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    Plenarprotokoll 8/39 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 39. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 Inhalt: Gedenkworte für den am 30. Juni 1977 ermordeten Sprecher des Vorstands der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, und für die bei dem Anschlag auf den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dr. Hanns Martin Schleyer, am 5. September 1977 ermordeten Begleiter, Polizeihauptmeister Reinhold Brändle, Polizeimeister Helmut Ulmer, Polizeimeister Roland Pieler und Heinz Marcisz 2987 D Verzicht des Abg. Dr. Gölter auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . 2987 D Eintritt des Abg. Gerster (Mainz) in den Deutschen Bundestag . . . . . . . 2987 D Erweiterung der Tagesordnung 2988 A Wahl des Abg. Dr. Enders als ordentliches Mitglied und des Abg. Mattick als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 2988 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 2988 B Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Wörner, Dr. Kraske, Dr. Marx, Ernesti, Weiskirch (Olpe), Frau Tübler, de Terra, Würzbach, Löher, Biehle, Stahlberg, Dr. Jaeger, Handlos, Gierenstein, Damm, Werner, Dr. Möller und der Fraktion der CDU/CSU Verteidigungspolitik -- Drucksachen 8/195, 8/464 — in Verbindung mit Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP Sicherheitspolitik — Drucksachen 8/224, 8/464 — Dr. Wörner CDU/CSU 2990 B Neumann SPD 2997 A Möllemann FDP . . . . . . . . . 2999 D Leber, Bundesminister BMVg . . . . 3006 D Dr. Kraske CDU/CSU . . . . . . . 3012 C Ahlers SPD 3018 C Ludewig FDP 3023 A Biehle CDU/CSU . . . . . . . . . 3035 A Pawelczyk SPD . . . . . . . . . 3042 A Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 3046 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 Dr. Geßner SPD. 3050 B Jungmann SPD 3054 B Damm CDU/CSU 3056 A Möhring SPD 3060 C Gerstl (Passau) SPD 3062 A Ollesch FDP 3063 D Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung zusätzlicher Fragen der Ausbildungsplatzförderung — Drucksache 8/602 — 3066 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen — Drucksache 8/693 — . . . . . . . . 3067 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds in der Fassung von 1976 — Drucksache 8/763 — . . 3067 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen — Drucksache 8/764 — 3067 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Inkrafttreten der Vorschriften über die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt — Drucksache 8/792 — 3067 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit — Drucksache 8/842 — . . . . . . . . 3067 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes — Drucksache 8/857 — 3067 C Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" —Wirtschaftsjahr 1976 Drucksache 8/758 — 3067 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 8/77 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 8/781 — . . . . . . . . 3067 C Fragestunde — Drucksache 8/871 vom 02. 09. 1977 — Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über Geheimgespräche deutscher Diplomaten mit palästinensischen Terrororganisationen MdlAnfr A62 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 3025 D, 3026 A, B, C ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . 3026 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 3026 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . 3026 C Durchführung von Veranstaltungen über deutsche Wissenschaft und Kultur in einer polnischen Großstadt entsprechend den in Köln veranstalteten Tagen über polnische Wissenschaft und Kultur MdlAnfr A65 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 3026 D, 3027 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . 3026 D, 3027 A ZusFr Ey CDU/CSU 3027 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 3027 B Kontakte der Bundesregierung zu palästinensischen Befreiungsorganisationen über diplomatische Vertretungen des Nahen Ostens MdlAnfr A67 02.09.77 Drs 08/871 Broll CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3027 C, D ZusFr Broll CDU/CSU . . . . . . . 3027 C, D Verwendung eines palästinensischen Arabers als Dolmetscher bei Verhandlungen des Bundesministers des Auswärtigen im Vorderen Orient MdlAnfr A68 02.09.77 Drs 08/871 Broll CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3028 A, B ZusFr Broll CDU/CSU . . . . . . . . 3028 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 3028 A ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . 3028 A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 III Finanzielle Unterstützung der kommunistisch beherrschten südwestafrikanischen Befreiungsbewegung Swapo durch die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A70 02.09.77 Drs 08/871 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3028 B, D, 3029 A, B, C, D 3030 A, B, C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 3028 D ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . 3029 A ZusFr Hansen SPD 3029 B ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 3029 B ZusFr Kittelmann CDU/CSU 3029 C ZusFr Frau Dr. Focke SPD . . . . . 3029 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . . . 3029 D ZusFr Sieglerschmidt SPD . . . . . . 3030 A ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . 3030 A ZusFr Dr. Corterier SPD . . . . . . 3030 B Verhinderung der Produktion und der Verbreitung von Rauschgift in Kolumbien MdlAnfr A71 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Hennig CDU/CSU MdlAnfr A72 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Hennig CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3030 C, D, 3031 A ZusFr Dr. Hennig CDU/CSU . . 3030 D, 3031 A Glückwünsche des Bundesaußenministers zur 125-Jahrfeier der deutschen Einwanderung in Chile MdlAnfr A73 02.09.77 Drs 08/871 Hansen SPD MdlAnfr A74 02.09.77 Drs 08/871 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . 3031 B, C, D, 3032 A, B, C, D, 3033 A, B ZusFr Hansen SPD . . . . 3031 C, D, 3032 A ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 3032 B ZusFr Ey CDU/CSU 3032 C ZusFr Dr. Möller CDU/CSU 3032 C ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . 3032 D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 3032 D ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . 3033 A ZusFr Dr. Corterier SPD 3033 A Äußerung des Bundeskanzlers vor der Presse in Ottawa zur Menschenrechtsfrage MdlAnfr A75 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3033 B, C, 3034 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 3033 C, D ZusFr Sieglerschmidt SPD 3034 A Aussiedlung deutscher aus der Tschechoslowakei auf Grund des humanitären Briefwechsels mit der CSSR MdlAnfr A76 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3034 B, C, D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 3034 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 3034 D Nächste Sitzung 3067 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3069* A Anlage 2 Beschluß des Bundesrates zum Gesetz über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude 3069* B Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Neunten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes . . . 3069* C Anlage 4 Beschluß des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften 3069* D Anlage 5 Verbot der Einreise der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Potsdam sowie Sinn neuer Gespräche mit der DDR angesichts der ständigen willkürlichen Verletzung längst geltender Vereinbarungen MdlAnfr A3 02.09.77 Drs 08/871 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Höhmann BMB . . . . 