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ID0802611500

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von Friedrich Hölscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blüm, wir haben nicht so viele Sozialpolitiker. Wir sind aber ein besonders wirksames mittelständisches Unternehmen und müssen mit unseren Kräften haushalten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Kleinstunternehmen!)

    Ich will mich auf die vorliegenden Anträge konzentrieren. Im Rahmen unserer wirksamen Aufgabenteilung wird einen Teil der überzeugenden Antworten des kleinen Koalitionspartners der Kollege Cronenberg vertreten.
    Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. So ganz kann ich das mit dem sozialistisch-dirigistischen staatlichen Gesundheitsdienst und das, was es da so alles an Schreckensetiketten gibt, nicht mehr ernst nehmen. Ich kann nur feststellen: In dieser Darstellung steht die Opposition mal wieder allein da, ähnlich wie sie in der Frage des Beitritts zur Schlußakte von Helsinki isoliert war. Damals hatten Sie wenigstens Albanien auf Ihrer Seite. Jetzt haben Sie nur noch die niedergelassenen Ärzte auf Ihrer Seite. Ich will damit nicht die niedergelassenen Ärzte verunglimpfen. Aber in beiden .Fällen ging es um sehr vordergründige Interessen. Bei Albanien ging es darum, als Vorposten Chinas

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — das hat ein anderer mal gesagt — gegen den Ausgleich in Europa zu sein. Bei den Ärzten ist es sicher legitim, dagegen zu kämpfen, daß möglicherweise rasende Zuwachsraten wie in der Vergangenheit nicht mehr eintreten werden.
    Aber wenn das alles sozialistisch und dirigistisch ist, dann ist ja wohl die Bundesvereinigung' der deutschen Arbeitgeberverbände inzwischen eine sozialistische Kaderschmiede; denn Sie wissen, daß sich die Vertreter der deutschen Arbeitgeber sehr überzeugend für die Bundesempfehlungen auf der Grundlage des Regierungsentwurfs ausgesprochen haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Nun ja, das mögen Sie selbst beurteilen. Ich persönlich bin der Meinung: Das ist wirklich die letzte Möglichkeit, dieses bis zur Stunde und auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes freiheitliche Gesundheitssystem zu erhalten. Geschieht jetzt nichts — von verbalen Übungen auf Parteitagen haben



