Rede:
ID0804600000

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8046

  • date_rangeDatum: 5. Oktober 1977

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/46 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 46. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 Inhalt: Absetzung zweier Punkte von der Tagesordnung 3469 A Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — Strauß CDU/CSU 3469 B Dr. Ehmke SPD 3485 C Hoppe FDP 3497 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . . 3502 D Dr. Barzel CDU/CSU 3512 A Reuschenbach SPD 3521 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 3525 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 3532 D Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 3539 D Löffler SPD 3543 D Gärtner FDP 3547 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3551 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3553* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 3469 46. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr.Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Fellermaier * 5. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz ** 7. 10. Frau Hürland 5. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker * 7. 10. Lagershausen ** 7. 10. Lange * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich ** 7. 10. Lemp * 7. 10. Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. Müller (Mühlheim) * 7. 10. Neuhaus 5. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe * 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Wehner 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. von Wrangel 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zywietz * 6. 10.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen die Punkte 3 und 4 — zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Europawahlgesetzes und des Entwurfs eines Europaabgeordnetengesetzes — von der Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978)

— Drucksache 8/950 —Überweisungsvorsdhlag des Ältestenrates: Haushaltsaussdiuß
b) Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981
— Drucksache 8/951 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1978 durch den Herrn Bundesminister der Finanzen gestern hatte ihre besondere Note. Sie war im Gegensatz zu früheren Anlässen gleicher Art sicherlich durch eine gewisse Kürze gekennzeichnet. Aber wenn man den Begriff „Inhaltlosigkeit" noch steigern könnte, dann wäre hier sicherlich ein Rekord aufgestellt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn diese Rede war gekennzeichnet durch Enttäuschung über die Erfahrungen und Ergebnisse seiner Amtsführung. Sie war gekennzeichnet durch Unsicherheit hinsichtlich der Richtigkeit der eigenen Aussage. Sie war gekennzeichnet durch Ratlosigkeit hinsichtlich dessen, wohin die Reise führen werde und was zu unternehmen sei.
    Der Herr Bundesminister der Finanzen hat die wirklichen Gründe der Krise — ich werde das Wort „Krise" noch erläutern — und damit die psychologischen und materiellen Voraussetzungen für ihre Überwindung überhaupt nicht deutlich gemacht. Das ist ein Anzeichen dafür, daß er, wenn er sie erkannt hat, vor ihren Folgen bereits kapituliert hat, und zwar offensichtlich kapituliert hat. Soweit bei der Bundesregierung Erkenntnisse über Ursachen und Zusammenhänge sporadisch — oder sagen wir: verstreut — bestehen, fehlt es an Mut, fehlt es an der moralischen Entschlossenheit oder fehlt es an der politischen Kraft, diese Erkenntnisse in die Wirklichkeit, in konkludentes Handeln umzusetzen.
    Der Grund dafür liegt nicht in objektiv unüberwindbaren Hindernissen, die es dann und wann geben mag, Hindernissen, die auch heute groß genug sind, sondern der wirkliche Grund liegt in dem eigenartigen, um nicht zu sagen: chaotischen Zustand der beiden Regierungsparteien, den man als fortgeschrittene Verfallserscheinung innerhalb gegensätzlicher, nur durch das gemeinsame Interesse der Macht- und Postenerhaltung zusammenklebender Parteifragmente bezeichnen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das, was der Kanzler denkt, ist den Fraktionen entweder wunschgemäß nicht bekannt oder wird von ihnen nicht getragen. Was die Ressortminister wollen, ist von mehr als den natürlichen Gegensätzen geprägt und wird vom Kanzler entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht auf einen Nenner gebracht.
    Was das Kabinett beschließt, muß sich entweder auf dem niedrigsten Nenner der Oberflächlichkeit des von der Linken beider Regierungsparteien geduldeten Spielraumes begrenzen, oder es wird von den beiden Regierungsparteien demontiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Regierung lebt von dem Heiligenschein, den die Legende der Vergangenheit um den Kanzler gewoben hat.
    Der Kanzler merkt vielleicht nicht oder — wir halten ihn alle für intelligent — ahnt unter Umständen doch, daß er an der Grenze angelangt ist oder sie überschritten hat, jenseits derer der Ab-



    Strauß
    glanz des großen Machers, des Allesbändigers oder Allesbewältigers, des Weltwirtschaftsökonomen nur noch schwindende Pracht ist, weil die graue Wirklichkeit, der trostlose Zustand seiner eigenen Partei, die Unvereinbarkeit von Versprechen und Erfüllung, der unauflösliche Gegensatz von Anspruch und Hilflosigkeit als Menetekel auch an die Wände des Kanzlerpalastes geschrieben sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer diese Rede in Kenntnis der Vorgeschichte, in Bewertung der handelnden oder redenden Figuren, in nüchterner Einschätzung der Kräfteverhältnisse auf einen wirklichkeitsbezogenen Nenner bringen will, kann nicht anders, als zu folgenden Feststellungen zu gelangen.
    Erstens. Diese Rede ist eine Abrechnung mit Person und Methoden des Kanzlers durch einen Finanzminister, der die Niederlage im Umsatzsteuerstreit nicht verwinden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zweitens. Sie ist das Eingeständnis der Unfähigkeit, mit den Problemen des modernen, sicherlich komplizierten föderalistischen Staates fertig zu werden. Diese Probleme sind nicht neu. Sie sind von früheren Regierungen bewältigt worden, wenn auch nicht leicht, wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Wer aber den Ländern und Gemeinden durch eine messianisch verbrämte Inflationspolitik immer neue finanzielle Bürden in Gestalt bombastischer Reformprogramme aufgeladen hat, der hat kein Recht, sich über die Folgen zu beklagen, mit denen er jetzt nicht fertig wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Die Rede ist die Kapitulationserklärung vor den Folgen der selbstverschuldeten Fehlentwicklung. Der Zielkonflikt zwischen Stabilität und Vollbeschäftigung ist von der Natur der Sache her nicht unvermeidlich, wie wir am praktischen Beispiel bewiesen haben. Aber er ist mutwillig heraufbeschworen und seit 1970 systematisch ausgebaut worden.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Die SPD hat einmal erklärt, sie beanspruche die geistige Führung in ihrem Lande. Was ihr Finanzminister hier geboten hat, war eher das Klagelied einer finanzpolitischen Hiobsfigur, die zwar nicht von Gott geschlagen, aber offensichtlich mehrfach vom Pferd getreten worden ist —

