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ID0803508000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 2629 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 2629 B Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 2629 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 (Haushaltsgesetz 1977) — Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/511 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2629 D Dr. Dübber SPD 2633 C Dr. Haussmann FDP 2635 A Dr. Hubrig CDU/CSU 2636 C Dr. Steger SPD 2640 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2644 A Matthöfer, Bundesminister BMFT . . . 2646 A Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/508 — Esters SPD 2649 B Picard CDU/CSU 2651 A Gärtner FDP 2653 B Frau Schlei, Bundesminister BMZ . . 2654 B Dr. Todenhöfer CDU/CSU . . . . . . 2658 B Dr. Holtz SPD 2661 C Dr. Vohrer FDP 2663 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . 2665 B Frau Schuchardt FDP . . . . . . . 2667 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/496 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/516 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 2671 A Walther SPD 2675 A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 Dr. Wendig FDP 2678 D Dr. Dregger CDU/CSU 2682 A Liedtke SPD 2688 A Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 2691 C Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/497 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 2698 B Dürr SPD 2700 A Dr. Eyrich CDU/CSU . . . . . . . 2702 B Vizepräsident Stücklen . . . . . . 2706 B Kleinert FDP 2706 C Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 2709 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/501 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 2713A, 2729 C Grobecker SPD . . . . . . 2717 A, 2729 C Cronenberg FDP . . . . . . . . . 2719 A Müller (Remscheid) CDU/CSU . . . . 2722 A Lutz SPD 2723 C Hölscher FDP 2725 A Höpfinger CDU/CSU 2725 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2727 B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/505 — Glos CDU/CSU 2730 A Frau Simonis SPD 2733 B Burger CDU/CSU 2735 A Hauck SPD 2737 C Eimer (Fürth) FDP 2739 B Kroll-Schlüter CDU/CSU 2740 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2741 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/512 — Frau Dr. Wilms CDU/CSU 2745 B Westphal SPD 2747 B Frau Schuchardt FDP . . . . . . . 2748 C Rohde, Bundesminister BMBW 2749 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/500 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 2751 B Simpfendörfer SPD 2754 A Peters (Poppenbüll) FDP 2756 A Ertl, Bundesminister BML 2757 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes — Drucksache 8/598 — 2669 D Beratung der Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/599 — . . . . . . . . 2669 D Beratung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften sowie in sonstige Verordnungen des Rates für die Beamten, ehemaligen Beamten und die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften Vorschlag einer Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates zur entsprechenden Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften angewandt werden, im Anschluß an die Einführung der Europäischen Rechnungseinheit in das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften — Drucksachen 8/316, 8/613 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 III Vorschlag einer Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) des Rates über die Anwendung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel — Drucksachen 8/428, 8/614 — 2670 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" — Drucksache 8/645 — 2670 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" — Drucksache 8/646 — 2670 C Nächste Sitzung 2760 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2761* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1977 2629 35. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 34. Sitzung, Seite 2612 D; in der Zeile 6 von unten ist das erste Wort „nicht" zu streichen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 24. 6. Dr. Ahrens ** 24. 6. Dr. Aigner * 24. 6. Amrehn ** 24. 6. Angermeyer 24. 6. Frau von Bothmer ** 24. 6. Büchner (Speyer) ** 24. 6. Dr. Enders ** 24. 6. Dr. Evers ** 24. 6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner ** 24. 6. Handlos ** 24. 6. von Hassel ** 24. 6. Hoppe 24. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 23. 6. Katzer 24. 6. Dr. Klepsch * 22. 6. Klinker 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lange * 23. 6. Lemp ** 24. 6. Lenzer ** 24. 6. Lücker * 24. 6. Marquardt ** 24. 6. Dr. Marx 24. 6. Dr. Mende ** 24. 6. Milz ** 24. 6. Dr. Müller ** 24. 6. Müller (Mülheim) 24. 6. Dr. Müller-Hermann * 23. 6. Pawelczyk ** 24. 6. Reddemann ** 24. 6. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 24. 6. Dr. Schäuble ** 24. 6. Schmidhuber ** 24. 6. Schmidt (München) * 24. 6. Schreiber * 23. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 24. 6. Seefeld 24.6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 24. 6. Dr. Starke (Franken) * 24. 6. Dr. Staudt 24. 6. Frau Steinhauer 24. 6. Ueberhorst 24. 6. Dr. Vohrer ** 24. 6. Wawrzik * 24. 6. Würtz * 23. 6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marie Schlei