3070* C Anlage 6 Behauptung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz über die Errichtung eines Zwischenlagers zur Entsorgung für Kernbrennstoffe bei Wertingen im Landkreis Dillingen MdlAnfr A9 02.09.77 Drs 08/871 Lemmrich CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 3070* D IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 Anlage 7 Genehmigung der Bundesregierung nach § 353 c StGB zur strafrechtlichen Ermittlung gegen den SPIEGEL wegen Veröffentlichung geheimer Akten im Fall Traube MdlAnfr A10 02.09.77 Drs 08/871 Spranger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Baum BMI 3071* B Anlage 8 Praxis des Bundesinnenministeriums und einiger Landesinnenministerien bei der Sicherheitsüberprüfung von um Asyl nachsuchenden chilenischen politischen Gefangenen MdlAnfr A11 02.09.77 Drs 08/871 Thüsing SPD MdlAnfr A12 02.09.77 Drs 08/871 Thüsing SPD SchrAntw PStSekr Baum BMI 3071* C Anlage 9 Äußerungen des Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks über das Angebot von Lehrstellen MdlAnfr A34 02.09.77 Drs 08/871 Löffler SPD SchrAntw PStSekr Engholm BMBW . . . 3072* B Anlage 10 Auffassung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung über die Qualifikation einiger Bundesminister der SPD und FDP MdlAnfr A59 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Waigel CDU/CSU SchrAntw StSekr Bölling BPA . . . . . 3072* D Anlage 11 Hetzkampagne von Kommunisten und ihren Sympathisanten im Ausland gegen die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A60 02.09.77 Drs 08/871 Spranger CDU/CSU SchrAntw StSekr Bölling BPA . . . . . 3073* A Anlage 12 Inhaftierung des deutschen Wirtschaftsjournalisten Werner Gengenbach im Prager „Pankraz"-Zuchthaus wegen angeblicher Spionage MdlAnfr A61 02.09.77 Drs 08/871 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3073* C Anlage 13 Ablehnung des Antrags des Bundestagsabgeordneten Alfred Biehle auf Ausstellung eines Visums für einen eintägigen Besuch in Budapest sowie Gründe für Biehles Unerwünschtheit MdlAnfr A63 02.09.77 Drs 08/871 Röhner CDU/CSU MdlAnfr A64 02.09.77 Drs 08/871 Röhner CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3073* D Anlage 14 Ausbildung von Terroristen aus der Bundesrepublik Deutschland im Südjemen durch Angehörige der NVA der DDR MdlAnfr A69 02.09.77 Drs 08/871 Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 3074* C Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 2987 39. Sitzung Bonn, den 8. September 1977 Beginn: 9.00 Uhr (Die Abgeordneten erheben sich)
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    Berichtigung 36. Sitzung, Seite 2794 B, Zeile 9: Statt „Konsum" ist zu lesen: „Konkurs". 37. Sitzung, Anlage 12: In der ersten Zeile der Antwort ist statt „Anfragen" zu lesen: „Angriffe". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 16. 9. Dr. Ahrens* * 9. 9. Dr. Bangemann * 8. 9. Berger 16. 9. Frau Benedix 9. 9. Büchner (Speyer) ** 9. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 16. 9. Dr. Dregger 9. 9. Dr. Fuchs 9. 9. Frau Dr. Hartenstein 30. 9. Dr. Holtz 9. 9. Dr. h. c. Kiesinger 16. 9. Kroll-Schlüter 9. 9. Frau Krone-Appuhn 9. 9. Lenzer ** 9. 9. Milz ** 9. 9. Dr. Müller ** 8. 9. Reddemann ** 9. 9. Russe 9. 9. Scheffler ** 9. 9. Schmidt (Kempten) ** 9. 9. Schmidt (München) ' 9. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 9. 9. Dr. Starke (Franken) * 9. 9. Dr. Staudt 30. 9. Strauß 9. 9. Tönjes 16. 9. Ueberhorst ** 9. 9. Frau Dr. Walz * 9. 9. Zywietz * 8. 9. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Beschluß des Bundesrates zum Gesetz über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude Der Bundesrat hat in seiner 447. Sitzung am 24. Juni 1977 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 27. Mai 1977 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat ist in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (BR-Drucks. 110/77 - Beschluß -) davon ausgegangen, daß der entstehende Steuerausfall bei Ländern und Gemeinden im Rahmen der Anlagen zum Stenographischen Bericht bevorstehenden Verhandlungen über die Neuverteilung des Umsatzsteueraufkommens ausgeglichen wird, damit er dem Gesetz zustimmen kann. Der geforderte Ausgleich für die ab 1977 eintretenden Steuerausfälle ist nach dem gegenwärtigen Stand der Umsatzsteuerverhandlungen noch nicht gesichert. Der Bundesrat stellt seine sich hieraus ergebenden Bedenken gegen eine Zustimmung im jetzigen Zeitpunkt im Interesse der Begünstigten, die sich bereits auf dieses Gesetz eingestellt haben, zurück. Er hält jedoch mit Nachdruck an seiner grundsätzlichen Forderung fest und fordert einen vollen Ausgleich des den Ländern und Gemeinden entstehenden Steuerausfalls im Rahmen der Verhandlungen über das Steueränderungsgesetz 1977 und über die Neuverteilung der Umsatzsteuer. Anlage 3 Entschließung des Bundesrates zum Neunten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz - KOV 9. AnpG-KOV) Der Bundesrat ist im Interesse einer rechtzeitigen Zahlung der erhöhten Renten zum 1. Juli 1977 bereit, die in seiner Stellungnahme vom 11. März 1977 (Drucksache 77/77 - Beschluß -) erhobenen Bedenken gegen die Verschiebung des Anpassungstermins zurückzustellen. Im Hinblick auf die mit der Hinausschiebung des Anpassungszeitpunktes verbundenen Einsparungen im Haushalt der Kriegsopferversorgung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, möglichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, der entsprechend ihrer Zusagen notwendige strukturelle Verbesserungen des Kriegsopferrechts vorsieht. Anlage 4 Beschluß des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften Der Bundesrat hat in seiner 448. Sitzung am 15. Juli 1977 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 15. Juni 1977 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat außerdem die folgende Stellungnahme beschlossen: Der Bundesrat begrüßt, daß der Gesetzesbeschluß die nach dem Reichshaftpflichtgesetz bestehende 3070* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1973 Gefährdungshaftung für Elektrizitäts- und Gasanlagen auf Anlagen zur Fortleitung oder Abgabe von vergleichbaren Energien und Stoffen — wie Wasser, Fernwärme, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Äthylen, Mineralöl, Mineralölprodukte und dergleichen — ausdehnt, da insoweit eine erhebliche Lücke im Bereich der Gefährdungshaftung besteht. Der Gesetzesbeschluß bleibt allerdings in einer Reihe von Punkten hinter den Erwartungen zurück, die die Wirtschaftsministerkonferenz an die gesetzliche Regelung der Gefährdungshaftung bei Rohrleitungen geknüpft hat (vgl. Beschluß vom 7. Februar 1973: Leitsätze für die haftungsrechtliche Regelung des Baues und Betriebs von Rohrleitungen). Der Bundesrat bedauert, daß es nicht möglich gewesen ist, die bereits im Beschluß des Bundesrates vom 30. Januar 1976 — vgl. BR-Drucks. 777/75 (Beschluß) — vorgebrachten Wünsche zu berücksichtigen. Die Bundesregierung wird daher gebeten, bei der bereits früher in Aussicht gestellten weiteren Entwicklung des Haftpflichtrechts (vgl. BT-Drucks. 7/4825 S. 21) folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: 1. Dem mit dem Betrieb der Leitungen verbundenen Risiko sollte jeweils nach Maßgabe der Intensität und des Ausmaßes des möglichen Schadens bei einer bestimmten Art von Rohrleitungen eine entsprechende Gefährdungshaftung gegenüberstehen (Nr. 1 der Leitsätze). Diesem Anliegen entspricht die einheitliche Begrenzung der Haftung für die vorgenannten Leitungen nicht. Insbesondere bedarf der Höchstbetrag der Haftung für Sachschäden von 100 000 DM je Schadensereignis der Überprüfung. 