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    eine Formulierung, die — wie Herr Apel weiß — von ihm selbst auf sich selber geprägt worden ist, also nicht eine Entgleisung des Oppositionsredners darstellt. Hier bieten sich hippologisch an:

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    einmal Helmut Schmidt selbst — ich meine als aktiv Handelnder —, zweitens der öffentliche Unmut über die Politik dieser Regierung, drittens das Kollektiv — wenn man das als eine Contradictio in se ipso gebrauchen darf — des Kabinetts und viertens der Bund der wirtschaftspolitischen Prognostiker.
    Der Finanzminister leidet aber ganz offensichtlich unter dem Erbübel seiner Couleur, nämlich daß in dieser Partei Vernunft, Erfahrung und Wirklichkeit hinter Wunschträumen, Zukunftsversprechungen, Heilsverheißungen und ideologisch getarnten Utopien zurückgestellt werden und beim Mißerfolg dann entsprechend die Wirklichkeit beschuldigt wird, sie habe sich nicht prognosegemäß oder erwartungsgemäß verhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte zum Bundeshaushalt insgesamt nur wenige sozusagen globale Bemerkungen machen, weil es darüber ja auch noch eine Detaildebatte geben wird. Ein Kernstück der Konjunkturbelebung — so haben wir gestern gehört — wird in der riesigen Ausgabensteigerung für nächstes Jahr um 10 °/o gesehen. Nun, ob das ein Verdienst ist, das wird — wie auch in anderen Fällen — die Zukunft erweisen. Sie wollen aber dann 4 Milliarden DM Jahr für Jahr mehr ausgeben, als Sie in Ihrem letzten Finanzplan vorgesehen hatten. Hier erhebt sich die Frage: Was haben eigentlich Finanzpläne noch für einen Sinn, was hat eigentlich das Institut der sogenannten mehrjährigen Finanzplanung noch für einen Zweck? Daß es eingeführt wurde, ging ja auf einen Vorschlag des Kollegen Alex Möller seinerzeit zurück. Es war sein großes Verdienst, und ich war von der Richtigkeit dieses Vorschlages überzeugt. Wir haben es gemeinsam in der Großen Koalition getragen. Aber irgendwie muß doch eine Vergleichbarkeit zwischen mehrjähriger Finanzplanung und tatsächlichem Ergebnis bestehen.
    Sie haben in bezug auf Ihren letzten Finanzplan gesagt, damit solle zusätzliche Nachfrage geschaffen werden. Hier wird aber der Steuerzahler erneut getäuscht. Was Sie gestern gesagt haben, stimmt doch gar nicht. In Wirklichkeit wird mit den 4 Milliarden DM nicht zusätzliche Nachfrage geschaffen, sondern damit werden nur die Löcher gestopft, die als Folge der Inflationspolitik der Bundesregierung mit ihren Rezessionswirkungen entstanden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die entscheidenden Mehrausgaben gegenüber dem alten Finanzplan, die zusammen sogar mehr als die 4 Milliarden DM ausmachen, fließen an zwei Bereiche, die immer mehr zum Faß ohne Boden werden, nämlich an die Bundesbahn und an die Rentenversicherung. Das hat doch mit Nachfragebelebung nichts zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier werden doch nur Nachfrageausfälle, die die wenig erfreulichen Ergebnisse einer siebenjährigen oder nunmehr fast achtjährigen SPD/FDP-Regierung sind, ausgeglichen. Sie wollen doch, Herr Bundesfinanzminister, dem Volk nicht weismachen wollen, Sie schafften damit zusätzliche Nachfrage, es sei denn, daß Sie allmählich an die berauschende Wirkung oder an den tröstenden Effekt der von Ihnen hier in den Mund genommenen Worte glauben, sozusagen nach der Parole: Wer singt, fürchtet sich nicht.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)




    Strauß
    Sie schieben doch nur Defizite hin und her, stopfen ein Loch, bezeichnen diese Tätigkeit als Belebung der Nachfrage und reißen gleichzeitig ein weiteres Loch auf.
    Sie behaupten weiter, Sie würden die investiven Ausgaben gegenüber dem Finanzplan, der das Investitionsprogramm noch nicht enthielt, um 5,4 Milliarden DM erhöhen, und zwar gegenüber dem laufenden Jahr. Auch das stimmt nicht. Ein Drittel dieser angeblichen 4 Milliarden DM — in Wirklichkeit sind es mehr — beruht doch ausschließlich darauf, daß Sie Ausgaben für Entwicklungshilfe und für die Inanspruchnahme als Bürgschaften willkürlich anders oder an anderer Stelle als im Vorjahr buchen. Damit schrumpft natürlich von der anspruchsvollen Aussage — Nachfragebelebung, Investitionsausdehnung — vieles auf einen Kern zusammen, der keiner weiteren lobenden Erwähnung bedarf.
    Lassen Sie mich zu Ihrer Rede im einzelnen einige Bemerkungen machen. Sie sagten:
    Eine Reihe von Ländern
    — Sie meinten international, nicht Bundesländer —
    hat trotz intensiver Anstrengungen kaum Erfolge bei ihrer Preisstabilisierungspolitik gehabt; denn Inflation führt schlußendlich zur Arbeitslosigkeit.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    „Schlußendlich" haben Sie gesagt. Anfangsendlich haben wir gehört,

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    daß Inflation ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit sei. Es war Ihr heutiger Bundeskanzler, der damals sagte, Stabilität sei so ein Modewort, die Besorgnis um die Stabilität bedränge ihn nicht persönlich,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    jedenfalls nicht so sehr wie andere — gesprochen am 29. Oktober 1971 —, und der ein knappes Jahr später meinte — da schon, wenn ich mich recht erinnere, in gehobener Position; denn Mißerfolge sind bis zu einem gewissen Grade in dieser Regierung eine Garantie für Beförderung—:

