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ID0803511700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 2629 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 2629 B Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 2629 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/511 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2629 D Dr. Dübber SPD 2633 C Dr. Haussmann FDP 2635 A Dr. Hubrig CDU/CSU 2636 C Dr. Steger SPD 2640 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2644 A Matthöfer, Bundesminister BMFT . . . 2646 A Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/508 — Esters SPD 2649 B Picard CDU/CSU 2651 A Gärtner FDP 2653 B Frau Schlei, Bundesminister BMZ . . 2654 B Dr. Todenhöfer CDU/CSU . . . . . . 2658 B Dr. Holtz SPD 2661 C Dr. Vohrer FDP 2663 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . 2665 B Frau Schuchardt FDP . . . . . . . 2667 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/496 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/516 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 2671 A Walther SPD 2675 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 Dr. Wendig FDP 2678 D Dr. Dregger CDU/CSU 2682 A Liedtke SPD 2688 A Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2691 C Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/497 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 2698 B Dürr SPD 2700 A Dr. Eyrich CDU/CSU . . . . . . . 2702 B Vizepräsident Stücklen . . . . . . 2706 B Kleinert FDP 2706 C Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 2709 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/501 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 2713A, 2729 C Grobecker SPD . . . . . . 2717 A, 2729 C Cronenberg FDP . . . . . . . . . 2719 A Müller (Remscheid) CDU/CSU . . . . 2722 A Lutz SPD 2723 C Hölscher FDP 2725 A Höpfinger CDU/CSU 2725 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2727 B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/505 — Glos CDU/CSU 2730 A Frau Simonis SPD 2733 B Burger CDU/CSU 2735 A Hauck SPD 2737 C Eimer (Fürth) FDP 2739 B Kroll-Schlüter CDU/CSU 2740 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2741 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/512 — Frau Dr. Wilms CDU/CSU 2745 B Westphal SPD 2747 B Frau Schuchardt FDP . . . . . . . 2748 C Rohde, Bundesminister BMBW 2749 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/500 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2751 B Simpfendörfer SPD 2754 A Peters (Poppenbüll) FDP 2756 A Ertl, Bundesminister BML 2757 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes — Drucksache 8/598 — 2669 D Beratung der Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/599 — . . . . . . . . 2669 D Beratung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften sowie in sonstige Verordnungen des Rates für die Beamten, ehemaligen Beamten und die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur entsprechenden Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften angewandt werden, im Anschluß an die Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften — Drucksachen 8/316, 8/613 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 III Vorschlag einer Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) des Rates über die Anwendung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel — Drucksachen 8/428, 8/614 — 2670 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" — Drucksache 8/645 — 2670 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" — Drucksache 8/646 — 2670 C Nächste Sitzung 2760 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2761* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 2629 35. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 34. Sitzung, Seite 2612 D; in der Zeile 6 von unten ist das erste Wort „nicht" zu streichen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens ** 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders ** 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 23. 6. Katzer 24. 6. Dr. Klepsch * 22. 6. Klinker 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lange * 23. 6. Lemp ** 24. 6. Lenzer ** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Schreiber * 23. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24.6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Wawrzik * 24. 6. Würtz * 23. 6.
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    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Die Schwäche der Demokraten führt dazu, daß irgendwann einmal das Vertrauen in die Demokratie verlorengeht und man dann wieder nach dem starken Mann ruft. Das wollen und können wir verhindern.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber nicht nur der Hochschulpräsident ist zu rügen. Ein der FDP angehörender Bürgermeister der gleichen Stadt ruft diesen Hochschulpräsidenten nicht etwa zur Ordnung, vielmehr trägt er mit Erklärungen über die wünschenswerte Entwicklung des politischen Mandats und — wie er es nennt —„Vorkehrungen gegen eine leichtfertige Anwen-