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich bitte den Kollegen, mir zu erlauben, in meiner ersten Haushaltsrede meine Gedanken im Zusammenhang zu Ende zu führen.
    Entwicklungspolitik hat heute zwei wesentliche Ziele: Das erste Ziel ist die Weiterentwicklung der Weltwirtschaft zu einer Ordnung, in der alle Völker Platz haben und zu ihrem Recht kommen. Zweitens muß sie dazu beitragen, daß Freiheit von Not und von absoluter Armut zu einer realistischen Beschreibung der Lebenslage möglichst vieler Menschen auf dieser einen Welt wird. Entwicklungspolitik muß aber auch — und dies ist eine Aufgabe, der wir uns nicht verweigern dürfen — zur Erleichterung der wirtschaftlichen Lage und zur Milderung der Not der Menschen in politischen Spannungsgebieten beitragen. Der heutige Zustand der Weltwirtschaft bedroht den Frieden, weil diese Weltwirtschaft die Chancen zugunsten der reichen Länder und zuungunsten der armen Länder verteilt.

    Bundesminister Frau Schlei
    Unser Bundespräsident hat dazu vor einigen Tagen folgendes gesagt — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten —:
    Wir treten nach wie vor für den freien Welthandel ein. Aber wir müssen uns bewußt sein, daß wir dieses Prinzip selbst gefährden, wenn wir es nicht verstärkt mit dem sozialen Gedanken — und das heißt hier Entwicklungshilfe —verbinden. Der freie Welthandel setzt ein Gleichgewicht voraus, das gegenwärtig nicht vorhanden ist. Dieses Gleichgewicht schrittweise zu erreichen, ist die Aufgabe, die vor allem den Industrieländern und den rohstoffreichen Ländern gestellt ist. Alle Menschen müssen wirklich die Chance erhalten, wettbewerbsfähig zu werden, um am Welthandel auch zu ihrem Nutzen teilnehmen zu können. Dazu brauchen sie unser Kapital, unser technisches Anwendungswissen und unsere Märkte. Nur wenn wir ihnen dies alles verstärkt zugänglich machen, können wir den freien Welthandel, von dem unsere Existenz abhängt, erhalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir profitieren von den heutigen Weltwirtschaftsstrukturen. Denn wir sind ein ebenso exportabhängiges wie rohstoffabhängiges Land. Wir können uns als solches eine Konfrontation mit den Entwicklungsländern auf internationaler Ebene nicht erlauben. Dies hat Herr Kohl in seiner entwicklungspolitischen Rede vor Ihrem Kongreß festgestellt. Damit soll er einmal recht haben.
    Wir sind in die Weltwirtschaft in einem Maß integriert, das noch von zu wenigen Bürgern bei uns gewußt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das trifft zu!)