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Mir scheint, daß das deutsche Volk — zugespitzt ausgedrückt natürlich — 5 % Preisanstieg eher vertragen kann als 5 % Arbeitslosigkeit. Schon 3 % Arbeitslosigkeit wären für die Bundesrepublik unerträglich.
    Damals hat er noch die Wunderdroge der Inflation als ein Mittel gegen das Übel der Arbeitslosigkeit oder die Krankheit der Beschäftigungslosigkeit angepriesen. Wie gesagt, das war anfangsendlich. Schlußendlich hat er sich auf der Londoner Konferenz dem Kommuniqué angeschlossen, daß Inflation kein Mittel zur Verhinderung der Arbeitslosigkeit sei, und noch schlußendlicher hat sein Finanzminister verkündet: denn Inflation führt schlußendlich zur Arbeitslosigkeit.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wenn wir uns früher erlaubt haben, in aller Bescheidenheit von der uns zugewiesenen Rolle schüchtern Gebrauch zu machen und darauf hinzuweisen, daß hier die höchstderoselben Würdenträger einem kleinen Irrtum unterlägen,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    wenn sie glaubten, daß Inflation etwa eine Garantie für Vollbeschäftigung sei, sind wir als Miesmacher, Pessimisten, Unker, berufsmäßige Kassandras, Berufsdemagogen, Schreibtischtäter, Hetzer, Volksverführer oder was auch immer seinerzeit gebührend dem öffentlichen Zorn preisgegeben worden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine zweite Bemerkung. Ich zitiere den Herrn Bundesfinanzminister wieder wörtlich:
    Manche der international verwendeten Argumente sind nicht zutreffend und vor allem nur dazu da, eigene nationale Versäumnisse zu kaschieren.
    Man merkt, daß Sie die Rede — das möchte ich anerkennend sagen — selbst geschrieben haben, daß Sie sich nicht auf Ihre Büchsenspanner, Ghostwriter oder ähnliche Zubringer verlassen haben, wie es sonst bei den Regierungsmitgliedern mit ihren riesigen Schreiberstäben der Fall ist. Die lassen sonst ja denken und schreiben, um dann die siebente Fassung oder vielleicht auch die zwanzigste Fassung nach oberhirtlicher Überarbeitung zu genehmigen. Dies hier ist echte Ausdrucksweise, so, wie Sie sind, Sie — wohlverstanden — von der Hamburger Vorstadt und ich von der Münchener Vorstadt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie sagen, die Argumente seien nicht zutreffend, gebe ich Ihnen weitgehend recht. Wenn Sie sagen, die Argumente seien dazu da, nationale Versäumnisse zu kaschieren, so möchte ich Sie daran erinnern, daß Bundeskanzler Schmidt vor wenigen Tagen vor dem 12. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall eine erstaunliche Aussage gemacht hat. Angesichts der Fülle erstaunlicher Aussagen ist eine solche Überlastung mit sensationellen Phrasen eingetreten, daß einzelne Höchstleistungen gar nicht mehr gebührend gewürdigt werden.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Deshalb möchte ich hier eine dieser Höchstleistungen dem staunenden Publikum preisgeben. Der Bundeskanzler sagte wörtlich — so steht es im regierungsamtlichen Bulletin —:
    Wir müssen seit der Ölkrise von 1973 gegen eine tiefgreifende Rezession, eine weltwirtschaftliche Krise ankämpfen, die wir nicht selbst gemacht haben. Wir waren am Krieg in Vietnam nicht beteiligt. Wir sind nicht schuldhaft beteiligt an der Weltinflation, die diesen Krieg so ausgeweitet hat.
    — Dieser Nebensatz ist unverständlich, es sei denn, es liegt ein Druckfehler vor. —
    Wir sind nicht schuldhaft beteiligt an dem Vertrauensverlust
    — Hoppla! —



    Strauß
    von Konsumenten, Arbeitgebern, aber auch Investoren und Unternehmen im Laufe dieser vier Jahre seither. Wir haben die Ölkrise nicht verschuldet. Wir haben den Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten nicht geführt,
    — Meine Bemerkung: Da haben die beiden Glück gehabt;

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ratgeber gäbe es ja genug dafür. —
    aus dem sie entstanden ist. Es ist das erste Mal, daß wir Deutsche unter Kriegen leiden müssen, an deren Anzettelung wir selbst nicht beteiligt gewesen sind.
    Herr Bundeskanzler, der letzte Satz, der ja eine Behauptung darstellt, ist eine reine Geschichtsfälschung oder eine Geschichtsklitterung. Dieser Satz ist in seiner Oberflächlichkeit und in seiner Kunst, Richtiges und Falsches, Wahres und Erfundenes miteinander zu vermengen, atemberaubend. Ich möchte Ihnen jetzt nicht eine historische Lektion geben, daß es mehr Kriege in der Welt gegeben hat, an denen wir nicht beteiligt waren, obwohl wir darunter gelitten haben. Ich möchte — ich hoffe, das ist sogar in Ihrem Sinne — den peinlichen Eindruck vermeiden, als ob der Vietnamkrieg der erste Glückszufall der Weltgeschichte gewesen sei, nämlich ein Krieg, an dem wir nicht schuld gewesen seien. Auch das ist falsch. Ich habe mir hinsichtlich der Schuld am Ersten Weltkrieg, nämlich der Schuld aller Großmächte, und hinsichtlich der Alleinschuld der Hitlerschen Politik am Zweiten Weltkrieg meine Meinung so oft zu sagen erlaubt, daß ich hier keine apologetischen Rechtfertigungsversuche mehr zu machen habe.
    Herr Bundeskanzler, am 1. April 1977 haben Sie auf der Konferenz der sozialistischen Parteien und Gewerkschaften in Oslo Dinge gesagt, die Sie eigentlich besser am 18. September erstmalig gesagt oder zumindest wiederholt hätten. Sie sagten:
    Ich bin der Ansicht, daß die derzeitige Rezession zu weniger als 49 % wirtschaftliche, quantitative Gründe und zu mehr als 51 % psychologische und politische Gründe hat. Industrie und Unternehmer haben nicht genügend Vertrauen, um zu investieren

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    oder ihre Kapazitäten zu erneuern, zu vergrößern oder zu modernisieren.