    Hölscher
    wir, glaube ich, alle genug — auf gesetzlicher Grundlage, dann allerdings kommt die Stunde sehr schnell, wo staatliche Eingriffe einfach unabwendbar sind, weil manches im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang nicht mehr zu vertreten und vor allen Dingen zu finanzieren ist.
    Ich muß noch einmal sagen: Unsere Bundesempfehlungen sind schon deshalb nicht dirigistisch, weil sie nicht durch die Parlamente oder durch die Regierungen verabschiedet werden, sondern durch die Selbstverwaltung, d. h. durch diejenigen, die sowohl über Leistungen entscheiden als auch Leistungen empfangen, sowie schließlich durch diejenigen, die für die wirtschaftliche Verwendung von Beiträgen verantwortlich sind. Was da dirigistisch ist, verstehe ich bis zur Stunde nicht.
    Auch der Arzneimitteldeckel ist ein Selbstverwaltungsinstrument, wenn wir den Umfang der Arzneimittelverordnungen im Rahmen einer Empfehlung durch die Selbstverwaltung erarbeiten lassen. Wir können dann nur noch hoffen, daß das Eingang in die Verträge findet. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir gerade diese Regelung während der Ausschußberatungen dadurch noch flexibler gemacht haben, daß wir bindend vorschreiben, daß eine Überschreitung des Arzneimittelvolumens durch die Kassenärztlichen Vereinigungen im Wege des Einzelregresses auszugleichen ist. Das ist übrigens doch nichts Neues; diese Möglichkeit hatten und haben die Kassenärztlichen Vereinigungen. Nur, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes werden sie von diesem Instrumentarium im Interesse ihres Ansehens, vor allen Dingen aber auch im Interesse der wirtschaftlichen Verwendung von Beiträgen wohl in stärkerem Maße Gebrauch machen.
    Bei dieser Gelegenheit darf ich auch einmal feststellen, daß es nicht richtig war, auf Grund des ersten Referentenentwurfs wie auch des Kabinettsentwurfs in der Öffentlichkeit etwa zu behaupten, der Gesetzgeber schreibe den kollektiven Ausgleich vor. Auch im Kabinettsentwurf war das offengelassen. Wir wollten der Selbstverwaltung die Art der Regelung überlassen. Aber bitte, wir mußten erfahren, das das bewußt oder unbewußt, böswillig oder fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen wurde. Wir haben also den Einzelregreß festgelegt. Und jetzt warte ich auf die Ärzte, die sagen, auch das sei kollektivistisch, obwohl wir eigentlich im Gesetz nur aufnehmen — vielleicht unter Anwendung von etwas mehr Druck als bisher —, was seit Bestehen der Selbstverwaltung im Rahmen der Selbstverwaltung so ausgeübt wird.
    Gegen die konzertierte Aktion ist nichts einzuwenden. So etwas haben wir, so etwas kann man machen, auch im Gesundheitswesen. Dagegen spricht nichts. Aber, Herr Kolege Blüm, Frau Dr. Neumeister, wenn Sie gerade uns als Liberale angreifen und sagen, das, was wir beabsichtigten, sei dirigistisch, und wenn ich dann lese, wer die von Ihnen vorgeschlagene konzertierte Aktion bestreiten soll, muß ich mich doch wundern. Beteiligt ist der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Kollege Dr. Ehrenberg — ich meine das natürlich nicht persönlich, sondern als Institution —, dann nehmen der Herr Bundeswirtschaftsminister teil — das meine ich noch weniger persönlich —, der Bundesgesundheitsminister, der Sozialbeirat, dann die Ärzte, die Apotheker, die Ersatzkassen, die Gewerkschaften, die deutschen Arbeitgeberverbände und die Länder. Herr Dr. George, die Teilnahme der Länder wollten Sie heute morgen bestreiten. Sie haben also den Staatskommissar mit am Tisch. Sie haben den großen Wirtschafts- und Sozialbeirat, ,angereichert durch den Staat. Und das ist dann liberal, glauben Sie, weil der Vorschlag von Ihnen kommt. Ich glaube dagegen, daß das deutlich gemacht hat, daß Sie sich das Etikett liberal nicht anhängen können. Wenn Sie es sich gleichwohl anhängen, wird es zu schwer und fällt herunter. Heraus kommt dann diese konzertierte Aktion. Ich selbst hätte nichts gegen die konzertierte Aktion, wenn sie nicht so unwirksam wäre, wenn sie nicht so unverbindlich wäre.
    Frau Dr. Neumeister und meine Damen und Herren von der Opposition, ich darf mal etwas zitieren; denn ich gehe davon aus, daß doch auch diese konzertierte Aktion vor allen Dingen von dem guten Willen derjenigen leben soll, die die Leistungen bestimmen, nämlich der Ärzte. Was sagt — nicht in einem Zeitungsartikel, auch nicht in einer indirekten Wiedergabe, wo man ja dementieren könnte, sondern vor dem Deutschen Bundestag — Herr Dr. Sewering, Präsident der Bundesärztekammer,

    (Franke [CDU/CSU] : Ist der Abgeordneter oder wie?)

    dessen Auslegung des Hippokrates-Eides ganz besondere kommerzielle Neigungen zeigt — aber nun gut, das ist seine Sache —, bei der Sachverständigenanhörung vor einem Gremium des Deutschen Bundestages? Ich zitiere, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung, nachzulesen im Ausschußprotokoll Seite 6/98.

    (Franke [CDU/CSU] : Herr Hölscher, hier hat er nicht gesprochen. Im Ausschuß meinen Sie!)

    — Ich nehme an, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung auch ein Gremium dieses Hauses ist.

    (Franke [CDU/CSU]: Sie haben gesagt: Plenum!)

    — Nein, ich habe gesagt, vor dem Deutschen Bundestag in Vertretung durch den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Herr Dr. Sewering sagt zu Ihrer konzertierten Aktion — ich zitiere —:
    Wir wissen doch alle, daß wir manchmal genötigt sind, auf der Autobahn langsam und vorsichtig zu fahren, und das ist ganz natürlich. Aber wir sollten doch hoffen,

    (Franke [CDU/CSU] : Jetzt kommt der Spruch vom Gasgeben!)

    daß es uns allen in allen Bereichen der Volkswirtschaft doch auch einmal wieder möglich sein wird, etwas schneller zu fahren. Ich meine also, wir sollten unser Tempo immer den gegebenen Verhältnissen anpassen.



    Hölscher
    — Und jetzt kommt etwas besonders Interessantes von Dr. Sewering:
    Jedenfalls: Solange schlechte Fahrverhältnisse sind, sind wir bereit, langsam zu fahren, mit den anderen zusammen ...
    Das andere brauchte er nicht zu sagen, das ist klar: Wenn die Fahrverhältnisse besser sind, überholt man wieder.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das sagt der höchste Repräsentant der deutschen Ärzteschaft.