    Wir sind unter den westlichen Industrieländern der drittgrößte Verbraucher von Rohstoffen. Aber so arm an Rohstoffen, wie wir sind, ist nur noch Japan. Wir können also kein Interesse daran haben, mit rohstoffliefernden Entwicklungsländern in Auseinandersetzungen zu geraten, die eine Verweigerung, eine Verknappung, eine Kartellbildung oder sprunghafte Preissteigerungen zur Folge haben könnten. Wir können uns dies um unserer Arbeitsplätze willen nicht leisten.
    Wir sind auch deshalb an der wirtschaftlichen Stärke und Leistungsfähigkeit der Dritten Welt interessiert, weil wir dorthin exportieren wollen. Selbstverständlich sind hier unsere eigenen Interessen identisch mit den Interessen der Entwicklungsländer. Dies muß gelernt werden.
    Deshalb fördern wir die Voraussetzungen für deren wirtschaftliche Stärke. Wir unterstützen Produktionen zur bedeutsameren Versorgung der Bevölkerung in den Ländern der Dritten Welt. Denn Produktion ist dort Voraussetzung für mehr Kaufkraft. Wir fördern die Weiterverarbeitung von Rohstoffen und die Herstellung von Waren für den Handel der Entwicklungsländer mit uns. Aber wir wollen auch von Jahr zu Jahr mehr Projekte fördern, die den Handel der Entwicklungsländer untereinander stärken. Denn schließlich sind ja die Entwicklungsländer selber der größte Markt der Welt.
    Wir unterstützen den Wunsch der Entwicklungsländer nach stabilen volkswirtschaftlichen Einkommen durch Regelungen im Bereich der Rohstoffe und durch Stabilisierung der Exporterlöse. Wir erleichtern ihre Schuldenlast. Wir überdenken Möglichkeiten, wie wir den sogenannten Schwellenländern — die schon fast in der Lage sind, mit den eigenen Problemen fertig zu werden — bei der Lösung Ihrer Probleme in spezifischer Weise helfen können, den Schwellenländern in Lateinamerika, im Mittelmeerraum, in Asien und selbstverständlich auch in Afrika.
    Wir übertragen unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit in Form von technischem Wissen und Kapital. Weil der Bedarf an technischem Wissen und an Kapital in der Dritten Welt groß ist, wollen wir, daß sich viele andere bei dieser Leistungsübertragung beteiligen, z. B. unsere deutsche Wirtschaft. Denn sie verfügt über größere Kapazitäten als der Staat. Die Dritte Welt hat längst begriffen, daß mehr Teilhabe an der Weltwirtschaft mehr Wohlstand bedeutet. Es wird selten genug ausgesprochen, daß das Ziel der Entwicklungsländer bei der Neuordnung der Weltwirtschaft praktisch nichts anderes als ihre stärkere Integration in die Weltwirtschaft ist.

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Das ist falsch, schlicht und einfach falsch!)

    — Das ist richtig. Auch wenn es für einige Vertreter der Opposition schwer zu begreifen ist, Herr Todenhöfer, ist es doch so, daß unser Wohlstand eng mit unserer Integration in die Weltwirtschaft verbunden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn das für uns gilt, muß es doch auch für die Entwicklungsländer gelten. Wir können nicht mehr zurück; es gibt kein Zurück. Der Preis für mehr Autarkie wäre Armut. Also gehen wir vorwärts, Herr Kollege Köhler. Aber das ist ja weniger unser Problem als Ihres, wie ich meine.
    Für uns bedeutet dies, daß wir den Entwicklungsländern stärker unsere Märkte öffnen müssen. Wir sehen, daß unsere Partner in der Europäischen Gemeinschaft hier schneller an Grenzen stoßen, als uns lieb ist. Wir bemühen uns in der Europäischen Gemeinschaft nachweisbar um verstärkte Koordinierung und Harmonisierung der einzelnen Politiken, und wir sind, wie ich meine, auf einem Weg nach vorn.
    Ich wiederhole: Bei der Lösung wirtschaftlicher Fragen sind die Interessen der Industrieländer und der Entwicklungsländer unauflöslich miteinander verbunden. Es ist unabdingbar geworden, für gemeinsame Fragen, für gemeinsame Probleme gemeinsame Lösungen und Antworten zu finden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die berechtigten Forderungen der Dritten Welt,
    nämlich der Mehrheit der Menschen und der Mehr-