    Dr. Dregger
    dung des Ordnungsrechts an Hochschulen" seinerseits zur Demontage des Rechtsstaats bei. Da der Herr Bundeskanzler, der sonst durchaus bereit ist, sich zu politischen Fragen zu äußern, die nicht unmittelbar in seine Verantwortung gehören — wir haben es gestern erst wieder erlebt —, zu diesem ungeheuerlichen Vorfall ebenso geschwiegen hat wie seine Minister für Inneres und Justiz, möchte ich im Namen meiner Fraktion feststellen: Dieser Hochschulpräsident und dieser Bürgermeister haben ihre politische Pflicht zur Verteidigung der Republik gröblich verletzt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein Staat, dessen Repräsentanten mit den Rechtsbrechern paktieren oder sie gewähren lassen, ein Staat, der seine Gesetze nicht gegenüber jedermann zur Geltung bringt, verschwindet im Nebel. Ein solcher Staat verliert Vertrauen — nicht nur bei seinen Bürgern, sondern auch bei seinen Beamten und Richtern, die sich immer mehr im Stich gelassen fühlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sind nicht bereit, uns dieser traurigen Haltung weiter Teile von SPD und FDP anzuschließen. Wir sind entschlossen, die Universität nicht den Rechtsbrechern und den Antidemokraten zu überlassen. Wir halten nichts von der feigen Formel, der Staat dürfe nichts tun, um die Solidarisierung von vernünftigen Studenten mit Radikalen zu verhindern. Meine Damen und Herren, die Universität ist kein rechtsfreier Raum. Für Studenten kann es keine Privilegien geben, die über die Tatsache hinausgehen, daß sie auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung studieren.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer den Rechtsbruch von Studenten zu einer höheren Form des kritischen Bewußtseins hinaufstilisiert, erzieht diese Studenten nicht zur Demokratie, sondern bestärkt sie in ihrer Verachtung des demokratischen Staates,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    einer Verachtung — das muß zur Entschuldigung und zur Entlastung dieser Studenten gesagt werden —, die ihnen in manchen Ländern mit Hilfe darauf gerichteter Rahmenrichtlinien, mit Hilfe darauf gerichteter Lehrbücher und mit Hilfe daraufhin ausgebildeter Lehrer anerzogen worden ist.
    Meine Damen und Herren, gegen die Verhetzung weiter Teile unserer jungen Generation, gegen die feige Anpassung vieler, die das geschehen lassen, obwohl sie zum Widerstand verpflichtet wären, machen wir Front: in den Parlamenten, draußen im Lande und an den Universitäten selbst, in denen wir erscheinen, um Flagge zu zeigen und uns der Auseinandersetzung zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Repräsentanten unseres demokratischen Staates — und dazu gehören auch wir — müssen auch in anderer Weise zeigen, daß sie gewillt sind, den rechtlichen und moralischen Grundlagen unserer Ordnung entschieden Geltung zu verschaffen. Der
    Züricher Philosoph Lübbe — ich zitiere aus der „Deutschen Zeitung" vom 27. Mai 1977 — hat sicherlich recht, wenn er sagt, daß der eigentliche Grund des Terrorismus Systemverachtung sei. Es ist die Verachtung für ein System, dem man nicht mehr zutraut, daß es sich selbst ernst nimmt. Was hier versäumt wird, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister, kann nicht durch Bereitstellung von Geld und durch sogenannte Sofortprogramme wiedergutgemacht werden. Entscheidend ist die politische und die geistige Position in dieser Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Mit dieser Regierung doch nicht!)

    Bundeskanzler, Bundesinnenminister und Bundesjustizminister haben hinsichtlich notwendiger Gesetzesänderungen in diesem Bereich nicht selten Ansichten vertreten, die mit den unseren übereinstimmen. Es ist also nicht mangelnde Einsicht, meine Herren, die ich Ihnen vorwerfe. Was ich Ihnen aber vorwerfe, ist, daß Sie nicht die Kraft haben, sich in Ihren Fraktionen durchzusetzen, und daß Sie, wenn Sie das nicht können, nicht die Kraft haben, von Ihren Ämtern zurückzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Um der Machterhaltung willen sind Sie statt dessen vor den Kräften in Ihren Parteien und Fraktionen zurückgewichen, die lieber den demokratischen Rechtsstaat in Frage stellen — wobei sie sicherlich ein besonders gutes moralisches Bewußtsein haben —, als diesen demokratischen Rechtsstaat in angemessener Weise zu verteidigen.
    Meine Damen und Herren, um den Willen der Unionsparteien, der stärksten politischen Kraft in Deutschland, zur Verteidigung der Republik nicht nur in Worten, sondern auch in Taten deutlich zu machen, wiederhole ich daher folgendes:
    Erstens. Wir sind nicht bereit, Gewalttätern weiterhin den Mißbrauch des Demonstrationsrechts zu ermöglichen. Wir fordern die Wiederherstellung des 1969 abgeschafften Demonstrationsstrafrechts, damit sich Gewalttäter nicht Deckung hinter anderen Demonstranten verschaffen können. Nach den Erfahrungen von Grohnde kann niemand mehr an der Notwendigkeit dieser Forderung zweifeln, meine Damen und Herren!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Zweitens. Wir wollen unbelehrbaren Terroristen nicht die Gelegenheit geben, alsbald nach Verbüßung einer Strafe zur Vorbereitung neuer Straftaten in den Untergrund zu gehen. Deshalb verlangen wir die Einführung der Sicherungsverwahrung für terroristische Gewaltverbrecher.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Wir wollen die Konspiration sogenannter Rechtsanwälte mit Inhaftierten nicht länger hinnehmen. Deshalb fordern wir die Möglichkeit richterlicher Gesprächsüberwachung.