2. Zur Sicherung der Ersatzansprüche sollte eine entsprechende Deckungsvorsorge durch Abschluß und Unterhaltung einer Haftpflichtversicherung, verbunden mit einem unmittelbaren Klagerecht der Geschädigten gegen den Versicherer, oder eine sonst geeignete Sicherung vorgesehen werden (Nr. 6 der Leitsätze). Ein solches Bedürfnis besteht vornehmlich gegenüber Betriebsgesellschaften industrieller Rohrleitungen, deren Kapitalausstattung in keinem angemessenen Verhältnis zur möglichen Haftung steht. 3. Bei einem Auseinanderfallen von Betreiber bzw. Inhaber der Rohrleitungen und deren Eigentümer sollte eine gesamtschuldnerische Haftung vorgesehen werden (Nr. 3 der Leitsätze). 4. Ferner sollte erwogen werden, ob nicht über die Sachschadenregelung hinaus auch die Schädigung eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes (einschließlich landwirtschaftlicher Betriebe) in die Gefährdungshaftung einzubeziehen ist (Nr. 4 der Leitsätze). 5. Im Zusammenwirken mit den Ländern sollten möglichst bald Regelungen erarbeitet und dem Gesetzgeber vorgeschlagen werden, die eine sichere Regulierung der Schäden gewährleisten, die beim Überfliegen von Gebäuden durch Flugzeuge infolge von Luftturbulenzen entstehen. Der Bundesrat verweist hierzu auf sein Ersuchen an die Bundesregierung vom 30. Januar 1976. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höhmann auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/ CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 3) : Welchen Sinn sieht die Bundesregierung in neuen Gesprächen mit der DDR, die zu neuen Vereinbarungen führen sollen, solange nicht sichergestellt ist, daß die DDR-Behörden längst geltende Vereinbarungen auch korrekt beachten und deren ständige willkürliche Verletzung einstellen, und zeigt das Einreiseverbot für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Potsdam nicht deutlich an, daß die Taktik der innerdeutschen Verhandlungen einer deutlichen Kurskorrektur bedarf? Die Bundesregierung hat seit dem Beginn der Vertragspolitik stets darauf hingewiesen, daß die Probleme zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR Augenmaß, Standhaftigkeit und langen Atem verlangen. Die Auffassung der Bundesregierung über die Notwendigkeit der Fortsetzung der Vertragspolitik darf sich deshalb nicht mit wechselnden Tendenzrichtungen an einzelnen Ereignissen orientieren. Ihre negative Beurteilung der Verweigerung der Reise der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Potsdam hat sie klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Bundesregierung sieht sich durch diese Absage in der Auffassung bestätigt, daß das angestrebte Ziel eines Beitrags zur Entspannung und zur friedlichen Regelung des Nebeneinander nur dann erreichbar ist, wenn die geschlossenen Vereinbarungen nach Geschäftsgrundlage, Buchstaben und Geist eingehalten und zur Überwindung von Problemen genutzt werden. Dies ist unter anderem auch Sinn der gegenwärtig geführten Gespräche. Das Miteinanderreden kann zu einer Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes führen. Es ist nicht zu sehen, daß eine Verbesserung zu erreichen sein könnte, wenn man nichts tut. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lemmrich (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 9) : Trifft die Behauptung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz zu, nach der bei Wertingen im Landkreis Dillingen ein Zwischenlager zur Entsorgung für Kernbrennstoffe errichtet werden soll, und ist in die etwaige Errichtung des Zwischenlagers zur Entsorgung von Kernbrennstoffen bei Wertingen bereits die dafür zuständige Genehmigungbehörde, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig, eingeschaltet worden? Das in Rede stehende Zwischenlager dient dazu, abgebrannte Brennstoffelemente aus den in der Bundesrepublik in Betrieb befindlichen Kernkraft- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 3071* werken so lange zu lagern, bis die Brennstoffelemente in eine Wiederaufbereitungsanlage überführt werden. Der Betrieb beschränkt sich während dieser Zeit im wesentlichen auf die Abführung der Nachzerfallswärme, auf die kontinuierliche Reinigung des Beckenwassers und die Instandhaltungsarbeiten. Da. die Wasserbecken drucklos sind und die abzuführende Wärmeleistung nur einen sehr kleinen Bruchteil der beim vorausgegangenen Kernkraftwerksbetrieb abzuführenden Wärmeleistung ausmacht (maximal 10,5 Megawatt bei voller Beladung mit 1 500 t Uran), ist das Gefährdungspotential sehr klein. An die Funktionssicherheit der Aggregate und den Schutz gegen äußere Einwirkungen werden trotz der erheblich geringeren materialtechnischen Belastung der Brennelemente dieselben Anforderungen gestellt wie bei Kernkraftwerken. Die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) ist seit Anfang 1977 mit Standortvorschlägen an einige Landesregierungen herangetreten. Die Bundesregierung unterstützt diese Bemühungen, die zu einem sicheren Verbleib der abgebrannten Brennelementen während einer Übergangszeit beitragen, in einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe von Staatssekretären der betroffenen Ressorts. In der ersten Sitzung dieser Arbeitsgruppe hat die DWK sechs Standortvorschläge zur näheren Prüfung vorgelegt, über die noch nicht entschieden ist. Unter diesen Vorschlägen ist auch Wertingen im Landkreis Dillingen. Die DWK ist gebeten worden, die Unterlagen über ihre Standortvorschläge weiter auszuarbeiten, bevor die Beratungen fortgeführt werden. Voraussichtlich werden sich dabei auch noch andere Standortvorschläge ergeben. Da bisher noch nicht entschieden ist, welcher Standortvorschlag ernsthaft weiterverfolgt werden soll, ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt noch nicht im Zusammenhang mit der etwaigen Errichtung eines Zwischenlagers weder bei Wertingen noch an einem anderen Standort eingeschaltet worden. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 10) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den SPIEGEL wegen der Veröffentlichung von amtlichen Unterlagen, die dem Verschlußsachenschutz unterlagen, im Fall Traube bisher dadurch unmöglich gemacht hat, daß sie die erforderliche Genehmigung nach § 353 c Strafgesetzbuch verweigert hat, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um endlich die Aufklärung der Umstände des Verrats geheimer Akten auch gegen den SPIEGEL zu ermöglichen? Wie ich Ihnen bereits auf Ihre Frage vom 13. Mai 1977 mitgeteilt habe, wurde am 14. April 1977 die nach § 353 b StGB erforderliche Strafverfolgungsermächtigung erteilt. Ich weise erneut darauf hin, daß die Bundesregierung durch unverzüglich angeordnete Verwaltungsermittlungen und die Staatsanwaltschaft durch strafprozessuale Ermittlungen die Aufklärung der Umstände des Verrats geheimer Akten mit Nachdruck betreiben. Das Erreichen dieses Ermittlungszieles scheint mir allein wichtig zu sein. Es bedarf dazu keiner Strafverfolgungsermächtigung nach § 353c StGB. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Baum auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 8/871 Fragen A 11. und 12) : Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die doppelte Sicherheitsüberprüfung von chilenischen politischen Gefangenen, die hier um Asyl nachgesucht haben, durch das Bundesinnenministerium wie auch durch einige Landesinnenministerien zu unnötigen Wartezeiten für die Betroffenen führt (nach Angaben von amnesty international beträgt dieser Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland mindestens neun Monate, in Frankreich vier bis sechs Wochen, in Holland zwei Wochen, in Schweden 24 Stunden), und daß durch diese Praxis die Inhaftierung der Chilenen um Monate verlängert wird, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus? Ist die Bundesregierung der Meinung, daß bei der politischen Beurteilung von Asylsuchenden die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung von Bewerbern um den öffentlichen Dienst angelegt werden sollten? Zu Frage A 11: Die Aufnahme chilenischer Flüchtlinge durch die Bundesrepublik Deutschland ist nach einer Vereinbarung der Innenministerkonferenz von einer Sicherheitsüberprüfung abhängig, in der letztlich eine Abwägung zwischen sicherheitsrelevanten Erkenntnissen und humanitären Erwägungen stattfindet. Sie konnte nach den Erfahrungen der letzten 12 Monate in etwa der Hälfte der Fälle in einem Zeitraum von höchstens 2 Monaten abgeschlossen werden. Soweit hierfür längere Zeit beansprucht wurde, handelt es sich in der Regel um Fälle, bei denen aufgrund vorliegender Erkenntnisse eine besonders sorgfältige Überprüfung angezeigt erschien oder das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung aufgrund von Umständen, auf die die Bundesregierung keinen Einfluß hatte, nicht zeitig vorlag. Einige Länder haben sich allerdings die abschließende Entscheidung über die Aufnahme der Flüchtlinge vorbehalten. Aber auch in Verfahren mit Landesvorbehalt werden die Entscheidungen durch die zuständigen Behörden der Länder grundsätzlich rasch getroffen und übermittelt. In den letzten 12 Monaten war in der Regel ein zeitlicher Aufwand von 5 Tagen bis zu 2 Wochen erforderlich. Nur in ganz wenigen Einzelfällen dauerte das Verfahren beim Land bis zu 3 Wochen. Darüber hinaus hat es in einigen Ausnahmefällen zeitliche Verzögerungen und Probleme gegeben, weil die Beurteilung des Landes von der des Bundes abwich. Bis auf einen Fall konnte jedoch durch Vermittlung des Bundes- 3072* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 ministers des Innern die Einreise der betroffenen Chilenen in die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht werden. Auch dieser Fall, in dem erst später sicherheitsrelevante Informationen eingetroffen sind, wird, wie ich hoffe, in Kürze abgeschlossen werden können. Die von Ihnen erwähnte 9monatige Verfahrensdauer bezieht sich offenbar auf diese Einzelfälle. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war es mir nicht möglich, die Verfahrensdauer in den anderen von Ihnen genannten Ländern festzustellen. Zu Frage A 12: Die Sicherheitsüberprüfung bezweckt nicht die politische Beurteilung eines Asylsuchenden. Sie dient auch nicht der Feststellung, ob der Asylsuchende aktiv für unser Grundgesetz einzutreten bereit ist, wie dies nach geltendem Recht für die Aufnahme eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst Voraussetzung ist. Sie ist nichts anderes als die Ermittlung der Tatsachen, die die verantwortlichen Stellen kennen müssen, um humanitäre Belange einerseits und Sicherheitserfordernisse andererseits abwägen zu können. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Engholm auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache 8/871 Frage A 34) : Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über das Angebot von Lehrstellen vor, das nach Äußerungen des Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes die Nachfrage im Jahr 1977 erheblich übersteigen werde? 1. Nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz ist der Stichtag zur Feststellung der tatsächlichen Zahl der ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen als auch der tatsächlichen Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze der 30. September eines jeden Jahres. 2. Zum 30. Juli 1977 waren bei der Bundesanstalt für Arbeit 321 800 Ausbildungsplätze gemeldet, das waren 33 100 mehr als im Vorjahr. Dem standen 416 600 der Bundesanstalt für Arbeit bekannte Bewerber gegenüber, 30 300 mehr als 1976. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze stieg im Vergleich zum Vorjahr um 10 000 auf 46 100, die Zahl der unversorgten Bewerber um 11 000 auf 81 500. Es kann davon ausgegangen werden, daß seit dem 30. Juli weitere Ausbildungsverträge abgeschlossen und darüber hinaus viele Ausbildungsverträge der Arbeitsverwaltung noch nicht bekanntgeworden sind. Gleichzeitig muß angenommen werden, daß es noch eine beachtliche Zahl von Jugendlichen gibt, die immer noch einen Ausbildungsplatz suchen. Aus diesem Grunde ist es um so wichtiger, in der Zeit bis Ende September alle noch freien Ausbildungsplätze den Arbeitsämtern anzuzeigen. 3. Aus den genannten Zahlen zum 30. Juli 1977 eine Prognose über die Ausbildungsplatzsituation zum 30. September dieses Jahres abzugeben, erscheint mit Blick auf die vorläufigen Teilergebnisse unrealistisch. Diese Zahlen können auch nicht Grundlage für politische Entscheidungen sein. Die jetzt vorliegenden Daten auf die gesamte Vermittlungstätigkeit „hochzurechnen" wäre eine bloße Spekulation. Sie führte dazu, daß Jugendliche und deren Eltern verunsichert und die Betriebe in ihrer Ausbildungsbereitschaft beeinträchtigt werden könnten. 4. Eine verläßliche Bilanz zur Ausbildungsplatzsituation 1977 ist erst möglich, wenn die amtlichen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit und der Kammern mit Stichtag vom 30. September 1977 vorliegen. Das wird erfahrungsgemäß erst Mitte Dezember der Fall sein. Einseitige und pauschale Erklärungen über Ausbildungsangebote, die den Arbeitsämtern nicht als vermittelbares Angebot zur Verfügung stehen, können nicht zum Gegenstand einer seriösen Bilanz für das Jahr 1977 gemacht werden. 5. Die Bundesregierung hat in den Beratungen zum Berufsbildungsbericht 1977 erklärt, daß sie, falls das Angebot an Ausbildungsplätzen in diesem Jahr nicht der Vorausschau des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom März 1977 entspricht, alle Möglichkeiten des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes ausschöpfen wird, um die Ausbildungschancen der Jugendlichen zu sichern. Anlage 10 Antwort des Staatssekretärs Bölling auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Waigel (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 59) : Trifft es zu, daß das Presse- und Informationsamt die bereits gerichtlich bestätigte Auffassung vertreten hat, daß es sich bei den Bundesministern Prof. Dr. Maihofer, Dr. Vogel, Dr. Apel, Dr. Friderichs, Ertl, Dr. Ehrenberg, Frau Huber, Gscheidle, Ravens, Franke, Matthöfer, Rohde und Frau Schlei nicht um „bedeutende Staatsmänner" handelt (vgl. Meldung in der Kölnischen Rundschau vom 27. August 1977), und wenn ja, welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung bejahendenfalls daraus zu ziehen? Da sich die Anfrage auf ein schwebendes Gerichtsverfahren in einer personalrechtlichen Angelegenheit bezieht, bitte ich um Verständnis für eine gewisse Zurückhaltung bei der Beantwortung. Ihre Anfrage kann ich mit Nein beantworten. Zutreffend ist allerdings das in dem Zeitungsartikel, den Sie in Ihrer Anfrage erwähnen, enthaltene kurze Zitat aus einer Zeugenaussage des zuständigen Referenten des Bundespresseamtes vor dem Landesarbeitsgericht. In dem Artikel bleibt jedoch der entscheidende Gesichtspunkt unerwähnt, daß die Stellungnahme des Referenten