Rede:
ID0802600500

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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 12. Mai 1977

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Was ist aus der Absichtserklärung von Rambouillet geworden, die Wechselkurspolitik enger aufeinander abzustimmen? Das gehört doch auch zu diesen Gelübden, die nie gehalten worden sind.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Doch!)

    Was ist aus den Antiinflations-Fanfaren von Puerto Rico geworden? Unmittelbar nach dem letzten Gipfel im Jahre 1976 — um den schönen Ausdruck „Gipfel" beizubehalten; es ist ja die Eigenart von Gipfelkonferenzen, daß sie auf Talsohlen stattfinden und ihre Höhen sich in Nebel hüllen —,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    haben Sie am 30. Juni hier erklärt — ich zitiere Sie wörtlich mit einem Satz —: „Ich stelle mit Genugtuung fest, daß nach allgemeiner Überzeugung in Puerto Rico die Rezession der führenden Industrieländer nunmehr überwunden ist."

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie haben sich ein knappes Jahr später mit genau denselben Problemen, deren Lösung Sie in Puerto Rico als bereits erfolgt angedeutet haben, in London wieder beschäftigen müssen.
    Doch jetzt, zehn Monate später, stellen wir fest: Wir haben weniger Hoffnungen, und wir haben noch mehr Risiken. Zaghaftes Wachstum wird durch nationale und internationale Verteilungskämpfe bedroht. Die ungelösten Zahlungsbilanzprobleme vieler Industrie- und Entwicklungsländer haben sich leider verstärkt. Ein erneutes Aufflammen der Inflation bei manchen Partnern und nicht zuletzt die Gefahr, daß der Welthandel trotz der schönen Worte von London durch restriktive Maßnahmen eingeschränkt wird, sind schwerwiegende Hypotheken für unsere Zukunft. Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ist unsicherer geworden, als sie zur Zeit der Gipfeltreffen von Rambouillet im November 1975 und von Puerto Rico im Juni 1976 war. Man konnte damals noch der Öffentlichkeit weismachen, die Rezession 1975 und ihre Folgen könnten durch eine Politik der Nachfrageankurbelung überwunden werden. Es zeigt sich heute, daß viele Regierungen der Inflation und der Arbeitslosigkeit hilflos gegenüberstehen.
    Der Aberglaube, man könnte durch Inflation die Arbeitslosigkeit vermeiden oder verhindern, mußte endlich aufgegeben werden. Das ist der teuerste Lernprozeß, den es in der Weltgeschichte jemals gegeben hat, bis man diesen Aberglauben abgewickelt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wir kennen Sie, und deshalb sind wir auf manches gefaßt. Aber ich muß sagen: Ich bewundere Sie,

    (Beifall bei der SPD und der FPD)




    Strauß
    wie Sie hier diese Weisheit vertreten haben, man könne durch Inflation doch nicht die Arbeitslosigkeit abbauen oder aufheben.
    Wie viele Helmut Schmidts gibt es eigentlich?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Da gab es doch einmal einen Doppelgänger von Ihnen, der gesagt hat: „Wir Deutschen vertragen 5 % Inflation leichter als 5 % Arbeitslosigkeit" und der damit als Praeceptor Germaniae vorgetäuscht hat oder vortäuschen wollte, man könnte die Arbeitslosigkeit durch eine in Kauf genommene Inflation von 5 % verhindern.
    Dann gab es einen anderen Doppelgänger. Auch der hieß Helmut Schmidt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Dreifachgänger!)

    — Ja, „Dreifachgänger" muß man schon sagen. Der sagte: Stabilität, das ist so ein Modewort; das kümmert mich viel weniger, als es anscheinend andere kümmert. Waren auch das Sie?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Oder ist bei Ihnen schon eine Seelenwanderung eingetreten?

    (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Haben Sie da Bewußtseinsorgane verpflanzt?

    (Andauernde Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Hat bei Ihnen ein psychologischer Barnard gewirkt,

    (Wiederholte Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Der Bundestag ist doch kein Kabarett!)

    der Teile Ihrer Verstandesmaschine ausgewechselt hat?

    (Fortgesetzte Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Denn Sie haben mit Nachdruck immer die These vertreten, daß man durch so eine Politik der leichten Hand und des leichten Geldes diese Probleme lösen könne.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sind Sie unter die Kabarettisten gegangen?)

    Daran, daß es bei uns zu einer Million Arbeitsloser als einer Dauererscheinung gekommen ist, ist nicht das Ausland schuld. Der Schuldige sitzt hier. Er heißt Helmut Schmidt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte keine Selbstverständlichkeiten wiederholen. Aber sämtliche Mitglieder dieses Hauses wissen doch, daß wir, die CDU/CSU — ich darf mich als häufiger Redner zu diesem Thema auf diesem Platze selbstverständlich einschließen —, unzählige Male vor dem Aberglauben gewarnt haben, man könne die Vollbeschäftigung durch Inflation garantieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben jetzt offensichtlich Ihren zweiten Bildungsweg abgeschlossen. Aber Sie sind der kostspieligste Student der Bundesrepublik, Sie sind der teuerste Lehrling der deutschen Wirtschaft.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn das Geld, das wegen dieses Aberglaubens, von höchster Stelle vertreten, verschwendet worden ist, für die Schaffung von Ausbildungsplätzen für Jugendliche verwendet worden wäre, dann gäbe es das Problem überhaupt nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Kernübel, Herr Bundeskanzler — mangelndes Vertrauen in die wirtschaftspolitische Zukunft —, ist in London zwar angesprochen worden. Doch dieser Vertrauensverlust ist durch ein internationales Politshowgeschäft nicht zu beseitigen. Tatsache ist, daß inzwischen auch die breite Weltöffentlichkeit die Hilf- und Bewegungslosigkeit mancher Regierungen sowie die Verantwortungslosigkeit gewisser Gruppen der Gesellschaft gegenüber den Problemen der Inflation und der Arbeitslosigkeit erkannt hat. Bei uns hat der Bundeskanzler immer wieder den Eindruck zu erwecken versucht, alle unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten — früher die Inflation, heute die Arbeitslosigkeit — hätten ihren Grund in der internationalen Wirtschaftlage. Das ist falsch und aus dem Munde eines Kundigen eine bewußte Unwahrheit.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD)