    (Burger [CDU/CSU] : Sie sagen doch das gleiche! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Dies ist eine Meinung, die Herr Dr. Sewering sehr wohl vertreten kann; nur müssen wir Politiker zur Kenntnis nehmen — zumal auch im letzten Geschäftsbericht des Hartmannbundes die Ablehnung von Empfehlungsvereinbarungen verankert ist; da werden sie als einmalig und nicht wiederholbar bezeichnet —, daß die Bereitschaft offensichtlich nicht so groß ist.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Dr. Blüm, ich will Sie nicht zitieren, aber ich darf — wir beide waren uns kürzlich mal einig — hier einmal offen sagen, daß, egal, ob Sie sich durchsetzen oder wir uns durchsetzen, die ganze Sache natürlich durch die Diskussion eine positive Wirkung hat. Wir sehen ja bereits, daß es bei den Arzneimittelverordnungen etwas zurückgeht; also könnten wir ja eigentlich zufrieden sein. Wir brauchten das Gesetz nicht zu verabschieden. Sie brauchten Ihre konzertierte Aktion nicht. Wir brauchten unsere Bundesempfehlungen nicht. Denn es tut sich ja draußen etwas. Und es ist sehr zu begrüßen, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Ersatzkassen den Honorarstopp bis zum Ende des nächsten Jahres beschlossen haben. Nur, Herr Dr. Blüm — ich glaube, das haben Sie nicht gesagt, ich will Sie nicht falsch zitieren, aber es ist so, ohne daß es ausgesprochen wurde —, wir beide sind uns jedenfalls darin einig, daß die Autobahn eben möglicherweise, wenn die Fahrverhältnisse besser sind, wenn sich das alles wieder beruhigt, das Überholen erlaubt.
    Wir machen die Bundesempfehlungen doch nur, um das permanent sicherzustellen, was in den letzten zwei Jahren zwischen Kassen und Ärzten Gott sei Dank freiwillig geschehen ist, nämlich die Anbindung an die gesamtwirtschaftlich vernünftige Entwicklung. Wir wollen nur sichergestellt sehen, daß sich die Herren jedes Jahr an den Tisch setzen und Empfehlungen ausarbeiten, nach denen sich dann die regionalen Verbände unter Beibehaltung regionaler Unterschiede — das haben wir, wie Sie wissen, ja auch verankert — im Interesse des Ganzen möglichst zu richten haben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem zweiten Antrag der Opposition kommen. Ich meine den Antrag auf Drucksache 8/396, die Ablehnung der Einbeziehung von Krankenhausärzten in die kassenärztliche Versorgung. Ich bedaure sehr, daß in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck erweckt wird, als würden jetzt die Krankenhäuser für die allgemeine ambulante Versorgung geöffnet. Das stimmt nicht. Ich weiß, wie schwierig es ist, in dieser Frage überhaupt noch sachliche Informationen an den Mann zu bringen. Dennoch möchte ich es noch einmal sagen. Ich möchte diese Forderung eigentlich sogar, wenn Sie es erlauben, Frau Präsidentin, in ein Zitat binden:
    Im Interesse der Koordination von ambulanter und stationärer Behandlung sollen Fachärzte am Krankenhaus sowie Krankenhausärzte mit entsprechender Qualifikation außerhalb ihrer Dienstaufgaben im Krankenhaus mehr als bisher die Möglichkeit haben, als Person ambulant zu untersuchen und zu behandeln.
    Dies ist nicht eine Forderung der Regierungskoalition, sondern eine Forderung der deutschen Ärzte — man höre und staune! —, beschlossen auf dem Ärztetreffen 1974. Wenn wir Lobbyisten wären, hätten wir genau das getan, was hier ein starker Verband von uns verlangt hat, nämlich eine stärkere Verzahnung zwischen stationärem und ambulantem Bereich herzustellen.
    Aber, meine Damen und Herren, wir sind ja in Kenntnis unserer Verantwortung gar nicht so weit gegangen, wie der Ärztetag hier beschlossen hat, sondern wir haben zwei ganz wichtige Einschränkungen hineingebracht; die bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben gesagt: Ein angestellter Krankenhausarzt — für die Leitenden gab es das ja immer schon — darf nur dann in die kassenärztliche Versorgung einbezogen werden, wenn erstens die ärztliche Versorgung draußen nicht sichergestellt ist. Deshalb greift Ihr berufsständisches Argument überhaupt nicht, daß damit die Tätigkeit in freier Praxis niedergelassener Ärzte gefährdet wäre. Denn da, wo die ambulante Versorgung nicht sichergestellt ist, kann ja auch die Tätigkeit von freien Ärzten nicht gefährdet werden. Das ist doch ein Widerspruch in sich. Das heißt also, wir haben eine ganz wesentliche Einschränkung vorgesehen. Wir haben sie aus dem geltenden Recht übernommen, in dem es heißt: Nur soweit ein Bedürfnis zur kassenärztlichen Versorgung durch Krankenhausärzte besteht, ist dies möglich.
    Die zweite Einschränkung ist genauso deutlich. Der Krankenhausträger, also das Krankenhaus, bei dem der Krankenhausarzt angestellt ist, muß seine Genehmigung erteilen. Deshalb stimmen die Argumente nicht, denen man immer wieder begegnet, die stationäre Versorgung würde in Mitleidenschaft gezogen. Denn den Krankenhausträger möchte ich sehen, der die Genehmigung zur Kassenzulassung erteilt, obwohl er weiß, daß in einer Abteilung eine ärztliche Unterversorgung entsteht. Was wir hier machen, ist eigentlich nicht so sehr unter dem Kostendämpfungsaspekt zu sehen, sondern viel mehr unter dem Aspekt, die medizinische Versorgung allgemein zu verbessern.
    Das darf auch nicht — damit komme ich zum dritten Teil meiner Ausführungen — mit der vor- und der nachstationären Leistung, also der vorstationä-



