbefugnisse und daß wir eine



    Dr. Ehmke
    Straffung des Informationssystems dringend brauchen. Das gilt gerade auch im Verhältnis von Bundes- und Landesbehörden.
    Wir haben 1972 den einen Fehler gemacht — auf den anderen, den politischen, komme ich noch —, die Zentralisierung der Fahndung, die gegenüber den Terroristen zum Erfolg geführt hatte, wieder rückgängig zu machen. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen, nachdem wir nach dem Kölner Terroranschlag die Fahndung wieder zentralisiert haben. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bittet daher die Oppositionsparteien dieses Hauses sehr herzlich, ihre Vorschläge zur Verstärkung der Aufgaben und Befugnisse des Bundeskriminalamts und des Bundesgrenzschutzes sowie zur Vereinheitlichung des technischen Polizeiapparates unvoreingenommen zu prüfen. Wir sind erstaunt darüber, daß in den umfangreichen Vorschlagskatalogen der CDU/CSU keine Vorschläge auf diesem für die Effektivität der Fahndung zentralen Gebiet enthalten sind. Wir hoffen, aus einer skeptischen Bemerkung in dem Papier Ihrer Fraktion vom 29. September 1977 nicht auf eine grundlegend ablehnende Haltung schließen zu müssen.
    Weitere Versäumnisse in diesem zentralen Bereich der Fahndung können durch stramme Haltung im Bereich des Strafrechts nicht ersetzt werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zumal auf strafrechtlichem Gebiet nach den vielen, vielen Gesetzen — Luftpiraterie, terroristische Vereinigung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme usf. —, die wir in den letzten sechs Jahren auf diesem Gebiet erlassen haben, zwar durchaus noch einiges, aber nicht mehr sehr viel zu tun ist.
    Alle Vorschläge müssen daraufhin geprüft werden, ob sie für die Bekämpfung des Terrorismus kriminalpolitisch zweckmäßig und rechtspolitisch vertretbar sind.
    Für Zwecke der Fahndung ist auch wichtig, das Kommunikationssystem zu stören und nach Möglichkeit zu zerstören, das Terroristen über konspirative Anwälte aus den Gefängnissen heraus geknüpft haben. Eine Überwachung des mündlichen Verteidigerverkehrs ist allerdings nach meiner Meinung, verehrte Kollegen, für diesen Zweck gänzlich ungeeignet.

    (Strauß [CDU/CSU]: Und Ihre Regierung?)

    — Herr Kollege Strauß, da Sie mich unterbrechen, darf ich Ihnen folgendes zu überlegen geben: eine solche Regelung müßte zunächst einmal beinhalten, daß in einem Fall der mündlichen Überwachung weder eine Fremdsprache noch ein Dialekt gesprochen werden darf, weil ja derjenige, der in der Mitte sitzt, nicht unbedingt irgendeiner anderen als der deutschen Sprache mächtig zu sein braucht.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich weiß, Sie haben wenig praktische Phantasie.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das hat doch Ihre eigene Regierung vorgeschlagen! Tun Sie doch nicht so!)

    Dann gebe ich Ihnen einmal einen Ratschlag: Unser Kollege Egon Franke ist von den Nationalsozialisten ins Zuchthaus geworfen worden. Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Egon Franke, bevor wir weiter darüber reden, was er von der Effektivität einer Überwachung solcher Gespräche hält. Bei ihm haben nicht irgendwelche mit der Sache nicht vertrauten Gerichtsassessoren gesessen, sondern geschulte Gestapo-Beamte.

    (Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Nein, ich möchte fortfahren, Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Unerträglich!)

    — Es ist gar nicht unerträglich.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Hier einen Vergleich mit der Gestapo einzuführen, ist doch unerträglich, Herr Ehmke!)

    — Herr Kohl, ich kann ja nichts dafür, daß Sie von den Dingen nichts verstehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Was Sie hier machen, ist ein Skandal!)

    — Sie sind nicht in der Lage, überhaupt nur den Gedanken nachzuvollziehen. Ein Skandal? Überlegen Sie erst einmal, was Sie gesagt haben.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ihre eigene Regierung macht diesen Vorschlag, und Sie ziehen den Vergleich mit der Gestapo! Unerträglich!)