    — Da gibt es nur die Alternative: Entweder nicht kundig, dann ist es falsch; wenn kundig, dann ist es eine bewußte Unwahrheit.
    Niemand bestreitet die Wechselwirkungen zwischen Inland und Ausland. Aber seit Jahren leben wir immer stärker vom Export. Die Rezession begann bei uns im zweiten Halbjahr 1973, als unser Export und der Welthandel noch Hochkonjunktur hatten. Als bei uns im Jahre 1974 das Wachstum erstmals zum Stillstand kam und die Arbeitslosigkeit langsam, aber sicher anstieg, ging das Wachstum des Welthandels zurück. Aber genau in diesem Jahr 1974 hatten wir den höchsten Außenhandelsüberschuß in der Geschichte der Bundesrepublik, nämlich 51 Milliarden DM. An diesen Tatsachen kann man sich doch nicht durch magische Beschwörungen der Unwahrheit und falscher Kausalitäten einfach vorbeidrücken.
    Herr Kollege Brandt — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist weg!)

    — Bei dem Nachbarn ist es immer so schwierig, länger auszuhalten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Graf Lambsdorff [FDP])

    — Nein, da habe ich gesagt: Jetzt sucht er einen Gesprächspartner. Sie müssen Ihr Gedächtnis aufpolieren. Wenn Sie nicht so giftig wären, Graf Lambsdorff, würde Ihre Erinnerung besser funktionieren.
    Hat nicht der erste Bundeskanzler dieser Koalition seit 1969 von diesem Platz aus verkündet, daß der hohe Exportüberschuß, wie er in den Jahren 1968/69 eingetreten sei, eine schwerwiegende Belastung unserer Wirtschaft sei, einer Vernachlässigung im Aufbau der Bundesrepublik Deutschland gleichkomme und jetzt Auslandsnachfrage zügig durch Inlandsnachfrage ersetzt werden müsse? Damals hatten wir einen Anteil des Exportes am Brut-



    Strauß
    tosozialprodukt — immer real gemessen — von etwa 22 %. Heute haben wir einen Anteil von 30 % erreicht. Wären wir nur bei den damals verdammten 22 % geblieben und hätten wir nicht die in den Augen der seit 1969 im Amt befindlichen Regierungen noch verdammenswertere Quote von 30 °/o erreicht, dann hätte es die Million Arbeitsloser schon früher gegeben und wir wären heute beim Aufbau des Sockels einer zweiten Million Arbeitsloser. Der Export hat doch bei uns keine Arbeitsplätze vernichtet. Wir haben Waren exportiert und Arbeitsplätze importiert. Das ist die Wahrheit. Darum bitte ich Sie, endlich mit dieser ständigen Beschwörung, die Sie bei einem ungeeigneten Anlaß wieder vorgenommen haben, aufzuhören, daß der wirtschaftliche Rückschlag eine Folge der internationalen Verflechtung sei. Wir haben durch unseren Export mehr Arbeitsplätze halten können, weil wir die Exportquote haben steigern können. Sagen Sie aber ja nicht, das sei die Leistung der Bundesregierung. Wenn man hier überhaupt die Politik für so etwas verantwortlich machen könnte, dann müßte hier ein Name genannt werden: Ludwig Erhard. Denn ohne die soziale Marktwirtschaft wäre diese ungeheure Mobilität, Flexibilität, Elastizität, Anpassungs- und Verkraftungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft niemals eingetreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier müssen wir dem Arbeiter, dem Unternehmer, dem Facharbeiter, dem Ingenieur und dem Kaufmann einen Dank sagen. Diese tüchtigen und fleißigen Menschen haben das Schlimmste verhindert, nämlich eine zweite Million Arbeitsloser zu bekommen.
    Wir haben den Export steigern können, als andere ihren Export einschränken mußten. Das ist die Wahrheit, nichts anderes. Wir wollen aus dem Munde eines Regierungschefs, den wir ja als solchen respektieren wollen, nicht dauernd mit Unwahrheiten gefüttert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In wichtigen europäischen Industriestaaten — Bundesrepublik, Frankreich, Italien und Großbritannien, aber auch Belgien und Dänemark — steht die Wirtschaftspolitik im Spannungsfeld schwacher Regierungsmehrheiten, ungeheurer öffentlicher Defizite, einer munter weiterblühenden Inflation unterschiedlicher Größenordnung und einer munter weiterblühenden Inflation der Ansprüche, dazu in einigen Staaten auch aggressiv gewordener Gewerkschaften, riesiger Zahlungsbilanzlücken und gewaltiger Auslandschulden.
    Bezeichnend für die Gipfelkonferenz ist die Tatsache, daß sie auf der Talsohle stattgefunden hat und daß sich, wie ich vorher sagte, ihre Höhen allerdings in Nebel hüllen. Die eigentliche Problemstellung der Wirtschaftslage ist in London nicht angeschnitten worden, jedenfalls nicht öffentlich. Die Anspruchsinflation der modernen Industriegesellschaft, die zunehmende Unregierbarkeit einzelner Länder, die offenkundige Schwäche vieler Regierungen und der sie tragenden — Kollege Wehner würde sagen: schaukelnden — Parteien haben zu einer Überforderung des Bruttosozialprodukts geführt. Deshalb ist das Schreien nach Inflationsprogrammen anderer Länder zwecks Verbesserung der eigenen Exportchancen — früher der Ruf nach erleichterten Kreditmöglichkeiten — kein Rezept zur Lösung der Probleme, sondern nur eine Folge der eigentlichen Ursachen, die auch in London weitgehend in dem wohltätigen Dunkel der Konferenzgefälligkeiten verborgen blieben. Wenn die starken Industrieländer zusätzlich Inflationsprogramme machten und zusätzliche Inlandsnachfrage auch auf Importe von Fertigerzeugnissen durchschlagen würde, könnten davon nur jene Länder profitieren, die international wettbewerbsfähig sind. Die Chancen der wirtschaftsschwachen Industrieländer wären auch hier relativ gering.
    Ein Beispiel: Die Einfuhr der Bundesrepublik aus den starken Ländern — USA, Schweiz und Osterreich — wuchs im Jahre 1976 um 25 %, die aus den wirtschaftsschwachen Industrieländern stieg im gleichen Zeitraum nur um knapp 15 %.
    Solche Scheinlösungen — wie Belebung der Weltwirtschaft durch Inflationsprogramme — wären keine Heilung der Krankheit, sondern nur eine kurzfristige Morphiumspritze zur Linderung der Schmerzen.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP] : Wer will denn das)