    Hölscher
    ren Diagnostik und der nachstationären Behandlung, verwechselt werden. Sie verweisen auf die Modellversuche. Gut, dies könnte man machen, Frau Dr. Neumeister. Man könnte warten, wenn wir nur Zeit hätten. Aber wir wissen doch, daß die gerade im internationalen Maßstab viel zu lange Verweildauer in deutschen Krankenhäusern ein ganz entscheidender Grund für die Kostenentwicklung in diesem Bereich ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir versprechen uns gerade von der Verzahnung
    zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in
    diesem beschränkten Bereich eine Kostendämpfung.
    Auf eines möchte ich Sie noch hinweisen, weil Sie auch hier den Dirigismus sahen. Eine vor- oder nachstationäre Leistung ist nur möglich, wenn vorher ein niedergelassener Arzt die Einweisung vorgenommen hat. Die niedergelassenen Ärzte, die sich hier angegriffen fühlen, haben es doch selbst in der Hand, ob ein Patient vorstationärer Diagnostik unterzogen und nachstationär behandelt wird. Ich hoffe, sie machen Gebrauch davon. Schon der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung auf das Problem der Doppeldiagnosen hingewiesen, die sehr kostenträchtig sind, und viele andere Doppelgleisigkeiten, die wir uns nicht mehr erlauben können. Sehen Sie dies bitte auch im Zusammenhang mit der von der FDP besonders befürworteten Verstärkung des Belegarztsystems. Wir wollen ja keine Einbahnstraße, wir wollen ja beide Wege.
    Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist abgelaufen. Lassen Sie midi abschließend folgendes sagen. Wenn wir die Diskussion einmal von der ideologischen Polemik entkleiden, dann wird deutlich, daß das, was wir verabschieden, eigentlich etwas Selbstverständliches ist. Wir ziehen Konsequenzen aus 20 Jahren Erfahrungen in unserem Gesundheitssystem, die nicht nur positiv waren. Wir ziehen sie im Interesse der Versicherten, denen wir nicht zumuten können, durch eine weiter galoppierende Kostenentwicklung verursachte Beitragserhöhungen in unvertretbarem Maße hinzunehmen. Wir ziehen sie aber auch im Interesse der Verbesserung unseres Gesundheitssystems. Deshalb: Wenn wir das Rentenkonzept mit der zeitlichen Perspektive 1980 sehen müssen, ist dies eine echte Reform. Ich bitte Sie, sich wirklich noch einmal Ihrer Verantwortung als Opposition bewußt zu werden. Wir brauchen ja Ihre Zustimmung im Bundesrat. Ich hoffe, Sie stimmen diesem Gesetz zu, denn sonst tragen Sie die Verantwortung, wenn wir zu wirk- lichen staatlichen Eingriffen kommen müssen, die wir Liberalen nicht wollen.