auch nicht den Versuct Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 3073* einer Beurteilung der politischen Bedeutung von Bundesministern enthält. Vielmehr hat sich der Referent zu dem Prozeßgegenstand geäußert, nämlich zu einer tarifvertraglichen Protokollnotiz, die sich auf fremdsprachliche Auswerter bezieht, also mit der Auswertung von Erklärungen inländischer Politiker nichts zu tun haben. Diese Protokollnotiz betrifft „Informationsmaterial von herausragender politischer Bedeutung" und erwähnt insoweit als Beispielsfälle „wichtige Reden, Pressekonferenzen oder Interviews bedeutender Staatsmänner oder Politiker". Es geht in dem Arbeitsrechtsstreit um die tarifrechtliche Beurteilung der Auswertung von Sendungen aus osteuropäischen Staaten. Der Referent hat daher vor Gericht sachgerecht dargelegt, daß hier informationspolitisch für Bundespräsident, Bundeskanzler und Parlament Unterschiede bestehen, je nachdem, ob der ausländische Minister etwa das Verteidigungs- oder Außenressort innehat oder ob es sich um die Inhaber anderer Ressorts handelt, deren Erklärungen aus der Natur der Sache mehr auf die Innenpolitik ihres Landes bezogen sein werden. Anlage 11 Antwort des Staatssekretärs Bölling auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 60) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß zur Zeit von Kommunisten und ihren Sympathisanten im Ausland eine planmäßige Hetzkampagne gegen die Bunderepublik Deutschland betrieben wird, und ist die Bundesregierung bereit, eine entsprechende publizistische Gegenoffensive zu starten? Die Bundesregierung verfolgt die Berichterstattung in den ausländischen Massenmedien über die Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich und mit großer Aufmerksamkeit. Die in letzter Zeit in einigen Ländern veröffentlichten kritischen Kommentare lassen nach Auffassung der Bundesregierung nicht den Schluß zu, daß es sich dabei um eine organisierte antideutsche Hetzkampagne handelt. Die Bundesregierung ist auch nicht der Meinung, daß es erfolgversprechend wäre, der Kritik im Ausland mit einer massiven „publizistischen Gegenoffensive" zu begegnen. Vielmehr wird sie sich weiterhin — wie sie und ihre Vorgängerinnen es schon seit vielen Jahren tun — mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bemühen, ausländischer Kritik durch gezielte Informationsarbeit entgegenzuwirken, falsche oder verzerrte Vorstellungen zu korrigieren, Vorurteile oder Ressentiments abzubauen und Verständnis für unsere Haltung zu wecken, die nicht zuletzt auf die Besonderheiten eines geteilten Landes Rücksicht zu nehmen hat. Bei aller Besorgnis über zeitgebundene Phänomene sollte nicht übersehen werden, daß sich das Deutschlandbild im Ausland dank der Politik aller Bundesregierungen und dank der Bemühungen vieler amtlicher und nichtamtlicher Stellen und Organisationen in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert hat. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 61) : Trifft der Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 24. August 1977 (Seite 10) zu, wonach der deutsche Wirtschaftsjournalist und frühere Generalsekretär des Verbandes der Auslandspresse in Wien Werner Gengenbach mit seinen 64 Jahren seit Februar 1974 im Prager „Pankraz"-Zuchthaus wegen angeblicher Spionage schmachtet, und ist die Bundesregierung bereit, stärkere Mittel als nur eine Fürsprache des Bundesaußenministers einzusetzen, um den offensichtlich unschuldig Inhaftierten rechtzeitig, d. h. noch lebend und einigermaßen gesund freizubekommen? Herr Werner Gengenbach wurde im Oktober 1974 in Prag zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Urteilsbegründung lautete auf Spionage. Die Bundesregierung bemüht sich, auch unter Berücksichtigung des Alters und des schlechten Gesundheitszustandes von Herrn Gengenbach, nachdrücklich um seine Freilassung. Herr Minister Genscher hat sich persönlich gegenüber dem tschechoslowakischen Außenminister für ihn eingesetzt; ich selbst habe im März 1977 in Prag dieses Anliegen erneut geltend gemacht. Das gleiche ist bei den am 1./2. September 1977 in Prag geführten Konsultationen zwischen den Außenministerien geschehen. Aufgrund beunruhigender Meldungen in der Presse hat unsere Botschaft Anfang des Monats einen sofortigen Besuchstermin erbeten und erhalten, um sich davon zu überzeugen, daß keine akute Gesundheitsgefahr besteht. Die Bundesregierung wird sich weiter für Herrn Gengenbach einsetzen und hofft, daß ihre Bemühungen in absehbarer Zeit zum Erfolg führen werden. Anlage 13 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Röhner (CDU/ CSU) (Drucksache 8/871 Fragen A 63 und 64) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Antrag des Bundestagsabgeordneten Alfred Biehle, für einen eintägigen Besuch in Budapest ein Visum ausgestellt zu erhalten, von der ungarischen Botschaft in Wien, wo sich der Abgeordnete Biehle in Urlaub befand, mit der Begründung abgelehnt wurde, daß sein Besuch in Ungarn nicht erwünscht sei, und ist sie bereit, eine Klärung der Angelegenheit mit dem Ziel herbeizuführen, die Gründe für Biehles Unerwünschtheit zu erfahren? Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang vor dem Hintergrund der in der KSZE-Schlußakte von Helsinki in Aussicht gestellten Reiseerleichterungen und der Tatsache, daß der Bundeskanzler in seiner diese Legislaturperiode einleitenden Regierungserklärung behauptete, daß sich die Bundesrepublik Deutschland zu den Staaten des Ostens „auf einem breiten Weg zu normaler Nachbarschaft" befinde? Herr Kollege Biehle hat sich wegen der Verweigerung eines Visums durch die Ungarische Botschaft in Wien zu einem eintägigen Besuch in Budapest nicht an das Auswärtige Amt gewandt. Das Auswärtige Amt kennt nur die diesbezüglichen Pressemeldungen. Sollte sich Herr Kollege Biehle deswegen an das Auswärtige Amt wenden, so wird dieses die Angelegenheit selbstverständlich aufnehmen und sich um eine Klärung bemühen. Um dies jedoch tun 3074* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1977 zu können, müßte das Auswärtige Amt über die näheren Umstände der Beantragung und der Ablehnung des Sichtvermerks unterrichtet werden. Dabei könnte z. B. die Frage eine Rolle spielen, auf welchem Wege und in welchen Paß der Sichtvermerk beantragt worden ist. Auch für die Beurteilung dieses Vorganges vor dem Hintergrund der Schlußakte von Helsinki wäre eine Kenntnis der näheren Umstände erforderlich. Selbst nach der Konferenz von Helsinki bleibt es jedoch, darauf weise ich schon jetzt vorsorglich hin, letztlich der souveränen Entscheidung eines Teilnehmerstaates überlassen, wem er die Einreise in sein Hoheitsgebiet gestatten will. Anlage 14 Antwort des Staatsministers Frau Hamm-Brücher auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Drucksache 8/871 Frage A 69) : Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausbildung von Terroristen aus der Bundesrepublik Deutschland im Südjemen durch Angehörige der NVA der DDR, und wie beurteilt sie gegebenenfalls solche Vorgänge im Zusammenhang mit dem innerdeutschen Grundlagenvertrag und mit der Schlußakte der KSZE-Konferenz von Helsinki? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die Ausbildung von Terroristen aus der Bundesrepublik idurch NVA-Angehörige im Südjemen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Conrad Ahlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Lieber Herr Mertes, ich habe hier noch einige Manuskriptseiten. Sie werden die Antwort auf diese Frage sofort bekommen.