    — Das ist uns oft genug als Rezept zur Milderung oder Verhinderung der Arbeitslosigkeit hier angeboten worden, Graf Lambsdorff. Wie gesagt, Sie müssen Ihr Gedächtnis in Ordnung bringen, dann ist auch sonst alles wieder in Ordnung.
    Gerade die Bundesrepublik mit ihrem hohen Exportanteil würde die Inflation exportieren, das Inflationsniveau der Handelspartner erhöhen und dann mit Sicherheit Inflation reimportieren. Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, in London ankündigten, die Bundesrepublik werde an dem Ziel eines Wachstums von 5 % festhalten und notfalls nachsteuern, bleibt die Frage, wie Sie dieses Ziel eigentlich erreichen wollen. Denn die Auftragseingänge sind seit Monaten, wie Ihnen hoffentlich bekannt ist, unbefriedigend, ausgenommen bei der Automobilindustrie. Die zum Wochenanfang veröffentlichten Zahlen vom März sind geradezu bedrückend. Wir sind der Auffassung, daß wir zwar erst Mitte des Jahres in etwa abschätzen können, wie stark das Wachstum in diesem Jahre voraussichtlich ausfallen wird, aber jetzt doch schon so viel sagen können: Wenn die wirtschaftliche Lage — und nichts spricht dafür, daß sie sich ändert — sich so weiterentwickelt, wie sich die Auftragseingänge in den ersten drei Monaten des Jahres entwickelt haben, werden Sie die in London zugesagten 5 % nicht erreichen. Auch alle Ankurbelungsprogramme nützen nichts; denn Sie wissen ganz genau, daß zwischen dem Beschluß solcher Maßnahmen und dem Eintritt ihrer Wirkung ein Zeitraum liegt, der nicht innerhalb eines Jahres zu messen ist, sondern im Jahre 1977 mit Sicherheit nicht endet. Außerdem fehlt es, wie sogar öffentlich erklärt worden ist, an vergabereifen Projekten.
    Sie können sich, Herr Bundeskanzler, auf die Dauer nicht um die durch nichts zu bestreitende
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, . Donnerstag, den 12. Mai 1977 1831
    Strauß
    Wahrheit herumdrücken, daß nur eine radikale Senkung der Kostenbelastung der Wirtschaft mit Einschluß der Steuern eine Wende herbeiführen kann. Diese Wende können Sie aber nicht vollziehen, weil Sie nicht mehr Macher, sondern Gemachter sind,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    weil Sie trotz Ihrer besseren, in der Zwischenzeit erworbenen Einsichten an der ideologischen Verblendung Ihrer sozialistischen Freunde gescheitert sind und deshalb von Grashalm zu Grashalm hüpfen.
    Wir werden sehen, was aus der überlebensgroßen Figur des Weltwirtschaftskanzlers von London zu Hause im Irrgarten der SPD und ihrer Koalition in den nächsten Monaten übrig bleibt, was übrig bleibt von dem praeceptor mundi, von dem doctor gentium, von dem Lehrer der Völker, von dem weisen Hirten der Welt. Im Ausland ist es leicht, hier Ziele zu setzen; aber daheim wird es immer schwieriger.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Wiefel [SPD] : Da klatschen nicht einmal Ihre eigenen Leute !)

