Rede:
ID0802600200

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8026

  • date_rangeDatum: 12. Mai 1977

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Gelegenheit, unmittelbar nach Rückkehr aus London, dem Bundestag über die Ergebnisse der internationalen Konferenzen und Besprechungen berichten zu können, die am vergangenen Wochenende und auch Anfang dieser Woche stattgefunden haben.
    Diese Konferenzen haben zusätzliche Bedeutung gewonnen durch die erstmalige Teilnahme der neuen Regierungen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Japan, an ihrer Spitze Präsident Carter und Ministerpräsident Fukuda. Neben den Erörterungen im multilateralen Rahmen bot sich Gelegenheit zu zahlreichen bilateralen Gesprächen, so mit Präsident Carter, mit Präsident Giscard, mit Ministerpräsident Fukuda, mit dem türkischen Ministerpräsidenten Demirel, dem griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis und mit dem portugiesischen Staatspräsidenten Eanes.
    Mein Gespräch mit Präsident Carter vor Beginn der Beratungen im Kreis der Sieben hat in einer für mich eindrucksvollen Weise das enge, freundschaftliche und vertrauensvolle Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern und deren Regierungen bestätigt. Vielleicht darf ich persönlich hinzufügen: Die Vereinigten Staaten haben mit Jimmy Carter einen neuen Präsidenten, der mit Tatkraft und Energie an die Probleme seines Landes und an die Probleme der westlichen Welt herangeht.

    (Beifall)

    Das Gespräch mit dem neuen Ministerpräsidenten von Japan, Fukuda, hat erneut gezeigt, daß zwischen unseren beiden Ländern und ihren beiden Regierungen — vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Energiepolitik — eine weitgehende Übereinstimmung und der Wille zu enger Zusammenarbeit bestehen. Das wird in Zukunft auch nach außen noch deutlicher sichtbar werden.
    Dieser dritte Weltwirtschaftsgipfel hat vor allem das Bewußtsein aller Teilnehmer gestärkt und vertieft, daß die wirtschaftlichen Probleme nur gemeinsam gelöst werden können, daß wir nicht im Gegeneinander, sondern nur im Miteinander, indem wir am selben Ende des Stranges ziehen, die Weltwirtschaft vollends aus der Strukturkrise herausführen können. Dies zeigt, daß die Botschaft von Downing-Street zu Recht eine „Botschaft des Vertrauens" genannt worden ist.
    Ich möchte für die Bundesregierung zu den Ergebnissen dieses Downing-Street-Gipfels die folgenden Feststellungen treffen. Die intensiven und dichten Beratungen bestätigten die Politik, die die Bundesregierung zur Überwindung der Weltwirtschaftsrezession von Anfang an geführt hat. Diese Politik beruht darauf, daß erfolgversprechende nationale Maßnahmen nur im Rahmen enger internationaler Abstimmung und Zusammenarbeit Sinn machen und daß sie nur mit ineinandergreifenden Politiken in allen Ländern getroffen werden konnten und können.
    Nur durch diese seit 1974 sehr stark intensivierte internationale Zusammenarbeit ist es gelungen zu verhindern, daß sich einzelne Länder mittels Protektionismus auf dem Felde des Welthandels, mittels nationaler Schritte auf dem Felde der Währungspolitik zwecks kurzlebigen eigenen Vorteils abschnürten und insgesamt dadurch die Krise erst richtig vertieften. Daß dies durch das außerordentlich intensive Ausmaß der Gespräche im Laufe der letzten zwei, drei Jahre auf vielen Konferenzen, auch auf den drei weltwirtschaftlichen Gipfelkonferenzen, vermieden worden ist, das halte ich für den ganz entscheidenden Unterschied in der Bewältigung dieser gegenwärtig noch nicht voll überwundenen Weltwirtschaftskrise, wenn wir etwa Vergleiche ziehen zu dem eigensüchtigen Handeln vieler wichtiger Staaten der Welt Anfang der 30er Jahre und den damals daraus erwachsenen wirtschaftlichen, sozialen und dann in vielen Ländern leider Gottes schrecklichen politischen Konsequenzen.
    Das Bekenntnis zu einem offenen Welthandelssystem, das in London erneut bekräftigt worden ist, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Die Aufrechterhaltung eines offenen Welthandelssystems durch die Rezessionsjahre 1974 und 1975 hindurch gehört zu den wichtigsten und positivsten Unterschieden dieser Phase im Vergleich mit derjenigen vor viereinhalb Jahrzehnten, Anfang der 30er Jahre.
    Dieser Unterschied, die sehr viel glücklichere Konstellation der Welt heute — nach Weltinflation, nach Zusammenbruch des Weltwährungssystems, nach der Ölkrise —, ist aber der Welt eben nicht in den Schoß gefallen, sondern es hat dazu auf allen Seiten großer Anstrengungen bedurft. Ich darf wohl hervorheben, daß wir Deutschen dabei unseren internationalen Beitrag geleistet haben: erstens mit unserer internen Stabilitätspolitik, die uns eine Aufwertung der Deutschen Mark ermöglicht hat, eine Aufwertung, die die Deutsche Mark immer wertvoller gemacht hat, allein von Anfang 1976 bis heute — nicht ganz 18 Monate — erneut um 17 %, zweitens



    Bundeskanzler Schmidt
    dadurch, daß wir, teils auf Grund dieser Aufwertung, teils auf Grund einer frühzeitig eingeleiteten Rezessionsbekämpfung, teils auf Grund der von uns herbeigeführten Stärkung der inländischen Nachfrage eine starke Importsteigerung für die Bundesrepublik Deutschland ausgelöst haben, die natürlich für unsere Partner eine Exportsteigerung und damit für sie eine Beschäftigungsstimulierung war; drittens haben wir international dazu beigetragen durch unsere Kredite, genauer gesagt, unsere Währungskredite, unsere Zahlungsbilanzhilfen, durch die wir solchen unserer Partner und Handelspartner, die von Defiziten in ihrer Leistungsbilanz, in ihrer Handels- und Zahlungsbilanz bedroht waren, gemeinsam mit einigen anderen Staaten geholfen und sie in den Stand gesetzt haben, weiterhin international zu funktionieren, was auch heißt, weiterhin unsere eigenen Exporte kaufen und bezahlen zu können.
    So konnte es gelingen, zu verhindern, daß in vielen Staaten Zahlungsbilanzdefizite von bisher in der Weltwirtschaftsgeschichte nicht dagewesenem Umfange den freien Welthandel gefährdeten. Es konnten die Gefährdungen des freien Welthandels und damit zusätzliche Gefährdungen der Arbeitsplätze überall vermieden werden. Wir setzen uns deshalb gemeinsam mit unseren Partnern auch zukünftig dafür ein, daß die Möglichkeiten des Internationalen Währungsfonds, des IMF, zur Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten weiter ausgebaut werden. Ich füge gleich hinzu, daß dies nicht erfolgen wird, ohne dem Währungsfonds seine große Autorität zu erhalten, durch die der IMF hilft, die Wirtschaftspolitik von Defizitländern auf einen gesunden Weg zurückzugeleiten.
    Ich kann die Bedeutung der Verhinderung von Handelsrestriktionen auch unmittelbar für uns Deutsche, für die Sicherheit gerade unserer Arbeitsplätze nicht hoch genug veranschlagen. Wir sind die zweitgrößte Handelsnation der Welt und sind deswegen auch in unserer Beschäftigung an der außenwirtschaftlichen Flanke nun einmal ganz besonders verwundbar.
    Die Bundesregierung sieht sich durch London auch in ihrem Standpunkt bestärkt — Sie finden das in den Eingangspassagen der Erklärung von London —: Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist die wirtschaftspolitische Aufgabe Nr. 1. Das Kommuniqué sagt hierzu in lapidarem Klartext:
    Inflation ist kein Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit, sondern eine ihrer Hauptursachen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie wissen, daß das vor vier oder acht Wochen im internationalen Konzert noch ein wenig anders klang.

