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ID0802601500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr verehrter Herr Fragesteller, erstens erfahre ich soeben erst, daß es Hunderte von Exemplaren gewesen sein sollen. Zweitens: Wenn ich mich dafür einsetzen soll, daß der Name gestrichen wird, überschätzen Sie meine Möglichkeiten. Es mag in dem Bereich, in dem Sie umgehen, so sein,

    (Strauß [CDU/CSU] : Pressemitteilung!)

    daß ein Abgeordneter oder Fraktionsvorsitzender eine Regierung zu etwas drängen kann, was sie, auch wenn dort steht: „Es gilt das gesprochene Wort" — das wissen Sie doch — —

    (Strauß [CDU/CSU] : Die Sperrfrist ist abgelaufen!)

    — Nun machen Sie doch keine Clownerei! Sie haben
    heute morgen — ich sage dies hier mit allem Ernst
    — im Schatten der gemeinsamen Trauer um Ludwig Erhard schon bewiesen, daß Sie das können.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

    Meine Damen und Herren, wie gesagt, ich mache auf diese Fragen und Antworten und auch auf die damals zwischen dem seinerzeitigen Verteidigungsminister Strauß und mir ausgetauschten Feststellungen — im Bundestagsprotokoll vom 30. Juni 1960 erhältlich, auch in einem Buch, für das ich hier keine Reklame machen will und darf — das wäre ja noch 'schöner — aufmerksam. Da werden Sie einmal die grundlegend unterschiedlichen Positionen sehen von Sozialdemokraten, wenn sie die Opposition sind, gegenüber der CDU/CSU, wenn sie die Regierung stellen, und umgekehrt.
    Da ist nicht nur ein Fragezeichen von mir, sondern da muß ich sagen: Ich habe Sorge um einiges.
    Ich habe übrigens gelesen, das Herr Kollege Dr. Alois Mertes in einem Thesenpapier, das ich mir in der Nacht auch noch einmal durchgesehen habe, das auch in Zeitungen Eingang gefunden hat, immerhin in einem Pünktchen etwas nachdenklich — nicht geworden ist; das muß man nicht feststellen — eine Nuance über das Verhältnis von Opposition und jeweiliger Regierungsseite feststellt. Er hat gesagt — so wird es dargestellt —, an die Adresse der eigenen Partei richte er schließlich die Aufforderung, ihrerseits anzuerkennen, daß nach den Westverträgen nun auch die Ostverträge maßgeblicher Bestandteil der deutschen Außenpolitik seien. Dann kommt er zu der Sonderrolle, die sich die Opposition dabei zuschreibt bzw. der sie gerecht werden will.
    Meine Damen und Herren, die NATO wird es wert sein, daß man ernsthaft darüber redet. Es wird wohl auch bald Gelegenheit dazu geben.
    1 Ich sage Ihnen hier: Balance, d. h. Machtgleichgewicht, war von uns immer als Voraussetzung jedweder Art von Entspannung — sofern man sie wirklich so nennen darf und will — angesehen worden. Wir unterstreichen, daß der Bundeskanzler in London klare Worte denen gegenüber gefunden hat, die unsere Bemühungen, das Machtgleichgewicht aufrechtzuerhalten, gering schätzen — das knüpft an das an, Herr Strauß, weswegen Sie mich wegen Herrn Jaeger gefragt haben — und Panik verbreiten. Das sage ich Ihnen auch von mir aus.
    Auf dem schwierigen Gebiet der Sicherheit nützen uns weder Tatarenmeldungen und Hysterie noch Beschönigungs- oder Beschwichtigungsversuche. Weil von Tatarenmeldungen die Rede ist, Hen Strauß: Da Sie gelegentlich die Weitsicht in bezug auf strategische Perspektiven noch etwas weiter östlich als Moskau richten — z. B. Peking und diese Bereiche —, wird es wohl auch erlaubt sein, über nod etwas weiter östlich liegende Bereiche zu sprechen die Sie offenbar sehr beeindrucken, sei es mit ihren Vorstellungen, sei es mit ihren Ankündigungen, se: es mit ihren Beschuldigungen, daß es die Großmächte in diesem Teil der Welt auf Krieg ansetzten usw.