    (Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)

    Gleichzeitig fehlt es an ausreichender Nachfrage bei Verbrauchern und Arbeitnehmern. Der Grund ist meines Erachtens das mangelnde Vertrauen in die Zukunft.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum sind denn die Dinge so? Ich möchte hier keine tiefsinnige Analyse geben. Es gibt dafür eine ebenso tiefgreifende wie richtige und nicht an der Oberfläche verharrende Erklärung: weil die Sozialisten überall, wo sie an der Regierung sind,
    langsamer oder schneller, aber sicher die Wirtschaft ruinieren, mit oder ohne Helfershelfer.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Böhme [Freiburg] [SPD] : Siehe Italien!)

    Drittens. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben Ihrer facettenreichen Legende der Genesis der Mehrwertsteuererhöhung hier etwas Neues hinzugefügt: „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer war notwendig wegen des fortlaufend wachsenden Anteils der direkten Steuern am gesamten Steueraufkommen und der gleichzeitigen Abnahme des Anteils der indirekten Besteuerung. Es muß sich lohnen, zu arbeiten. Es darf nicht so sein, daß ein kleiner Teil unserer Bevölkerung, ein gutes Drittel, zunehmend über die Lohn- und Einkommensteuer die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben übernimmt, die allen 60 Millionen deutschen Bürgern zugute kommen."
    Ich widerspreche Ihnen hier gar nicht. Aber das ist ein völlig neuer Ton.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Denn bisher haben wir gerade von Ihnen und Ihresgleichen immer gehört, daß die Erhöhung der indirekten Steuern eine Begünstigung der Reichen, eine Benachteiligung der Ärmeren

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    und deshalb eine unsoziale Politik sei. Ich habe mich dieser Argumentation im Laufe der weiteren Entwicklung der Marktwirtschaft nicht mehr angeschlossen, weil die Dinge in das Gegenteil umzuschlagen begonnen haben, weil man ohne Zweifel den gehobenen Konsum stärker besteuern kann, während die direkte Besteuerung, die Lohn- und Einkommensteuer, in Verbindung mit den übrigen Abgaben zu einer Konfiskation des Arbeitseinkommens, zu einer Abnahme des Verfügungsanteils am ehrlich erworbenen eigenen Einkommen führt, weshalb man hier gegenüber früheren erstarrten Vorstellungen ein Umdenken einleiten mußte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber bei Ihnen ist das eine neue Begründung, eine neue Erkenntnis. Sie haben doch ursprünglich erklärt, die Mehrwertsteuererhöhung sei notwendig, um die Staatsausgaben zu finanzieren, um den Haushalt zu konsolidieren, aber doch nicht, um ein vernünftigeres Verhältnis zwischen dem Ergebnis der direkten und dem der indirekten Besteuerung herbeizuführen. Aber für Sie gilt eben, daß man Argumente vertritt, wie andere sich die Füße vertreten.
    Eine weitere Bemerkung zu Ihrer Rede. Sie sagten gestern:
    Die Deutsche Bundesbank hat in ihrem letzten Monatsbericht auf die wesentlichen Ursachen des Wachstumsverlustes hingewiesen, nämlich massive administrative und politische Verzögerungen bei privaten und öffentlichen Investitionen bis zu einer Größenordnung von 25 Milliarden DM, ein schwach wachsender Welthandel und eine geringe private Investitionsneigung.



    Strauß
    Ich stimme Ihnen darin weitgehend zu. Aber darf ich mir erlauben, auf die von Ihnen genannten Gründe nur mit wenigen Bemerkungen einzugehen: Haben denn nicht Bürokratie und Ideologie den Investoren durch eine Flut von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Erlassen und Ausführungsbestimmungen — nebst manchmal schikanöser, auch wirtschaftsfremder oder -feindlicher Handhabung — den Mut genommen zu investieren? Wer hat denn bei uns im Laufe der letzten Jahre die beschäftigungsfeindlichen, investitionshemmenden und wirtschaftsfremden Bestimmungen vermehrt?

    (Zuruf von der SPD: Welche?)

    Wer war denn in der Bundesrepublik Deutschland an der Regierung? Wer hat denn hier diese Bollwerke gegen die Vernunft aufgebaut? Das waren doch die jetzige Regierung, ihre Vorgängerinnen und die sie tragenden oder schaukelnden — man kann auch sagen: ertragenden — Regierungsparteien!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Von wem stammen denn die Proteste nicht nur gegen Kernkraftwerke, sondern auch gegen Kohlekraftwerke oder Ölkraftwerke oder zum Teil Kläranlagen oder gegen andere notwendige, der Energieversorgung oder dem Wirtschaftswachstum dienende Einrichtungen? Die stammen doch nicht von der Opposition. Wir haben Sie doch nie behindert, wir haben Ihnen doch immer geholfen. Wo liegen denn die Schwierigkeiten, wenn die Regierung heute mit Sorge auf die notwendige Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Energie — Helmut Kohl wird in seiner Rede später darauf eingehen — hinweist? Wer ist der Regierung denn hier in den Arm gefallen? Das kann man doch nicht damit abtun, wie es ein Mitglied der Bundesregierung mir gegenüber getan hat, ich hätte mich hier als Feind der innerparteilichen Diskussion gezeigt. Wenn man an der Führung ist, hat man die Verantwortung. Da muß man die Probleme rechtzeitig erkennen, und wenn sie diskutiert werden müssen, so rechtzeitig diskutieren, daß nicht eine Verzögerung zu Gefahren für die Wirtschaft und für den Fortschritt in unserem Lande wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Oder haben Sie etwa erwartet, daß unsere Handelspartner uns noch größere Exportüberschüsse ermöglichen, als wir ohnehin schon erzielt haben?
    Sie haben in Ihrer Rede auf das Musterland Bundesrepublik — das deutsche Modell heißt es jetzt ja nicht mehr — hingewiesen. Aber wissen Sie, daß dieses „Musterland" — ich mache mir diesen Ausdruck weder sinngemäß noch wörtlich zu eigen; aber trotzdem sind wir in allen Schichten und Ständen unseres Volkes stolz auf unsere gemeinsame Leistung — geschaffen worden ist durch die auch nicht in einigen Jahren zu zerstörende nachhaltige Wirkung der größten säkularen Reform, nämlich durch die Einführung der sozialen Marktwirtschaft?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich frage Sie schließlich noch, wenn Sie sagen: geringe private Investitionsneigung: Wer hat denn — entweder weil er wie ein Kind mit der Maschine nicht umzugehen verstand, aber dauernd daran herumgebastelt hat, oder mutwillig aus Gründen der Gesellschaftsveränderung — die Investitionsneigung der privaten Investoren gerade im Bereich der kleinen und mittleren Wirtschaft bis zur Unerträglichkeit, sowohl psychologisch wie materiell, in Mitleidenschaft gezogen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Gelber-Punkt-Aktion!)