    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    — Ich verstehe die Unruhe auf seiten der Opposition nicht. Sie sollten froh sein, daß das endlich durchgesetzt werden konnte!

    (Beifall bei der SPD und der FDP —Reddemann [CDU/CSU]; Ausgerechnet Sie! — Franke [CDU/CSU] : „Lieber 5 % Inflation ..." ! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Wissen Sie, lieber Freund, wenn Sie auf solche Konferenzen gingen, würden Sie über das Lob, das die 13- undesrepublik Deutschland dort erfahren hat, mit stolzgeschwellter Brust nach Hause kommen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie haben es auch dringend! nötig gehabt!)

    Die Fortschritte, die seit Rambouillet und Puerto Rico bei der Überwindung der Rezession von Produktion in der Welt und Welthandel gemacht worden sind und die die Weltwirtschaft auf den Weg der Expansion zurückgeführt haben, können uns hier in Deutschland nicht aus der Pflicht entlassen, die Arbeitslosigkeit weiterhin unermüdlich anzugehen. Es bedarf und bedurfte dazu keiner besonderen Hinweise durch andere.
    Die Bundesregierung hat zusammen mit anderen Regierungen in London erklärt — Sie finden das in der gemeinsamen Erklärung —, daß sie zu ihrem Wachstumsziel für die Fortsetzung des Erholungsprozesses einsteht und daß sie ein etwaiges spürbares Abfallen der Entwicklung von diesem Kurs nicht untätig hinnehmen würde. Dies ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. Wir zeigen das durch das 16-Milliarden-Programm für Zukunftsinvestitionen. Ihn Zusammenhang damit — das Programm hat natürlich bei den Diskussionen in London eine Rolle gespielt — möchte ich hervorheben: Es kommt jetzt für uns alle darauf an, die Chancen dieses Programms "schnell und voll zu nutzen. Es war — auf Grund der nicht ganz einfachen Zusammenarbeit von Bund und Ländern — kein einfacher und kein kurzer Weg bis zur Verabschiedung dieses Programms. Am Nachmittag des 6. Mai — des Tages, an dem abends in London die Beratungen begannen — haben die Ministerpräsidenten der Länder — wenn auch unter gewissen Vorbehalten des einen hier und des anderen dort — dem gemeinsamen Programm ohne Einschränkungen zugestimmt.
    Ich appelliere an alle, die in den Städten, in den Gemeinden, bei den Ländern und in den Verwaltungen des Bundes durch dieses Programm zusätzliche Mittel und Aufgaben bekommen, diese Mittel jetzt schnell in zusätzliche effektive Nachfrage umzumünzen.

    (Beifall bei der SPD und der FPD)

    Die Gespräche in London zur Energiepolitik haben sicher in besonderem Maß zum besseren Verständnis der wechselseitigen, ja keineswegs überall übereinstimmenden Interessen und Meinungen auf diesem sehr komplexen Gebiet beigetragen. Einmütig ist die Auffassung — auch dies finden Sie in der Erklärung —, daß Kernenergie zunehmend zur Deckung des Weltenergiebedarfs erforderlich ist — trotz aller Möglichkeiten zur Energieeinsparung im allgemeinen und in den Vereinigten Staaten von Amerika im besonderen, die in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollen und müssen.
    Unmittelbar im Zusammenhang damit steht mit ähnlichem Gewicht die Notwendigkeit, die Internationale Zusammenarbeit zur Vermeidung der Gefahr einer Ausbreitung von Atomwaffen und einer



    Bundeskanzler Schmidt
    Ausbreitung der Fähigkeit, Atomwaffen herzustellen, fortzuentwickeln.
    Fachleute der sieben in London beteiligten Länder werden in den nächsten zwei Monaten eine vorläufige Studie über die denkbaren Wege zu diesen beiden Zielen anfertigen und vorlegen. Sodann werden die Probleme in größerem Kreis erörtert werden. Freilich ist bei der Schwierigkeit der Materien nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. Ich erinnere daran, wie lange seinerzeit gearbeitet und verhandelt worden ist, ehe es zum Nonproliferationsvertrag kam.
    Diese Diskussionen werden nicht von den Industrieländern unter sich geführt werden können. Länder der Dritten Welt, insbesondere die sogenannten Schwellenländer, müssen nach unserer festen Überzeugung möglichst bald einbezogen werden. Im Anhang zur Londoner Erklärung wird bestätigt, daß die Nichtverbreitungsmaßnahmen gleichermaßen für die Industrieländer und die Entwicklungsländer annehmbar sein müssen. Übrigens haben wir natürlich die multilateralen, aber auch die bilateralen Gespräche genutzt, um auf den dringenden Bedarf an Kernbrennstoffen von Ländern, zu denen auch wir gehören, Ländern mit nur unzureichenden Vorräten an fossilen Primärenergieträgern — Öl, Kohle, Braunkohle, Erdgas — hinzuweisen, den diese Länder für die Sicherung ihrer Energieversorgung haben.
    Wie Sie wissen, hat Präsident Carter unmittelbar vor seiner Abreise nach London die Zustimmung zu schon seit langer Zeit beantragten Lieferungen angereicherten Urans gegeben; eine Entscheidung, die zugleich Verständnis für die Partner und Realitätssinn beweist.
    Ich habe den Eindruck — und es waren sehr offenherzig geführte, drei Stunden dauernde Gespräche zu diesem Punkt —, daß durch diese Gespräche einerseits auf nordamerikanischer Seite — ich beziehe Kanada und die kanadische Regierung hier ein — das Verständnis für die Lage der europäischen Partner und Japans weiter gewachsen ist. Aber ich will auch genauso gern einräumen, daß wir — ich nehme an, wohl alle Sieben — aus diesen Gesprächen zusätzliche Erkenntnisse und Denkansätze gewonnen haben. Gerade weil hier keine Lösungen fix und fertig auf dem Tisch liegen —niemand kann sie auf den Tisch legen —, gerade deswegen waren die Offenherzigkeit und die Rückhaltlosigkeit, mit der diese Gespräche geführt wurden, politisch besonders ermutigend.
    Einen Markstein hat die Konferenz schließlich auch gesetzt auf dem Weg zum für uns alle wichtigen Erfolg des Nord-Süd-Dialogs in der sogenannten KIWZ, der Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, die ja die Industrieländer gemeinsam mit den Erdöl- und den Entwicklungsländern in Paris durchführen. Auf dem Weg zu diesem Dialog befinden sich die sieben Teilnehmerstaaten von London und die Europäische Gemeinschaft gegenwärtig. Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um einen erfolgreichen Abschluß dieser Konferenz in der Pariser Avenue Foch zu erreichen.
    Die Bedeutung des Nord-Süd-Dialogs für den Frieden in der Welt und für die Funktionstüchtigkeit der Weltwirtschaft ist unbestritten. Das Wohl der Entwicklungsländer und das Wohl der Industrieländer sind eng miteinander verknüpft. Die Entwicklungsländer sind gleichberechtigte Partner der Industrieländer, und beide können ihre Interessen nur im Ausgleich miteinander befriedigen. Dabei kommen die wirtschaftlichen Fortschritte der Entwicklungsländer später uns in den Industrieländern zugute. Die Entwicklungsländer tragen damit auch zur Sicherung unserer Arbeitsplätze bei. Sie haben Anspruch auf unsere Solidarität, was auch in dem zum Ausdruck kommt, was bisher ebenso auf dem Gebiete der bilateralen Entwicklungshilfe wie auf dem der multilateralen Entwicklungshilfe geleistet worden ist.
    Die in London gemeinsam erklärte Bereitschaft, einzelne Rohstoffabkommen unter dem Dach eines gemeinsamen Fonds ins Auge zu fassen, und das Angebot, die Exporterlöse der Entwicklungsländer — nicht aller Rohstoffländer, sondern die Export- erlöse der Entwicklungsländer — zu stabilisieren, sind ebenfalls Ausdruck dieser Solidarität. Dabei unterstützen wir Deutschen — eben im Interesse der Funktionstüchtigkeit der Weltwirtschaft, auf die wir alle gemeinsam angewiesen sind — mit Nachdruck dieses Konzept der Erlösstabilisierung für die Exporte der Entwicklungsländer nicht erst seit dem Europäischen Rat in Rom oder seit London, sondern schon seit dem Wirtschaftsgipfel von Rambouillet heute vor zwei Jahren.
    Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, daß die Bundesregierung schon seit langem die Auffassung vertritt, das Verhältnis zu den Entwicklungsländern betreffe nicht nur die westlichen Industrieländer, sondern auch die östlichen, die Staaten des Comecon.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die östlichen Industrieländer ziehen im steigenden Umfang Vorteile aus der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung. Sie sollten sich daher nicht entziehen, wenn es um gesteigerte Hilfe und um Ressourcentransfer zugunsten der Entwicklungsländer geht.