    Wehner
    Wir werden wohl bald einmal wirklich eine Debatte haben müssen, in der wir uns Zeit nehmen müssen, über Sinn und auch Zweck unserer Verteidigungs- und gleichzeitig unserer Entspannungspolitik zu sprechen, auch deswegen, weil es immer um Berlin geht. Berlin ist, wenn es um Entspannung geht, der Teil im getrennten Deutschland, den wir, soweit wir dabei das, was man mit „Zuständigkeit" etwas prosaisch umschreibt, nach menschlichen Kräften zu tun vermögen, hüten sollten wie unsere Augäpfel. Wir sind dankbar für die aus den Worten des, amerikanischen Präsidenten und der in London versammelten Repräsentanten der verbündeten Staaten für Berlin erkennbaren Absichten, ihre unverzichtbaren Beiträge dazu zu leisten. Die Londoner Erklärung hat zugleich den Erfolg einer Berlin-Politik unterstrichen, die über weite Strecken von der Opposition bis in die letzten Stunden hinein leider nur negativ kritisiert worden ist.
    Was Berlin betrifft, geht es nach unserer Auffassung darum, Festigkeit mit dem Willen der Entspannung zu verbinden. Der Ausbau der Bindung zwischen der Bundesrepublik und Berlin muß mit politischer Umsicht geschehen und mit ökonomischen Realitäten wirklich gemacht werden, nicht aber mit Äußerungen wie der Frage, Herr Strauß, wie die Wirtschaft in Berlin investieren soll, wenn die Nationalstiftung nicht dort ihren Sitz hat.
    Worum geht es? Wir haben ein Abkommen, das wir zwar nicht erschlossen und erwirkt haben, das aber — was die vier Mächte, die dieses Abkommen geschlossen haben, nicht bestritten haben — ohne unsere vorherigen Vertragsabschlüsse nicht hätte zustande kommen können. Berlin ist kein konstitutiver Teil der Bundesrepublik. Es wird nicht von Bonn regiert. Jedenfalls soll es nicht von Bonn regiert werden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Eine ungenaue Zitierung!)

    Hier ist ein kompliziertes Gleichgewicht erreicht worden, das mit Behutsamkeit, Vorsicht und Umsicht behandelt werden muß.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Eine ungenaue Zitierung!)

    — Verehrter Herr Zwischenrufer, da ich leider nicht über geheime Möglichkeiten der Übertragung von Ereignissen verfüge, die zur gleichen Zeit an einem fernen Ort stattfinden, weiß ich nicht, wie jetzt in Berlin die Abstimmungen über den neu zu bildenden Senat verlaufen.
    Bei allen noch so großen parteipolitischen Gegensätzen wäre es angesicht der besonders innigen Verbindung, die Herr Strauß immer zu Berlin gehalten hat, wohl angebracht gewesen, mit etwas mehr Respekt zu sprechen. Das betrifft sowohl den Ausdruck „heruntergewirtschaftet" als auch das, was die dort machen müssen, weil die Folgen eines Lebens in einer Stadt, die getrennt ist und — bildlich gesprochen — wie auf einer Insel existiert, mit Ereignissen an anderen Stellen nicht vergleichbar sind.
    Ich wünsche denen, die jetzt als neuer Senat in Berlin mit dem Regierenden Bürgermeister Stobbe in die nächsten Etappen gehen, alles Gute und viel Glück.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich erkläre hier für die Sozialdemokratische Fraktion: Was Berlin braucht, ist Solidarität.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Solidarität ist etwas anderes als ein Wettbewerb, wer am häufigsten und am schrillsten über Berlin spricht. Solidarität mit Berlin bedeutet, sich der besonderen Lage, der Lebensnotwendigkeiten und der Umstände der Berliner stets bewußt zu sein und sich zu bemühen, sich ihrer bewußt zu bleiben, und nicht durch Gestikulation, sondern durch die stetige aufmerksame Förderung der Lebens- und Entwicklungsbedingungen der Stadt beizustehen, ohne daß man sie sozusagen an irgendeinem Bändchen hält.
    Ich erlaube mir nun ein paar Sätze zu ersten Stellungnahmen, die von der Spitze der DDR zu den Londoner Erklärungen, soweit sie Berlin betreffen, öffentlich abgegeben worden sind. Ich halte diese ersten Stellungnahmen für Versuche, die geschichtliche Entwicklung im nachhinein zum eigenen Vorteil rechtlich zu rechtfertigen. Es ist meine Überzeugung, daß das, was Herr Honecker oder, etwas anders, kurz vorher Herr Sindermann gesagt haben, eigentlich der Sinn ihrer Erklärungen ist. Um die eigene Position der DDR sozusagen als rechtmäßig hinzustellen, wird das, was sich in den Jahren seit Kriegsende im damals von Besatzungsmächten regierten und auch verwalteten Deutschland und schließlich auf die besondere Weise in Berlin entwickelt hat, nun insgesamt als etwas dargestellt, das rechtmäßig sei, obwohl die Nachkriegsentwicklungen im besetzten und aufgeteilten Deutschland nicht durch nachträgliche Rechtfertigungen glorifiziert oder auch, sagen wir einmal, humanisiert werden könnten, ohne die Zukunftsaussichten sowohl der getrennten Stadt und der Menschen als auch des getrennten Deutschland und der Menschen in beiden Teilen zu verdüstern.
    Worauf es für die Zukunft ankommt, ist: Verträge einhalten, Verträge mit Leben erfüllen,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Richtig auslegen!)