    (Dr. Penner [SPD]: Nützt doch gar nichts!)




    Dr. Dregger
    Das dritte Thema: Aufbau einer schlagkräftigen Polizeitruppe, die mit Bürgerkriegsverbänden fertig werden kann. Meine Damen und Herren, nicht nur der Buback-Mord und seine Verherrlichung durch deutsche Studenten, sondern auch das Auftreten von Bürgerkriegsverbänden in Brokdorf und Grohnde haben eine neue Phase des Angriffs auf unseren Staat eingeleitet. Die Verbände, die vor allem in Grohnde auftraten, waren militärisch gegliedert, mit modernsten Nachrichtenmitteln straff geführt, für die verschiedenen Kampfaufgaben speziell gerüstet und vor allem zu brutalem Vorgehen entschlossen. Sie wurden angeleitet von Kadern der sogenannten Neuen Linken, die ihren Ursprung an den Universitäten hat, voran aus dem Kommunistischen Bund (KB), aber auch dem Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) und der KPD/ML. Sie hatten feste Einsatzpläne mit präziser Aufgabenverteilung für bestimmte Gruppen. Durch Ausrüstung und Ausbildung waren sie in der Lage, selbst sehr stabile Umzäunungen niederzulegen. Sie griffen die Polizei mit brutaler Gewalt an und verwendeten dabei u. a. Schlagstöcke, Stahlkugeln und Molotow-Cocktails, mit denen sie mehr als 200 Polizeibeamte zum Teil erheblich verletzten. Die Attacken waren zunächst so erfolgreich, daß für die Polizei in Grohnde eine sehr ernste, ja bedrohliche Lage entstand, die erst im letzten Augenblick noch einmal gewendet werden konnte. Es war ein glücklicher Umstand, daß während des Einsatzes in Grohnde nicht gleichzeitig große Polizeianforderungen an anderen Orten vorlagen.
    Angesichts dieser Situation dürfen wir keinen Tag länger der Frage ausweichen, mit welchen Sicherheitskräften wir operieren wollen, wenn diese Gruppen ihre Drohung „Schafft ein, zwei, drei, schafft viele Grohndes!" wahrmachen.
    Für den Einsatz der Bundeswehr im Innern hat unsere Verfassung mit Recht enge Schranken aufgerichtet. Wir wollen daran nichts ändern. Die Bereitschaftspolizei der Länder ist fast völlig zur Ausbildungseinheit geworden. Grohnde hat gezeigt, daß junge, noch in der Ausbildung stehende Bereitschaftspolizisten der Auseinandersetzung mit Bürgerkriegsgruppen vom Schlage des KB und des KBW kaum gewachsen sind. Diese jungen Polizisten haben teilweise schockartig reagiert.
    Damit erhält der Bundesgrenzschutz als Polizeitruppe eine Bedeutung, die er in seiner bisherigen Geschichte noch nie hatte. In der Debatte zur Regierungserklärung im Januar habe ich — das war noch vor Grohnde — nachdrücklich davor gewarnt, den absurden Vorschlägen derer nachzugeben, die dem Bundesgrenzschutz seinen Truppencharakter zu nehmen beabsichtigen. Wir haben das zur Vorbedingung unserer Zustimmung zum Strukturgesetz gemacht, das eine solche Entwicklung nicht notwendig, aber möglich macht.
    Der Bundesinnenminister versichert regelmäßig, es sei insoweit alles zum besten bestellt. Leider haben wir immer mehr Anlaß, Herr Maihofer, an der Zuverlässigkeit dieser Beteuerungen zu zweifeln. [ch frage Sie daher, Herr Minister: Ist es richtig, laß keine einzige Abteilung des Bundesgrenzschutzes in der Lage ist, die in der Polizeidienstvorschrift 100 aufgezählten Einsatzmaßnahmen in Verbandsform auszuführen? Ist es richtig, daß das gegenwärtige Ausbildungskonzept die Schwächung weiterer Einsatzabteilungen zur Folge hat? Ist es richtig, daß die entstandenen Ausbildungsabteilungen von ihrer Struktur her nicht mehr als Einsatzabteilungen im Notfall verwendbar sind? Ist es richtig, daß den verbleibenden Einsatzabteilungen die ganze Aufgabenlast im Bundesgrenzschutz verbleibt, daß ihre Hundertschaften jedoch im Mittel nur mit wenig mehr als 50 Mann antreten können? Ist es richtig, daß Planstellen der Verbände für den Einzeldienst abgezogen werden? Ist es richtig, daß geländegängige durch nicht geländegängige Kraftfahrzeuge ersetzt werden? Ist es richtig, daß eine Pionierabteilung zur Wachabteilung gemacht wurde? Ist es richtig, daß ein Ausbildungskonzept für das zweite Dienstjahr entworfen wurde, ohne daß die dazugehörenden Vorschriften für die Verbandsausbildung vorhanden sind?
    Herr Maihofer, wenn Sie auch nur einen Teil der gestellten Fragen bejahen müssen, worauf ein Aufsatz im Verbandsorgan des Bundesgrenzschutzverbandes vom Juni 1977 — Sie werden ihn kennen — hinweist, dann sind Ihre bisherigen Beteuerungen unrichtig. Dann bestehen unsere Besorgnisse zu Recht. Dann müssen wir Ihnen auch auf diesem Felde den Vorwurf grober Vernachlässigung der Vorsorge für die innere Sicherheit unseres Landes machen. Hier gilt das gleiche wie im Bereich der Zivilverteidigung und im Bereich der Terrorismusbekämpfung.
    Eine Politik, die Realitäten verdrängt, weil sie unangenehm sind, und dadurch versäumt, sich auf gefährliche Entwicklungen rechtzeitig vorzubereiten, ist unverantwortlich. Sie, meine Damen und Herren, haben 1969 unsere Republik in intaktem Zustand übernommen.