    (Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU])

    Wir sind in London übereingekommen, die Comecon-Staaten zur Beachtung dieser Verpflichtung einzuladen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein letzter Hinweis zum Nord-Süd-Verhältnis. Im Sinne eines konstruktiven Dialogs, im Sinne der Erzielung eines Ergebnisses am Schluß dieses Dialogs in diesem Sommer, das wir doch suchen, kann es auf seiten der Ölländer, der OPEC-Länder, wie auf seiten der Entwicklungsländer nicht um ein einseitiges Nehmen gehen, sondern diese Gruppen von Staaten müssen auch etwas geben, wenn die weltwirtschaftlichen Beziehungen neu stabilisiert und verbessert werden sollen. Hierzu sollen die Entwicklungs- und Ölländer durch die Gewährleistung der Sicherheit von ausländischen Privatinvestitionen auf ihrem Boden, in ihrer Wirtschaft, beitragen; denn auch sie brauchen die Privat-



    Bundeskanzler Schmidt
    investitionen. Wenn es in Zukunft keine mehr gäbe, könnten wir mit staatlichen Entwicklungshilfen allein die Entwicklung der Entwicklungsländer ganz gewiß nicht finanzieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich sage es noch einmal: Die Entwicklungs- und die Ölländer sollen durch Gewährleistung der Sicherheit ausländischer Privatinvestitionen in ihren Staaten beitragen. Die Ölländer sollen außerdem durch die Zusicherung eines ausreichenden und kontinuierlichen Erdölangebots dazu beitragen.
    Die Bundesregierung hat es übrigens als positiv empfunden, das erstmals auch der Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaft am Londoner Gipfeltreffen teilnahm.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist ja bekannt, daß wir uns beim letzten Europäischen Rat in Rom sehr dafür eingesetzt hatten. Ich denke, daß die Kombination von angelsächsischem Pragmatismus, der Roy Jenkins auszeichnet, mit dem Gewicht der Kommission in Zukunft dazu führen wird, daß der gegenwärtige Anfang auch ausgebaut wird.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich nun zu der Konferenz des Nordatlantischen Bündnisses übergehen. Wie schon seit vielen Jahren üblich, war dieser Konferenz eine Begegnung zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik Deutschland vorgeschaltet, der Drei Mächte, die besondere Verantwortung für Berlin und Deutschland tragen. Bei dieser Gelegenheit haben die Staats- und Regierungschefs eine Berlin-Erklärung verabschiedet, die sich klar und entschieden zu den Voraussetzungen äußert, die für die Lebensfähigkeit und für die Sicherheit der Stadt unabdingbar sind und bleiben. Ich freue mich, daß auch die Opposition bereits die hohe Qualität dieser Erklärung, die ja schon vor einigen Tagen veröffentlicht worden ist, wenn ich es richtig sehe, ohne Einschränkung anerkannt hat.
    Gleichwohl möchte ich die leitenden Gedanken noch einmal hervorheben: Strikte Einhaltung und volle Anwendung des Viermächteabkommens sind wesentlich für die Vertiefung der Entspannung, für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und für die Entwicklung der Zusammenarbeit in ganz Europa. Zum anderen weisen die Drei Mächte Versuche entschieden zurück, die Rechte und Verantwortlichkeiten der Drei Mächte und der Sowjetunion in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes in Frage zu stellen. Zum dritten wird die hohe Bedeutung der Bindungen zwischen Berlin und dem Bund hervorgehoben, insbesondere das Recht der Bundesrepublik Deutschland zur Vertretung Berlins nach außen. Zum vierten wird der enge Zusammenhang hervorgehoben, der zwischen der politischen Lage Berlins und seiner wirtschaftlichen Entwicklung besteht. Und schließlich haben die Drei Mächte ihre Verpflichtung bekräftigt, die Sicherheit Berlins weiterhin zu garantieren. Die Sowjetunion wird daran erinnert, daß die Entspannung ernsthaft beeinträchtigt würde, wenn die im Viermächteabkommen eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten werden sollten. Diese Erklärung ist später von allen Partnern des Nordatlantischen Bündnisses bekräftigt worden, und ich denke, daß sie in West und Ost verstanden worden ist.
    Ich stimme mit Generalsekretär Honecker überein, wenn er sagt, wie wir es heute in den Nachrichtendiensten lesen können, daß das Abkommen für den westlichen Teil Berlins Zukunftschancen eröffnet hat. Ich kann allerdings nicht beipflichten, daß es im Viermächteabkommen nur um West-Berlin, nur um Berlin (West) gehe.