    Bundesminister Frau Schlei
    heit der Völker, nach größerer Teilhabe an der Weltwirtschaft lassen sich aus diesem Zusammenhang nicht mehr herauslösen.
    Die Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, die vor drei Wochen in Paris zu Ende ging, ist dabei einen Schritt in einem sehr, sehr langen Abstimmungsprozeß, in dem beide Seiten noch viel mehr über Abhängigkeit voneinander zu lernen haben, vorwärts gekommen. Es kommt nicht von ungefähr, daß die Entwicklungskommission, die neben den Kommissionen für Energie, Finanzen und Rohstoffe tagte, den verhältnismäßig größten Erfolg zu verzeichnen hatte, und zwar im Bereich der industriellen Zusammenarbeit, bei der Landwirtschaft und Ernährung, beim Aufbau der Infrastruktur, bei der Förderung von Wissenschaft und Technologie und nicht zuletzt beim Volumen und bei den Bedingungen der Entwicklungszusammenarbeit. Ich meine, Entwicklungspolitikern ist die Kenntnis der Interessengleichheit, des Interessenausgleichs, der Tatsache, daß bei solchen Konferenzen niemand am längeren Hebel sitzt, nichts Neues. Ich meine deshalb auch, es wäre möglich, daß die Entwicklungspolitiker in Zukunft Schrittmacher für das Bewältigen von Dialogformen sind.
    Die finanzielle Sonderaktion der Industrieländer mit dem Volumen von 1 Milliarde Dollar für die ärmsten Länder hat wesentlich zum feststellbaren Ergebnis dieser Konferenz beigetragen. Der Beitrag der Bundesrepublik dazu in Höhe von 300 Millionen DM ist vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages einstimmig, rechtzeitig und als zusätzliche Leistung beschlossen worden. Dafür ist dem Parlament Dank zu sagen. Sie, meine Damen und Herren, haben ihre Mitverantwortung auch in diesem Teilbereich der Entwicklungspolitik bewiesen. Es ist wesentlich, daß diese Sonderaktionsleistung als eine einvernehmliche Leistung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vereinbart werden konnte.
    Der Jahrestag des Marshall-Plans am 5. Juni dieses Jahres hat uns daran erinnert, daß wir gut daran täten, unsere Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern auch auf jene internationale Solidarität zu gründen, ohne die nach 1945 der Aufbau unserer Wirtschaft nicht in dieser Weise, wie es gelang, ermöglicht worden wäre. Wir sind in dieser Meinung von vielen internationalen Politikern bestätigt worden. Ich denke, wir alle haben durch den Marshall-Plan gelernt, daß sich Eigeninteresse und Solidarität durchaus verbinden lassen. Wenn das so ist, dann muß das heute auch für die Entwicklungsländer gelten.
    Unser entwicklungspolitisches Konzept stellt den Schutz des schwächeren Partners an die erste Stelle. Das schlägt sich in der Rahmenplanung praktisch nieder, die die Bundesregierung jedes Jahr dem Parlament, dem entsprechenden Ausschuß, vorlegt. Wir zeigen in dieser Rahmenplanung sehr frühzeitig die Schwerpunkte unserer Bemühungen auf. Wenn wir etwas gegen die Armut, wenn wir etwas gegen die Entwürdigung des Menschen durch die absolute Armut tun wollen, müssen wir einen großen, einen größeren Teil unserer Hilfe den ärmsten Entwicklungsländern und den am meisten benachteiligten Gruppen in den Entwicklungsländern zukommen lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist nicht immer einfach, weil die Souveränität der einzelnen Staaten von uns voll respektiert wird und weil manches Industrieprojekt lieber genommen wird als ein landwirtschaftliches Projekt. Wir aber müssen auf diesen Grundzielen bestehen. Sie müssen für unsere Arbeit mit den Partnern in Asien, in Lateinamerika und gleichermaßen in Afrika gelten. Ländliche Entwicklung muß an erster Stelle stehen; denn sie allein verbessert die Lebensbedingungen der weitaus größten Bevölkerungsgruppen am nachdrücklichsten. Sie erleichtert auch ganz besonders das Los der Frau. Nur die Einbeziehung der Frauen in den Entwicklungsprozeß, die Förderung ihrer Bildung und Ausbildung, die Entwicklung eines tragfähigen Sozialsystems bilden die Chance, der sogenannten Bevölkerungsexplosion, und zwar auf eine humane Weise, zu begegnen.
    Darauf hat jüngst der Weltbankpräsident McNamara verwiesen. Er hat erklärt, es sei keineswegs ersichtlich, daß der Hunger die Folge der angeblichen Uberbevölkerung sei. Er meint, angesichts der biologischen und ökonomischen Fakten springe ins Auge, daß vielmehr das Gegenteil wahr sei, daß die Uberbevölkerung eine Folge des Hungers sei. Der Hunger, so wird gesagt, erhöhe nicht nur die Sterblichkeit, sondern in viel größerem Maße die Fruchtbarkeit.
    Wenn wir dazu beitragen, die konkreten Bedürfnisse einzelner Menschen konkret zu erfüllen, lindern wir nicht nur Not, beseitigen wir nicht nur die absolute Armut, sondern dann geben wir ganzen Gruppen und natürlich dem einzelnen mehr Möglichkeiten für Lebensplanung, für Selbstverwirklichung und damit selbstverständlich auch Sicherheit für die Zukunft ihrer Länder.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist ein sehr hoher Anspruch. Er fordert Solidarität. Ich bin deshalb besonders den Gruppen und Institutionen in unserem Land dankbar, daß sie sich dieser Aufgabe angenommen haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie tragen in oft selbstloser Weise dazu bei, diese Aufgabe — zum Teil für uns mit — zu verwirklichen. Ihr Einsatz muß als eine ganz unentbehrliche Ergänzung der staatlichen Aufgabe angesehen werden.
    Ich möchte an erster Stelle den Kirchen danken sie nennen, weil sie in vorbildlicher Weise etwas leisten, wozu sich auch Stiftungen und freie Träges entschlossen haben. Ihre Einstellung wurde in die. sen Tagen durch einen Vertreter der Evangelischer Kirche so formuliert: Hilfe ist nicht an politische gesellschaftliche oder religiöse Bindungen geknüpft, sondern nur daran, daß Menschen, die Not