    dadurch sowohl den Frieden sichern als auch das Gegeneinander allmählich zum Nebeneinander und zu einem Verhältnis loyaler Nachbarn werden zu lassen. Und weil Sie dazwischenrufen „Richtig auslegen" : Das heißt, Herr Ausleger, unermüdlich zu sein, beharrlich immer wieder auf die Auslegung zurückzukommen. Da allerdings sind Sie schlechter dran als ich; denn ich bin für die Verträge, immer gewesen, weiß, daß sie das Himmelreich nicht erschließen, habe immer nur gedacht: aufpassen, daß damit nicht jemand das Heft von etwas in seine Hände bekommt, um uns die Klinge in den Rücken oder in die Brust stoßen zu können.
    Wenn Sie, die Sie damals gegen all das waren und die Sie das Abkommen der Vier Mächte über Berlin von vornherein herabgesetzt haben — das ist ein Werturteil; ich habe Ihnen das nicht vorzuwerfen, Sie haben geirrt —, heute dabeisein wollen,



    Wehner
    wenn darauf geachtet wird, daß Verträge und Abkommen richtig ausgelegt werden, müssen Sie auch die Grundeinstellung zu „Verträge sind Verträge" und zu „Abkommen sind Abkommen" einnehmen, von der Sie ja wissen, daß das unvermeidlich ist, wenn Verträge Verträge sind. Das habe ich hier am 30. Juni 1960 nach langem Ringen um die Westverträge gesagt, und das war für uns verpflichtend. Nun, bitte, versuchen Sie doch auch, über Ihren Schatten zu springen, verehrte Herren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Eine Bemerkung zu Menschenrechten. Herr Strauß hat sich da ziemlich ereifert. Ich weiß, daß der Bundeskanzler in London die Zahlen derer genannt hat — beeindruckend für die, die es gehört haben —, mit denen wir aber nicht etwa zu prahlen versuchen, die in diesen letzten Jahren aus der DDR, aus der UdSSR, aus der Volksrepublik Polen, aus anderen Ländern dieser Sphäre haben reisen können, zu uns kommen können. Sie werden sich die Zahlen auch noch einmal ansehen.
    Ich will jetzt nicht noch länger reden, ich möchte nur folgendes sagen. Herr Strauß, Sie suchen — leider auch mit dem, was Sie nun so plötzlich mit „Menschenrechten" versucht haben darzustellen —Widersprüche, und Sie konstruieren sogar Gegensätze zwischen unserem Bundeskanzler und den Verbündeten, z. B. mit dem, was Sie die Bürgerrechtsfrage nennen. Ich rate Ihnen, Herr Strauß: Gucken Sie sich einmal die „Deutsche Zeitung" vom 13. Mai 1977 an, die unter der Überschrift „Der Iran und die Menschenrechte, ein Gespräch mit dem stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Alfred Dregger" veröffentlicht hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will Sie hier gar nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich habe das bekommen. Es hat mir einer, während Sie Ihre glorreiche Rede gehalten haben, auch noch die Hilfe gewährt, einige Stellen anzustreichen. Sie würden in Streit mit Herrn Dregger kommen oder würden sagen: „Na, was der Wehner sagt, ist sowieso schnurzpiepe." Laßt uns, Dregger und Strauß, doch wenn schon nicht Freunde, so doch Gleichgesinnte sein! — Nein, gucken Sie sich das mal an, mit wieviel Zungen sie — nicht Sie; Sie haben immer eine besondere, sondern diese Unionschwestern — uns gegenüber, dem Bundeskanzlergegenüber „sprechen", wenn man das sagen kann. Heute sagt man ja gern „artikulieren". In diesem Fall will ich auch einmal dieses Wort übernehmen, sowenig gern ich es nehme.
    Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, daß ich Ihnen weniger über die Regierungserklärung gesagt habe; die haben Sie alle gehört, und die haben Sie. Herr Strauß hat sie ja gezeigt. Es sind einige hundert Exemplare, wie ich auf diese Weise nun mit Sicherheit weiß, die verteilt wurden. Dann beachten Sie, daß das gesprochene Wort gilt. Im übrigen danke ich Ihnen auch für die Geduld dafür, daß ich mich mit dem Redner der Opposition ein wenig befaßt habe.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff das Wort für die Fraktion der FDP.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Fraktion der Freien Demokraten begrüße ich das Ergebnis der Londoner Konferenzen, und zwar sowohl unter außen- wie unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten. Wir beglückwünschen die Bundesregierung zu diesem politischen Erfolg und beglückwünschen den Bundeskanzler zu diesem persönlichen politischen Erfolg.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir behaupten nicht etwa großspurig, London sei ein Erfolg der deutschen Außenpolitik; aber es ist ein Erfolg für die deutsche Außenpolitik, die unter ihrer maßgeblichen Mitwirkung zustande gekommen ist. Die Londoner Erklärungen — insbesondere zur NATO — klingen anders als früher. Sie klingen entschlossener, weniger halbherzig, und sie sind vor allem in der Sache sehr konkret. Wir wollen dies nicht mit dem Hinweis darauf abtun, daß Papier geduldig sei, weil dies nach unserer Überzeugung weder der Entschlossenheit des amerikanischen Präsidenten noch dem guten Willen unserer Partner im Bündnis gerecht werden könnte und würde.
    Es ist auch, wie wir alle wissen, keinesfalls bei Deklamationen geblieben. Ich sage nur einige Stichworte: Absprachen über Standardisierung der Waffen und über Rüstungskäufe; Zusage des amerikanischen Präsidenten, nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der NATO, sondern auch mit der Europäischen Gemeinschaft zu pflegen; Zusage, eine gemeinsame Position für Belgrad zu erarbeiten; ein Hinweis auf die 80er Jahre und veränderte Verteidigungsbedürfnisse; schließlich weiteres gemeinsames Bemühen um Rüstungsabbau, wobei uns insbesondere im Schlußkommuniqué der Hinweis befriedigt, daß die Partner erneut ihr zentrales Ziel bekräftigen, nämlich die Herstellung eines ungefähren Gleichstandes der Landstreitkräfte in der Form einer übereinstimmenden kollektiven Gesamthöchststärke für den Personalbestand der Landstreitkräfte.
    Dies insgesamt scheint uns eine Stärkung der Position der NATO zu sein, wobei wir selbstverständlich wissen, daß viele ihrer Mitglieder Probleme haben, nicht zuletzt auch wirtschaftliche Probleme, die sich auf ihre Verteidigungsanstrengungen auswirken, und daß wir diese Probleme nicht alleine mit Resolutionen beseitigen können. Aber für die Freien Demokraten wiederhole und bekräftige ich hier, daß es nach unserer Überzeugung erfolgreiche Entspannungspolitik auch für die Bundesrepublik nur im Rahmen der Verankerung in Europa und in der Sicherheit des Atlantischen Bündnisses geben kann. Deshalb sind wir befriedigt darüber, daß unsere Bündnispartner unverändert zur Entspannungspolitik stehen.
    Vor allem sind wir aber darüber in hohem Maße befriedigt, daß alle NATO-Partner die Berlin-Resolution der drei Mächte und der Bundesrepublik so



