Rede von
Dr.
Helmut
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Bemerkungen meines Vorredners können hier nicht unwidersprochen bleiben. Deswegen habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet. In der Sache selbst braucht man über diese Rede wirklich nichts weiter zu sagen. Hier hat einmal mehr ein Mann seine Komplexe abreagiert, der in Bayern zur Minderheit verdammt ist und das hier in Bonn austragen muß.
Ich will auch an die persönlichen Gehässigkeiten, mit denen der Abgeordnete Friedrich inzwischen bundesweit bekannt ist, keine weitere Bemerkung anschließen.
Wenn Sie, Herr Friedrich, gelegentlich von der Gemeinsamkeit in der Außenpolitik sprechen: Es gibt wenige in diesem Hause — ich betone das: wenige —, die so wenig Beitrag zur Gemeinsamkeit leisten, wie Sie das tun.
Ich bin gern bereit, das jederzeit auch außerhalb des Hauses mit Ihnen auszutragen.
Angesichts Ihrer systematischen Verleumdungskampagne gegen die Union will ich doch darauf hinweisen — gerade weil Sie sich in einem bestimmten Zusammenhang auch in einer Begegnung mit Polen vor einigen Tagen, etwas diffiziler als sonst in der Öffentlichkeit, aber aus Ihrer Sicht mit gleichbleibendem Wert, dazu geäußert haben —, daß wir selbstverständlich, wie immer die Verträge zustande gekommen sind, wie die Verhandlungen waren, wie unsere Kritik war, zu jedem Zeitpunkt gesagt haben, daß die Verträge von Moskau und Warschau von einer rechtmäßig gewählten Regierung rechtmäßig abgeschlossen wurden und daß sie selbstverständlich geltendes Recht sind. Sie haben nicht das Recht — das will ich Ihnen hier einmal auch für das Protokoll des Bundestages sagen —, in einer solchen Weise aufrechte deutsche Demokraten, deren Kritik Sie wegen Ihres politischen Tuns fürchten müssen, fortdauernd zu diffamieren, wie Sie das zu tun belieben.
Zweitens. Einen Parteitag wie den, den die CDU in Düsseldorf hatte, können Sie natürlich nicht durchführen. Da ginge es bei Ihnen drunter und drüber, von Bayern angefangen bis hin zur Bundespartei. Ich muß Ihnen schlicht und einfach sagen: Ich verbitte mir als Vorsitzender der CDU, daß Sie den Inhalt dieser Entschließung in so falscher Weise zitieren, wie Sie es hier getan haben. Für uns ist im Zusammenhang mit der hier angesprochenen Frage — das gilt für die CDU wie für die CSU — das gemeinsame Wahlprogramm maßgebend;, ich habe nicht ohne Grund gesagt: das offizielle Wahlprogramm der CDU und CSU. Ich erwarte von Ihnen nicht, daß Sie dieses Wahlprogramm lesen — Sie haben im Zweifelsfall Ihr eigenes überhaupt nicht gelesen —,
: Sie sind ein Flegel!)
sondern ich erwarte von Ihnen nur, daß Sie, wenn Sie zitieren, korrekt zitieren. — Herr Kollege Wehner, in den Wettstreit darüber, wer ein Flegel ist, trete ich mit Ihnen jederzeit gern ein; damit das klar ist!
Drittens. Ich lege Wert auf die Feststellung, daß Sie auf die wiederholte Frage des Kollegen Mertes hier wörtlich erklärt haben, daß für Sie die Entschließung vom 17. Mai 1972 eine Krücke sei.
— Entschuldigung, Sie haben zunächst gesagt, daß dies eine Krücke sei, und Sie haben dann erklärt, daß es eine Krücke sei, um uns eine bestimmte Politik zu ermöglichen. Aber diese Entschließung trägt in Ihrer Formulierung und in Ihrem Ansehen die Bezeichnung Krücke. Herr Bundesaußenminister, ich erwarte, daß die Bundesregierung jetzt in ihrer Schlußreplik zu Ihrem Etat auf diese Äußerung des Abgeordneten Friedrich eingeht. Ich stelle Ihnen ganz konkret die Frage, oh Sie — erstens — die Formulierung „Krücke" für diese gemeinsame Entschließung, der damals die Bundesregierung nach den Worten Ihres Vorgängers und des damaligen Bundeskanzlers einen eigenen Rang einräumen wollte — und ich unterstelle, daß sie den auch eingeräumt hat —, für angemessen halten. Zweitens darf ich Sie noch einmal um eine Interpretation der Bundesregierung zu dem Rang dieses Schriftstücks bitten, den es heute aus ihrer Sicht einnimmt. Ich bitte Sie sehr herzlich, diese beiden Fragen zu beantworten. Denn, meine Damen und Herren, ich möchte nicht zulassen, daß auf dem Wege zur verbrannten Erde im Bereich der deutschen Außenpolitik Weggenossen wie der Abgeordnete Friedrich unwidersprochen ihr in jeder Weise gefährliches Tun fortsetzen können.