    (Beifall)

    Es heißt im Viermächteabkommen im Text, daß die Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit für Berlin von diesem Abkommen nicht berührt werden. Wir wollen nicht mehr, als das Abkommen tatsächlich gegeben hat; aber an dem, was es gegeben hat, wollen wir festhalten.

    (Beifall)

    Das Treffen der Staats- und Regierungschefs des Bündnisses, das sich an dieses Vierer-Gespräch anschloß, gehört zu den bedeutsamen Ereignissen in der Geschichte der Allianz. Nachdem sich in Portugal ein Demokratisierungsprozeß vollzogen hat, waren in diesem Frühjahr zum ersten Mal in der Geschichte des Bündnisses alle 15 Partnerstaaten durch demokratisch gewählte Repräsentanten vertreten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auf diese Gemeinsamkeit der geistigen und politischen Grundlagen hat der Staatspräsident Portugals in seiner Eröffnungsansprache mit Recht hingewiesen. Hierbei dürfen wir Deutschen daran denken, daß wir der jungen portugiesischen Demokratie in kritischer Stunde, als die Freiheit dort keineswegs gesichert war, nicht nur gedanklich und mit Worten, sondern auch mit Taten geholfen haben. Wir dürfen, ohne unbescheiden zu sein, feststellen, daß wir einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung in Portugal geleistet haben, der ein Stück europäische Solidarität war. Wir werden diesen Beitrag auch in Zukunft noch ausweiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein ganz klein bißchen dürfen wir auf diesen Teil aktiver deutscher Außenpolitik in den letzten Jahren auch stolz sein.
    Die Teilnahme von Präsident Carter hat die enge Verbundenheit zwischen Nordamerika und Europa auf diesem Treffen des Rates des Nordatlantischen Bündnisses eindrucksvoll bestätigt. Carter hat erklärt, daß dieses Bündnis das Kernstück der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik sei und bleibe. Er hat sich mit Nachdruck für rechtzeitige und eingehende Konsultationen in allen wichtigen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fragen ausgesprochen, und er hat die Bedeutung der europäischen Einigung für diese Allianz gewürdigt. In meiner Rede vor dem Rat — sie wird wohl mor-



    Bundeskanzler Schmidt
    gen hier veröffentlicht werden — habe ich gesagt: Der Konsensus über die militärische Strategie ist für den europäisch-amerikanischen Zusammenhalt von entscheidender Bedeutung. Ich habe hinzugefügt, daß die militärische Strategie nur ein Teil der Gesamtstrategie ist, die das Bündnis insgesamt und gemeinsam verfolgen muß. Die Zusicherung Präsident Carters, daß Amerika zum geltenden Konzept, zum geltenden militärstrategischen, verteidigungsstrategischen Konzept der flexible response steht und daß Amerika am Prinzip der Vorneverteidigung festhält, ist für uns in diesem Zusammenhang von besonderem Gewicht.
    Das Bündnis hat Beschlüsse gefaßt, die darauf abzielen, die politische Zusammenarbeit zu stärken und die Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen.
    Der Rat wird die langfristigen Tendenzen des OstWest-Verhältnisses untersuchen und ihre Auswirkungen auf das Bündnis und die etwa daraus zu ziehenden Konsequenzen bewerten.
    Die Verteidigungsminister sind beauftragt, ein langfristiges Programm zu entwickeln, um die Verteidigungsbedürfnisse der 80er Jahre zu untersuchen und um die Verteidigungsanstrengungen des Bündnisses wirksamer zu gestalten.
    Wir begrüßen ferner,, daß der amerikanische Präsident erklärt hat, die Rüstungszusammenarbeit zwischen den Verbündeten, insbesondere zwischen Europa und Nordamerika, solle keine Einbahnstraße sein — wir haben das sehr unterstrichen und angenagelt —, er habe für den Waffenkauf, für den Kauf von Ausrüstungsgegenständen in Europa Weisungen erteilt, und daß er konkrete Vorschläge für besser ausgeglichene Zusammenarbeit gemacht hat. Dies entspricht den Vorstellungen, die viele europäische Regierungen und auch die Bundesregierung seit Jahren vertreten haben.
    Meine Damen und Herren, wir sagen unseren eigenen Bürgern, die übrigen 14 Regierungschefs sagen ihren Bürgern und wir sagen zu insgesamt 15 Ländern der Welt nichts Neues, wenn wir gleichwohl hervorheben wollen und abermals betonen wollen: Das Bündnis dient der Strategie des Friedens.
    Neben der militärischen Komponente — der Abschreckung eines eventuellen Angreifers und der Erhaltung der Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen — steht die politische Zielsetzung, die schließlich doch alles überwölben muß. Aus ihr entsteht die konsequente Bemühung um den Abbau bestehender Spannungen und um die Verkleinerung aller den Frieden gefährdenden Reibungsflächen.
    Es ist ganz klar, daß Entspannungspolitik keineswegs eine mit leichter Hand unternommene, keine zur Aufweichung wirksamer Verteidigung unternommene Operation ist. Im Gegenteil, nur Verteidigungsfähigkeit, Gleichgewicht und Entspannung zusammen können uns dem Ziel, den Frieden noch sicherer zu machen, näherbringen.
    Dabei ist die Komponente des engen Zusammenwirkens zur Festigung der wirtschaftlichen Stabili-tat und damit der sozialen Stabilität innerhalb der Staaten unseres Bündnisses und innerhalb der Weltwirtschaft insgesamt genauso unerläßlich wie die zuvor genannten Komponenten. Dies war sowohl auf dem Weltwirtschaftsgipfel als auch in der Ratstagung des Nordatlantischen Bündnisses gleichermaßen klar, und es wurde gleichermaßen von vielen so ausgesprochen. Die Überwindung der Weltwirtschaftskrise ist für die Erhaltung der westlichen Gemeinschaft genauso wichtig wie deren Fähigkeit, sich zu verteidigen. Genauso wichtig ist und bleibt die Verringerung der Reibungsflächen zwischen West und Ost, um den Frieden zu sichern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Darüber gab es keine Meinungsverschiedenheit.