    Dr. Graf Lambsdorff
    vollständig angenommen haben. Diese Berlin-Resolution — die Kollegen Kohl und Marx von der Opposition haben nach unserer Überzeugung recht — ist deutlicher als zu früheren Zeiten ausgefallen, und wir begrüßen das. Mein Fraktionskollege Hoppe hat gestern für die Freien Demokraten festgestellt: Die Konferenz von London führt mit wünschenswerter Klarheit auf das Viermächteabkommen über Berlin zurück. Dem ist nichts hinzuzufügen außer der Feststellung, daß die Bundesregierung auf der Basis dieser Erklärung ihre konsequente Politik zur Sicherung der Freiheit Berlins fortsetzen kann und fortsetzen wird.
    Wir sind in der. Beurteilung der Londoner Konferenz mit der deutschen Öffentlichkeit einig. Selbstverständlich ist kritische Würdigung das Recht der Opposition, Herr Kollege Strauß, und in einem Punkte sind wir eher sogar noch etwas kritischer als Sie. Zwar begrüßen wir, daß in der Art und Weise, wie die Europäische Gemeinschaft an solchen europäischen Konferenzen beteiligt wird, nun langsam Fortschritte erzielt worden sind. Dennoch würde es uns, Herr Bundeskanzler, noch mehr zufriedenstellen, wenn der Präsident der Kommission in die Aktivitäten solcher Gipfeltreffen noch voller einbezogen würde. Wir wissen uns mit diesem Wunsche mit Ihnen völlig einig. Herr Kollege Strauß, hier besteht für Sie eine Chance, aktiv an einem Ziel mitzuarbeiten, das auch Sie — so sagen Sie jedenfalls — verfolgen, indem Sie Ihren neuen Freund oder Bruder im Geiste, den Bürgermeister von Paris, einmal auffordern, seinen Widerstand gegen eine solche Politik und die Einbeziehung der EG-Kommission in solche Arbeiten aufzugeben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich will mich hier nicht über den anlaufenden französischen Wahlkampf äußern; aber es gibt einige Äußerungen Ihres Freundes, Herr Kollege Strauß, die schon Erstaunen bei uns ausgelöst haben. Ich meine inbesondere Äußerungen über ein künftiges direkt gewähltes Europäisches Parlament.
    Die Fraktion der FDP hat rechtzeitig, wie ich meine, vor übertriebenen Hoffnungen im Hinblick auf Ergebnisse der Londoner Konferenz gewarnt. Wir wollten solche Hoffnungen nicht züchten, um nicht die Gefahr von Enttäuschungen zu erleben. Wer sich noch einmal die Probleme ins Gedächtnis zurückruft, der weiß, daß dieser Perlenkranz von Problemen die Aussicht auf einen Erfolg von vornherein sehr minderte: die Energie- und besonders die Nuklearfrage, die Behandlung der Menschenrechte, die Ankurbelung der Weltwirtschaft, Nord-SüdProbleme in Hülle und Fülle und sozusagen überwölbende weltweite Beschäftigungsprobleme, Inflation in vielen Ländern und weitverbreitete Neigung zu handelspolitischem Protektionismus. Unter solchen Bedingungen können zwei Tage Konferenz nur erfolgreich verlaufen, wenn sie wirklich exzellent vorbereitet sind. Dies war der Fall, und die Bundesregierung hat einen guten Anteil an dieser erfolgreichen Vorbereitung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang — erlauben Sie mir das bitte — zwei Namen nennen. In der Vorbereitung des wirtschafts- und finanzpolitischen Teils hat der Staatssekretär im Finanzministerium, Herr P o h 1, eine sehr erfreuliche und sehr wirksame Rolle gespielt. Der Besuch des Bundesaußenministers — um den zweiten Namen zu nennen — Hans-Dietrich Genscher schon vor einigen Wochen in Washington, die Art und Weise, wie er dort aufgetreten ist, nämlich Festigkeit gepaart mit Verbindlichkeit, hat bei unserem Partner auf der anderen Seite des Atlantiks einen hervorragenden Eindruck hinterlassen und ebenfalls dazu beigetragen, daß wir den Weg zur Londoner Konferenz reibungsloser zurücklegen konnten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich finde gelegentlich in der deutschen Offentlichkeit und in der deutschen Presse Hinweise, man könne wohl das Amt eines Parteivorsitzenden und das Amt eines Bundesaußenministers nicht miteinander verbinden. Mir ist es allerdings schon recht, wenn beide Ämter so vorzüglich ausgefüllt werden, wie das hier der Fall ist. Dann soll es ruhig so bleiben.

    (Beifall bei der FDP)

    Die London-Vorbereitung wurde natürlich auch noch dadurch erschwert, daß sie in die deutschamerikanischen bilateralen Beziehungen verwoben war und ist. Beidem, der weltweiten Zusammenarbeit und der Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik, hat der neue amerikanische Präsident dankenswerterweise Auftrieb gegeben. Er hat die Führungsrolle der stärksten Macht des Westens deutlich gemacht. Seine Partner, einschließlich übrigens — dies sollte nicht unerwähnt bleiben — des französischen Staatspräsidenten Giscard, haben den Auftrieb voll aufgenommen, haben diese Impulse beantwortet und darauf reagiert.
    Dies heißt nicht, daß es etwa keine Meinungsverschiedenheiten und gerade keine bilateralen Meinungsverschiedenheiten mehr gäbe, mehr geben könnte, z. B. auf dem Gebiet der Energiepolitik. Die Vereinigten Staaten sind ein energiereiches Land, Europa ist im wesentlichen energiearm. Aber es ist völlig klargeworden und im Schlußdokument zum Ausdruck gebracht worden: Wir alle stehen zusammen für die Verwirklichung unserer Absichten, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Deswegen, meine Damen und Herren, halte ich dies für wichtig, weil es gefährlich gewesen wäre, wenn wir der Versuchung erlegen wären, uns gegenseitig falsche Motive für Beweggründe und für politische Aktionen zu unterstellen. Dies ist — auch mit Hilfe der Bundesregierung, auch mit Hilfe einer sehr klaren Aussprache zwischen den Partnern — vermieden worden.
    Das gilt auch für das Thema Menschen- oder Bürgerrechte. Es gibt doch keinen Unterschied in der qualitativen Bewertung von Menschenrechten zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland! Wer wollte dies ernsthaft behaupten! Ich halte es für schlichtweg unsinnig, wenn der