    (Beifall bei der FPD und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Unsere Verantwortung können wir schon tragen!)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Becker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Becker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ehe ich zu meinen Ausführungen komme, möchte ich Ihnen, Herr Kratz, noch ein Wort zu den guten und schlechten Risiken sagen. Die Betroffenen wissen sehr genau, wer zu dem guten und wer zu dem schlechten Risiko gehört. Die Anfragen bei der privaten Krankenversicherung beweisen es. Wenn Sie glauben, der Abwanderung junger Menschen einen Riegel vorgeschoben zu haben, dann müssen Sie immer damit rechnen, daß die Leute nicht in jungen Jahren daran denken, sondern erst, wenn sie schon älter geworden sind. Zum anderen hoffen sie, daß Änderungen dieser Gesetze stattfinden. Wir müssen davon ausgehen, daß wir selbst oft diese Änderungen schaffen. Wenn ich nur daran denke, wie die Ausfallzeiten und Ersatzzeiten während der letzten acht Jahre viermal geändert worden sind, dann muß ich fast glauben, daß diese Menschen recht haben.
    An Ihre Adresse, Herr Hölscher, einige Worte zu dem Instrumentarium des Einzelregresses. Wenn Sie das so praktizieren wollen, Herr Hölscher, dann müssen Sie damit rechnen, daß etwa 3 000 bis 4 000 Einzelprüfungen vorgenommen werden, die auch Gerichtsentscheidungen nach sich ziehen können. Dieses Verfahren wird kaum praktikabel sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das „dämpft" die Kosten!)

    Eine Bemerkung zu dem „Autobahn-Effekt". Herr Muhr und auch Herr Sewering haben in der Anhörung nie vom Überholen gesprochen, sondern nur vom Schnellerfahren. Das Überholen machen Sie dazu, und das stimmt mit der Wahrheit nicht überein.
    Die Einbeziehung der Krankenhausfachärzte in die ambulante Versorgung der Bevölkerung bedingt nachher eine Abwanderung der Fachärzte aus dem unmittelbaren Bereich um das Krankenhaus. Im übrigen möchte ich Sie fragen, wer dann die Besuche bei den betreffenden Patienten macht, die vom Krankenhausfacharzt betreut werden. Hier wird die Schwierigkeit für den Patienten offenbar. All diese Dinge sind unpraktikabel. Deshalb haben wir andere Vorstellungen.
    Über die Notwendigkeit der Kostendämpfung im Gesundheitswesen sind sich alle Beteiligten einig. Strittig ist nur — wie Herr Egert heute morgen ebenfalls sagte — der Weg, wie man das Ziel erreichen kann. Wer aber eine echte Kostendämpfung will, der muß sich über die Ursachen der Kostensteigerungen im klaren sein. Bis in die neueste Zeit — das klang auch heute morgen noch an — wurde die Diskussion vorwiegend so geführt, als seien hauptsächlich Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und die Pharmaindustrie an dieser Kostenausweitung schuld. Dazu benutzte man obendrein einen uralten politischen Trick, die Erzeugung des Neidkomplexes, um die Erbringer von Gesundheitsleistungen in eine Ecke zu drängen. Dabei lief noch das eine oder das andere schwarze Schaf über den Weg. Aber wo gibt es die nicht? Ich komme aus Hessen und weiß ein Lied davon zu singen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese schwarzen Schafe und die andere Situation
    gaben dann die Gelegenheit ab, den Boden für eine



    Dr. Becker (Frankfurt)

    fein subtil und vorsichtig scheibchenweise vorbereitete Strukturveränderung des ganzen Systems zu bereiten.
    Die wirklichen Ursachen der Kostensteigerung, meine Damen und Herren, sind aber andere. Da wäre erstens der ständige Ausbau von Leistungen und des Leistungsangebotes in der gesetzlichen Krankenversicherung zu nennen, der durch den Gesetzgeber herbeigeführt worden ist. In dieser Frage hat der Gesetzgeber — angefangen von den Vorsorgeuntersuchungen bis zu den flankierenden Maßnahmen zum § 218 — den Krankenkassen einen ganzen Katalog von Leistungen aufgebürdet, ohne sich viele Gewissensbisse darüber zu machen, wer das zu bezahlen hat.

    (Zuruf von der SPD: Wie war das mit den Vorsorgeuntersuchungen?)