    Wenn von 1970 bis 1976 die Lohnquote von 66,7 auf 70,1 % angestiegen ist, wenn die Staatseinnahmequote von 33,1 % auf 39,8 % des Bruttosozialprodukts zunahm und wenn in der gleichen Zeit die Investitionsquote von 26,4 % des Bruttosozialproduktes auf 20,8 % abgesunken ist, dann besteht zwischen diesen Zahlen ein unmittelbarer Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Da muß angesetzt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt nur eine Möglichkeit, die Rezession langfristig zu überwinden, nämlich sich selbst mehr anzustrengen, sich selbst mehr abzuverlangen, im nationalen Bereich die Wirtschaft in Ordnung zu bringen; denn stability and growth begin at home. Aber der Bundeskanzler hat auch heute keine Antwort auf die Frage gegeben, wie er die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik nunmehr überwinden will. Vom Bundesarbeitsminister soll der Plan erwogen worden sein, ein neues Arbeitsbeschaffungsprogramm mit 500 Millionen DM in Gang zu bringen. Schon das letzte mit 450 Millionen DM hat doch total versagt; es sind nur 112 Millionen DM überhaupt abgerufen worden. In Ihrer Fraktion, Herr Bundeskanzler, hört man von neuen Plänen, eine Arbeitsmarktabgabe für Angestellte, Beamte, Freiberufler, Selbständige plus mithelfende Ehefrauen einzuführen. Diese Pläne zeigen, daß diese Ihre Parteifreunde — heute haben wir den 114. Gründungstag der SPD, die 1863 in Hannover gegründet wurde -seit der Zeit nichts dazugelernt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] Schämen Sie sich nicht, Herr Strauß, daß das so billig ist?)

    Auch der Vorschlag des Bundesarbeitsministers Ehrenberg, eine Abgabe für Oberstunden einzuführen, ist blühender Blödsinn.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Können denn Sozialisten nicht aufhören, die Menschen in unserem Lande ewig mit neuen Gefahren, mit neuen Drohungen, mit neuen Lasten in Angst und Schrecken zu jagen? Müssen sie denn immer in geradezu politsadistischer Weise an dem Problem herumbasteln, wie man die Bürger am meisten ärgern kann? Dabei kommt nichts heraus außer Ihrem Debakel, das eintreten muß, damit unser Land wieder gesund wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In den letzten Minuten meiner Rede möchte ich Sie, Herr Bundeskanzler, an das erinnern — ich hoffe, daß Ihr Gedächtnis Sie sofort in den Stand setzt, sich das in Erinnerung zurückzurufen —, was Sie bei der Konferenz der Sozialistischen Parteien in Oslo am 1. April gesagt haben. Da haben Sie den Mangel an Vertrauen in die Zukunft als einen der Gründe für die Rezession angeführt. Sie haben gesagt, daß die derzeitige Rezession zu weniger als 49 % wirtschaftliche, quantitative Gründe und zu mehr als 51 % psychologische und politische Gründe hat. Wie haben Ihre Freunde uns hier bespottet, verlacht, verhöhnt und polemisch beschimpft, wenn wir genau dasselbe an dieser Stelle gesagt haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber das Vertrauen, das die Voraussetzung für Investitionen ist, wie Sie in Oslo ja selbst bekundet haben, können Sie nicht durch Appelle zurückgewinnen. Das Schreckliche ist, daß immer gesagt wird, was erreicht werden muß, daß aber niemals gesagt wird, wie es erreicht werden soll, und gar nichts getan wird, damit dieses Ziel erreicht wird.
    Sie haben, Herr Bundeskanzler, den Unternehmern und ihren Verbänden am 1. Mai wieder pessimistische Nörgelei, Krittelei und Investitionsunlust vorgeworfen. Sie haben gesagt, jetzt müssen die Unternehmer zeigen, daß sie Unternehmer sind, Unternehmer und nicht Unterlasser. Lassen Sie doch dieses halbklassenkämpferische Geschwätz, das nur auf das jeweilige Auditorium abgestellt ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt keinen Unternehmer in der Bundesrepublik, der der Opposition zuliebe eine aussichtsreiche Investition unterlassen würde.

    (So ist es! Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Damit würden sich höchstens Ihre Parteikassen noch mehr mit Spenden mehren als die unseren.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber es sind ja nicht nur die privaten Unternehmer, die nicht investieren, auch die öffentlichen Unternehmer investieren weitgehend nicht genug, nicht so viel, wie sie investieren sollten. Zwischen Ihrer Rede in Oslo am 1. April, in der Sie auch den Tarifpartnern, und zwar beiden, die Leviten gelesen haben, und zwar ganz gewaltig - sie dürften durch ihr Verhalten nicht zu der Krise beitragen; das sei verantwortungslos —, und Ihrer Rede einen Monat später, am 1. Mai, muß eine Operation stattgefunden haben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)




    Strauß
    Denn der Helmut Schmidt von Oslo und der Helmut Schmidt von Düsseldorf sind zwei miteinander nur durch äußere Ähnlichkeit vergleichbare Figuren.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie hätten eigentlich das — das sage ich nicht einmal boshaft —, was Sie in Oslo gesagt haben, in Düsseldorf sagen müssen. Dann hätten Sie in Oslo ruhig das sagen können, was Sie in Düsseldorf wirklich gesagt haben.

    (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber bezeichnend ist natürlich, was Sie in Oslo noch dazu gesagt haben: „Ich bin überzeugt davon, daß es kein Vertrauen in die Zukunft geben kann, wenn man nicht die Wahrheit sagt. Sagt man dagegen die Wahrheit, sind die Leute überzeugt, daß man aufrichtig ist. Dann kann man Vertrauen schaffen."