    (Pensky [SPD] : Besonders auf dem Gebiet der Sicherheit, Herr Kollege Dregger!)

    Inzwischen ist nicht nur die Vollbeschäftigung verlorengegangen, inzwischen ist nicht nur die soziale Sicherheit in Frage gestellt worden, sondern das gleiche gilt auch für die innere und äußere Sicherheit unseres Landes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unser Volk, das nach dem Kriege eine einzigartige Aufbauleistung erbracht hat und das in Frieden und in Freiheit leben will, hat es nicht verdient, von einer so schwachen Regierung regiert zu werden.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Verwaltet zu werden!)

    Deshalb ist es Zeit, meine Damen und Herren, daß Sie abtreten. Ihren Etat werden wir ablehnen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Liedtke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dregger, ich verstehe Ihren Wunsch, den Sie zum Schluß geäußert haben;

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Notwendigkeit!)

    aber Sie werden verstehen, daß ich der Sicherheit Ausdruck gebe, daß er noch viele Jahre ein solcher bleibt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Immer an Osswald denken! Keine langfristigen Versprechungen!)

    -- Herr Haase, ich kenne Sie als ständigen Begleiter meiner Reden hier. Melden Sie sich mal selbst zu Wort und üben Sie sich jetzt ein bißchen in Höflichkeit.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Oberlehrer! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Gegenrufe von der SPD)

    Dieser Wunsch, am Schluß geäußert, macht zumindest viele Passagen Herrn Dreggers verständlich. Ich werde versuchen, wenigstens auf die wichtigsten kurz einzugehen, weil ich hier in der Zeit gebunden bin.
    Punkt eins. Lassen Sie mich die ständigen Wiederholungen gestern und die heute von Herrn Dregger, geschickt in Nebensätzen zu Hauptargumenten verkleidet, einmal herausgreifen. Sie sind immer klüger als wir selbst. Wenn Herr Wehner und Herr Brandt einmal konzentriert nebeneinander sitzen und schweigen, ist in der Partei angeblich etwas nicht in Ordnung. Wenn Sie miteinander reden, ist es noch schlimmer.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie war es in Saarbrücken?!)