    Aber auch die Rechtsprechung hat durch die Ausweitung des Krankheitsbegriffes das Ihre zur Kostensteigerung beigetragen.
    So wurden z. B. die Folgen des Alkoholismus den Krankenkassen aufgebürdet. Dabei kassiert der Staat in diesem Jahr über 5 Milliarden DM aus den Alkoholsteuern und über 10 Milliarden DM aus der Tabaksteuer. Die Folgen des übermäßigen Konsums muß dann die Krankenkasse tragen. Hier muß man in Zukunft einmal den Zusammenhang dieser Dinge durchdenken. Es ist die Frage, ob es so weitergehen kann, daß der Staat kassiert und die anderen bezahlen.
    Auch die Verpflichtung zur Übernahme des Zahnersatzes durch die Krankenkassen sei hier genannt. Als Folge des Bundessozialgerichtsurteils stiegen die Ausgaben für Zahnersatz von 2 Milliarden DM im Jahr 1974 auf fast 7 Milliarden DM im Jahr 1976. Das entspricht den Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen des Jahres 1976 aller Ortskrankenkassen der Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
    Auch die schnell wachsenden Fortschritte der Medizin haben über die damit zusammenhängende Zunahme der Behandlungsfälle und der Leistungen ebenso zu der Kostensteigerung beigetragen wie die Gewährung von freiwilligen Leistungen durch die Krankenkassen selbst.
    Die Zunahme des Personals wie auch die Arbeitszeitverkürzungen in den Krankenhäusern sind hier zu nennen. So machte die Arbeitszeitverkürzung 1974 von 42 auf 40 Stunden im Bereich des Krankenhauses eine Zunahme der Kosten um über 7 % aus.
    Auch die Zunahme der Krankheiten durch ungesunde Lebensführung - ich nenne hier nur Drogen-, Alkohol- und Tabakmißbrauch, Übergewicht, mangelnde Bewegung — gehört zu diesem Katalog der Ursachen der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, wie noch vieles andere mehr, das zu nennen mir die Zeit nicht erlaubt.
    Hier liegen die wirklichen Ursachen für das Anwachsen der Kosten, an dem alle teilhaben: Ärzte, Politiker, Industrie, Gewerkschaften und der Bürger selbst. Nur ist man nicht aufrichtig genug, dem Bürger diese Gründe auch deutlich zu nennen. Man ist nicht aufrichtig genug, ihm als Zweites zu sagen: daß das, was in der Medizin machbar ist, in Zukunft auf die Dauer nicht finanziert werden kann, daß deshalb alle, ob Anbieter oder Anforderer von Gesundheitsleistungen, ob Ärzte, Krankenhäuser oder der Bürger selbst, ihre Ansprüche in den Grenzen halten müssen, die durch den Finanzierungsrahmen gesteckt werden. Man kann nicht allen alles versprechen und dann so tun, als ob ein anderer dafür bezahlt. Dies ist die vornehmliche Aufgabe des Gesetzgebers: hier hat er allen deutlich zu sagen, was geht und was nicht geht. Hier liegt seine besondere Verantwortung.
    Wie hält es aber nun die Regierung mit ihrer Verantwortung? Man hat bei weiten Teilen dieses Gesetzentwurfs den Eindruck, als entzöge sie sich dieser Verantwortung. Das geht so weit, daß sie sogar die Bundesgarantie für die Ortskrankenkassen aus dem gesamten Reichsversicherungsordnungswerk streicht. Hier hat sie zunächst einmal geschickt verstanden, die Diskussion über weite Strecken von dem viel schwerwiegenderen Problem der Beseitigung der lange verharmlosten Rentenschwierigkeiten abzulenken. Mit einem schlauen Trick verlagerte sie die Probleme in die Krankenversicherung und schob dann die Verantwortung anderen zu. Indem sie Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser jetzt unter Druck setzt, gibt sie diesen den Schwarzen Peter oder, wie Herr Franke heute morgen sagte, den Rotstift weiter. Es wird den Ärzten überlassen, sich mit den Patienten über die Frage auseinanderzusetzen, was diese für ihre Gesundheit anfordern können. Sie projiziert damit den Konflikt auf eine Ebene, die nicht primär dazu da ist, die Finanzprobleme der Krankenkassen und darüber hinaus die dorthin verlagerten Probleme der Rentenversicherung zu lösen, sondern die dazu da ist, zu helfen und zu heilen. Damit zerstört sie das für den Heilvorgang überaus notwendige Vertrauen zwischen Arzt und Patient.
    Dabei fiel mir ein Brief ein, den der Herr Bundeskanzler am 15. September. des vergangenen Jahres mir wie allen Ärzten geschickt hatte. In diesem Brief steht ein Satz, den ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren möchte:
    Die Lösungen, die von uns im Herbst verlangt werden, finden wir nur gemeinsam und nicht gegen die legitimen Interessen der Ärzte.
    Was wir von solchen Reden und Schreiben halten können, wissen wir nicht erst seit dem 3. Oktober.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gar nichts!)