    Eine behutsame deutsche Verteidigungspolitik muß auf diese Sentiments, auf diese Sorgen und Befürchtungen Rücksicht nehmen. Sie muß auch die Aufforderung des Präsidiums der katholischen Friedensbewegung „Pax Christi" ganz ernst nehmen — das gilt natürlich gerade für Sie auf dieser Seite des Hauses —,

    (Wehner [SPD] : Das sollte man annehmen! — Petersen [CDU/CSU]: Warum nicht auch für Sie?)

    daß man sich vornehmlich von politischen und moralischen Kategorien leiten und sich in dieser Sa-



    Ahlers
    che nicht von militärisch-technologischen Sachzwängen überrollen lassen solle.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wörner [CDU/ CSU]: Das tun wir doch beide nicht!)

    — Aber einige andere.

    (Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU] : Wer denn?)

    Herr Mertes, nun kommt es: Solche moralischen Appelle können nur dann eine volle Wirksamkeit entfalten, wenn sie sich auf den Einsatz nuklearer Waffen insgesamt beziehen und auch die Fortentwicklung und die Vermehrung nuklearer Einsatzmittel im kommunistischen Machtbereich nicht aussparen. Einäugigkeit hilft uns nicht weiter.

    (Beifall)

    So verfolgen wir alle zusammen mit großer Beunruhigung den Aufbau eines massiven Potentials von mobilen Mittelstreckenraketen im Osten, die vornehmlich auf Ziele in Westeuropa gerichtet sind. Unsere Sicherheit verlangt, daß ein abschreckendes Gegengewicht zu diesem Potential bereitgehalten wird.
    Was nun die Neutronenwaffe im einzelnen angeht, so muß man daran erinnern, daß es einen Komparativ des Schrecklichen nicht gibt. Gäbe es ihn nämlich, dann müßten wir ausgerechnet diese Waffe als weniger schrecklich einstufen als die zur Zeit verfügbaren nuklearen Gefechtsfeldsprengköpfe.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Um die gleiche militärische Wirkung wie mit einem Neutronensprengkopf zu erzielen, müßte heute ein Sprengkopf mit einem um das Siebenfache erhöhten Kilotonnenwert verschossen werden, würden wesentlich mehr Menschen sowohl durch Strahlung als auch durch die Kraft der Explosion getötet und wesentlich größere Zerstörungen angerichtet. Die neue Waffe, die eine verstärkte Strahlungskomponente, aber eine verminderte Druck- und Hitzewirkung hat, ist deshalb weder humaner noch unhumaner als die bisherigen Atomwaffen. Alle sind für uns gleich furchtbar.
    Die neue Waffe kompliziert gewiß die nach unserer, nach sozialdemokratischer Auffassung lebenswichtigen Verhandlungen über eine Verminderung und Begrenzung der nuklearen Rüstung und vielleicht sogar die Verhandlungen über MBFR.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies haben kürzlich die Teilnehmer der 27. Pugwash-Konferenz erwähnt, die Ende August in München getagt hat. Sie äußerten in einem Abschlußkommunique ernste Zweifel an der Behauptung an der Behauptung auch derjenigen, die gestern im Verteidigungsausschuß vorgetragen haben —, daß die Anwendung des Neutronensprengkopfes den Schaden für Menschen und Sachen herabsetzen würde. Vor allem aber haben sie darauf hingewiesen, daß es sich hier um eine Waffe handele, die mehr auf die Durchführung eines Krieges und weniger auf die Erhaltung des Friedens gerichtet sei. Sie haben erklärt, daß der Unterschied zwischen konventionellen und nuklearen Waffen verringert
    und die Schwelle für die Anwendung nuklearer Waffen gesenkt werden könnten. Die Konferenz sprach sich deshalb ganz konsequent für ein Verbot der Einführung neuer Waffensysteme aus.
    Dies sind gewiß ernst zu nehmende Einwände. Man kann sie noch durch den Hinweis vermehren — und das ist in unserem Arbeitskreis geschehen —, daß allein das Vorhandensein von Neutronensprengköpfen die Gefahr einer vorbeugenden nuklearen Eskalation heraufbeschwören könnte, weil ein Angreifer im vorhinein solche Waffensysteme wegen der zunehmenden Bedrohung seiner Panzerverbände ausschalten müßte. Demgegenüber möchte ich allerdings feststellen, daß ein Angreifer, der überhaupt zu dem Mittel des Ersteinsatzes von Atomwaffen zu greifen bereit ist, dazu nicht erst durch Neutronensprengköpfe angeregt zu werden braucht, angesichts der Notwendigkeit der Lagerung solcher Sprengköpfe in einer überproportionalen Zahl auf deutschem Boden.
    Überhaupt gibt es gegen jedes dieser Argumente gegen die Neutronenbombe auch ein Gegenargument, welches für die Nutzung des neuen Kampfmittels ins Feld geführt werden kann. Es findet gegenwärtig gleichsam eine ständige Eskalation der Diskussion statt. Und dies ist gut. Denn es hat sich in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, daß die intensive Beschäftigung mit den Fragen atomarer Waffenwirkungen, an der auch so berühmte Persönlichkeiten wie Kissinger, Schlesinger, Kahn und viele andere beteiligt waren, der Weltbevölkerung die atomare Bedrohung immer deutlicher vor Augen geführt und dadurch den Weg zu erfolgversprechenden Verhandlungen über eine Begrenzung der Zahl der strategischen Atomwaffen freigemacht hat. Es scheint, daß der menschliche Geist in der Lage ist, nicht nur zur Entwicklung dieser Waffen, sondern auch zur Beherrschung dieser Waffensysteme beizutragen. Ein entscheidender Gesichtspunkt dabei war immer — und ist es auch heute noch — die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Kräfte als der Grundlage eines stabilen Friedens oder Waffenstillstandes.
    Angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit des Warschauer Paktes könnte sich die vergrößerte Abschreckungswirkung, die durch die Einführung der Neutronensprengköpfe erzielt wird, stabilisierend auswirken, zumal ein Rückgriff der Verteidigung auf die neue Waffe wegen einer Verminderung der sogenannten Begleitschäden glaubwürdiger sein könnte als die Drohung mit dem Einsatz der bisherigen „schmutzigen" Atomwaffen. In dem Maße, in dem sich das nicht kalkulierbare Risiko eines Angreifers erhöht, kann sich durchaus die Gefahr eines Angriffs vermindern. Eine Grenzverwischung zwischen konventioneller und nuklearer Kampfführung erscheint mir unwahrscheinlich angesichts der Tatsache, daß Beschaffenheit und Wirkung des neuen Sprengkopfes ihn eindeutig als Atomwaffe ausweisen. Es könnte aber sein, daß die neue Waffe eben wegen ihrer begrenzteren Wirkung leichter zur Anwendung verführt, wenn sich ein Verteidiger einem Angriff mit weit überlegenen Kräften gegenübersieht.



    Ahlers
    Die neue Waffe zeigt uns also ein Doppelgesicht: Einerseits kann sie die Abschreckung verstärken und damit der Verhinderung eines Krieges dienen, andererseits beschleunigt sie möglicherweise den Einsatz nuklearer Waffen für den Fall, daß die Abschreckung versagt.