    Bundesminister Frau Schlei
    leiden, darauf warten, daß wir ihnen zum Nächsten werden.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Am Gesamtergebnis des Einzelplans 23 können auch Kritiker erkennen, daß diese Regierung zu ihren Ankündigungen aus der Regierungserklärung steht. Es ist ein Baransatz von 3,25 Milliarden DM vorgesehen. Unsere Verpflichtungsermächtigungen, d. h. unsere Möglichkeiten, zukünftige Ausgaben zu planen, sind im Laufe eines Jahres auf 6,2 Milliarden DM erhöht worden. Das Parlament hat dann aber darüber hinaus 440 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt. Ich finde, dies ist eine Leistung. Sie muß unseren Bürgern deutlich gemacht werden. Wir müssen diese Leistung gemeinsam vor der Öffentlichkeit vertreten. Das können wir, weil Sie mit die Garantie dafür übernehmen, daß diese Mittel vernünftig ausgegeben werden.
    Ein großer Teil dieser Verpflichtungsermächtigungen ist für die der Weltbank angeschlossene Internationale Entwicklungsorganisation bestimmt. Wir nennen sie abgekürzt in unserem Sprachgebrauch IDA. Diese internationale Organisation, bekannt für ihre präzise und solide Arbeit, wird dafür sorgen, daß dieser hohe Betrag, eingebracht in eine Gemeinschaftsleistung der Industrienationen, den ärmeren Entwicklungsländern zugute kommt. Mit der Aufstockung des in der Weltbank zur Verfügung stehenden Finanzvolumens haben wir einen bedeutsamen Beitrag geleistet, weil wir unsere Leistung rechtzeitig und pünktlich erbracht haben. Wir haben damit — so sagt es McNamara — anderen Nationen einen Impuls gegeben, zur rechten Zeit das Ihre zu tun.
    Wir haben unsere Leistungen für UNDP um 25 % steigern können. Ich weiß, daß Bradford Morse sie getreu und präzise für technische Projekte in der gesamten Welt verwenden wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Bei uns wächst die Bereitschaft, die Entwicklungsländer bei der Erschließung ihrer Rohstoffquellen und beim Absatz ihrer Produkte auf unseren Märkten zu unterstützen. Dies kann ich mit Dank auch für unsere Gewerkschaften feststellen, die sich verpflichtet haben, mit mir in Seminaren die schwierige Problematik der Entwicklungspolitik ihren Mitgliedern zu vermitteln.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Dritte Welt bestellt bei uns industrielle Produkte, die sie für den eigenen Aufbau braucht, aber nicht selber herstellen kann. Die Arbeitsplätze, die so bei uns gesichert werden, und der Spielraum, den wir dadurch für den notwendigen Strukturwandel in unserer Arbeitswelt gewinnen, sind innenpolitische Erfolge, die zusätzliche Hilfe für Entwicklungsländer rechtfertigen und die Sie mit Stolz den Bürgern gegenüber vertreten sollten. Ich sehe hier noch nicht alle Möglichkeiten voll ausgeschöpft, die dem Staat und der deutschen Wirtschaft zur Verfügung stehen.
    Die Parteien haben sich dankenswerterweise inzwischen zum Ziel der Übertragung von öffentlicher Hilfe in Höhe von 0,7 °/o des Bruttosozialprodukts bekannt. Wir werden gemeinsam überlegen müssen — und wir werden dies vielleicht als eine nationale, gemeinsame Aufgabe begreifen —, wie wir diesem Ziel zügig näherkommen können. Regierung und Parlament haben in diesem Jahr gezeigt, welche Mittel sich bei Anspannung aller Kräfte zusätzlich mobilisieren lassen.
    Nun, weil es Sie, hoffe ich, sehr interessiert, noch ein Wort zu unserem Beitrag zur Afrikapolitik dieser Bundesregierung. Am Montag habe ich mit dem Präsidenten der Befreiungsbewegung ZAPU — Zimbabwe African People's Union —, Joshua Nkomo, gesprochen. Wir hatten bereits im April dieses Jahres in Sambia ein dreistündiges Gespräch. Nkomo ist der Vertreter des Volkes von Zimbabwe, das auf seine Freiheit wartet