    Dr. Graf Lambsdorff
    Kollege Graf Huyn behauptet, und zwar nicht erst in „La Stampa", sondern unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Treffen von London, der Herr Bundeskanzler habe den amerikanischen Präsidenten in dieser Frage belehren wollen. Meine Frage an den Kollegen: War er denn überhaupt dabei? Allerdings eine kritische Bemerkung, Herr Bundeskanzler, an Sie: Sie schätzen das westliche Bündnis zu schwach ein, wenn Sie glauben, daß solche Bemerkungen des Abgeordneten Graf Huyn es spalten könnten, wie Sie vorhin mitgeteilt haben. Das kann er nicht. Aber es gibt selbstverständlich eine legitime Diskussion über die Frage: Wie und mit welchen Mitteln erreiche ich ein von allen bejahtes Ziel am besten? Oder anders: Wie praktiziere ich Menschenrechte so wirksam, daß nicht Deklamationen herauskommen, sondern daß menschliche Schicksale erleichtert werden? Diese Diskussion ist erlaubt und muß erlaubt sein.
    Vor einigen Tagen sagte mir ein amerikanischer Politiker: Wir wollen in erster Linie Betätigungsfreiheit für Dissidenten, ihr wollt in erster Linie Ausreisegenehmigungen. Solche simplifizierenden Feststellungen, meine Damen und Herren, verschieben natürlich immer etwas das Gesamtergebnis. Denn auch z. B. das Jackson-Amendment zum Trade Bill — wir wissen das — zielte auf Ausreisegenehmigungen. Leider, wie ich meine, mit einem Mißerfolg. Aber es gilt vor allen Dingen: Die gegenseitigen Positionen werden verstanden, und sie lassen sich auch in Übereinstimmung bringen. Ich bin davon überzeugt: spätestens in Belgrad werden wir dies erleben.
    Vordringlich war in London — deswegen ja auch die Bezeichnung Weltwirtschaftsgipfel — die Wirtschaftspolitik. Hier an dieser Stelle habe ich für die Fraktion der FDP — ich glaube, es ist schon im März gewesen — ausführen dürfen: Wir glaubten schon damals nicht mehr daran, daß die Aufforderung zur Ankurbelung der Weltwirtschaft mit Hilfe zusätzlicher Programme in London noch eine Rolle spielen würde. Nach der Korrektur, die Präsident Carter in den Vereinigten Staaten in seiner Konjunkturpolitik vor wenigen Wochen vorgenommen hatte, war anzunehmen, daß dieses Thema erledigt war. Richtig ist, daß wir das von uns selber angestrebte und für möglich gehaltene Ziel, Herr Kollege Strauß, von 5 % realem Zuwachs des Bruttosozialprodukts schaffen sollen. Wir werden uns bemühen. Ich bin der Überzeugung, wir werden das schaffen, wobei selbstverständlich jedermann wissen muß, daß eine Feinsteuerung einer Volkswirtschaft auf die Stellen hinter dem Komma absolute Illusion wäre. Dies ist nicht erreichbar. Aber ich denke, die weltwirtschaftliche Entwicklung trägt dazu bei — im übrigen auch die Entwicklung in den Vereinigten Staaten selbst; ich kann nur sagen: erfreulicherweise, amüsanterweise —, unser Ziel zu erreichen.
    Einige wichtige Voraussetzungen für unsere Entwicklung hier: Wir müssen unserer Wirtschaft die langfristigen Rahmenbedingungen schnell geben. Das heißt, wir müssen unsere steuerpolitischen, unsere energiepolitischen Entscheidungen treffen, und wir müssen das 16-Milliarden-DM-Infrastrukturprogramm — Herr Bundeskanzler, ich stimme Ihnen voll zu — schnell in Bewegung setzen.