    Ich selbst habe in meiner Rede im Rat des Bündnisses, für die Menschen unseres Staates und für diejenigen Deutschen sprechend, die ihre Stimme nicht offen erheben können, weil sie auf der anderen Seite der Linie leben, die Europa teilt, gesagt, daß es für unsere deutsche Nation, für diese geteilte Nation, wo die eine — größere — Hälfte hier und die kleinere Hälfte drüben leben und wo es schwierig ist, zueinander zu kommen, miteinander zu sein, von ganz besonderer Bedeutung ist, daß der Prozeß der Entspannung fortgesetzt werde, weil unsere Menschen die Teilung, die Trennung ganz besonders empfinden — physisch, geistig und tief in ihrer Seele — und weil nur in einem spannungsfreien Europa dieser Zustand, dieser besondere Zustand, in dem die deutsche Nation leben muß, gemildert werden kann. Ich bin sicher, daß diese Schilderung der Gefühle der Deutschen im NATO-Rat, die dort Eindruck hinterlassen hat, nicht nur die Gefühle der Deutschen, die in diesem Staat leben, sondern auch die Gefühle aller Deutschen zutreffend wiedergegeben hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, eine Ratssitzung des Bündnisses beschäftigt sich mit vielen Gegenständen, dabei auch mit dem Ungleichgewicht im klassischen militärischen, d. h. im sogenannten konventionellen, Bereich, mit einer Reihe von Tatsachen, die niemand übersehen oder bagatellisieren darf. Wir haben das in unserem Beitrag gegenüber den in London versammelten Staats- und Regierungschefs der Allianz gesagt, und die Sorge, die uns dieses Ungleichgewicht bereitet, wird im Kommuniqué des Bündnisses auch beim Namen genannt.
    Vielleicht darf ich hier einfügen, daß wichtige politische Texte eigentlich gelesen werden sollten, bevor jemand gegen sie polemisiert und sich über sie öffentlich abfällig äußert.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich halte es nicht für gut — und das habe ich im Rat auch gesagt —, wenn einzelne Generale des Bündnisses, einzelne Journalisten in unseren Staaten und ebenso einzelne Politiker in unseren Staaten von Zeit zu Zeit dieses bestehende Ungleichgewicht dramatisieren.

    (Strauß [CDU/CSU] : Maulkorb?)

    Wir haben keinen Grund, Angst zu verbreiten. Im
    Gegenteil, wir haben allen Grund, Zuversicht zu



    Bundeskanzler Schmidt
    verbreiten; wir stehen nämlich in unserer Sicherheit gut dal

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ohne daß ich auf die Polemiken eingehen will, die mir aus den letzten Tagen seitens einzelner Oppositionspolitiker schriftlich vorliegen: Ich kann Ihnen nur sagen, das, was hier einige von Ihnen schreiben, würde, vorgetragen im Rat des Nordatlantischen Bündnisses oder in der Siebener-Konferenz in Downing Street 10, manche der Herren, die so schreiben und so reden, in dieselbe Lage bringen, in der sie seit Beginn der Entspannungspolitik immer gewesen sind,' nämlich in die Isolation.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, zurück zu dem bestehenden Ungleichgewicht auf dem Felde der klassischen Bewaffnung, der konventionellen Waffen: Man muß das im Zusammenhang mit dem großen strategischen Gespräch zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten sehen. Die amerikanische Regierung bemüht sich darum, durch ein neues Abkommen mit der Sowjetunion, SALT II genannt, die strategischen atomaren Waffen, nämlich die, die von Kontinent zu Kontinent reichen, in ein stabiles Gleichgewicht, in Parität zu bringen. Wir hoffen sehr, daß die beiden Weltmächte dabei Erfolg haben werden. Dieser Wunsch, daß die beiden Weltmächte darin Erfolg haben mögen, wird von allen Partnern im Westen geteilt.
    Wenn es nun aber gelingt, die großen strategischen Nuklearwaffen, die von Kontinent zu Kontinent reichen, mit ihrer ungeheuren Zerstörungskraft tatsächlich und auch formell — vertraglich — in ein Gleichgewicht zu bringen, dann wird es um so mehr darauf ankommen, daß nicht auf niedrigerer Ebene, nämlich bei den konventionellen Waffen, bei den Bodentruppen, den Panzern, der Artillerie, den unterstützenden Luftstreitkräften, ein Übergewicht einer Seite bestehenbleibt.
    Es gibt, ganz theoretisch gesprochen, zwei Möglichkeiten, auch hier, auf dieser konventionellen Ebene, zu einem Gleichgewicht, zur Parität zu kommen. Man könnte auf der einen Seite aufrüsten, insbesondere zunächst auf westlicher Seite, um das Gleichgewicht zu erreichen; dann würde allerdings die andere Seite nachziehen, dann wieder der Westen, und damit hätten wir jene Rüstungsspirale, wie man sie aus der Vergangenheit kennt.
    Theoretisch könnte man sich auf der anderen Seite auch durch Abschmelzung, durch Verringerung nach unten hin auf ein gleichmäßiges niedrigeres Niveau einigen, auf eine auf beiden Seiten der Gleichung — ich sage: Gleichung — kollektive Gesamtstärke. Dies ist das Ziel der von den beteiligten Bündnispartnern gemeinsam erarbeiteten Haltung für die Wiener Verhandlungen, die unter dem Stichwort MBFR geführt werden. Seit neun Jahren, seit 1968 treten die 'Bundesregierungen — dies gilt für diese Bundesregierung ebenso wie für deren Vorgängerinnen — für eine beiderseitige Verminderung der Streitkräfte ein, die zu einem ausgewogenen, balancierten Ergebnis, zu einer ausgewogenen Gleichung führen soll. Wir haben das auch in London wieder getan. Meine Ausführungen dazu, deren Text morgen hier veröffentlicht werden wird, haben dort Zustimmung gefunden.
    Die Teilnehmer der Londoner Gipfeltreffen waren sich auch darin einig, daß entschiedenes Eintreten für die Rechte und die Würde des einzelnen, der Person innerhalb und außerhalb der eigenen Staatsgrenzen Grundelement ihrer Politik ist und bleiben wird. Es gab gar keinen Zweifel daran, daß es darauf ankommt, den Menschen nicht durch polemische Rhetorik, sondern praktisch zu helfen, daß sie ihre Rechte erhalten und in Anspruch nehmen können. Präsident Carter hat in diesem Zusammenhang in London klar gesagt: Die Vereinigten Staaten gehen im konstruktiven Geiste der Kooperation und nicht im Geiste der Konfrontation nach Belgrad.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    An die Adresse eines Kollegen gewendet, der sich in erstaunlicher Weise und in erstaunlicher Sprache schriftlich zu diesem Teil der Londoner Beratungen geäußert hat, kann ich nur dies sagen: Es haben ja auch schon frühere Regierungen und ein früherer Außenminister, der mit ihm gemeinsam der Union angehört, Erfahrungen gemacht, was dessen Versuche von Tritten in die Kniekehlen der Regierungen angeht. Ich will hier nicht darauf eingehen. Ich kann dem Abgeordneten, der sich in dieser erstaunlichen Sprache geäußert hat, nur sagen, daß der amerikanische Präsident und die Regierung des United Kingdom und die Regierung Frankreichs und die Regierung Japans und die Regierung Italiens und die Regierung Kanadas und die deutsche Bundesregierung in dieser Frage alle ganz gleich denken. Unterlassen Sie den Versuch, hier Spaltungen in das westliche Bündnis hineintreiben zu wollen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Herr Benneter!)