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Siehe Renten!)

    Diesen Selbstappell, Herr Bundeskanzler, den Sie an sich gerichtet haben, möchte ich hier im Namen der ganzen Fraktion übernehmen. Sie haben doch in der Rentenfrage und in anderen wirtschaftlichen und sozialen Fragen einfach nicht die Wahrheit gesagt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben in Oslo eine interessante Wahrheit gesagt. Sie sagten, eine Wahrheit ist beispielsweise, daß man nicht alle diese Schwierigkeiten überwinden und gleichzeitig alle in der Zeit von 1973 an die Volkswirtschaft gestellten hohen Anforderungen aufrechterhalten kann.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört! Kann man da nur sagen!)

    So Helmut Schmidt in Oslo. Erinnern Sie sich, wie der Herr Bundesfinanzminister — wie der Herr, so's Gescherr, sagt man in Bayern —, aber auch der Bundeskanzler selbst mich hier behandelt hat, als ich sagte, daß die Grenzen des Sozial- und Bildungsstaates erreicht, zum Teil überschritten seien und daß deshalb in Zukunft sorgsam überlegt werden müsse, Sachplanung und Finanzplanung deckungsgleich zu machen? In Oslo sagen Sie es, aber hier haben Sie nicht den Mut, es vor Ihren Genossen zu vertreten und mit der Tat durchzusetzen. Sie sind nämlich Kanzler und nicht Abkanzler! Diesen Unterschied scheinen Sie manchmal nicht begriffen zu haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir begrüßen es trotzdem, daß die Londoner Konferenz stattgefunden hat.

    (Lachen und Beifall bei der SPD)

    Sie hat dem Bundeskanzler die Möglichkeit gegeben, zerschlagenes Porzellan wenigstens wieder zu kitten. Sie hat ihm die Möglichkeit gegeben, Herrn Carter zum Wahlsieg zu gratulieren, nachdem er sich während der amerikanischen Wahlperiode in einem Interview in „Newsweek" sehr heftig für den Wahlsieg von Herrn Ford eingesetzt hatte. Aber solche Leistungen höherer staatsmännischer
    Geschicklichkeit sind bei Ihnen nicht neu. Deshalb sind Sie in der Hinsicht konservativ.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie haben auch die Möglichkeit gehabt, Ihre harten Angriffe im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsfrage in London zu relativieren. All das ist schön und gut. Ich sage aber abschließend eines: Uns interessieren zwar die schönen Absichtserklärungen, aber noch mehr interessieren uns die Erkenntnisse, die jetzt zu Tage getreten sind. Noch mehr aber werden uns die Ergebnisse interessieren, die als Folge der Schwüre von London in absehbarer Zeit auf dem Tisch der öffentlichen Politik liegen müssen. Und dann kann ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, nur sagen: Bei Philippi sehen wir uns wieder, und dann wird es nicht der Geist Caesars, sondern der Geist Jimmy Carters sein, der Ihnen das entgegenhält.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die Bundeskanzler Helmut Schmidt heute hier dargelegt hat, verdient sowohl Dank für ihre Freimütigkeit als auch aufmerksame und gründliche politische Verwertung. Das sage ich im Namen der ganzen sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Bundestagsfraktion der SPD dankt dem Bundeskanzler und dankt der Bundesregierung, besonders den unmittelbar beteiligten Herren, dem Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher und dem Bundesminister der Finanzen, Hans Apel,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    für das Zusammenwirken, das einen gewichtigen Anteil unserer Bundesrepublik Deutschland an der Londoner Konferenz — ich muß sagen: an den Londoner Konferenzen - möglich gemacht hat. Wenn die Botschaft von Downing Street eine Botschaft des Vertrauens genannt worden ist und wird, dürfen wir unsererseits denen, die den deutschen Beitrag dazu geleistet haben, unser Vertrauen dafür bekunden, daß sie sich in schwierigen Wetterverhältnissen als vertrauenswürdig erwiesen haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Als ich gestern, am Tag vor der Regierungserklärung und der ihr folgenden Debatte, einiges darüber nachzudenken hatte, wie dies wohl sein werde, habe ich geschrieben: Dem Bundestag ist zu wünschen, daß sich alle Seiten der Bedeutung bewußt sind, die dieser Regierungserklärung und ihrer Aufnahme in der Debatte zukommt. Und ich fuhr fort: Wenn im Schatten der Trauer um das Hinscheiden Ludwig Erhards, des ältesten Mitglieds des Deutschen Bundestages, Verantwortungsbewußtsein und wechselseitiger Respekt der parlamentarischen Repräsentanten die unvermeidliche Auseinandersetzung prägen, wird das sowohl unserer demokratischen Le-



    Wehner
    bensform als auch den Notwendigkeiten der Bonner Politik entsprechen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mein Vorredner, der Herr Vorsitzende der CSU, hat heute im Namen der Opposition und ihrer Fraktion von einer Regierungserklärung mit einigen „merkwürdigen- Einlagen" gesprochen, und er hat eigentlich nur einem Teil dessen, was aus London berichtenswert war, wie er sich ausgedrückt hat, die uneingeschränkte Zustimmung gegeben, nämlich der Berlin-Erklärung und, wie er sich ausdrückt, ihren Konsequenzen. Er hat dabei daran erinnert, daß beim Abschluß des Berlin-Abkommens er es gewesen sei, der höhnisch behandelt worden sei, weil er sie für ganz Berlin in Anspruch genommen habe.