    Sie sezieren ein Inneres der SPD, das Ihnen bekannt zu sein scheint, das uns völlig fremd ist.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen sagen, Herr Dregger: Sie sind so weit von dieser SPD entfernt, Sie werden sie niemals im Leben begreifen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber Unwissenheit und Nichtbegreifenkönnen erzeugen einen galligen Geschmack auf der Zunge, und den wollen Sie jetzt bei uns loswerden. Nehmen Sie bitte die Lehre von gestern zur Kenntnis: Diese Fraktion und diese Koalition standen gestern, stehen morgen und stehen bis 1980

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    so sauber, daß alle Versuche von Erbschleicherei, wie Sie gestern sahen, von uns einmütig zurückgewiesen werden,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    eine neue Erfahrung für Sie auf einem Konto, das Sie allerdings nicht neu eingerichtet haben. Ich erspare mir einen Kommentar zu den theoretischen Turnübungen Herrn Dreggers, um einen Konflikt mit der Frau Präsidentin zu vermeiden.
    Nun, meine Damen und Herren, zum Bereich der inneren Sicherheit. Lassen Sie mich einmal kurz einen Gedankendurchgang ausformulieren, der Ihnen nicht schmecken wird. Die Grundthese lautet: Innere Sicherheit in diesem Staate beginnt in diesem Hause und ist in großem Maße geprägt von dem Verhalten der Parteien und Fraktionen in diesem Hause. Das Nein zu allen bedeutenden Gesetzgebungswerken im Bundesrat und hier auch der Opposition im Bundestag soll offensichtlich eine Betonwand gegen jede notwendige Veränderung in diesem Staate werden. Regierung und Koalition ringen hier nicht mit alternativen Vorschlägen der Opposition; sie messen ihre Ideen auch nicht mit einen konservativen Gegner.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU] : Gucken Sie sich mal unsere Gesetzentwürfe an!)

    Nein, sie haben bei Ihnen, meine Damen und Herren, nahezu täglich eine strategisch angelegte Destruktivität zu überwinden. Das geht so weit, daß Sie wie in der vorigen Woche Ihre eigenen Lieblingskinder schlachten

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    und gegen eine Senkung der Vermögensteuer stimmen, um sie wenige Tage später hier als Ihre eigenen Zöglinge wiedereinzubringen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Hier wird Politik zur Taktik degradiert,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    und hier ist ein erster Beitrag zur Instabilität in diesem Land. Das kann sich nur eine Fraktion erlauben, die über viele Gesichter verfügt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das gehört auch zur inneren Sicherheit; oh ja, ich komme schon noch sehr auf den Kern, Herr Schwarz.
    Zweite Bemerkung. Der ständige Versuch, jegliches berechtigte Wohlbefinden der Bürger in diesem Lande auszuräumen, indem Sie in Bereichen äußerer, sozialer, finanzieller, innerer Sicherheit bei dem Bürger Unsicherheit und Angst erzeugen wollen, um dadurch — Sie wissen es — Staatsverdrossenheit zu erzielen, ist ebenfalls kein Beitrag zur Stabilisierung der inneren Sicherheit. Sie wollen uns treffen und treffen im Prinzip die Demokratie. Dem politischen Ideenwettstreit hier weichen Sie weitgehend aus und setzen Feindbilder, wodurch das Klima voraussehbar vergiftet wird.

    (Schwarz [CDU/CSU] : Die Arroganz bei Ihnen, die darin zum Ausdruck kommt, daß Sie sich mit der Demokratie gleichsetzen, ist unerträglich!)

    Die Grundzüge dieser Strategie sind nicht neu, damit aber nicht weniger gefährlich.
    Meine Damen und Herren, wir brauchen über innere Sicherheit, wir brauchen über Zivilverteidigung gar nicht zu reden, wenn die Grundvoraussetzung der äußeren Sicherheit nicht gegeben ist. Las-



    Liedtke
    sen Sie mich hier feststellen, daß die Entspannungspolitik den Frieden in Europa und in der Welt in qualifizierter Weise sicherer gemacht hat. Der Schlußakte von Helsinki haben 35 Staaten zugestimmt, nur nicht die Opposition in diesem Hause.

    (Zuruf von der SPD: Und Albanien!)