    Ich möchte von dieser Stelle aus allen Konferenzteilnehmern in London für die offenen, für die konstruktiven und für die von gegenseitigem Verständnis getragenen Gespräche in Downing Street danken. Die hervorragende Atmosphäre und das positive Ergebnis dieser Gespräche verdanken wir nicht zuletzt dem meisterhaften Vorsitz des Gastgebers, des britischen Prime Minister Jim Callaghan.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist in den letzten Jahrzehnten ein bisher einmaliger Vorgang, daß die Staats- und Regierungschefs zu derart eingehenden und die ganze Breite der internationalen Probleme umfassenden Beratungen zusammengetreten sind.
    Herr Präsident, ich bin aus London mit dieser Überzeugung zurückgekehrt:
    Erstens. Die Länder der westlichen Gemeinschaft — und dazu gehört Japan - haben ihren Zusammenhalt und ihre Fähigkeit zu gemeinsamem Handeln bewiesen. Sie werden die drängenden Probleme in gemeinsamer Anstrengung lösen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Zweitens. Die Politik der Bundesregierung ist in die Haltung der Gemeinschaft der westlichen Staaten eingebettet. Die Ergebnisse der drei Londoner Gipfeltreffen entsprechen voll der von der Bundesregierung vertretenen Politik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Drittens. Wir Deutschen haben zu einem unserer Bedeutung angemessenen Teil dazu beigetragen, diese gemeinsame Position mitzugestalten. All dies stärkt mein und unser Vertrauen in die Zukunft.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Bundesregierung wird diesen Weg, der in London gemeinsam so deutlich, so besonders deutlich bezeichnet wurde, konsequent fortsetzen, und sie bittet dafür um die Unterstüzung dieses Hauses.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache über die Regierungserklärung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, die allerdings einige für den Stil von Regierungserklärungen merkwürdige Einlagen aufweist,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    darf ich im Namen der Fraktion der CDU/CSU Stellung nehmen. Für uns ist es selbstverständlich, daß wir, wie wir es auch schon zu Beginn dieser Woche getan haben, uneingeschränkt unsere Zustimmung zu dieser Berlin-Erklärung bekunden und ihre hohe Qualität unterstreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie trägt offensichtlich die Handschrift des neuen amerikanischen Präsidenten,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Eindeutig!) und das ist gut so.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich weiß noch, wie höhnisch oder polemisch damals, als das Berlin-Abkommen ausgehandelt wurde, meine Kritik vermerkt wurde, es wäre gut, in diesem Abkommen keine Unklarheiten zu ermöglichen; denn mit Recht berufen sich die drei Westmächte und die Bundesrepublik darauf, daß das Berlin-Abkommen für Berlin als Ganzes gilt. Aber hat man das auch dem Verhandlungspartner am Konferenztisch gesagt und in kodifizierter Form mit seiner Unterschrift festgehalten? Ich möchte nur diese kritische Erinnerung ins Gedächtnis zurückrufen.
    Erlauben Sie mir gerade in diesem Zusammenhang nur noch ein kurzes Wort zu Berlin. Wir danken unseren Bundesgenossen, gerade den drei westlichen Garantiemächten, für ihre klare Haltung. Aber diese klare Haltung sollte auch durch eine Politik in Berlin belohnt werden, die nicht darin besteht, diese Stadt ständig mehr und mehr herunterzuwirtschaften.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist hier nicht die Zeit, auf diese Vorgänge im einzelnen einzugehen, aber jeder weiß, was damit gemeint ist. Wenn man immer wieder feststellt, daß die Lebensfähigkeit Berlins gestärkt werden muß, wenn man nach privaten Investitionen ruft — Sie wissen ja, daß die Investitionen in Berlin im Jahre 1976 gegenüber früheren Jahren erheblich zurückgegangen sind —, dann sollte die Bundesregierung hier mit gutem Beispiel vorangehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es ist nicht Feigheit, und es nicht eine Ausrede, wenn namhafte und zahlungsfähige Vertreter der deutschen Wirtschaft sagen: Wenn schon die Bundesregierung nicht den Mut hat, den Sitz der Nationalstiftung in Berlin festzulegen, wie kann man dann von uns verlangen, daß wir von Jahr zu Jahr größere Investitionen in Berlin tätigen sollen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier folgt der Handel der Flagge und nicht umgekehrt.
    Ich darf ferner unsere Zustimmung zu dem Fünfpunkteprogramm des amerikanischen Präsidenten auf dem NATO-Treffen bekunden, ohne im einzelnen auf alle Punkte eingehen zu können. Aber wenn der amerikanische Präsident einen zusätzlichen Beitrag der USA, also eine Stärkung der konventionellen Streitkräfte durch die USA, unter der Bedingung, daß die Verbündeten desgleichen tun, in Aussicht stellt, dann muß doch für eine Vermehrung des Rüstungsstandes der NATO in Europa durch die Amerikaner und — nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren — durch die Verbündeten eine Notwendigkeit bestehen. Warum diese Notwendigkeit besteht, braucht hier nicht noch einmal eigens ausführlich dargelegt zu werden.
    In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, haben Sie das Thema gefälscht, wenn Sie den Kollegen Jaeger angreifen. Der Angriff des Kollegen Jaeger richtete sich doch nicht gegen die Bundeswehr. Das ist eine Ihrer üblichen Verdrehungen, den Akzent ganz anders zu legen, als er ursprünglich gesetzt worden ist. Wenn der Kollege Jaeger Ihre Warnung, man solle das militärische Übergewicht der Sowjetunion auf konventionellem Gebiet in Europa nicht dramatisieren, kritisch würdigt, so ist es das gute Recht eines jeden Abgeordneten, eine solche Würdigung vorzunehmen. Wohin kämen wir denn, wenn ein Abgeordneter nicht mehr das Verhalten oder eine Äußerung des Regierungschefs einer kritischen Würdigung unterziehen dürfte!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hören Sie doch auf mit dieser Maulkorb-Politik, die Sie hier ständig durch Verfälschung des Themas betreiben wollen!

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen steht doch in dem Schlußkommuniqué der Londoner NATO-Konferenz — ich zitiere wörtlich —.
    Besonders besorgniserregend ist das ständig anhaltende



    Strauß
    — man hätte sogar ruhig formulieren dürfen: „das ständig ansteigende" ; aber das ist mein Zusatz —
    Offensivpotential der Streitkräfte des Warschauer Paktes.
    Das ist es doch, was uns alle beunruhigen muß.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir rufen doch nicht zu einem panikartigen Verhalten auf. Wir sind nicht die Väter der Formel „Lieber rot als tot". Das sind andere. Die müssen Sie zum Teil bei Ihren Freunden suchen, nicht bei uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß das Offensivpotential des Warschauer Paktes ständig zunimmt, ist doch die Ursache dafür, daß Präsident Carter einen zusätzlichen amerikanischen Beitrag und vermehrte Anstrengungen der europäischen Bündnispartner für notwendig hält. Eine andere Erklärung kann es doch für den, der lesen, schreiben und denken kann, nicht geben. Darum ist es eine Verfälschung des Themas, wenn Sie dem Kollegen Jaeger unterstellen, sein Angriff richte sich gegen die Bundeswehr.
    Ich bin wahrlich ein überzeugter Anhänger der Bundeswehr und habe das oft genug bewiesen. Aber sind wir denn schon wieder so weit, in den deutschnationalen Größenwahnvorstellungen zu denken, daß die deutsche Bundeswehr allein ausreiche, dieser Bedrohung Herr zu werden, daß die Feststellung, es bestehe ein Übergewicht, schon als eine Herabsetzung der Bundeswehr bezeichnet wird? Solche Kritik haben wir ja im „Dritten Reich" gehört.