    Man spricht von der Stärkung der Selbstverwaltung und engt die Grenzen ihres Handelns vorher aber so ein, daß der Spielraum nur noch gering ist und alles nur in eine Richtung, auf eine Struktur- und Systemänderung mit vielen, vielen Gleichmachereitendenzen hinsteuert — bis hin zu einem gravierenden Einbruch in die Freiberuflichkeit der Ärzte. Frau Dr. Neumeister hat dies schon dargelegt, und der Kollege Höpfinger wird dies, wie ich glaube, im Blick auf den Krankenhausbereich ebenfalls noch deutlich zeigen.
    Meine Damen und Herren, in diesen Tagen gedenken wir des Professors Ludwig Erhard, des Schöp-



    Dr. Becker (Frankfurt)

    fers der Sozialen Marktwirtschaft. Die Soziale Marktwirtschaft ist in dem Vertrauen zu dem Menschen, zu seiner Leistungsbereitschaft und zu seiner Verantwortung begründet. Leistungswille und Schöpfungskraft entfalten sich aber nur dann voll, wenn sie von staatlicher Bevormundung, von Reglementierung und Zwang befreit sind. Daher sind wir der Auffassung, daß der Gesetzgeber seiner Verantwortung für das gegliederte System der sozialen Krankenversicherung dann am ehesten gerecht wird, wenn er die Lösung. in einem freiheitlichen Rahmen sucht, weil er dabei die günstigsten Wirkungen erzielt. Mit Investitionslenkung und -planung im Gesundheitswesen ist viel weniger zu erreichen, wie die Beispiele in den sozialistischen Staaten ja zu zeigen vermögen. Wer am schlechtesten dabei wegkommt, ist der Patient.
    Die CDU/CSU-Fraktion ist aus ordnungspolitischen Gründen davon überzeugt, daß die bessere Lösung im Hinblick auf die Dämpfung der Kosten nicht durch dirigistische Maßnahmen, sondern durch ein Zusammenwirken aller Beteiligten erreicht wird.

    (Vorsitz: Präsident Carstens)

    Hier sollen unter Berücksichtigung der bedarfsgerechten und dem Stand der medizinischen Entwicklung entsprechenden Versorgung der Bevölkerung bei ausgewogener Verteilung der Lasten die Orientierungsdaten und die Rahmendaten für die Leistungsbewertungen und die Leistungsentgelte gefunden werden. Hier sollen auch Vorschläge über die bessere und wirtschaftlichere Anwendung der begrenzten Mittel und die Erhöhung der Wirksamkeit im Gesundheitswesen entwickelt und miteinander abgestimmt werden. Wenn Sie, Herr Hölscher, nun davon ausgehen, daß dann, wenn die Länder mit beteiligt sind, der Staatskommissar bereits mit im Spiele sei, so sehen Sie nicht, daß es sich um eine freiheitliche Vereinbarung handeln soll. Es soll nicht etwa so sein, daß der Deckel gewissermaßen mit dem Hammer aufgesetzt und nur soviel Spielraum gegeben wird, wie der Deckel übrigläßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, diese Aktion steht unseres Erachtens auch unter einem Erfolgszwang, denn die Bundesregierung soll nach zwei Jahren berichten, ob und wie es geklappt hat. Gelingt es aber — entgegen unserer Annahme — nicht, die Kosten im Gesundheitswesen in eine vernünftige Relation zu den vorhandenen Mitteln zu bringen, dann erst hält die CDU/CSU die Zeit für gesetzliche Maßnahmen in einem entsprechenden Rahmen für gekommen. Wir sind für die konzertierte Aktion, weil wir die freiheitliche Lösung als die stärkere ansehen und von ihr eine stärkere Wirkung erwarten. Wir fühlen uns um so mehr in unseren Erwartungen bestärkt, als die Ergebnisse der freiwilligen Vereinbarungen zwischen Ärzten und Krankenkassen aus dem Jahre 1975 bereits im Jahre 1976 eine erhebliche Reduzierung des Kostenzuwachses nicht nur im ärztlichen Bereich, wo die Vereinbarungen getroffen wurden, sondern darüber hinaus auch in allen anderen Sparten des Gesundheitswesens zur Folge hatten. Diese Senkung setzt sich in diesem Jahr fort, so daß mit weiteren Erfolgen zu rechnen ist. Wenn Sie, Herr Egert, heute vormittag davon sprachen, daß das in den Betriebskrankenkassen Rhein-Ruhr anscheinend nicht so läuft, kann ich Ihnen umgekehrt aus dem Bereich der AOK Frankfurt sagen, daß diese im ersten Vierteljahr im Bereich der Arzneimittel deutliche Senkungen zu verzeichnen hat. Dort ist der Kostenanstieg im Arzneimittelsektor im Vergleich 1977 zu 1976 von 11,2 % auf 3,76 % heruntergegangen. Deutlichere Senkungen kann man wirklich nicht vorführen.
    Hier hat die Ärzteschaft auch ihre Bereitschaft mitgeteilt, über den 1. Januar 1978 hinaus die Kostendämpfung zu vereinbaren. In diesen Tagen wurde die Honorarerklärung zwischen dem Verband der Ersatzkrankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bekannt, nach der die Partner auch im Jahre 1978, also erst im nächsten Jahr, ebenso wie im Jahre 1976 keine Erhöhung der Honorare vornehmen wollen, was praktisch ein Nullwachstum bedeutet.