    (Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU])

    Er hat nunmehr wohl die Genugtuung, daß er spät „recht bekommen" hat. Er hat dies aber gleich noch damit geschmückt, daß er sagte, daß diese Stadt heruntergewirtschaftet werde. Das ist wörtlich von ihm so gesagt worden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Stimmt ja auch! — Leider wahr!)

    Er hat dann als ein Mann, der auch der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion ist — und, wie wir alle wissen, nicht nur Sprecher, sondern auch Denker; er war ja eine ganze Reihe von Jahren der Bundesminister der Finanzen —, plötzlich diesen Vergleich eigentümlicher Art hineingebracht: Wenn schon die Bundesregierung nicht den Mut habe, Berlin als Sitz der Nationalstiftung zu bestimmen, wie sollten denn dann die Unternehmer dort investieren?! — Herr Strauß, ich weiß, daß Sie genau wissen, daß das zwei völlig unvergleichbare Posten sind

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und daß es sich dabei um Bezugnahmen handelt, die — ich weiß nicht, warum — auf jeden Fall einem anderen Zweck dienen als dem, zu zeigen, daß die Stadt von denen, die dort parlamentarisch die Verantwortung tragen, „heruntergewirtschaftet" wird.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU]: Das kann ja niemand bestreiten!)

    — Ich verstehe, daß Sie Ihrem Sprecher Unterstützung gewähren wollen und auch müssen. Das ist ganz in Ordnung. Aber Sie werden damit einige meiner Feststellungen nicht völlig entkräften können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
    Ich habe mit einer gewissen Spannung auf den heutigen Auftritt des Herrn Kollegen Dr. h. c. Franz Josef Strauß gewartet, weil ich heute morgen folgendes ihm wörtlich zugeschriebene Zitat gelesen hatte:
    Der Wirtschaftsgipfel wird und kann nicht viel bringen. Wahrscheinlich war es sogar ein Fehler, ihn einzuberufen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Ich habe mich gefragt: Ich bin gespannt, wie er das
    — falls er es noch einmal in den Mund nimmt —,
    was ihm in der heute morgen erschienenen und nunmehr natürlich auch überall von vielen Leuten gelesen werdenden Wochenzeitschrift zugeschrieben worden ist, nun heute hier darlegen wird. Er hat es auf eine unnachahmliche Weise getan.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Heiterkeit)

    Er hat, was den Wirtschaftsgipfel betrifft, von einer „Harmoniedemonstration" geredet und auch davon, was eigentlich aus den Absichtserklärungen von Rambouillet und von Puerto Rico geworden sei, aus aus ihnen gemacht worden sei. Er sprach überhaupt generell von Wirtschaftsgipfeln, die sich „in Nebel hüllen". Herr Strauß, ich habe mir so dabei gedacht: Ein Glück, daß der Bundeskanzler Schmidt dort war und nicht Sie.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich muß gestehen — ich betone dies daß ich die
    Regierungserklärung nicht nur voll und ganz, sondern auch in ihren Details ohne Einschränkung unterstütze.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist nicht irgendein bloßes Bekenntnis, sondern das ist meine Überzeugung nach dem, was ich in dieser Nacht - es war schon Morgen, unter uns gesagt — schließlich in einem Rohentwurf sehen konnte. Ich will hier nicht den Versuch machen, aus der Regierungserklärung das eine oder andere herauszuheben und hervorzuheben. Das käme mir nicht zu. Ich möchte aber besonders auch, aber nicht nur deshalb, weil der Herr Dr. Strauß

    (Zuruf von der CDU/CSU: „h. c." !)

    hier gesagt haben wollte, wie das denn eigentlich mit Krisenerscheinungen vor sich gegangen sei und welchen Anteil unsere Regierungen daran hätten, an dieser Stelle meinen Dank an die Ministerpräsidenten der Länder aussprechen, die zusammen mit der Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklärung am 6. Mai — sie ist hier erwähnt worden
    bekundet haben — ich zitiere —:
    Bund und Länder werden ein gemeinsames mehrjähriges Investitionsprogramm zur wachstums- und umweltpolitischen Vorsorge, ein Programm für Zukunftsinvestitionen durchführen.
    Dies wird von der Bundestagsfraktion von der SPD mit Dank an alle Beteiligten — gleichgültig welcher Parteizugehörigkeit — aufgenommen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In der Verständigung zwischen Bundesregierung und Länderregierungen sehen wir, erkennen wir die Fähigkeit aller beteiligten Seiten, trotz vielfältiger parteipolitischer und auch Interessengegensätze schließlich doch für das Wohl unseres ganzen Volkes zusammenzuwirken.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist nicht nur anerkennenswert; es ist auch bemerkenswert. Der in der Erklärung der Länderregierungen und der Bundesregierung gemeinsam zum Ausdruck gebrachte Wille, mit diesem Programm zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen und