    Nun zum Schluß. Wir werden es nach meiner Ansicht — auch angesichts eines vermutlich starken aus Amerika kommenden Druckes — lernen müssen, auch mit der Neutronenwaffe zu leben, und sie in unser Verteidigungskonzept einbeziehen; denn in der gegenwärtigen unsicheren Lage reicht ein atomarer Pazifismus nicht aus. Wir müssen statt dessen darauf hinarbeiten, daß Konflikte schon im Vorfeld politisch bereinigt werden, bevor sie uns an den Rand des Abgrunds bringen, und wir müssen dafür sorgen, daß die Atomschwelle nicht niedriger, sondern höher gesetzt werden kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ludewig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walther Ludewig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich hatte mir vorgenommen, auf einige Polemik der Opposition hier mit Polemik zu antworten. Ich verzichte darauf, weil ich meine, wir sollten demonstrativ die Gemeinsamkeiten mehr als den Streit pflegen, insbesondere heute.
    Auch ich darf im Namen meiner Fraktion für die Beantwortung der Großen Anfrage der Regierung danken. Nachdem nun zu weiten Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, zum OstWest-Kräfteverhältnis, zur Strategie grundsätzliche und bemerkenswerte Aussagen gemacht worden sind, ebenso zur Bündnispolitik, zur Wehrstruktur, zur Bundeswehr selbst und insgesamt, kann man feststellen, daß seitens der Bundesregierung auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sehr vieles sehr viel transparenter gemacht worden ist.
    Als Neuling in diesem Hohen Haus und in seinem Verteidigungsausschuß habe ich, wißbegierig, neugierig, interessiert wie ich bin, einige Zeit darauf verwendet, mit Soldaten aller Dienstgrade und Waffengattungen an zahlreichen Standorten zu sprechen, mir ein Bild über den Soldaten der Bundeswehr aus erster Hand zu machen. Dieses waren meine eigenen punktuellen Bemühungen um mehr Transparenz. Erfreulich war dabei für mich, daß ich mit einer bemerkenswerten Offenheit eine ganze Reihe von Problemen aus dem menschlichen, persönlichen, sozialen Bereich aufgezeigt bekommen habe. Zu diesen gibt es noch einiges zu sagen. Sie sind in der Antwort auf die Große Anfrage nur gestreift worden. Ich denke besonders an das Thema Dienstzeitbelastung, an alle mit Versetzung und Umzug für Soldaten und Familien zusammenhängenden Fragen und nicht zuletzt an die Personalführung und an die Beförderungspraxis in der Bundeswehr. Es gibt hier Druckstellen. Darüber möchte ich sprechen.
    Wir Liberalen haben uns dazu verpflichtet, besonders auf die Möglichkeiten des einzelnen Bürgers zu achten, die er in unserem Rechtsstaat hat, und sie dort, wo es notwendig erscheint, abzusichern oder zu erweitern. Dies schließt den Soldaten, den sogenannten Bürger in Uniform, selbstverständlich ein. Die Bundesregierung sagt in ihrer Antwort in Drucksache 8/464 auf Seite 15:
    Moderne Waffensysteme, die allen Möglichkeiten eines Angreifers gewachsen sind, geben unseren Soldaten, die ihre Waffen beherrschen, das notwendige Selbstvertrauen. Dies allein genügt nicht. Hinzu kommen muß das Bewußtsein des Soldaten, daß er vernünftig geführt, als Mensch respektiert wird und als Bürger für Freiheit und Recht, für ein menschenwürdiges Dasein einsteht.
    Ich wiederhole und hebe hervor: „als Mensch respektiert". Darum geht es mir.
    Ich fange mit der Dienstzeitbelastung an. Es ist für mich und für Soldaten, die ich gesprochen habe, unverständlich, daß in einer Zeit, in der die Arbeitnehmervertretung die 38-Stunden-Woche anvisiert und die 40-Stunden-Woche bereits längst durchgesetzt ist, mancher Soldat teilweise 70, 80, ja, bis zu 100 Stunden pro Woche leisten muß, ohne daß hierfür ein Ausgleich erfolgt oder daß grundsätzliche Konsequenzen gezogen werden. Dazu kommt, daß gerade diejenigen, die diese hohen, überdurchschnittlichen Dienstzeitbelastungen tragen müssen, auch noch an abgelegenen Standorten mit teilweise unbefriedigenden Wohnverhältnissen leben. Es ist auch die Frage, ob das Festhalten an einem Versetzungsrhythmus von zwei bis drei Jahren, um befördern zu können, wirlich sinnvoll ist. Leidtragende dieser Maßnahmen sind immer die Familien, insbesondere die schulpflichtigen Kinder. Wir Liberale fordern deshalb eine beschleunigte Untersuchung dieses Problembereichs.
    Ich nenne einige weitere: erstens den schon angesprochenen Ausgleich der überdurchschnittlichen Dienstzeitbelastung, zweitens Begrenzung der soeben genannten Versetzungshäufigkeit — denn durch diese werden die Schulprobleme und die Eingliederungsschwierigkeiten für die Angehörigen der Soldaten verursacht — und drittens standortbezogene Verbesserung der Wohnungsfürsorge. Ich gehe näher auf die Wohnungsfürsorge ein. Es ist ein Unding, daß Soldaten und ihre Familien in Standorten auf den freien Wohnungsmarkt gehen, weil die vom Dienstherrn angebotenen Wohnungen nicht mehr dem entsprechen, was sich eine normale Bundesbürgerfamilie im Jahre 1977 als Wohnung, als Familienheim vorstellt.
    Hinzu kommen die Schulprobleme. Es ist wirklich erwägenswert — hiermit komme ich noch einmal auf die vorhin in anderem Zusammenhang genannten Bundesländer zu sprechen —, die Bundesländer um eine Annäherung der Schulsysteme nun aber dringend zu bitten; denn Tausende von Soldatenkindern werden um ihre Chancengleichheit gebracht, sie werden im Grunde für den Beruf ihres Vaters bestraft.



    Ludewig
    Ich könnte mir vorstellen, daß die in der Antwort der Bundesregierung angekündigte „Bestandsaufnahme zur sozialen und wirtschaftlichen Situation des Soldaten", so wörtlich zitiert — damit komme ich zu einem neuen Punkt, zu dem ich alle soeben aufgezeigten Punkte zähle —, aus dem Stadium der Ankündigung in das Stadium der Fertigstellung und zur Vorlage kommt. Man kann den Soldaten nicht etwa Leistungen entziehen, die dem nicht uniformierten Bundesbürger völlig normal erscheinen. Ein Soldat, ein Offizier, sagte zu mir in diesen Tagen — das scheint ein bekannter Spruch zu sein —: Wir befinden uns nicht im 27. Kriegsjahr, sondern mitten im Frieden. Ich sage dazu: Unsere Armee hat den Auftrag, im Bündnis abzuschrecken, uns im Konfliktfall zu verteidigen. Dies kann jedoch nicht in der Form und unter den Umständen geschehen, unter denen 500 000 Menschen, nämlich die Soldaten, und außerdem ca. 1 Million Menschen, nämlich ihre Angehörigen, in einen gesellschaftlich schlechteren Stand abrutschen, während ein anderer Teil der Bevölkerung, für den die Soldaten einstehen, voll die Vorzüge unserer Gesellschaftsordnung genießt. Wir Freien Demokraten würden es deshalb begrüßen, wenn über die Aussagen in der Antwort auf die Große Anfrage hinaus seitens der Bundesregierung nunmehr mit Ernst und Eile an die Lösung dieser sozialen Probleme herangegangen würde.
    In diesem Zusammenhang freue ich mich, feststellen zu können, daß das Problem der Besoldung der Zeitsoldaten, insbesondere der Z 2-Soldaten, also derjenigen, die sich für zwei Jahre verpflichten, kurz vor einer befriedigenden Regelung steht.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Wann denn?)