    (Zuruf des Abg. Egert [SPD])

    Dies wäre weder 1976 noch 1978 mit den Vorstellungen und Vorlagen der Regierung zu bewirken gewesen bzw. zu bewirken.
    Man hat von Koalitionsseite immer wieder eingewendet, daß die freiwilligen Vereinbarungen unsicher seien.

    (Egert [SPD]: Richtig!)

    Herr Egert sprach heute morgen davon, es seien sich widersprechende Aussagen vorhanden. Weiter wird davon gesprochen, die alte Regelung sei bisher noch nicht von allen Landesverbänden unterzeichnet worden. Meine Damen und Herren, ich bin dem nachgegangen. Die Ursache, warum das noch nicht unterzeichnet ist, hat nichts mit der Vereinbarung zu tun, aber auch gar nichts. Vielmehr hängt dies mit einer Abklärung zusammen, ob die Abmachung — Steigerungsrate höchstens bis zu 8 % — für die Gesamtheit der Mitglieder und Rentner oder nur für Mitglieder oder für Rentner gilt. Darüber hinaus ist nichts anderes im Spiel. Jede andere Deutung wäre böswillig.
    Die CDU/CSU-Fraktion erwartet von der konzertierten Aktion aber auch, daß sie bei der Erarbeitung ihrer Lösungen die vielfältige Verzahnung des Gesundheitswesens viel eher berücksichtigen kann, so daß die höchstwahrscheinlichen negativen Folgen der dirigistischen Maßnahmen nicht eintreten werden. Bei der Verkettung des gesamten Gesundheitssystems untereinander drohen Nachteile bis .hin zu Arbeitsplatzverlusten in vielen Sparten, wie wir ebenfalls im Hearing von den Sachverständigen hören konnten.

    (Zuruf des Abg. Egert [SPD])

    Wenn ich die freiwilligen Vereinbarungen mit ihren positiven Ergebnissen mit den dirigistischen Vorschriften dieses Strukturveränderungs- und Beitragserhöhungsgesetzes — wie es Herr Franke heute vormittag bezeichnete — und seinen zu befürchtenden Folgen vergleiche, fällt mir die Präambel des Gesundheitsprogramms der FDP ein, die mit den Worten beginnt: „Die Gesundheitspolitik der FDP



    Dr. Becker (Frankfurt)

    wird durch den Grundwert der Freiheit bestimmt". Frau Neumeister hat schon die These 12 in Ihrem Programm angeschnitten, die besagt: „Die freiheitlichen Strukturen des gegliederten Systems und seiner Selbstverwaltung sind auszubauen".

    (Zuruf des Abg. Egert [SPD])

    Sie, Herr Kollege Schmidt, haben dieses gesundheitspolitische Programm vor noch nicht einmal einem halben Jahr, am 20. November 1976, in Frankfurt auf Ihrem 27. Bundesparteitag vorgestellt und dabei folgende Worte gebraucht — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:
    Die Selbstverwaltung der Pflichtkassen, der Ersatzkassen und der Kassenärzte hat mit ihren 1975 und 1976 geschlossenen Abkommen zur Begrenzung des Honorarzuwachses bestätigt, daß sie aus eigener Verantwortung die notwendigen Konsequenzen aus der Kostenentwicklung zieht. Wir treten dafür ein, diese Politik der Kostendämpfung im staatsfreien Raum fortzusetzen.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Einheitliche Honorarforderungen und einheitliche Gebührenordnungen sind mit dem gegliederten System, wie wir es verstehen, nicht vereinbar.
    Wenn man diese Worte hört und das Gesetz liest, an dem Sie mitgewirkt haben, versteht man ein halbes Jahr danach die FDP nicht mehr. Da kann man nur sagen: Wohin bist du gegangen!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Das sind die Sonntagsreden bei den Versammlungen der Ärzte!)

    Es ist Ihr Problem, meine Damen und Herren der FDP, wie Sie Ihren Wählern das klarmachen können.
    Die CDU/CSU-Fraktion lehnt aus den genannten prinzipiellen und auch durch die Erfolge bereits vorbestätigten Gründen die Änderungen der §§ 368 f und 368 i RVO ab und fordert die konzertierte Aktion aller Beteiligten zur Lösung der Probleme zum Nutzen der Kranken und der Betroffenen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)