    Ich sage, da saßen Leute, die geschult waren, und man konnte sie trotzdem überspielen. Sie sollten sich erst einmal mit der Sache vertraut machen, statt dazwischenzuschreien.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Wir werden darüber ja noch ausgiebig reden.
    Ich bin andererseits der Meinung, daß sowohl das Gesetz über die Kontaktsperre, das das Hohe Haus in der vergangenen Woche verabschiedet hat, als auch der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf über den Ausschluß von Verteidigern diesem Ziel durchaus dient.
    Meine Fraktion bekräftigt heute erneut ihre Bereitschaft, über alle diese Fragen interfraktionelle Gespräche zu führen. Nur, Herr Strauß — damit komme ich auf den letzten Teil Ihrer Rede —, so geht es nun auch nicht: auf der einen Seite Gemeinsamkeit in der Sache zu verlangen und dann so zu argumentieren, wie Sie es getan haben. Das wird nicht gutgehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zunächst einmal möchte ich aber, da Sie das angesprochen haben, auf die Abstimmung in der vergangenen Woche zurückkommen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr interessant!)

    — Sehr interessant: Herr Barzel, da wir beide zählen können, wissen Sie, daß die sozial-liberale Koalition in der vergangenen Woche für dieses Gesetz, wenn alle anwesenden CDU/CSU-Abgeordneten, die



    Dr. Ehmke
    mit Ja gestimmt haben, mit Nein gestimmt hätten, immer noch eine gute Mehrheit gehabt hätte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Windelen [CDU/CSU] : Dann weiß ich gar nicht, warum sich Herr Wehner so erregt hat!)

    Ich gebe zu, das haben wir mehr den Mängeln in Ihrer Fraktionsführung zu verdanken; aber so war es.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Entweder meinen wir das mit der Gemeinsamkeit ehrlich — und ich meine es ehrlich — oder das sind nur Worte. Wenn wir es aber ehrlich meinen, will ich Ihnen sagen, wie ich das sehe.

    (Pfeifer [CDU/CSU] : Jetzt argumentieren Sie böse! — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie argumentieren überhaupt nicht, Sie beschimpfen nur! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Ausgerechnet Sie!)

    — Sehen Sie, ich bemühe mich um Gemeinsamkeit, während Sie schon wieder so schlau sind und rufen: Ausgerechnet Sie. Das habe ich noch nicht einmal zu Herrn Strauß gesagt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich weiß, Ihnen ist das Christliche besonders nah.
    Ich sage also, daß wir zunächst einmal vor einem Problem stehen: Sind wir uns einig darüber, daß die Auseinandersetzung mit der terroristischen Gefahr Gemeinsamkeit der demokratischen Kräfte erfordert? Die Antwort meiner Fraktion ist: Ja.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Nein!)

    — Ich wundere mich, daß Sie jetzt nein sagen, Herr Kohl, aber draußen vor jedem Fernsehschirm nur die Gemeinsamkeit beschwören. Dann sagen Sie doch mal hier, was Sie wirklich meinen!

    (Beifall bei der SPD)

    Wir meinen das, was wir sagen. Und wir sagen außerdem: wir nehmen an, daß Sie wie wir daran interessiert sind, trotz dieser Gemeinsamkeit nicht die Verantwortung von Regierung und Opposition zu verwischen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Wer sagt das denn?)

    — Schön, wenn wir uns darin einig sind, heißt das also — und darüber sind wir uns doch klar —, daß das beim nächsten Mal so gründlich vorbereitet werden muß, daß die Verantwortlichkeiten klar bleiben. Das ging diesmal etwas unter Zeitdruck. Aber daß Sie nun, weil in dieser Situation Leute Bedenken geltend gemacht haben, das als Zeichen zu deuten suchen, man wolle nicht gemeinsam zusammenstehen, das halte ich für billig.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Das hat doch Herr Wehner gesagt!)