    Dabei bleibt für uns wesentlich, daß das Ganze inflationsfrei betrieben wird. Meine Damen und Herren, in dem Kommuniqué von London findet sich der Satz — der Bundeskanzler hat ihn zitiert —; Inflation ist kein Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit, sondern eine ihrer Hauptursachen. — Das steht erstmalig in einem internationalen Dokument dieser Güte, und dies ist ein Erfolg deutscher Politik, der Politik der Bundesregierung.
    Herr Kollege Strauß, es war schon eindrucksvoll — ich darf Ihnen das berichten —, daß gestern abend zu einem Essen zur Verabschiedung des deutschen Notenbankpräsidenten zwölf Zentralbankpräsidenten aus mit uns befreundeten Ländern kamen und das der Präsident des Federal Reserve Board der Vereinigten Staaten uns eine Stabilitätspolitik bescheinigte, die ein Vorbild und ein Maßstab für viele andere sei. Da hilft Ihre dauernde Entlastungsoffensive mit dem berechtigten Vorwurf, daß durch die Verhinderung der Aufwertung im Jahre 1972/73 struktureller Schaden entstanden ist, überhaupt nicht von den Tatsachen herunter.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es gibt eine ganze Reihe weiterer höchst erfreulicher Ergebnisse: Handelsprotektionismus ist abgelehnt worden. Auch hier müssen wir unseren Respekt vor den nationalen Entscheidungen des Präsidenten Carter bekunden, der es abgelehnt hat, Importquoten für Farbfernseher und Schuhe einzuführen, und der damit das erste sichtbare Zeichen auch in seinem Lande gegeben hat, daß solche Maßnahmen nicht durchgeführt werden. — Die Gefahren, Herr Strauß — darin bin ich mit Ihnen völlig einig —, sind deswegen in diesem Bereich nicht vom Tisch. Es wird immer wieder Partner geben, die aus Schächeanfällen heraus den Versuch unternehmen, zu solchen Mitteln zu greifen. Aber wir haben erneut eine Bekundung der Entschlossenheit aller miteinander, uns solchen Anfängen entgegenzustellen.
    Ein weiteres erfreuliches Ergebnis bezüglich des Nord-Süd-Dialogs: Übereinstimmung, die deutlich die Handschrift der Europäischen Gemeinschaft —der Kommission — trägt. Jeder hier im Hause weiß, daß dies nicht zuletzt auf den Einfluß und auf die Mitwirkung der Bundesregierung zurückzuführen ist. Und auch dies muß unterstrichen werden: Erstmals hat ein solches Dokument das Comecon aufgefordert, sich dem realen Ressourcentransfer an die Entwicklungsländer endlich einmal mit mehr Wirkung ananzuschließen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich begrüße es, daß der Bundesgeschäftsführer der SPD gestern oder vorgestern dasselbe in einem Vortrag in Moskau — d. h. an Ort und Stelle, dort, wo die Adresse für solche Bitten ist — noch einmal vorgebracht hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Und erstmals ist in einem solchen Dokument die Initiative des Bundesaußenministers, die er in der 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1975 entwickelt hatte, aufgegriffen worden. Die Länder des Comecon sind aufgefordert