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Ein radikaler Vertreter, nicht d e r Vertreter!)

    und das dann, wenn es seine Freiheit hat, seine Blockfreiheit behalten will.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Woher wissen Sie das?)

    Wir wollen ihn dabei unterstützen und dazu beitragen, daß dieses Volk, wenn es unabhängig ist, in der Lage sein wird, seinen eigenen Weg ohne Einflußnahme von irgendeiner Seite zu gehen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wer sich so entschieden für seine Unabhängigkeit einsetzt, will sich dann nicht ohne Not in neue Abhängigkeit drängen lassen. Und Sie müssen sich fragen lassen, ob Sie bittend hingehaltene Hände leer lassen wollen, ob das eine Auffassung von Menschenrechten, Menschenwürde und Mitbestimmung ist, die in einem Volk gültig bleiben darf, das selber die Welt in eine große Unruhe, in einen weltweiten Krieg gestürzt hat, weil es auch bereit war, rassistisch zu handeln. Dieses Thema ist, wie es scheint, noch heute ein kompliziertes Thema, obwohl jeder seit 1945 die Ergebnisse von Rassismus im Leiden des eigenen Volkes wiederfinden kann.
    Die Bundesregierung hat als Mitglied des Sicherheitsrates der UNO bei der Maputo-Konferenz mit Vertretern der wichtigsten Befreiungsbewegungen an einem Tisch gesessen. Wir können ohne eine Zusammenarbeit mit den Befreiungsbewegungen nicht über unsere zukünftige Zusammenarbeit mit den Staaten im südlichen Afrika entscheiden; dies muß klar sein.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Unsere Entwicklungspolitik steht auch hier im Einklang mit unseren außenpolitischen Grundsätzen, wie sie in verschiedenen bedeutsamen Konferenzen durch unseren Außenminister Hans-Dietrich Genscher formuliert worden sind. Ich erinnere nur an seine Rede vor den UN im September 1976, wo er das Thema „Menschenrechte" in einer Grundsatz-