    Doch nun ein Wort zur politisch geistigen Auseinandersetzung, nicht mit den Terroristen — denn da gibt es nichts mehr, womit man sich auseinandersetzen könnte —, wohl aber mit den Ursachen des Terrorismus.
    Die Entstehungsgeschichte des Terrorismus reicht bis in die Studentenbewegung zurück. Offenbar ist das so lange her, daß inzwischen vergessen worden ist, daß die Auseinandersetzung mit den protestierenden Studenten damals im wesentlichen von Sozialdemokraten und im weitesten Sinne Liberalen geführt worden ist. Ich bin damals von Uni zu Uni und von Veranstaltung zu Veranstaltung gezogen. Ich muß Ihnen heute in aller Ruhe sagen: Von den Leuten, die uns heute vorwerfen, die Auseinandersetzung mit der studentischen Jugend versäumt zu haben, habe ich in APO-Zeiten an deutschen Universitäten nichts gesehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das erklärt auch vielleicht, daß es Ihnen inzwischen wieder entfallen ist, daß die Repräsentanten aller Parteien — schon damals bestand darin Gemeinsamkeit — Gewalt abgelehnt haben.
    Stellvertretend für die Sozialdemokratie zitiere ich Willy Brandt — 19. April 1968 —:
    Wir brauchen einen eindeutigen Stopp von Gewalttätigkeiten, wir brauchen den eindeutigen Respekt vor dem Gesetz.
    Oder Gustav Heinemann im April 1968:
    Gewalttat aber ist gemeines Unrecht und eine Dummheit obendrein.
    Und im Januar 1969:
    Eine letzte Grenze wird da erreicht, wo man übergeht zur Gewalttat. Das wird kein Staat jemals zulassen können.
    Ich selbst habe im März 1968 auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg den radikalen Flügel der APO so beschrieben:
    Da einerseits eine demokratische Reform der Gesellschaft diffamiert wird, andererseits die gesellschaftliche Situation aber keineswegs revolutionär ist, wird mit ebenso romantischen wie kostenlosen Anleihen bei der revolutionären Situation der Entwicklungsländer und ihren Guerillas eine blind-liberale „Action directe" gepredigt

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Blind-liberal?!)

    — blind-antiliberal, Entschuldigung, Herr Barzel, Ihr Zwischenruf hat mich vor einem schlimmen Lapsus bewahrt —,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    eine blind-antiliberale „Action directe" gepredigt. Soweit sie Diskussionen sprengt, Vorlesungen stört, Zeitungen verbrennt und Fensterscheiben einschlägt, verdient sie durchaus als pseudolinker Faschismus bezeichnet zu werden.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Und dann habt ihr amnestiert!)

    Ein Jahr später habe ich die Haltung meiner Partei zu Gewalttaten von APO-Gruppen auf einem rechtspolitischen Kongreß so umrissen:

    (Windelen [CDU/CSU] : Jetzt suchen Sie alle Alibis!)