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    Wenn sich jemand ein kritisches Wort gegenüber der deutschen Wehrmacht erlaubte, waren solche Töne zu hören. Wir sind überzeugte Freunde und Anhänger der Bundeswehr. Wer aber den Kampfgeist und die Kampfkraft der Bundeswehr schwächt, das sind diejenigen, die die Lage falsch darstellen, die die Gefahr verharmlosen, die von einer sinnlosen Dramatisierung der Gefahr reden, und nicht zuletzt diejenigen, die die Bundeswehr parteipolitisch polarisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte auf dieses Thema hier nicht näher eingehen,

    (Friedrich [Würzburg] [SPD] : Zu London haben Sie nichts zu sagen!)

    aber es wird in diesem Hause noch zur Sprache kommen, und zwar sowohl im Verteidigungsausschuß wie auch hier im Plenum dieses Hauses.

    (Friedrich [SPD] : Zum Thema!)

    Wenn der amerikanische Präsident zusätzliche Beiträge der Amerikaner und der Europäer für notwendig hält, möchte ich fragen: Wie vereinbart sich das mit den merkwürdigen Vorschlägen des Kollegen Brandt zur Lösung der MBFR-Problematik in Wien?

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!) . Man muß dem amerikanischen Präsidenten zustimmen, wenn er eine verstärkte Zusammenarbeit in der Rüstung fordert, vor allen Dingen wenn er — in der deutschen Übersetzung kommt das nicht für alle ganz verständlich zum Ausdruck — vor Doppelarbeit warnt. Dieses Thema gibt es, solange es das Atlantische Bündnis gibt. Die Reden, Beschlüsse, Kommuniqués, die zur Standardisierung der Waffen, zu einer sinnvollen Arbeitsteilung bei der Waffenentwicklung und Waffenerzeugung aufrufen, füllen schon ganze Bibliotheken. Deshalb muß man gerade bei diesem Punkt sagen — und das tue ich in genauer Erinnerung, in fast wehmütiger Erinnerung an die vielen, vielen Jahre nutzloser Entschließungen, tönender Reden, hochtrabender Kommuniqués —, daß wir an den Ergebnissen messen werden. Dazu gehört auch, daß ein einwandfrei besseres Waffensystem, das in Europa entwickelt wird, von unseren amerikanischen Freunden ohne Berücksichtigung lobbyistischer Interessen dann auch für die amerikanischen Streitkräfte vorgesehen wird. Ich meine damit das Waffensystem des Leopard II.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte den Vorschlag des amerikanischen Präsidenten, ein Two-Way-System über den Atlantik hinüber und herüber einzuführen, mit allem Nachdruck begrüßen, aber bitten, dann diesen Worten auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen.
    Herr Bundeskanzler, bei der Gelegenheit — und es handelt sich ja hier um Steuergelder — darf ich darum bitten, daß in einer Frage von großer finanzieller Tragweite, in der dieses Haus immer geschlossen war, nämlich beim Bau eines europäischen Großraumflugzeuges ein transatlantisches Hindernis beseitigt wird. Die Europäer haben Zollfreiheit für amerikanisches Fluggerät eingeführt. Die Amerikaner verlangen für europäisches Fluggerät immer noch einen bei dieser Größenordnung recht schmerzlichen Zoll. Auch der muß abgebaut werden, wenn freier Wettbewerb und vernünftige Lösungen in der Bewältigung des Luftverkehrsbedarfs gefunden werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vielleicht gab es auch Geheimgespräche bei dieser Konferenz. Ich würde das nicht kritisch vermerken, oder etwa negativ bewerten. Da wir aber nichts davon wissen, möchte ich nur einmal die Frage stellen: Wann wird innerhalb der NATO einmal die Frage aufgeworfen, wie der Verteidigungsauftrag definiert werden muß angesichts der Änderung der Bedrohung? Ich bin nicht für überseeische Abenteuer — damit Sie mich nicht falsch verstehen —, weder nach der Ostrichtung noch nach der Südrichtung. Daß aber heute die europäische Sicherheit durch die Vorgänge im Mittelmeerraum und südlich des Mittelmeerraumes von Nordafrika bis zum Kap entscheidend beeinträchtigt wird, kann in dem Zeitalter, in dem es für Nachrichtentechnik, Verkehrs- . technik und Zerstörungstechnik keine Grenzen mehr gibt, doch hoffentlich kein Zweifel bestehen. Entspannung ist im Gegensatz zu Ihrer mehrmals geäußerten Meinung, Herr Bundeskanzler, auch geographisch unteilbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Strauß
    Ich danke dem Herrn Außenminister dafür, daß er das seinerzeit — im Gegensatz zu einer sehr törichten Äußerung des Bundeskanzlers — jedenfalls für seine Person in aller Form klargestellt hat.
    Es wäre auch sehr aufschlußreich, zu wissen, warum man eigentlich gegenüber der französischen Hilfe für ein strategisch und wirtschaftlich bedeutsames afrikanisches Land — ich meine damit Zaire — eine so gegensätzliche und kontroverse Haltung innerhalb des Bündnisbereichs eingenommen hat. Ich nehme nicht zur Entscheidung des französischen Staatspräsidenten Stellung. Daß aber hier eine ernsthafte Gefährdung vorlag und daß sie wie üblich durch stellvertretende Truppen auf stellvertretendem Kriegsschauplatz betrieben worden ist, darüber gibt es nach Meinung nicht nur der NATO-Stäbe und aller Nachrichtendienste wohl keinen Zweifel, auch wenn sich die Kubaner nach Eintreffen der marokkanischen Truppen, ursprünglich aus dem Hintergrund instruierend und operierend, dann sehr schnell hinter die Grenze zurückgezogen haben. Die riesigen Beutebestände an Waffen und Munition, an Verpflegung und anderen Ausrüstungsgegenständen, die alle aus Beständen der sowjetrussischen Armee stammen, machen deutlich, woher diese Offensive gesteuert worden ist.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Ich nehme hier nicht zu den Verhältnissen in diesem Lande, das ich zufälligerweise einigermaßen kennengelernt habe, sondern nur zu der strategischen Frage Stellung. Wenn ein europäisches Land wie Frankreich im Verbund mit einem finanzkräftigen Land und einem afrikanischen Land dabei hilft, dieser Bedrohung entgegenzuwirken, dann sollte das nicht Anlaß sein, dieses Land sozusagen bloßzustellen, sondern dann sollten solche Probleme im Bündnisgeiste besprochen und so schnell wie möglich durch gemeinsame Planung gelöst werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Erlauben Sie mir, Herr Bundeskanzler, auch ein Wort zu Ihrer Kritik an einem Abgeordneten, dessen Namen Sie nicht nennen wollten — darum tue ich es mit Ihrer Erlaubnis an Ihrer Stelle —, zur Kritik des Grafen Huyn. Auch hier haben Sie mit derselben Methode, wie es bei Ihrem Angriff gegen den Kollegen Jaeger geschehen ist, glatt das Thema verfälscht. Graf Huyn hat mit keiner einzigen Silbe Zwietracht in das Bündnis hineintragen wollen, sondern er hat sich auf Ihr Interview, vor nicht allzu langer Zeit der „Stampa" gegeben, berufen. Die „Stampa" ist ja überhaupt ein Veröffentlichungsorgan für sozialdemokratische Politiker. Ich denke an das Interview mit Herrn Ehmke. Es soll deswegen ja einigen Ärger gegeben haben. In der „Stampa" hieß es: „Die Menschenrechte trennen Bonn und das Weiße Haus." Es hieß dort weiter, der deutsche Bundeskanzler habe sich nicht gescheut, seinen ganzen Zorn — „furore" heißt es hier — über die neue Außenpolitik Carters preiszugeben, deren Schuld es sei, die Deutschen nicht gefragt zu haben, bevor sie mit eingelegter Lanze für die Menschenrechte der sowjetischen Dissidenten ins Feld ritten, usw. Herr
    Bundeskanzler, geben Sie doch lieber zu, daß Sie hier — völlig überflüssig und auch unklug, für uns schädlich und gefährlich — Kritik an der Haltung des amerikanischen Präsidenten in der Bürgerrechtsfrage geäußert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist nicht die Aufgabe einer Konferenz, solche Gegensätze hochzuspielen, sondern Lösungen zu finden. Aber hier ist nur eine verbale Lösung gefunden worden. Man sagt, man setze sich gemeinsam für die Bürgerrechte — stellen Sie sich einmal vor, man sagte das Gegenteil, man setze sich für Unrecht an den Bürgern ein; es gibt doch nur eine einzige idealistische, theoretische Begründung —, darüber bestehe Übereinstimmung. Das bestreitet niemand. Aber Sie haben den amerikanischen Präsidenten in Ihrer schulmeisterlichen Art hart gerüffelt, weil er sich öffentlich für die Bürgerrechtsbewegung in den kommunistisch regierten Ländern eingesetzt hat.
    Ich habe mich zu dieser Frage, glaube ich, auch schon von dieser Stelle aus geäußert. Ich habe gesagt: Man muß natürlich bei jeder Stellungnahme zu dieser Frage prüfen, wer was sagen soll. Ich bin der Meinung, daß es auch hier innerhalb des Bündnisses eine gute Arbeitsteilung geben kann. Aber man darf dann den amerikanischen Präsidenten nicht allein lassen. Die Problematik ist, daß es, wenn der amerikanische Präsident die Stimme erhebt, nicht nur um die Frage der Menschenrechte herüben und drüben geht, sondern daß bei einer solchen Diskussion dann natürlich auch machtpolitische Größenordnungen automatisch zum Tragen kommen. Gerade deshalb bin ich der Meinung, es wäre besser, wenn sich die militärisch schwachen Europäer für die Bürgerrechtsbewegung eingesetzt hätten und das militärisch starke Amerika dadurch in den Stand gesetzt hätten, sich hier etwas zurückhaltender in der Öffentlichkeit äußern zu können.
    Trotzdem sagen wir dem amerikanischen Präsidenten Dank, daß er sich, obwohl besonders von Bonn — dem zweitwichtigsten Bundesgenossen, wie es immer heißt — im Stich gelassen, zu dieser Frage so klar und eindeutig geäußert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn der Bundeskanzler auch in seiner Regierungserklärung das Eintreten für die Bürgerrechte in der Öffentlichkeit als „rhetorische Polemik" abgetan hat, dann meint er doch damit in erster Linie den amerikanischen Präsidenten, mit dem er sich in London — „Sag doch Jimmy zu mir." — „Ja, wenn Du zu mir Helmut sagst" — in dieser Frage doch so schön geeinigt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier gibt es eine Grenze des auf diesem Gebiet Zumutbaren.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Auch für Sie, weil Sie dummes Zeug reden! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ihre Reaktion, genauso wie die Rede des Bundeskanzlers, beweisen doch nur eines: die ungeheure