    — Ja, und Albanien hat nicht zugestimmt. Wir verfolgen das.
    In diesem Hause erleben wir, daß Sie sich wie ein hungriger Wolf auf jede neue Schwierigkeit in diesem beschwerlichen Geschäft stürzen, um der eigenen Regierung einen kräftigen Biß zu geben. Sie respektieren die Verträge, aber in Ihren Reden legen Sie darüber den Rauhreif des Kalten Krieges. Wenn ein Mitglied Ihrer Fraktion den Mut hat, seine eigenen Gedanken hierzu auszuführen — wie Herr Biedenkopf —, gerät er bei Ihnen ins Schleudern.
    Lassen Sie mich zur inneren Sicherheit den Standpunkt meiner Fraktion folgendermaßen klarlegen: Nach dem jetzigen Stand unserer Erkenntnis erstreben die Terroristen, daß sich die Demokratie in eine autoritäre Phase treiben läßt. In der Sprache der Terroristen hört sich das etwa so an: Der Staat soll sein brutales Gesicht ohne rechtsstaatliche Maske zeigen. Nur dadurch, so heißt es, daß alles schlimmer werde, könne alles besser werden.
    Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen gleich in wenigen Sätzen aufzeigen, wie wir auf diese neuen Formen des Terrorismus mit neuen Möglichkeiten der Abwehr in unserem Lande schnell reagiert haben. Eine Grenze will ich hier aufzeigen. Wenn wir überall dort, wo Überreaktionen des Staates dazu führen können, daß in die Substanz demokratischer Freiheiten eingegriffen wird, in die uns von den Terroristen zugedachte Rolle gehen, dann besteht die Gefahr, daß die Bürger dieses Staates die Identifizierung mit ihm weitgehend aufgeben und eine distanzierte Gleichgültigkeit ihm gegenüber einnehmen. Das wäre eine sehr gefährliche Entwicklung. Überall dort also, wo wir glauben, daß auch Vorschläge aus Ihren Reihen zu weit in den Polizeistaat hineinführen und Freiheitssubstanzverluste für alle Mitbürger erzeugen, setzen wir unser Nein entgegen.
    Wir haben in langen Gesprächen mit den Praktikern an dieser Front der inneren Sicherheit nach neuen, moderneren Methoden gesucht. Wir haben Gespräche mit Vertretern der Bundesanwaltschaft, des Bundeskriminalamtes, der Verfassungsschutzorgane, auch mit dem Polizeipräsidenten, der den Einsatz in Grohnde geleitet hat, geführt.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Die Summe der Ergebnisse der Gespräche mit diesen Experten war: Neue Gesetze sind nicht notwendig. Die alten müssen voll ausgeschöpft werden.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Das ist falsch! Die Experten haben ihre Vorschläge für Gesetzesänderungen gemacht! Auch in Ihrer Fraktion war das so!)

    — Das ist nicht falsch. Es war nicht so in meiner Fraktion. Herr Miltner, es war nicht einmal beim Hearing im Innenausschuß so.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Beim Hearing und in Ihrer Fraktion war das so!)

    Meine Damen und Herren, dort, wo es gilt, Verbrechen zu verhüten oder zu erschweren, an dieser Front haben wir mit Ihrer Hilfe, mit Ihrer Zustimmung eine ganze Menge getan. Ich will Ihnen ein einziges Beispiel geben.
    Als wir 1969 diese Regierung übernahmen, war das Bundeskriminalamt in keinem beneidenswerten Zustand. Wenn Sie es heute nur optisch sehen würden, würden Sie sagen, die alten Bauteile, die wir übernommen haben, sehen im Verhältnis etwa so aus, als seien es die Garagen der heute dort Tätigen.
    In Summen sieht das so aus, daß wir von 22 Millionen DM auf 172 Millionen DM in diesem Jahre gekommen sind. Wir haben das Personal nahezu verdreifacht. Wir haben die Technik, soweit das nach dem heutigen Erkenntnisstand möglich ist, angepaßt. Wir haben darüber hinaus Spezialeinheiten, wie die GSG 9, wie die Terroristeneinheiten gebildet, und ich glaube, nicht ohne Erfolg. Dort, wo es gilt, im Ansatz Verbrechen zu erschweren und zu verhüten, finden Sie diese Koalition ständig tätig. Denn dort wird der Übergriff gegen Bürger dieses Staates schwerer oder unmöglich.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Für die Gefahrenabwehr im polizeilichen Bereich haben Sie das nicht getan, was wir vorgeschlagen haben!)