    Dr. Ehmke
    — Wir suchen kein Alibi, wir treten Verleumdungen entgegen. Und wir versuchen Sie zu erinnern, daß, wer Gemeinsamkeit sagt, auch nicht die Geschichte verfälschen darf; sonst macht er sich nämlich zum Helfershelfer der Terroristen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich habe damals gesagt:
    Gerade wer Kritik als ein Lebenselement der Demokratie versteht, hat mit dafür zu sorgen, daß die Grenze zwischen Kritik und Protest auf der einen, Rechtsbruch und Gewalt auf der anderen Seite nicht verwischt und verschoben wird. Wer zum Rechtsbruch, zur Gewaltanwendung aufruft oder sie begeht, ist nach den Gesetzen — und mögen diese noch so unvollkommen sein — sine ira et studio zur Verantwortung zu ziehen.
    Das erfordert der Respekt vor unseren selbstgegebenen Gesetzen, der zum Selbstrespekt unserer Demokratie gehört. Sicher gehört dazu auch Augenmaß und eine sichere Hand. Den demokratischen Institutionen kann an einer Eskalation des Konflikts nicht gelegen sein. Man darf sich nur andererseits nicht der Illusion hingeben, diese Eskalation wäre zu vermeiden, wenn eine außer sich geratene Minderheit unserer Gesellschaft diesen Konflikt aufzwingen will.
    Ich habe diesen vor über acht Jahren gemachten Ausführungen heute nur die eine Bemerkung hinzuzufügen: daß damals keiner von uns vorausgesehen hat, daß die damals beginnende Gewaltanwendung schließlich in terroristischem Mord enden würde.
    Wir haben allerdings — damit komme ich auf die Fehler zurück — meines Erachtens einen großen Fehler gemacht; ich meine jetzt diejenigen, die sich damals mit der APO auseinandergesetzt haben. Wir haben, nachdem die Auseinandersetzung mit der APO politisch gewonnen und die kriminell gewordenen Restbestände des Studentenaufstands mit der kriminalpolizeilichen Zerschlagung der ersten Terroristenorganisation scheinbar aufgelöst waren, die Auseinandersetzung mit der nachfolgenden Generation nicht mit der Energie geführt, wie wir sie mit der APO geführt hatten.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Herren von der Opposition, das werfen wir uns selber vor. Wir lassen uns das aber nicht von Leuten vorwerfen, die damals der Auseinandersetzung mit der rebellischen Studentenschaft überhaupt ausgewichen sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wem es, Herr Strauß, um eine wirkliche Ursachenanalyse geht — eine solche ist zur politischen Bekämpfung des Terrorismus notwendig —, der muß auf billige Rechts-Links-Etiketten verzichten; denn die Ursachen sind viel komplexer. Ich nenne nur einige Faktoren, die wir zu berücksichtigen haben.
    Viele Ausländer sehen den Terrorismus in der Kontinuität eines deutschen Irrationalismus, sozusagen von Nietzsche bis Heidegger, von Hitler bis zu den Terroristen. Am Kölner Terroranschlag hat draußen vor allem die Mischung von Brutalität und Präzision erschreckt. Mancher draußen — Herr Strauß hat es in München auch schon angesprochen — sieht daher eine neue deutsche Krankheit sich ausbreiten. Ich bin dagegen mit einem so kühl denkenden und sensiblen Kopf wie François Mitterrand der Meinung, daß es sich um eine Krankheit unserer gesamten Zivilisation handelt — der Terror ist heute weltweit —, auch wenn diese Krankheit bei uns gewisse deutsche Züge trägt.
    Ein auffallender Faktor ist die soziale Herkunft der Terroristen aus dem gehobenen Bürgertum, aus der „Kaviarschicht der Gesellschaft", wie es Herr Strauß nach einer Zeitungsnotiz gesagt haben soll. Den „geistesgestörten Rand der nicht arbeitenden Klasse" hat eine englische Autorin die Terroristen genannt. Und in der Tat scheint neben der Herkunft aus gehobenem Milieu psychische Labilität oder Krankheit nicht nur für die aus dem Heidelberger Patientenkollektiv stammenden Terroristen ein weiteres Merkmal zu sein.
    Nach dem Elternhaus ist dann das „linke Umfeld", wie Sie es nennen, der Universitätsjahre zu nennen. Die Behauptung allerdings, Herr Strauß, der Terrorismus habe seine geistigen Wurzeln im Marxismus, ist schlicht falsch. Marxismus und Anarchismus schließen sich aus, wie nicht nur der Streit zwischen Marx und Bakunin belegt hat. Die Sozialdemokraten haben sogar die Anarchisten ausgeschlossen, die nicht für Gewaltanwendung eintraten. Die einhellige Verurteilung der Terroristen durch die kommunistischen Parteien in Ost und West, die Sie sonst so gerne zitieren, ist nicht taktisch bedingt, sondern ideologisch begründet.
    Herr Strauß, was wollen Sie eigentlich mit diesem Versuch? Wollen Sie alle, die sich an der Gesellschaftsanalyse von Marx ganz oder teilweise orientieren, in das Lager des Terrorismus schieben? Was soll das eigentlich? Sie bringen die Stamokap-Theorie in diesen Zusammenhang. Ich habe schon vor Jahren, lange bevor Sie sich darüber aufgeregt haben, meine Meinung dazu gesagt; aber daß die Stamokap-Theorie etwas mit individuellem Terror zu tun hätte, ist eine weitere Erfindung Ihrerseits.
    Genauso abwegig ist die Behauptung — das sage ich als jemand, der früher an einer deutschen Universität gelehrt hat —, die kritische Theorie, die Frankfurter Schule, sei schuld am Terrorismus. Was immer man auch sonst an dieser Schule zu kritisieren haben mag, den Terrorismus hat sie abgelehnt. Adorno wurde von den rebellischen Studenten in seinen Vorlesungen gestört, Jürgen Habermas war einer der ersten, der gegen die Gewaltanwendung gesprochen und geschrieben hat,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und auch Marcuse, mit dessen Thesen ich mich in APO-Zeiten oft hart auseinandergesetzt habe und den ich nicht von jeder Schuld an dem freispreche, was an elitärer Arroganz und Realitätsblindheit in