    Bundesminister Frau Schlei
    form erörtert hat, die wir noch öfter zur Kenntnis nehmen sollten.
    Wir haben mit die Verantwortung, das Leid zu mildern, soweit es sich überhaupt mildern läßt, solange den Menschen dort im südlichen Afrika das Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten bleibt. Diese Politik, die eine Politik des Verzichts auf Gewaltanwendung, eine Politik des Verzichts auf Waffenlieferungen ist, wird in Afrika verstanden. Die Kirchen in unserem Lande verstehen sie auch. Ich hoffe, die Christen in der Politik sind auch in der Lage, sie zu verstehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Uns allen sollte daran gelegen sein, daß die Glaubwürdigkeit der westlichen Länder im südlichen Afrika, die seit dieser Maputo-Konferenz zugenommen hat, erhalten bleibt. Dann, wenn der Westen sein Engagement für die Dekolonialisierung und gegen den Rassismus im südlichen Afrika ernst nimmt — so ernst, daß er dazu mit allen Konsequenzen steht —, wird auch die Hilfe, die der Ostblock dorthin liefert, nämlich Waffen, an Wert einbüßen, wird sich auch dort der Beitrag der kommunistischen Länder daran messen lassen müssen, was er zu einer friedlichen Entwicklung der Region beiträgt.
    Aber das westliche System ist, wie Präsident Kaunda hier in Bonn kürzlich zum Ausdruck brachte, wenig wert, wenn es die legitimen Rechte anderer nicht auch auf die eigenen Fahnen schreibt. Dies gilt für die politischen Rechte der schwarzen Mehrheiten ebenso wie für die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Menschen in der Dritten Welt und die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft. An dem, was wir gegenüber der Dritten Welt leisten werden, wird gemessen, was wir unter Demokratie, Freiheit, Menschenwürde und Menschenrecht verstehen. Die Menschen der Dritten Welt, zwei Drittel der gesamten Menschheit, setzen ihre Hoffnung auf uns, und nun müssen wir uns dazu ansehen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Todenhöfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Todenhöfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich nach dem allgemeinen Querschnitt durch die gesamte Entwicklungspolitik, den Entwicklungsminister Schlei dem Hohen Hause vorgelegt hat, aus dem großen Feld der Nord-Süd-Politik zwei Bereiche herausgreifen, die von Minister Schlei angesprochen wurden: die deutsche Afrika-Politik und den sogenannten Nord-Süd-Dialog.
    Durch die sowjetische Offensive sowohl in Afrika wie im Indischen Ozean und durch die vorhandenen Konfliktherde im südlichen Afrika, am Kap Horn, in Nahost, am Persischen Golf und in Südostasien sind für unsere militärische Sicherheit und für die Versorgungssicherheit unseres Landes mit Rohstoffen neue Belastungen und Gefährdungen geschaffen worden. Eine besondere Komponente hat diese kommunistische Offensive in der Dritten Welt für uns dadurch erhalten, daß die DDR im Rahmen der sowjetischen Gesamtstrategie eine wachsende Bedeutung gewonnen hat. Das gilt für die Tätigkeit politischer Berater, militärischer Berater und Ausbilder in Algerien, Libyen, Somalia sowie insbesondere in Mozambique und Angola, hier in Zusammenarbeit mit den Sowjetrussen und den Kubanern.
    Die Bundesregierung hat auf diese neue Entwicklung, vor allem in Afrika, völlig hilflos und meines Erachtens unzureichend reagiert. Sie leistet insbesondere weiterhin in völlig undifferenzierter Weise - ich unterstreiche: in undifferenzierter Weise —Entwicklungshilfe an kommunistische Regierungen, ferner an Länder, die mit sowjetischer oder kubanischer Hilfe Guerillakämpfer für dritte Länder ausbilden, und neuerdings auch humanitäre Hilfe an sogenannte Befreiungsbewegungen. Die Bundesregierung behauptet — auch bei Frau Minister Schlei ist das heute angeklungen —, sie wolle mit Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe die Unabhängigkeit dieser Staaten und der betreffenden Befreiungsbewegungen fördern. Dies ist angesichts der massiven Waffenhilfe der Sowjetunion und anderer kommunistischer Staaten für diese Länder und Befreiungsbewegungen sehr wenig überzeugend. Das politische Ergebnis ist de facto, daß wir durch unsere Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe diesen Ländern und Befreiungsbewegungen die Möglichkeit geben, sich zusätzlich Waffen bei der Sowjetunion und anderen kommunistischen Staaten zu verschaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Das ist doch kalter Kaffee!)