    Das waren doch die Regierungen und ihre Mehrheiten seit dem Jahre 1969. Sie kommen daher, Herr Apel, und zählen Gründe auf und tun so, als ob Sie mit diesen Gründen überhaupt nichts zu tun hätten. Das ist doch eine erweiterte Autobiographie, die Sie geschrieben haben, aber doch keine Fremdbiographie.
    Einen Grund haben Sie vorsorglich nicht erwähnt, den die Bundesbank herausgestellt hat, nämlich den Kostendruck von der Lohnseite her. Wenn Sie aufzählen, dann müssen Sie die von der Bundesbank genannten Gründe vollzählig aufzählen. Ich möchte Ihnen ersparen, den Wortlaut aus dem letzten Bericht der Bundesbank zu diesem Thema anhören zu müssen. Aber die Bundesbank weist ganz eindeutig darauf hin, daß eine Wiederbelebung unserer Wirtschaft mit Erholung der Investitionen, mit Erzielung der notwendigen Wachstumsrate, mit Wiedererreichung der Vollbeschäftigung in erster Linie von der Vernunft der Tarifparteien, d. h. von Lohnabschlüssen oder überhaupt von der Gestaltung der Kostenseite her, abhängig ist. Bei der Gestaltung der Kostenseite spielt die Lohnquote natürlich eine erhebliche Rolle.
    Ein weiterer Punkt Ihrer Rede: Sie sagten, Finanzpolitik sei aber kein flinkes und wendiges Rennboot, das sofort auf Ruder und Maschine anspreche. Wenn ich an Ihre Mehrwertsteuererfahrungen denke, kann ich Ihnen diesen Stoßseufzer durchaus nachfühlen. Aber ich habe mir gestern schon in Form eines Zwischenrufes zu sagen erlaubt: Ihre Finanzpolitik ist noch nicht einmal ein Segelboot, mit dem man von den Zufällen des Wetters — wenigstens noch einigermaßen berechenbar — abhängig ist, sie ist auch kein Schlauchboot, sondern Ihre Finanzpolitik ist eine Schwimmweste, und die hat noch Löcher.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Dann sagten Sie gestern — ich stimme Ihnen zu —, ein „stop and go" der Finanzpolitik sei weder möglich noch sinnvoll. Nun, auf die Verharmlosung der Inflation durch den heutigen Bundeskanzler habe ich schon hingewiesen. Aber wer hat denn gegen unsere Warnungen 1973 die Investitionen mit einer Steuer bestraft und im Dezember 1974 mit Aufhebung der Steuer eine Investitionszulage verbunden?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Das wir immer wieder — ich sage das gleich vorweg — als Opposition hier in einen Druck kommen, wissen Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung. Wir müssen zwar soundsooft warnen, können aber trotzdem dann nicht nein sagen, weil unser Nein angesichts der linken Verleumdungs- und Diffamierungspotentiale



    Strauß
    in unserem Lande dann völlig anders ausgelegt wird, als es gemeint ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    weshalb wir immer wieder an dieser schwierigen Grenze stehen.
    1975 ist die Vermögensteuer massiv erhöht worden. Herr Bundeskanzler, Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen in jener warmen Julinacht in Ihrem Bundeskanzleramte nahegelegt habe, auf diese Anhebung der Vermögensteuer zu verzichten, weil sie Gift, wie ich damals sagte, in der gegenwärtigen Konjunktursituation sei. Die Warnung wurde in den Wind geschlagen. Jetzt ist die Vermögensteuer wieder gesenkt worden, weil die ursprüngliche Entscheidung falsch war.
    Haben nicht viele Investoren in der deutschen Wirtschaft auf Grund des gesunden Zinsniveaus, das wir über viele Jahre hinweg hatten, auch in den Jahren 1968, 1969, bis 1970 hinein hatten, im Vertrauen auf die Versprechungen der damaligen Regierung, daß Vernunft, Kontinuität und Stabilität die Leitsterne der Wirtschafts- und Finanzpolitik sein würden, Kredite aufgenommen und dann erlebt, daß sie kurze Zeit später für die zu 6 oder 7 °Io Zinsen aufgenommenen Kredite 12, 13, 14 °/o, bei nicht ausreichender Sicherheitsleistung sogar bis zu 15, 16 °/o Zinsen zahlen mußten? Ist das nicht auch „stop and go", nur in umgekehrter Richtung?
    Zum 1. Januar kommenden Jahres ist — auch mit unserer gütigen Mithilfe — eine Mehrwertsteuererhöhung beschlossen worden. Im September wurde beschlossen, durch Änderung des Grundfreibetrages bei der Lohn- und Einkommensteuer diese Erhöhung praktisch wieder rückgängig zu machen. Denn das, was eine vierköpfige Familie dann mehr auszugeben hat, kommt ihr jetzt — ich sage: Gott sei Dank, nur ist es viel zu wenig, im Mittel falsch und in der Größenordnung falsch — wieder zu.
    Der Finanzminister stellt nunmehr in Aussicht, die Steuergesetze künftig sogar Jahr für Jahr neu zu fassen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Etwa noch Monat für Monat!)

