Rede von
Erich
Wolfram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Was wir vor der Mittagspause gehört haben, war die erste Rede des neuen energiepolitischen Sprechers der CDU/CSU-Opposition. In der sehr sachlichen Debatte des Vormittages waren wir alle gespannt, was die Opposition zu dem sehr aktuellen und wichtigen Thema der Energiepolitik zu sagen hat. Vor allem erwarteten wir — sicherlich auch die Öffentlichkeit — wenigstens die Ansätze eines energiepolitischen Konzepts der Opposition. Aber es kam nichts. In einem undifferenzierten Rundschlag hat Herr Dr. Narjes die Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen, die SPD und FDP, unqualifiziert angegriffen, selbst aber keine konkreten energiepolitischen Aussagen gemacht.
Es gibt zwei Deutungsmöglichkeiten zum Verhalten von Herrn Dr. Narjes. Er ist zwar im Augenblick nicht anwesend, aber ich hoffe, er kommt noch. Denn ich würde ihn gern persönlich ansprechen. Die erste Deutungsmöglichkeit ist die: Herr Dr. Narjes wollte Herrn Strauß beweisen, daß er von der Konfliktstrategie à la Kreuth etwas versteht. Die zweite Möglichkeit — sie ist in der Mittagspause scherzhaft kolportiert worden —: Herr Dr. Narjes hat sich selbst als alternative Energiequelle präsentiert: Er hat viel Wind produziert.
Einen ernst zu nehmenden Diskussionsbeitrag hat Herr Dr. Narjes jedenfalls nicht geleistet. Er hat ein Horrorgemälde gemalt. Er hat das Urteil von Bundesminister Friderichs, es werde diffamiert — das aus CDU/CSU-Reihen bestritten wurde —, schlagkräftig bestätigt. Seine Unterstellungen sind unberechtigt und falsch.
Es gibt keine mangelhafte Einordnung der deutschen Energiepolitik in die internationale Energiepolitik. Richtig ist vielmehr, daß unsere Energiepolitik für viele Länder Vorbild ist. Initiativen des Bundeskanzlers und des Bundeswirtschaftsministers auf internationaler Ebene haben zu einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit geführt. Unsere Energiepolitik ist zentraler Bestandteil unserer Wirtschafts-, Struktur- und Beschäftigungspolitik.
Die Bundesregierung setzt ihre energiepolitischen Vorstellungen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten und Zuständigkeiten und unter Berücksichtigung ordnungspolitischer Vorstellungen durch. Die Unterstellung von Herrn Dr. Narjes, wir würden aus parteipolitischer Schwäche Engpässe und Lücken in der Stromversorgung hinnehmen, ist unerhört. Gerade wir Sozialdemokraten sind es in den letzten Jahren gewesen, die immer wieder auf die Notwendigkeit des Baues neuer Kraftwerke, vor allem Kohlekraftwerke, hingewiesen haben.
Wir haben das Lob von Dr. Narjes für Carters Energieprogramm mit Interesse zur Kenntnis genommen. Aber es würde uns interessieren, von Ihnen zu erfahren — Herr Schmidhuber, Sie kommen ja nach mir und können antworten —, ob die Opposition alle in Carters Programm enthaltenen dirigistischen Elemente befürwortet.
Endgültig abgewertet hat sich Herr Dr. Narjes mit seiner Aussage, „die Bundesregierung biete dem deutschen Volk eine klägliche Mischung von blindem Provinzialismus, biederer Technokratie und Entschlußlosigkeit". Er hat sich abqualifiziert mit seinen Angriffen auf die Minister Friderichs und Maihofer. Hier hört jedwedes Verständnis auf.
Hier kann ein Mann wie Dr. Narjes, der es als langjähriger Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses besser wissen müßte, nicht mehr in Anspruch nehmen, doch ernst genommen zu werden.