    Dr. Ehmke
    Teilen der studentischen Jugend damals gewachsen ist, hat sich eindeutig gegen Gewalt ausgesprochen, als Gewaltanwendung angefangen hat. Was soll das eigentlich, Herr Strauß, die Fronten zu verwischen, statt den gemeinsamen Gegner zu stellen?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Im übrigen muß ich Ihnen nun auch in aller Freundschaft folgendes sagen. Ich war ja auch nicht in allen Punkten ein großer Anhänger der hessischen Rahmenrichtlinien.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    --- Dazu habe ich hier mal im Bundestag gesprochen. Sie brauchen nicht „Aha" zu sagen. Dazu habe ich mich vor diesem Haus geäußert. — Aller berechtigter und unberechtigter Zorn zusammen über diese hessischen Rahmenrichtlinien kann aber doch z. B. kaum die Tatsache erklären, daß eine so beängstigend hohe Zahl von Leuten, die heute Terroristen sind, gar nicht aus Hessen, sondern z. B. aus BadenWürttemberg kommt, also aus einem Land, das eine konservative Schulpolitik macht.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Auch diese These noch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich sage doch nur: es ist ebenso unsinnig, zu behaupten, am Terrorismus seien die hessischen Rahmenrichtlinien schuld, wie das Argument unsinnig wäre, an ihm sei die konservative Schulpolitik, z. B. in Baden-Württemberg, schuld.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Strauß, nun komme ich zu einem Punkt, der in Ihren Vorhaltungen vielleicht der ernsthafteste war und der auch in die Stellungnahmen beider Kirchen Eingang gefunden hat: zur Frage der Konflikttheorie.
    Solange man sagt, eine Überbetonung der Konflikte sei schädlich, ist das hinzunehmen. Ich warne aber, in einem Volk, dessen Abrutschen in den Nationalsozialismus nicht durch das Anerkennen von Konflikten, sondern durch eine Ideologie der Volksgemeinschaft begründet wurde, das Kind mit dem Bad auszuschütten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Demokratie beruht nicht nur auf der Gemeinsamkeit in den Grundwerten und den Grundrechten. Sie beruht auch — da sind wir uns doch hoffentlich einig — auf der offenen Austragung sozialer und politischer Konflikte.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch nicht unser Problem in der Bundesrepublik!)