    Wehner
    damit zur Wiedergewinnung und Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes beizutragen, wird von uns als die Voraussetzung für gemeinsame Bemühungen, d. h. aufeinander abgestimmte Beiträge von Bund, Ländern und Gemeinden, angesehen. Wir machen uns zu eigen, was in der gemeinsamen Erklärung der Länderregierungschefs und der Bundesregierung hervorgehoben worden ist — ich zitiere sie wörtlich —:
    Von großer Bedeutung dafür ist, daß es gelingt, durch das Programm die öffentliche Investitionsquote zu verbessern. Bund und Länder haben die feste Absicht, die Zusätzlichkeit der im Investitionsprogramm vorgesehenen Ausgaben zu sichern und Umfinanzierungen zu vermeiden.
    Ich nehme nicht an, Herr Strauß, daß Sie eine Vollmacht gehabt haben, hier einen Teil davon im Namen etwa von Ländern zu dementieren. Daß sich alle dieser Erklärung hier anschließen, dessen bin ich sicher.
    Dazu sage ich noch: Wenn Bund und Länder wahrmachen, daß sie — wie sie betont haben — gemeinsam der Auffassung sind, schon im Jahre 1977 sollen deutlich Anstöße für die Wirtschaft gegeben werden, und deshalb ein beträchtlicher Teil dieses Programms bereits in diesem Jahr als Aufträge an die Wirtschaft vergeben wird, wird dies unser nächster wirksamer deutscher Beitrag dazu sein, die Botschaft des Vertrauens nach innen zu tragen, d. h. in die Betriebe, in die Unternehmen, in Handwerk und Handel, in die Familien.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Bund und Länder haben zum Ausdruck gebracht, sie knüpften an das Programm die Erwartungen, daß mit einer verbesserten öffentlichen Infrastruktur und den Nachfrageeffekten, die vom Programm ausgehen, auch die Investitionsbereitschaft der privaten Unternehmen zunehmen werde, was ja eine notwendige Voraussetzung für ein stetiges, stabiles und stabileres Wirtschaftswachstum ist.
    Dazu sage ich: Wenn viele durch ihren Beitrag dazu helfen, dann helfen wir gemeinsam uns, d. h. unserem Volk, selbst, und die Bundesrepublik Deutschland fördert mit diesem Programm die internationalen Bemühungen um anhaltenden weltweiten Aufschwung, von denen wir gehört und von denen wir in den Erklärungen des Gipfels gelesen haben. Damit dienen wir auch uns selbst, meine Damen und Herren. Das heißt, hier gibt es offenbar auch jenes interessante Motto „Gemeinsam erreichen wir mehr".

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da Sie, Herr Kollege Strauß, sich haben einfallen lassen — sicher ohne tiefergehende Information zu haben; deswegen nehme ich Ihnen das auch nicht übel, daß Sie das gemacht haben —, in diese Debatte über eine Regierungserklärung über höchst wichtige Gipfeltreffen einiges über angebliche Vorgänge in der Bundestagsfraktion der SPD einströmen zu lassen — Herr Strauß, bei Ihnen strömt es ja —, muß ich Ihnen folgendes sagen. In der Bundestagsfraktion der SPD hat sich eine Arbeitsgruppe aus eigenem Antrieb und mit der Aufforderung der Gesamtfraktion daran gemacht, einmal einiges an Gedanken zu diskutieren und es dann in den Arbeitskreisen auch tatsächlich, was die ökonomische Seite, was die Arbeitsvermittlungsseite, was die öffentliche Finanzseite betrifft, nicht nur prüfen, sondern durchkneten zu lassen. Wir haben übrigens am vorgestrigen Tage auch terminlich beschlossen, darüber eine Klausurtagung der Fraktion abzuhalten. Das heißt, wir bedrängen niemanden; wir suchen nur nach Möglichkeiten, soviel wie möglich z. B. von denen einzubeziehen, die unter der Gruppe „ältere Angestellte" geführt werden, ferner von denen,, die in der Gruppe „jugendliche Arbeitslose" geführt werden und zum großen Teil noch gar nie eine Berufsausbildung haben beginnen können, und weitere, die in anderen Gruppen geführt werden, die durch zum Teil auch strukturell bedingte Veränderungen beschäftigungs- und arbeitslos sind. Diese Diskussion ist ja wohl in einem demokratischen Staat und in einer Fraktion des Parlaments dieses Staates erlaubt.
    Diese Fragen müssen beantwortet werden, wenn es geht, wenn auch nur in einigen Punkten. Jeder von uns weiß: Es gibt keine Patentlösung. So ist eben die Wirtschaftswirklichkeit der Welt, in der wir leben, nicht daß es Patentlösungen für Krisen und Rezessionserscheinungen geben könnte,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    wie sie mit hoher Sachkenntnis der Bundeskanzlei hier noch einmal charakterisiert hat, ohne dabei zeitaufwendig zu werden. Er hat auch den berechtigten Hinweis darauf gegeben, daß wir bisher Glück haben und es wohl auch behalten werden. Herr Strauß, Sie haben dieses Zusammenkommen von Repräsentanten der Industriestaaten und ihre Erörterungen auch über das Verhältnis dieser Staaten und ihrer Wirtschaften zu den Ländern, die man mit dem Namen „Entwicklungsländer" oder „unterentwickelte Länder" belegt, so geringschätzig behandelt. Wir haben diesmal eine andere Situation als zu der Zeit, in der der Ihnen heute ein wenig unglücklich in den Mund gekommene vorherige amerikanische Präsident Ford seinem Volk beschwörend gesagt hatte, als er damals sein Amt antreten mußte, daß die verheerende wirtschaftliche Krise der 30er Jahre nicht wieder kommen darf.
    Wir haben uns nicht anheischig gemacht, an irgend jemanden ultimative Forderungen zu stellen, und wir werden das auch nicht tun. Wenn Sie einen Halt brauchen, dann sage ich Ihnen: Ich werde auch dafür sorgen, daß es keine ultimativen Forderungen etwa an die Bundesregierung oder an unseren Koalitionspartner gibt, der übrigens auch selbst Herr seines Hutes ist, wie man in einem Sprichwort meiner zweiten Heimat — ich übersetze es ins Deutsche — hier sagen würde.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. SchmittVodcenhausen)