Sie, Herr Dr. Narjes, sind nach dieser Rede kein ernst zu nehmender energiepolitischer Diskussionspartner.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 31! Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1977 2285
Wolfram
Dieses Urteil wird noch dadurch verstärkt, daß in der Rede nicht eine einzige konkrete Alternative enthalten war. Wir — das sage ich für die sozialdemokratische Fraktion — bedauern das, weil wir gehofft hatten, daß es zwischen Regierungskoalition und Opposition zu einem ernsten Dialog in diesen für unser Volk lebenswichtigen Fragen kommt. Bislang jedenfalls hat die Opposition die Chance nicht genutzt.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Riesenhuber sagen, der heute seine Jungfernrede im Parlament gehalten hat, wozu wir ihn beglückwünschen. Herr Dr. Riesenhuber war widersprüchlich. Er hat einerseits behauptet, die Antworten seien unbefriedigend, in den Antworten stehe nichts Konkretes. Auf der anderen Seite und im gleichen Zusammenhang hat er erklärt, die CDU/CSU stimme den meisten Punkten zu. Das paßt ja wohl nicht auf eine Latte.
Sie, Herr Dr. Riesenhuber, haben kritisiert, die Bundesregierung prüfe zuviel, und Sie haben den von uns aufmerksam zur Kenntnis genommenen Satz ausgesprochen, „daß die Salzstöcke in Niedersachsen für die Endlagerung besonders geeignet wären". Sie haben im gleichen Atemzuge verschwiegen, daß Ihr Parteifreund, der niedersächsische Ministerpräsident, prüft und prüft und prüft und keine Stellung bezieht.
— Ja, ja, einen, ja, natürlich.
Wissen Sie, ich nehme für mich in Anspruch, ein fleißiger Arbeiter zu sein, und ich unterstelle Ihnen das gleiche. Ich nehme auch hier in Anspruch, fleißig gearbeitet zu haben.
Herr Dr. Riesenhuber, wenn auf energiepolitischem Gebiet alles so einfach wäre, wie Sie sich das vorstellen, sähe die Welt besser aus.
Ich frage mich einmal mehr, meine Damen und Herren von der Opposition: Woher nehmen Sie eigentlich den Mut, dieser Bundesregierung vorzuwerfen, sie würde energiepolitisch nicht handeln? Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß CDU und CSU ein hohes Maß an Verantwortung für viele der Schwierigkeiten tragen, mit denen wir es heute zu tun haben.
Professor Erhard, ein geschätzter Kollege, hat doch auf energiepolitischem Gebiet — das darf man bei allem Respekt vor diesem Mann in Erinnerung rufen — völlig versagt. Professor Erhard hat einen ruinösen Wettbewerb, einen Verdrängungswettbewerb des Öls gegenüber der Kohle zugelassen. Er hat Zechenstillegungen und Kapazitätsvernichtungen als ein Gebot — ich zitiere wörtlich — „vernünftigen wirtschaftlichen Verhaltens" bezeichnet. Er hat Schutzmaßnahmen, deren Zweck es gewesen wäre, den Bestand des Fördervolumens zu gewährleisten, abgelehnt. Er hat alle Warnungen, Ratschläge und Forderungen der Sozialdemokraten, vor allem von Dr. Heinrich Deist und Walter Arendt, „aus volkswirtschaftlichen Gründen den heimischen Bergbau zu stützen und zu fördern", „die Kohle als wichtigen Rohstoff zu erhalten und die Förderkapazität auszubauen", „den Bergbau gegen Störungen am Weltmarkt zu schützen", „ihn zum Kampf gegen die Mineralölwirtschaft zu rüsten" — alles wörtliche Zitate aus Bundestagsdebatten —, in den Wind geschlagen, und nichts anderes haben sein Nachfolger Schmücker und die gesamte CDU/CSU getan.
Meine Damen und Herren, zu diesem Kapitel ist nur zu sagen: Wir zahlen heute für die Sünden und Unzulänglichkeiten der CDU/CSU-Politik in den 50er und 60er Jahren.