    Völlig unzulänglich ist bisher die Position der Bundesregierung gegenüber Südafrika. Auch die CDU/CSU lehnt die Politik der Apartheid ab.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Auf Grund der traditionellen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen unseres Landes zu Südafrika hätte die Bundesregierung jedoch die Chance gehabt, auf eine Änderung der südafrikanischen Politik so einzuwirken, daß eine Entschärfung des Konflikts möglich gewesen wäre. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, daß die Bundesregierung nicht einfach die zum Teil politisch völlig unbrauchbaren Vorstellungen der Mehrheit der Vereinten Nationen übernommen hätte. Es muß hier klar gesagt werden: insbesondere die undifferenzierte Realisierung des reinen Mehrheitsprinzips für Südafrika kann die Probleme dieses Landes nicht lösen, da hierfür die politischen, die wirtschaftlichen, die sozialen und die kulturellen Voraussetzungen fehlen. Die Bundesregierung hätte vielmehr gegenüber den USA und der Europäischen Gemeinschaft initiativ werden müssen mit dem Ziel, der weißen Bevölkerung in Südafrika die politische, militärische und wirtschaftliche Absicherung dafür zu geben, daß auch bei einer großen politischen Lösung des Südafrika-Problems die weiße Bevölkerung nicht nur kulturell, sondern auch politisch weiter bestehen kann. Ein solches Angebot an die weiße Bevölke-



    Dr. Todenhöfer
    rung hätte durch ein Angebot einer umfassenden wirtschaftlichen Aufbauhilfe an die schwarze Bevölkerung ergänzt werden können. Die bloße Achtung der südafrikanischen Rassenpolitik, wie sie die SPD/ FDP betreiben, ohne zugleich eine für alle Gruppen der südafrikanischen Bevölkerung annehmbare Alternative aufzuzeigen, trägt nicht zu einem inner-südafrikanischen Ausgleich bei. Sie führt im Gegenteil zu einer Verschärfung der Situation, da die undifferenzierte Unterstützung des Prinzips „one man, one vote" auf eine an die weiße Bevölkerungsgruppe Südafrikas gerichtete Aufforderung zur politischen Selbstaufgabe hinausläuft. Das aber kann niemand ernsthaft von der weißen Bevölkerung Südafrikas verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung war in allen diesen Fragen sehr wenig konstruktiv: Die Forderung nach kollektivem Selbstbestimmungsrecht, die von den schwarzen Mehrheiten im südlichen Afrika erhoben wird, wird von der Bundesregierung und von den meisten westlichen Industrieländern übernommen, ohne daß gleichzeitig die Notwendigkeit der Sicherung des individuellen Selbstbestimmungsrechts betont wird. Dieses individuelle Selbstbestimmungsrecht sowie das Recht der Minderheiten werden zur Zeit sowohl in Angola wie auch Mozambique mit Füßen getreten, ohne daß die westlichen Industrieländer oder die Bundesregierung dagegen im Rahmen der Diskussion über das südliche Afrika jemals ihre Stimme erhoben hätten.

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Herr Todenhöfer, Sie sprechen für sich alleine und nicht für die Fraktion!)

    Ich frage Sie: Wann ist die Bundesregierung jemals mit derselben Entschlossenheit für die Verwirklichung der individuellen Menschenrechte im südlichen Afrika eingetreten wie für die Abschaffung der Apartheid?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung hat bisher auch nichts getan, um die gemäßigten Führer und Gruppen der schwarzen Bevölkerung oder der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika zu unterstützen und international aufzuwerten. Das wäre ein konstruktiver Beitrag zum Abbau der Probleme im südlichen Afrika gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung hat im Gegenteil mit ihrer Politik in erster Linie die radikalen, marxistisch orientierten Befreiungsbewegungen unterstützt und aufgewertet. Die Bundesregierung hat beispielsweise vor kurzem über die sambische Regierung humanitäre Hilfe für die rhodesischen Befreiungsbewegungen in Aussicht gestellt, obwohl sie sich bewußt war, daß die sambische Regierung nur die radikale marxistische patriotische Front anerkennt und nur dieser Hilfe von außen zukommen lassen würde, und daß dabei z. B. der gemäßigte Führer Bischof Muzorewa leer ausgehen würde.