    — Ich erkläre es. — Nach der inzwischen erfolgten Zustimmung — im Durchlaufverfahren — durch die Bundesländer und nach dem Durchlaufen der parlamentarischen Instanzen — es hängt von uns ab, wie schnell oder wie langsam das geht — wird den Z 2-Soldaten vom ersten Monat ihrer Verpflichtung an das volle Gehalt gezahlt. Ich meine, damit wird in Kürze ein sehr drängendes und bei der Truppe sehr eindringlich diskutiertes Problem gelöst sein.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Rückwirkend?)

    Nun zur Personalführung und zur Beförderungspraxis in der Bundeswehr. Wir Liberalen — das brauche ich Ihnen nicht zu sagen — sind immer für höchstmögliche Transparenz der Administration — auf deutsch: der Verwaltung — und ihrer Maßnahmen. Das gilt im Sinne des vorher Gesagten natürlich auch für die Bundeswehr. Ich habe mir sagen lassen, daß es außerhalb der Bundeswehr durchaus Leute gibt, z. B. in der Industrie, die das Beurteilungswesen und auch die Eröffnung der Beurteilung durch den Vorgesetzten mit Neid betrachten. Sie hätten das möglicherweise auch gerne so. Trotzdem greift die Frustration in der Truppe um sich, weil die Soldaten nicht wissen, wie sie bei Beförderungen berücksichtigt werden, d. h., der Soldat möchte wissen, wie er unter Jahrgangsgleichen nach dem Absolvieren wichtiger Prüfungen und Lehrgänge in der Beurteilung liegt und wer z. B. noch vor ihm befördert wird. Es gibt da ein Beispiel aus der Vergangenheit. Das wäre das Prinzip der veröffentlichten Wertungslisten; früher nannte man das Ranglisten. Sicherlich würde dadurch auch ein Teil übersteigerter Fortkommensvorstellungen auf ein normales Maß reduziert.
    Die Gaußsche Normalverteilung — das ist eine Aussage über die Verteilung der Leistung einer Gruppe auf eine mathematische Strecke, graphisch aufgetragen — gilt sicher auch bei der Bundeswehr. Gefälligkeitsbeurteilungen erleichtern aber die Lage nicht, sondern sie erschweren sie und sie verschieben die Werte auf dieser Gaußschen Leistungskurve. Die Fraktion der Freien Demokraten erwartet konkrete Vorschläge aus dem Verteidigungsbereich.
    Ich möchte dann, wie eingangs erwähnt, auch ein Wort zum Beförderungsstau oder, wenn Sie so wollen, zum Verwendungsstau sagen.
    Es befriedigt mich und die, die es angeht, einfach nicht, wenn in der Beantwortung der Anfrage Lösungsmöglichkeiten für die 80er und 90er Jahre anvisiert werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es geht um den Stau in der Bundeswehr jetzt, hier und heute. Eine gewisse Mißstimmung, die dadurch aufkommt, muß hier und jetzt abgebaut werden. Das sollten wir alle erkennen.
    Es gibt auch eine ganze Reihe von Ansätzen dazu. Aus Gesprächen mit dem Bundeswehrverband weiß ich, daß man dort bemerkenswerte Vorschläge ausgearbeitet hat, z. B. eine vorzeitige Zurruhesetzung im Bereich der Berufssoldaten — selbstverständlich mit Zustimmung der Betroffenen — oder die Umwandlung des Dienstverhältnisses von Berufssoldaten zu Zeitsoldaten. In diesem Zusammenhang lehnen wir es ab, den Beförderungsstau durch eine erneute Planstellenanhebung aufzulösen.
    Man kann den Status des Soldaten z. B. auch nicht mit dem eines Beamten vergleichen. Ebensowenig wie man sich von einem 60jährigen Polizeibeamten, der etwa noch im Außendienst ist, vor Kriminellen überzeugend schützen lassen kann, ebensowenig wollen wir, daß 50jährige Chefs von Einsatzkompanien sind. Hier muß der Vorgesetzte — das ist klar — hundertprozentig fit sein, er muß Vorbild sein können im Innen- und Außendienst, beim Marsch, beim Sport, bei jedem Einsatz. Aus diesem Grunde müssen wir junge Einheitsführer haben. Wir müssen mit allen Mitteln eine Überalterung dieser Positionen verhindern. Hier muß eine Regelung gefunden werden — und warum nicht im Gespräch mit Sachverständigen, sachverständigen Interessenvertretern des öffentlichen Dienstes, z. B. auch mit dem Bundeswehrverband und in Anlehnung an Regelungen in anderen NATO-Ländern —, die dieses Problem löst. Die Bundesregierung sollte hier Schrittmacher sein. Eile scheint mir auch hier geboten.
    Damit ist meine Aufzählung fertig.
    Wer nach den Gründen fragt, aus denen es dazu gekommen ist, daß sich diese Probleme vor uns



    Ludewig
    aufbauen, der soll nicht die Regierung Schmidt/Genscher fragen, sondern mit den Fragen weit in der Vergangenheit ansetzen.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Wir sind an allem schuld!)

    — Nein, Herr Wörner! — Wie auf vielen anderen Gebieten — das muß ich sagen dürfen — müssen die sozialliberale Koalition und die heute Betroffenen etwas auslöffeln, was in der Aufbauzeit der Bundeswehr eingebrockt und uns hinterlassen worden ist — nicht mit Absicht; Absicht schließe ich aus.
    Damals sind teilweise auf der Basis von Umfangszahlen einer Bundeswehr mit Acht-Stunden-Tag oder vielleicht auch Neun-Stunden-Tag viele Verpflichtungen eingegangen worden, die wegen der 'daraus entstehenden Konsequenzen heute nur noch auf den Knochen des einzelnen betroffenen Soldaten durchführbar sind und zu 'den beträchtlichen Dienstzeitüberlastungen geführt haben, von denen ich vorhin sprach. Ich nenne als Beispiele das Personal der Luftverteidigung, in den Radarstellungen, in den Raketenstellungen von Heer und Luftwaffe, das fliegende Personal und das eingeschiffte Personal.
    Weiß denn die Offentlichkeit überhaupt — das dürfte unser aller Anliegen sein —, daß zu jeder Stunde rund um die Uhr ein Drittel aller Soldaten der Bundeswehr in voller Bereitschaft ist?
    Wir wollen, daß die Armee ein attraktiver Arbeitgeber und ein attraktiver Arbeitsplatz ist. Sie ist Bildungs- und Ausbildungsplatz, der die Wehrpflichtigen, insbesondere die Zeit- und die Berufssoldaten, zufriedenstellen muß. Wir müssen uns mit diesen Problemen aus dem persönlichen und dem sozialen Bereich beschäftigen, der überall abgedeckt wird. Denn es darf nicht sein, daß unsere Soldaten wie selbstverständlich nur auf Grund ihres Berufs von bestimmten Vorzügen unseres sozialen Rechtsstaats ausgenommen bleiben.
    Die Fraktion der Freien Demokraten erwartet daher über die angekündigten Regierungsmaßnahmen hinaus in absehbarer Zukunft konkrete Vorschläge und Lösungsmöglichkeiten im Personal- und Sozialbereich. Darum bitten wir das Verteidigungsministerium; darum bitten wir die Bundesregierung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)