    Lassen Sie mich in dieser begrenzten Zeit noch ein Wort sagen. Wenn Sie hier aufstehen, übersehen Sie geflissentlich, daß die Hauptsicherheitskräfte nicht beim Bund, sondern bei den Ländern angesiedelt sind, daß der Großteil der Verantwortung nicht aus diesem Raum heraus allein getragen werden kann, sondern nur in möglichst reibungsloser Zusammenarbeit mit den Ländern. Wir haben diesen föderativen Aufbau angenommen und haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das auf der Zusammenarbeit von Bund und Ländern beruht. Alles, aber auch alles stört diese Zusammenarbeit, was in diesem empfindlichen Bereich konträr und gegnerisch in diesem Raum ausgetragen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es stimmt nicht tröstlich, wenn der Vorsitzende der Innenministerkonferenz beispielsweise zum 6. Juni zu einer Sitzung einlädt, um Möglichkeiten einer weiter modernisierten Terroristenbekämpfung zu besprechen, und alle CDU-geführten Länder nicht erscheinen. Es stimmt auch nicht tröstlich, wenn der Bundeskanzler die Fraktionsvorsitzenden zum gleichen Thema zu sich bittet und die Vorsitzenden der CDU und der CSU nicht erscheinen. Da hilft auch keine Zungenakrobatik Ihres Sprechers hier.



    Liedtke
    Lassen Sie mich diesen Bereich mit dem eindringlichen Appell

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Wären die Experten eingeladen gewesen, wären wir gekommen!)

    zur uneingeschränkten Solidarität aller Demokraten gegen Verbrechen und Gewalt abschließen. — Herr Miltner, Sie sagen: Wenn die Experten eingeladen worden wären. Ich nehme doch an, daß in diesem Bereich Ihre Fraktionsvorsitzenden nicht zu den Anwärtern gerechnet werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Miltner [CDU/CSU] : Darum geht es doch gar nicht, um die Polizei geht es!)

    Etwas zum Hochschulbereich; das andere will ich aussparen. Herr Dregger, hier muß ich Ihnen freilich einiges sagen, was uns wie so vieles in den Grundauffassungen trennt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann ich mir vorstellen!)

    Wir teilen die Sorge, wenn uns Streik- oder Boykottaktionen oder gar diese schlimme Geschichte nach den Karlsruher Morden bekannt werden. Da sind wir völlig einer Meinung. Darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren oder in einen edlen Wettstreit einzutreten, wer hier näher am Rechsstaat angesiedelt ist. Wir teilen nicht die Meinungen zur Überwindung dieser Krisenerscheinung, Herr Dregger.
    Es gibt sicher viele Gründe, die zu dieser Unruhe geführt haben. Einmal ist es die Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes in die Landesgesetze. Regelstudienzeit, Ordnungsrecht spielen hier eine besondere Rolle. Hinzu werden die unsicherer gewordenen Berufsaussichten für Akademiker kommen, schließlich die schwierigen Arbeitsbedingungen an den Hochschulen, die durch die Überlastquote, die wir demnächst einführen müssen, sicher nicht leichter werden. Nun aber zu sagen, wir drehen die ganze Entwicklung im Bildungsbereich herum, wird diese Schwierigkeiten nicht verkleinern, sondern vergrößern.
    Für die Sozialdemokraten darf ich folgendes sagen. Wir wehren uns dagegen, wenn die Forderung nach Einstellung der sogenannten Bildungsexpansion oder gar nach Bildungsstopp von Ihnen, Herr Dregger, oder von Ihren Freunden immer wieder einmal in der Landschaft aufblitzt. Das ist keine Lösung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darum geht es doch gar nicht!)

    Nicht das Bildungssystem darf dem Beschäftigungssystem angepaßt werden, sondern umgekehrt muß es sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das machen Sie mal!)

    Das sich verändernde Bildungssystem wird neue Arbeitsstrukturen und Arbeitsbeziehungen herausfordern. Wir wissen, daß diese zweite Stufe einer Bildungsreform in diesem Hause und in den Ländern noch zu leisten ist. Wir wissen auch, daß das nicht ohne Schwierigkeiten gehen wird.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU] : Sie träumen immer noch!)

    — Herr Dregger, Ihr Rezept der Abschaffung der Gruppenuniversität, der Abschaffung der Mitbestimmungsgremien —

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist falsch!)

    ich zitiere nur Stichworte aus Ihrer Rede —, Auflösung der Gesamthochschulen, Einstellung der BAföG-Zahlungen und Ihr Wunschziel, das Sie in Ihrer Hochschulrede formuliert haben, den Akademikerüberschuß — so nannten Sie es — zu verhindern, weil er ohnehin nur eine entscheidende Rolle bei der Systemüberwindung spielen werde, das alles hilft nicht weiter; das heißt: ab mit dem Fahrstuhl in die Vergangenheit,

    (Beifall bei der SPD)

    das heißt Unruhe in die Jugend von heute tragen.
    Meine Damen und Herren, da heißt es ganz schlicht, an der Universität wird geforscht, gelehrt, gelernt, sonst nichts. Die Ordinarienuniversität alten Stils feiert hier ihre Auferstehung.