    Dr. Graf Lambsdorff
    worden, auch ihre Märkte für die Produkte aus den Entwicklungsländern zu öffnen

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    und nicht uns allein die Last dieser Politik tragen zu lassen.
    Mit Recht, so meine ich, hat die deutsche Presse London als Erfolg der Bundesregierung und des Bundeskanzlers gewertet; mit Recht begrüßt die deutsche Industrie in einer Stellungnahme einhellig die Ergebnisse von London. Aber ebenso richtig, Herr Bundeskanzler, ist Ihre Bemerkung, daß eine Rezession nicht mit Papier überwunden wird. Zwei Dinge scheinen mir im Verfolg von. London besonders wichtig zu sein.
    Erstens. Im Rahmen der in London getroffenen Entscheidungen sollten wir und sollte die Bundesregierung Wert darauf legen, daß auch die so lange vernachlässigten — weniger politisch als wirtschaftlich und monetär vernachlässigten — Beziehungen zu Japan genauer in Augenschein genommen und genauer bearbeitet werden. Dies gilt auch — ich möchte das von dieser Stelle aus sagen — als Appell an die deutsche Wirtschaft, den japanischen Markt nicht mehr so sträflich zu vernachlässigen, wie das viele Jahre geschehen ist. — Ich freue mich übrigens darüber, daß die Haushaltsberatungen die Möglichkeit ergeben haben, der deutsch-japanischen Handelskammer in Tokio etwas mehr unter die Arme zu greifen, damit sie ihrerseits dieser Politik Hilfestellung geben kann.
    Die zweite Aufforderung ist für mich und meine Freunde: die deutschamerikanischen Beziehungen weiter ausbauen. Meine Damen und Herren, es hat sich hier sicherlich einiges geändert, und wir sollten darüber ruhig offen sprechen. Diese Beziehungen sind in den vergangenen Jahren sachlich und persönlich besonders eng gewesen — einschließlich einer zwar risikoreichen, aber für uns immer positiven emotionalen Komponente. Wir konnten nicht erwarten, daß dies immer und ewig so bleiben wird. Wir sind jetzt wieder, so scheint mir, ein geschätzter Partner der Vereinigten Staaten, aber einer unter anderen. Die Vereinigten Staaten von Amerika wissen, so glaube ich, daß die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik für ihre politischen Ziele und deren Erreichung unentbehrlich ist. Wir, so meine ich, wissen, daß die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten das Element unserer Existenz in Freiheit ist. Aus diesen Formulierungen ergibt sich auch die unterschiedliche Gewichtung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Die Rolle eines wichtigen Partners neben anderen zeigt, daß die Bundesregierung in den vergangenen Jahren gut daran getan hat, dem jahrelangen Drängen seitens der Vereinigten Staaten, seitens unserer Freunde in den Vereinigten Staaten, doch eine Führungsposition in Europa einzunehmen, nicht zu folgen. Wir wollen und wir können keine Prädominanz für uns in Europa beanspruchen. Andererseits wissen wir aber auch, daß die Zeiten, in denen die Bundesrepublik einen wirtschaftlichen Riesen und gleichzeitig einen politischen Zwerg darstellte, vorbei sind. Dies ist die Konsequenz einer jahrelangen Entwicklung in der Verbindung von Wirtschafts- und Außenpolitik. Der
    Herr Bundeskanzler hat dies gestern an dieser Stelle im Staatsakt für unseren verstorbenen Kollegen Professor Dr. Ludwig Erhard dem Sinne nach so formuliert, daß der bedeutendste außenpolitische Erfolg Ludwig Erhards seine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gewesen ist. Wir haben es heute mit den Konsequenzen dieser Verbindung und dieser Erfolge, die parallel wie in kommunizierenden Röhren verlaufen, zu tun.
    Die Wahrnehmung dieser unserer gewachsenen politischen Verantwortung erfordert auch gegenüber den USA enge und bessere persönliche Beziehungen. Meine Damen und Herren, ich möchte hier an uns im Parlament appellieren: Wir brauchen bessere persönliche Beziehungen zum Kongreß der Vereinigten Staaten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir wissen sehr genau, daß in dem dortigen System der Präsidialdemokratie der Kongreß über vieles entscheidet; man könnte auch sagen: Ohne ihn läuft nichts.

    (Wehner [SPD] : Sehr richtig!)

    Es ist nicht damit getan — um es hier ganz deutlich zu sagen —, daß wir Delegationen austauschen. Es ist vielmehr erforderlich, daß wir intensiv, hartnäckig und systematisch Einzelkontakte erarbeiten. Ich glaube, daß dies eine Aufgabe ist, die den Bundestag — und zwar einschließlich der Oppositionsfraktion; dies ist nicht etwa allein eine Aufgabe der Koalitionsfraktionen — in der nächsten Zeit beschäftigen sollte. Wir müssen diesbezüglich zu Beschlüssen kommen.
    Ich fasse zusammen. Wir können das Ergebnis dieser drei Konferenzen nicht besser ausdrücken, als es im Schlußsatz des Kommuniqués über den Londoner Wirtschaftsgipfel formuliert wurde — ich bitte um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, dies zitieren zu dürfen —:
    Die Botschaft der Gipfelkonferenz in Downing
    Street ist somit eine Botschaft des Vertrauens
    — in die unverminderte Kraft unserer Gesellschaften und in die bewährten demokratischen Grundsätze, die sie mit Leben erfüllen,
    — daß wir die Maßnahmen ergreifen, die zur Lösung der Probleme und zur Sicherung einer gedeihlicheren Zukunft erforderlich sind.
    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland — dessen ist die Fraktion der FDP gewiß — wird ihren Teil dazu beitragen, diese Botschaft des Vertrauens Realität werden zu lassen. Die Bundesregierung kann sich dabei der Unterstützung durch die FDP-Fraktion dieses Hauses sicher sein.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)