    Die Bundesregierung hat z. B. begonnen, parallel zu
    London zu prüfen, was auf dem Gebiete der Arbeitsmarktpolitik weiter geschehen kann und muß. Da



    Wehner
    gibt es, wie man weiß, kritische Überprüfungen jenes 430-Millionen-Programms, bei dem es um Mobilität und ähnliches geht. Ich will das hier gar nicht ausbreiten. Bei diesem Programm denkt man nun offenbar, nachdem man weiß, wie es einige Zeit gewirkt und was davon noch nicht gewirkt hat, nicht nur an Umbau, sondern man geht auch daran. Die Diskussion um diese Fragen ist es, die uns bewegt. Wir sind der Meinung, nach gründlicher Diskussion werden wir auch in solchen Fragen alle zusammen — und Sie werden sich dem dann auch nicht in den Weg stellen wollen; dazu wird dann hoffentlich nicht der Herr Kollege Strauß sprechen, sondern ein anderer Kollege von Ihnen —, wenn auch graduelle Unterschiede sein werden, zu tragfähigen Entscheidungen kommen. Das ist das, woran wir arbeiten, und ich wäre froh, wenn Sie ähnlich arbeiteten, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe Ihnen aber keine Lehren zu geben. da habe ich nicht dieselbe Möglichkeit, wie Herr Strauß dem Bundeskanzler und den Regierungschefs der Industrieländer der ganzen Welt gegenüber zu tun befugt ist, weil jeder draußen weiß, was für ein kompetenter Herr unser liebenswerter Kollege ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Nun, auch das sei ihm überlassen.

    Meine Damen und Herren, ich habe die Vorsicht bemerkt, mit der der Bundeskanzler in seiner Erklärung das Brasiliengeschäft, das schon vor der Konferenz sehr hohe Wellen geschlagen hat und das in die Nuklearenergiebranche gehört, entwickelt hat. Natürlich muß hier auch mit anderen zusammen etwas geregelt werden. Die Regierungserklärung enthält exakte Angaben über jene Kommission, die im Laufe einer bestimmten Zeit bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit etwa von Exporten oder dem Gebrauch von Plutonium für andere Zwecke festlegt.
    Wenn ich heute in einigen Zeitungen über einen Vorgang .innerhalb des Bundestages z. B. lese, da hätten sich irgendwelche durchgesetzt und andere, z. B. Minister Matthöfer, hätten klein beigegeben, dann muß ich sagen: hier geht es um Fragen, in denen niemand das Patentrezept in bezug auf Atomenergie hat. Ich verstehe, wenn ich das auch nicht teile, daß es hier bei manchen Urängste gibt und daß andere das sogar politisch zum Anlaß nehmen, solche virulent werden zu lassen. Es ist eine schwierige Sache. Ich gehöre zu jenen, die dazu auffordern und darum bitten, daraus keine Glaubenskriege zu machen oder werden zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da gibt es noch vieles auf dem Wege von der Kontrolle zur Sicherheit zu tun, wie man das einmal formuliert hat. Das, was da auf dem Gipfel gemacht worden ist, wenn auch im Nebel, Herr Strauß, der sich aber immerhin gelichtet hat, ist in Erklärungen verpflichtend wiedergegeben, und insofern ist das auch angegangen worden.
    Nun haben Sie, sehr verehrter Herr Kollege Vorredner, sich auf die Teile bezogen, die im NATO-
    Gipfel besprochen worden sind, und waren der Meinung, Sie müßten hier dem Bundeskanzler widersprechen. Ich fand es peinlich, Herr Strauß. Sie werden sich im nachhinein zwar nicht entschließen, die Stelle aus dem aufgenommenen Stenogrammtext zu streichen, aber diese Sache mit Bundeswehr und „deutsch-national" und dann Schmidt war eine dumme, wenn auch für mich verständliche, aber nicht kluge und schon gar nicht belegbare Passage Ihrer so bedeutungsvollen Ausführungen. Sie müssen ja in irgendeiner Weise opponieren.
    Ich habe mir heute früh, ehe ich in den Saal kam,

    (Strauß [CDU/CSU] : Erlauben Sie eine Frage?)

    eine Ablichtung von Ausführungen machen lassen, die der damalige Bundesverteidigungsminister Strauß und der Bundestagsabgeordnete Wehner vor 17 Jahren, nämlich am 30. Juni 1960, miteinander ausgetauscht haben. Ich weiß, daß Leute, die, wie man heute sagt, zur jungen Generation gehören, dies nicht gern noch einmal hören wollen. Ich erspare es Ihnen auch. Aber Herrn Strauß gebe ich es dann hinterher, und wenn er schon hinausgegangen sein sollte, ehe ich schließe, was ich verstehen könnte, werde ich es ihm persönlich schicken; denn es war ja nachdenkenswert.

    (Abg. Strauß [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich will Ihnen einmal etwas sagen, der Sie mit dem Finger zeigen. Ich bin noch nicht blind — das kommt wahrscheinlich noch —, aber Herrn Strauß bemerke ich allemal, wenn nicht durch die Augen, dann durch etwas anderes.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)