    Da muß ich wirklich fragen: Wer hat Sie da getreten, Herr Apel, zu verlangen, daß die Steuergesetze künftig Jahr für Jahr nach konjunkturellen Erfordernissen völlig neu gefaßt werden müssen? Da Sie sich der Schwierigkeit dieses Unternehmens bewußt sind, haben Sie uns etwas angeboten -- wofür ich respektvollst meinen Dank vor der Obrigkeit zum Ausdruck bringe —, nämlich All-Parteien-Koalition als eine Art finanzpolitisches Krisenmanagement, weil ohne die Opposition dieses Unternehmen nicht zu bewältigen ist, und zwar nicht deshalb, weil wir etwa im Bundesrat Widerstand leisten oder es zu Fall bringen, sondern deshalb, weil Sie innerhalb Ihrer eigenen Reihen die Mehrheiten für eine solche Steuerpolitik gar nicht aufbringen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Damit aber das Herz des Arbeitnehmers nicht zu fröhlich schlage ob künftiger Erleichterungen, hat der
    Kollege Bundesarbeitsminister vor der Bundespressekonferenz angedeutet, er prüfe, ob künftig auch für das Weihnachtsgeld Sozialbeiträge gezahlt werden müssen. Das Ganze hat natürlich mit „stop and go" nichts zu tun.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ein weiterer Punkt Ihrer Rede: „Ich möchte davor warnen", sagten Sie, „in den vor uns liegenden Monaten eine Debatte zu führen, die sich im wesentlichen darauf konzentriert, nach Sündenböcken zu suchen. So einfach sind die Probleme nicht, daß man einfach nacheinander oder nebeneinander die Unternehmer und ihre Entscheidungen, die „Gewerkschaft und ihre Lohnforderungen, die finanzpolitischen Forderungen gesellschaftlicher Gruppen für unsere Schwierigkeiten verantwortlich machen könnte. Das Aufkleben von Etiketten hilft uns nicht weiter." Ich stimme Ihnen auch hier zu. Nur: wer hat denn die Suche nach Sündenböcken bis zur Stunde ohne Rücksicht auf den inneren Frieden mit einer Flurschadenwirkung ohnegleichen betrieben?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das waren doch Sie und Ihre Freunde! Nebenbei gesagt — Ich nehme es nicht übel —: auch Sie hier von dieser Stelle aus, als Sie einmal mir vorgeworfen haben, ich wolle die Sozialleistungsgesetze aufheben; siehe meine Rede vor dem Institut Finanzen und Steuern. Ich habe dort nur gesagt — wie auch anderswo, etwa vor dem Parteitag der CDU in Mannheim —, daß der Sozial- und Bildungsstaat seine Grenzen erreicht und zum Teil überschritten habe und daß wir deshalb wieder das Mögliche mit dem, was wir wollen, in Einklang bringen müssen, und das, was wir wollen, mit dem, was möglich ist, in Einklang bringen müssen. Sie haben es ja selber gemacht mit Ihren zahlreichen Basteleien und Flickschustereien, die Sie nach der letzten Bundestagswahl zur teilweisen temporären Sanierung des sozialen Sicherungsnetzes vollzogen haben.
    Ich möchte Ihnen den Katalog derer vorführen, die als Sündenböcke jeweils abwechselnd herausgestellt worden sind; die Zeit verbietet es mir, das im einzelnen zu glossieren. Einmal haben Sie die Unternehmer wegen der Inflation beschuldigt, weil sie die Preise festsetzen. Daß das für den Staat, für Bahn und Post, auch gilt, ist selbstverständlich eine ungerechte Erwähnung. Dann sei selbstverständlich auch die Opposition dafür verantwortlich — so sagte Herr Brandt —; denn an den Stellen, an denen die Preise gemacht werden, sitzen die Herren Strauß, Stoltenberg und Kohl.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist eine wunderbare Erkenntnis: Da gibt es einen konspirativen Zirkel, der in der Bundesrepublik in unregelmäßigen Abständen zusammentritt. Das sind diejenigen, die die Preise machen, zusammen mit den Oppositionspolitikern, und die Oppositionspolitiker hetzen dann die Unternehmer auf, keine Lohnzugeständnisse zu machen und die Preise möglichst hoch festzusetzen, um damit a) einen Generalstreik herbeizuführen — das hat Herr Brandt schon einmal zurücknehmen müssen — und b) die Inflation hochzutreiben und dabei natürlich neben-



    Strauß
    bei den Unternehmen kräftige Profite zuzuschanzen. Und solche Leute haben das Instrument unserer Wirtschaft jahrelang in der Hand gehabt und mißbraucht!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Warner vor der Inflation sind eines verbrecherischen Verhaltens bezichtigt worden. Sogar der Ihrer Partei, der SPD, zugehörende Professor Neumark, hochverdienter Wissenschaftler und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums, der das selbstverständlich auch schon zu meiner Zeit gewesen und geblieben ist, hat sich damals in einem Leserbrief in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" energisch gegen diesen Vorwurf verwahrt, weil auch er selbst zu diesen Warnern gehöre.
    Dann wurde natürlich der kritische Teil der Presse vorsichtshalber gleich als Schreibtischtäter gekennzeichnet. Das ist natürlich keine Etikette?
    Die multinationalen Konzerne durften natürlich nicht in dem Konzert fehlen.
    Es folgte eine bunte Palette einzelner Bevölkerungsgruppen: z. B. Makler, Hausbesitzer, Ärzte, Zahnärzte, Handel. Eine besonders zu erwähnende Gruppe sind die Sparer schlechthin — die „Totsparer" sind sie genannt worden —,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    die in ihrem Sparwahn der Regierung nur Schwierigkeiten machen und die Konjunkturbelebung bösartig verhindern.
    Dann kamen sämtliche Gewerbetreibende in der Aktion „Gelber Punkt". Herr Apel, ist der Gelbe Punkt keine Etikette?
    Dann gibt es das Helfershelferhandbuch der SPD, herausgegeben vom jetzigen Ministerpräsidenten Börner. Das war ein Kahlschlag;