    Strauß
    und zunehmende Nervosität in Ihren eigenen Reihen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Ich möchte hier ausdrücklich, auch im Namen der gesamten Fraktion der CDU/CSU, — —

    (Zuruf von der SPD: Das muß man immer dazusagen!)

    — Sonst würde ich sagen: es ist meine private Meinung.

    (Dr. Hammans [CDU/CSU] : Sonst würde er es sagen! — Reddemann [CDU/CSU]: Schäfer kann nicht mal zuhören!)

    Hier sage ich im Namen der Fraktion der CDU/CSU, daß wir in zwei gewichtigen Problembereichen unsere Zustimmung zur Haltung der Bundesregierung bekunden. Ich sage es jeweils nur in einem Satz.
    Erstens. Die Bundesregierung konnte — wenn sie nicht ihr Ansehen verspielen, vertragsbrüchig werden und deutsche Interessen schädigen wollte — nicht anders handeln, als den Vertrag mit Brasilien einzuhalten und sich durch nichts von diesem Vertrag abbringen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU und genauso ich haben das bei der letzten Kernenergiebesprechung im Hause des Bundeskanzlers im kleinen Kreise gesagt. Ich stehe nicht an, das auch hier in der Öffentlichkeit zu sagen.
    Zweitens. Wir bekunden unsere Zustimmung dazu, daß ein uns ursprünglich zugemutetes großes inflationär wirkendes Programm zur Wirtschaftsbelebung, praktisch ein Programm der Geldvermehrung, abgelehnt worden ist. Hier bekunden wir ausdrücklich unsere Zustimmung;

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    denn das Problem ist nicht mehr die Frage der Geldmenge. Geld ist genug da. Es ist nur nicht immer an der richtigen Stelle,

    (Lachen bei der SPD — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    und es besteht kein Vertrauen, es richtig auszugeben. Wir haben gar nichts davon, wenn sich in den Tresoren der Bundesbank große Schätze häufen. Wir haben gar nichts davon, wenn in den Großbanken gewaltige Mengen für Kredite zur Verfügung stehen, die nur zaghaft in Anspruch genommen werden — aus den Gründen, die Sie kennen. Darum sagte ich: Geld ist genug da. Es ist nur nicht an der richtigen Stelle, und es wird nicht richtig ausgegeben.
    Reden und Kommuniqués — und das gilt auch für London — sagen aus, was geschehen oder erreicht werden müßte. Sie sagen aber leider nicht aus, was wiklich geschieht und erreicht wird. Uns interessieren weniger die Erkenntnisse, sondern uns interessieren die Ergebnisse, die dann dabei herauskommen.
    Ähnlich wie die Gipfelkonferenzen von Rambouillet und Puerto Rico endete auch der Londoner Weltwirtschaftsgipfel mit einer Harmoniedemonstration, bei der alle, zum Teil auch schwerwiegenden politischen Gegensätze ausgeklammert wurden. Ebenfalls wie früher gab es auf dem Londoner Gipfel heilige Gelübde, die von den einzelnen Teilnehmerstaaten genauso wie frühere Gelübde bei Anlässen ähnlicher Art bestimmt nicht so ernst genommen werden, wie sie verbal beschworen worden sind.