    Die demokratische Verfassung stellt für die friedliche Lösung solcher Konflikte Verfahren bereit. Gewalt schließt sie dagegen aus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nicht die Betonung von Konflikten, Herr Strauß, sondern die Anwendung von Gewalt ist daher die Grenze der Demokratie.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das gleiche gilt übrigens für das Bewußtsein von der notwendigen Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse, die die liberale Bewegung von jeher ebenso durchdrungen hat wie die Arbeiterbewegung und die ja selbst in den christdemokratischen Reihen dieses Landes glücklicherweise noch nicht ganz abgestorben ist, was sich am Beispiel Ihrer Zustimmung zum Mitbestimmungsgesetz gezeigt hat. Denn mit dieser Zustimmung haben Sie Gesellschaft in Deutschland verändert, und zwar in die richtige Richtung. Wir finden es gut, daß wir das zusammen gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nein, meine Damen und Herren der Opposition: Die Frage, die wir beantworten müssen, lautet nicht, wie man dazu kommt, eine Änderung der Gesellschaft für notwendig zu halten; denn dafür gibt es viele gute Gründe. Sie lautet vielmehr, wie man dazu kommt, Mord und Totschlag als legitimes Mittel der Politik anzusehen.
    Die Terroristen selbst berufen sich mit Vorliebe auf das Vorbild der südamerikanischen Stadtguerillas und der Befreiungskämpfe der Dritten Welt. Das kann von Rechtfertigungsbedürfnis, aber ebensogut auch von Verlogenheit oder krankhaftem Realitätsverlust zeugen. Unsere Gesellschaft ist sicher nicht vollkommen. Aber keiner ihrer Fehler kann Mord, Totschlag oder Menschenraub rechtfertigen.
    Ich muß in diesem Zusammenhang allerdings auch kritisch bemerken, daß diejenigen, die umgekehrt versuchen, eine Parallele zwischen den Befreiungsbewegungen in Südafrika und den deutschen Terroristen herzustellen, in einem Arbeitsgang sowohl den deutschen Terroristen als auch der menschenverachtenden Politik der Apartheid Hilfestellung leisten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In Wahrheit haben die Terroristen gar keine politische Theorie, wie sie ja auch kein politisches Gestaltungsziel haben. Ihre geistige Heimat ist nicht — bei dem einen oder anderen von ihnen vielleicht nicht mehr — links. Das Problem der Terroristen ist, daß sie keine geistige Heimat haben. Sie sind auf Zerstörung programmiert.
    Wir müssen dabei einen weiteren, durch die Geschichte des Terrorismus hinreichend belegten Aspekt im Auge behalten, nämlich die Ablösung des Terrors von den Anlässen und Bewegungen, aus denen er jeweils entstand. Terror ist ein Versuch, in die Nervenstränge einer sozialen Einheit, in ihre Kommunikation und in ihren Willensbildungsprozeß einzudringen, um diese erst zu lähmen und dann für die eigenen Zwecke zu mißbrauchen. In dieser Hinsicht bestehen zwischen dem Terror der mittelalterlichen Hexenprozesse, des französischen Revolutionstribunals, der Moskauer Säuberungsprozesse und der Prozesse vor dem Volksgerichtshof viele strukturelle und psychologische Gemeinsamkeiten. Die Wahrheit ist: Terror ist austauschbar, für beliebige Zwecke verwendbar.
    So liegt — Herr Strauß, da stimme ich Ihnen völlig zu — die Parallele zwischen der menschenver-



    Dr. Ehmke
    achtenden Brutalität der Terroristen und der Gestapo-Mentalität auf der Hand. Es nimmt auch nicht Wunder, daß der Mord an Generalbundesanwalt Buback kürzlich auch in einem neonazistischen Blatt als „befreiende Tat" begrüßt worden ist. Man habe zwar mit den „Roten" nichts gemein, aber man habe auch nichts gemein mit Buback und dem von ihm vertretenen Staat, der an gleicher Stelle als „Judenstaat" beschimpft wird.
    Herr Strauß, wenn wir uns über die Gleichheit der Erscheinungssymptome einig sind, auch wenn sich die Dinge aus verschiedenen Anlässen entwikkelt haben, dann habe ich eine herzliche Bitte an Sie. Auf das, was Sie über Willy Brandt gesagt haben, brauche ich hier nicht einzugehen, denn darauf hat vor kurzem Helmut Schmidt die gebührende Antwort gegeben. Aber ich möchte Sie herzlich darum bitten, nicht zu unterschätzen, mit welch kritischen Augen das Ausland eben doch Fälle wie Kappler oder die Hitler-Nostalgiewelle oder jetzt die schlimmen Dinge bei der Bundeswehr in München betrachtet. Wir wissen, daß ist klein, aber ich sage Ihnen noch einmal — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Würden Sie bitte einmal sagen, wo es in diesem Lande eine Hitler-Nostalgiewelle gibt?)

    — Es hat wohl keinen Zweck bei Ihnen: Lassen Sie sich vielleicht von einem Ihrer — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Sagen Sie es konkret!)

    — Lassen Sie sich einmal über die Wirkung von Fests Hitler-Film aufklären. Schauen Sie in die Illustrierten, was im Augenblick dort alles abgehandelt wird, von Goebbels Tagebüchern bis — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch lachhaft!)

    — Das ist lachhaft? Gehen Sie zu Ihren Freunden ins Ausland und lassen Sie sich einmal sagen, wie das draußen wirkt, statt hier dummes Zeug zu reden!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)