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    denn da sind nahezu alle Nicht-Lobredner der Bonner Regierung als böse Geister, Unheilspropheten, destruktive Elemente, Helfershelfer der Opposition hingestellt worden.
    Neulich hat Herr Kollege Willy Brandt eine Bemerkung über die kritischen Geister gemacht, die man nicht zu den Sympathisanten zählen dürfe. Da hat er völlig recht, nur hat er sich in der Adresse geirrt: Die kritischen Geister sind wir, die wir uns nicht meinungsmäßig und lobhudeleimäßig haben mit der Welle gleichschalten lassen, die im Jahre 1969 ausgebrochen war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt kommen die Bundesländer, die einmal zuviel ausgeben und die Inflation hochtreiben, das andere Mal zuwenig ausgeben und dadurch die Wirtschaftsbelebung verhindern, und zwar ohne Unterschied von Parteifarbe.
    In der Palette durften die USA wegen ihres Kriegs in Vietnam nicht fehlen. Das ist ein hilfreicher Beitrag des Ordensträgers des Pentagon und Bundesgenossen Helmut Schmidt in dem Zusammenhang.
    Dann wurde das Ausland schlechthin genannt, das zusammen mit den angeblich regierungsfeindlichen Unternehmern an allen wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik die Schuld trägt.
    So haben Sie einen Katalog von zwölf Schuldigen gefunden, in dem die Gemeinden natürlich bei den Ländern mit einbezogen sind.
    Ein weiterer Punkt Ihrer Rede: Wir haben uns selbst eine globale Minderausgabe von 2 Milliarden DM verordnet. Aber man höre wie: weil man die Schätzansätze von Kindergeld, Ausbildungsförderung, Kriegsopferversorgung usw. äußerst knapp kalkuliert habe.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das durfte doch wahrlich nicht wahr sein. Ich habe es noch einmal nachgelesen, weil ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben; denn ob Sie die Schätzansätze hoch ansetzen, um sich Milliarden für eine schwarze Kasse zu sichern, deren Inhalt Sie dann verfassungswidrig ausgeben, oder ob Sie die Sätze zu niedrig ansetzen, um damit den Schein der Sparsamkeit und der knappen Mittelbewirtschaftung zu erwecken, ist doch belanglos gegenüber der Tatsache, daß das hier gesetzlich gebundene Ausgaben sind, die Sie in voller Höhe tätigen müssen, gleichgültig, was Sie in den Haushaltsplan hineinschreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das sind doch kosmetische Korrekturen, Herr Apel. Das ist genauso, wie wenn jemand in einem kalten Zimmer ein Streichholz unter das Thermometer hält, nach fünf Minuten die Temperatur abliest und den frierenden Insassen sagt, wie warm es ihnen eigentlich sein müßte.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu einem weiteren Punkt Ihrer Rede, nämlich „ob wir die Frage der Finanzausstattung des Zentralstaates und seiner innen- und außenpolitischen Handlungsfähigkeit einer Art Kuhhandel zwischen den Ministerpräsidenten von elf Bundesländern und dem Herrn Bundeskanzler überlassen wollen. Dies kann doch nicht in unserem Interesse liegen." Nachfühlen kann ich es Ihnen ja. Das ist aber eine massive Kritik an der Verhandlungsführung des Kanzlers wie an an dem Verhalten der Ministerpräsidenten aller Länder, nicht nur der unionsregierten. Die Kritik an allen Ministerpräsidenten und Landesfinanzministern, die Sie gestern geäußert haben, kann man in die Formel fassen — ich meine das humorvoll —: Die Schurken denken nur an sich, und ich bin der einzige, der an mich denkt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine weitere Bemerkung. Sie sagten: „Die Finanzen der Rentenversicherung sind in Ordnung... Jeder, der etwas anderes sagt, weiß, daß er die Unwahrheit spricht; er will nur aus der Angst der alten Menschen politisches Kapital schlagen, und das ist schäbig." Sie sagten weiter, auch in Zukunft werde es noch Rentensteigerungen geben.

    (Heiterkeit und Hört! Hört! bei der CDU/ CSU)




    Strauß
    Wenn ich daran denke, mit welcher Präzision, auch mit welcher Leidenschaftlichkeit und Verantwortungstiefe wir uns zu Beginn der Großen Koalition über die Frage „Brutto- oder Netto-Rentenformel?" aus dem Druck der Sache und aus der sozialen Verpflichtung heraus unterhalten haben, dann ist die Aussage, es werde auch in Zukunft noch Rentensteigerungen geben, schlechterdings, Herr Apel, eine Unverfrorenheit.