    (Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    Da ist nicht die Rede von Gleichheit der Bildungschancen, von demokratischen Ausbildungsinhalten, Eigenverantwortung auch der Studenten und der Assistenten. Verantwortung gibt es bei Ihnen, Herr Dregger, erst, wenn jemand ein Amt hat. Bis dahin ist man unmündig.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Quatsch!) Da darf nur gelernt werden.


    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Ein bißchen Logik müßte ja noch drin sein! — Pfeffermann [CDU/CSU] : Was schwatzt der denn?)

    Kritische Fragen sind nicht erlaubt. In dieser Rede findet sich sogar folgender Satz:
    Auch die sogenannte Hochschuldemokratisierung beruht auf einem Denkfehler.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Dregger, mit dieser Ihrer Einstellung werden Sie die Sozialdemokraten stets als Ihre Gegner finden.

    (Zuruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu dem ersten sagen. Wir sind einverstanden,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    daß wir eine Diskussion über den Zivilschutz in diesem Lande neu beginnen. Ich hoffe, daß wir uns über eines klar sind, daß es nicht möglich ist, der Bevölkerung darzutun, daß im Falle eines Konfliktes auch nur ein annähernder Schutz gewährleistet werden kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen machen wir gar keinen?)

    Unsere Chancen liegen hier erstens in der Entspannungspolitik, zweitens in der sicheren Einbettung



    Liedtke
    in die Strategie der NATO, drittens in einer gut funktionierenden Bundeswehr als Verteidigungsstreitmacht als Beitrag in dieser NATO. — Herr Miltner, regen Sie sich nur nicht so auf. Wenn Sie durch deutsche Lande reisen und nach Schutzbauten suchen, die nach 1949 in diesem Lande gebaut worden sind, so werden Sie kaum welche oder keine finden. Wenn das eine Unterlassungssünde war, sind alle Fraktionen dieses Hauses in dieser Unterlassungssünde vereint.
    Ich begrüße es — wenn wir diese Diskussion ehrlich führen —, daß wir damit beginnen. Ich bekenne auch, daß wir im Innenausschuß festgestellt haben, der Einzelplan 36 ist ein bißchen mager.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Das ist ein einziger Skandal, den Sie verursacht haben!)

    — Wir haben ihn von Ihnen schwindsüchtig übernommen, Herr Miltner; sehen Sie Ihre alten Pläne nach. Aber er ist heute anerkanntermaßen immer noch mager. Ehe daß wir also hier mit mittelschweren Degen aufeinander losgehen, laßt uns die Gemeinsamkeit, die wir hier formuliert haben, nutzen. Dann — dessen bin ich sicher — kommt auch dabei etwas heraus.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich langsam dem Ende zustreben; meine Zeit ist begrenzt. Wir werden unbeirrbar eine Politik fortsetzen, die folgende drei Grundsäulen hat, und die es den Menschen in diesem Staate weiterhin ermöglicht, sich mit ihm zu identifizieren, weil er — erstens — sicher sein kann, daß die Solidarität des Staates und der Gesellschaft ihm zur Seite stehen, weil ihm — zweitens — die Möglichkeit gegeben wird, eigenverantwortlich und mitverantwortlich entscheidend im Staat, aber auch in der Gesellschaft daran teilzuhaben und — drittens — weil in Staat und Gesellschaft ein Höchstmaß an Liberalität immer noch meßbar und lesbar bleiben wird, solange wir hier regieren. Ein Staat, der den Bürger vor materieller Not schützt, ihm soziale Sicherheit gibt, der die Eigenverantwortung des Bürgers stärkt und ihm Selbstbestimmung und Mitbestimmung ermöglicht, der die Freiheitsrechte des einzelnen achtet und ein Höchstmaß an Liberalität gewährleistet, ein solcher Staat braucht keinen Feind zu fürchten. Mit einem solchen Staat können sich seine Bürger identifizieren. Er wird von ihnen getragen und verteidigt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist das Angebot unserer Politik an die Menschen in diesem Lande.
    Ich darf, meine Damen und Herren, schließen mit einem der Kernsätze des Godesberger Programms:
    Wir streiten für die Demokratie. Sie muß die allgemeine Lebens- und Staatsordnung werden, weil sie allein Ausdruck der Achtung vor der Würde des Menschen und seiner Eigenverantwortung ist.
    Diese Politik werden wir konsequent fortsetzen. Alle sind als Mitstreiter willkommen, die diese Ansicht teilen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)