    (Katzer [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Denn das wird dem Ernst der Materie und vor allen Dingen der Glaubwürdigkeit der von Ihnen jahrelang abgegebenen Versprechungen doch in keiner Weise gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie können doch nicht einfach sagen: Die Finanzen der Rentenversicherung sind in Ordnung. Da läuft es einem ja kalt den Rücken runter. Da Sie zugeben müssen, daß Ihre wirtschaftlichen Prognosen nicht stimmen, stimmen doch schon die ganzen darauf aufgebauten Schlußfolgerungen für die Sicherheit des sozialen Netzes nicht mehr. Darum muß der Bundeshaushalt, d. h. der Steuerzahler, oder der Bundeshaushalt mit Kreditaufnahme ersatzweise einspringen.
    Unsere Rentenfinanzen werden unter zwei Voraussetzungen wieder in Ordnung kommen: Die eine ist, daß sich bei uns das Verhältnis zwischen Menschen im Rentenalter und Menschen im produktiven Arbeitsleben wieder normal gestaltet,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    d. h., daß wieder so viele Kinder nachwachsen, daß die heute arbeitende Generation weiß, daß sie für ihre Beiträge die Rente nach der heute noch geltenden Rentenformel bekommt. Da gäbe es manches zu sagen, was an anderer Stelle gesagt werden muß. Die andere Voraussetzung ist, daß die Marktwirtschaft wieder voll funktionsfähig wird und wieder ihre volle Leistungskraft beweisen kann. Nur dann sind die Renten in Ordnung, aber doch nicht auf Grund dieser Phrase: Unsere Rentenfinanzen sind in Ordnung. Es gibt eine normative Kraft des Faktischen, habe ich hier schon gesagt; aber es gibt keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen, auch wenn es aus Regierungsmund kommt. Das kann ich in diesem Zusammenhang wiederholen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu einem weiteren Punkt Ihrer Rede. Sie sagten, daß „die wirtschaftliche und politische Zukunft unseres Landes nicht nur von dem Wohlergehen der Bundesrepublik und bei unseren Partnerländern abhängt, sondern von dem Wohl und Wehe der gesamten Welt. Dies ist ein Planet, auf dem wir leben." — Der Meinung war nach Geographie- und Astronomieunterricht in der Schule auch ich. Seit ich die Entwicklung der Regierungsparteien hier aus nächster Nähe und im Land verfolgt habe, glaube ich, daß wir auf zwei Planeten leben. Auf einem Planet leben nämlich die, die sich von Erfahrung, Vernunft und Wirklichkeit leiten lassen. Auf dem anderen Planeten leben die ideologischen Schwärmer, Gesellschaftsveränderer und Utopisten. SPD und FDP sind
    Wunderparteien, die zugleich auf zwei Planeten angesiedelt sind.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Eine letzte Bemerkung zu einer Passage Ihrer Rede. Sie sagten, der Bundeshaushalt 1978 erhöhe die Nettokreditaufnahme. Die Nettokreditaufnahme halten wir „finanzpolitisch für geboten und auch für finanzierbar. Hier gibt es keine neuen Inflationsspielräume. Es bleibt genügend Investitionskapital für Private wie für Unternehmungen." Diese Nettokreditaufnahme stellt ohne jeden Zweifel ein erneut virulentes, wenn auch nur latentes Inflationspotential dar. In der Zeit, in der unsere Wirtschaft auf Höchsttouren lief, in der wir große Wachstumsraten hatten, sowohl netto als auch noch höher brutto wegen der schleichenden oder trabenden Inflation, in der Zeit, in der die Einnahmen für die staatlichen Kassen nur so gesprudelt sind, haben Sie eine Finanzpolitik betrieben, in der Sie leider den gesunden Grundsatz, daß man in der Zeit der Fülle für die Zeit der Not etwas zurücklegen müsse, gröblich mißachtet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben die Kreditaufnahme deshalb schon sehr früh hochtreiben müssen und haben damit dem Kredit seine konjunkturpolitische Funktion weitgehend genommen. Das ist auch für diesen Haushalt zu sagen. Ich beschuldige Sie gar nicht wegen der Höhe dieser Kreditaufnahme. Ich weiß, daß Sie anders gar nicht können. Aber wäre die Vorgeschichte anders gewesen, dann könnte heute auch dieser Haushalt anders aussehen. Wir können nicht die Regierung immer von Jahr zu Jahr nach punktuell sich einstellenden Erkenntnissen beurteilen, sondern nur nach der Logik, der Sachgerechtigkeit, der Kontinuität und der Langfristigkeit ihres Denkens, ihres Planens und ihres Handelns.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sagen: „Es bleibt genügend Investitionskapital für Private wie für Unternehmungen." Geld ist schon da, aber die Frage ist, wo. Es ist bei der Großwirtschaft in wesentlich größerem Umfang — ich meine das auch relativ gesehen — als bei der kleinen und mittleren Wirtschaft vorhanden. Es ist genug Geld bei den Banken da; siehe die Maßnahmen der Bundesbank. Die Pferde saufen aber nicht. Herr Biedenkopf sagte einmal: weil sie der Brühe nicht trauen; oder weil sie früher einmal gebrannt worden sind. Wer soll sich denn in der Unsicherheit der gesellschaftspolitischen Gesamtentwicklung — darüber wird heute und anderswo noch zu reden sein — und angesichts der geschrumpften Erträge, angesichts einer Stop-and-go-Wirtschafts- und Finanzpolitik noch langfristig mit Krediten belasten, die niedrigere Renditen erwirtschaften, als er selbst an Zinsen zu zahlen hat? Wer soll sich denn mit Krediten belasten, die die Gefahr des Risikos und damit des Verlustes auch seines Eigenkapitals bei weiteren Investitionen mit sich bringen? Hier liegen doch die Probleme. Ob das Geld da ist oder nicht — was Sie machen, ist eine geldkapitalmäßige Globalrechnung. Aber gerade die geldkapitalmäßige Globalrechnung ist alles andere als gerecht oder sozial. Wenn näm-



    Strauß
    lich zwei miteinander 100 Millionen DM haben, dann kann der eine 99 900 000 DM haben und der andere 100 000 DM; dann haben beide statistisch gesehen 50 Millionen DM und sind große Kapitalisten. Darum ist diese Art der Rechnung, gerade wenn sie aus einem sozialdemokratischen Mund kommt, einfach unzulässig.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben ein großes Rezept gegeben. Sie haben neulich bei der Besprechung mit den Präsidenten, den Vizepräsidenten, den Hauptgeschäftsführern usw. der kommunalen Spitzenverbände gesagt: Investiert doch! Wenn ihr kein Geld habt, nehmt doch Kredite auf! Als Sie den Hinweis bekommen haben, daß die Kommunalaufsicht der Landesbehörden die Kreditaufnahme beschränke, waren Sie der Meinung, man sollte denen einmal den Marsch blasen, damit die Bestimmungen für die kommunale Kreditaufnahme von den Landesaufsichtsbehörden entsprechend geändert und gelockert würden. So redet kein sorgsamer Kaufmann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So redet kein ehrlicher, sparsamer Verwalter der öffentlichen Finanzen. Das ist ein Appell an den Leichtsinn, das ist ein Appell an die finanzpolitische Schlamperei, das ist ein Appell an die wirtschaftliche Liederlichkeit der Haushaltsführung in den Gemeinden, aber nicht ein Appell zur Belebung der Konjunktur.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesem Zusammenhang — ich habe das Thema Vertrauen hier angeschnitten — kann man einfach nicht daran vorbeigehen, daß ein gewaltiger Vertrauensschwund bei den Bürgern eingetreten ist. Ich bin nicht so egoistisch oder so einseitig oder so halbblind, etwa zu sagen, der Vertrauensschwund habe die SPD und FDP erfaßt und sei spurlos an der CDU/CSU vorbeigegangen. Ganz im Gegenteil, er führt dazu, daß das System der politischen Parteien und ihre einzelnen Träger von den Bürgern heute viel kritischer betrachtet und behandelt werden, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Das, was ich dafür als Nutzanwendung für die Oppositionsparteien aus meiner Sicht zu sagen hatte, habe ich an entsprechender Stelle gesagt; aber den Löwenanteil an dem, wovon wir miterfaßt werden, tragen die Regierungsparteien.