Ich kann das nicht beantworten, Herr Kollege Althammer, weil ich den Briefwechsel, den Sie offenbar geführt haben, und auch den Briefpartner, mit dem Sie korrespondiert haben, nicht kenne. Ich kann Ihnen nur sagen, was die beiden Minister und ich verabredet hatten.
Auf der anderen Seite ist es so: In dem Augenblick, in dem wir hier sprechen, dürfte — ich bin über die allerletzten Zahlen nicht ganz im Bilde —die Gesamtheit der deutschen Rentenversicherungsträger ein Vermögen von vielleicht 34, 35 oder 36 Milliarden DM haben. Gegenwärtig liegt eine Notwendigkeit vorzeitiger Rückzahlung noch nicht vor, auch nicht von der Liquiditätsseite her, sondern von der Liquiditätsseite her wird es, vielleicht, erst im Laufe der späten Monate des nächsten Jahres schwierig, vielleicht noch etwas später, von der Vermögensseite her noch ein wenig später. Aber wir hatten uns innerlich darauf eingestellt, dies zu tun, und wir werden es vielleicht noch tun müssen. Ich nehme nicht an, daß der Herr Abgeordnete Strauß sich
116 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976
Bundeskanzler Schmidt
über die Staatsgarantie hat lustig machen wollen. Es ist übrigens nicht nur so, daß eine gesetzliche Staatsgarantie besteht, es bestehen auch in die ausdrückliche Wahl des Wortes „Garantie" gekleidete Absichtserklärungen von seiten der beiden Oppositionsparteien, auf die ich gleich zu sprechen komme.
Herr Kollege Strauß, Sie haben sich richtig an das steuerpolitische Gespräch erinnert, an dem auch Herr Kohl beteiligt war, das im Mai oder Juni 1974 stattfand.
— Im Juli 1974. Jedenfalls haben Sie sich richtig an das erinnert, was Sie da gesagt haben. Sie werden mir erlauben, etwas hinzuzufügen, an das Sie sich dann auch erinnern werden. Es war nicht der Wille der Koalition und nicht der Wille der Bundesregierung, bei Gelegenheit dieser Steuerreform insgesamt Einnahmeverzichte in der Größenordnung von 15 oder mehr Milliarden DM pro Jahr zu leisten! Daß auf diese Weise die ordentlichen Einnahmen der öffentlichen Haushalte aller Ebenen übermäßig verringert worden sind, ist das Ergebnis der Tatsache, daß die Bundestagsmehrheit in diesem Fall leider keine Gesetzgebungsmehrheit war oder, anders ausgedrückt, daß man in einigen Landeshauptstädten und im Bundesrat gemeint hat, man könne bei dieser Gelegenheit noch mehr an Einnahmeverzicht auf sich nehmen. Auch daran werden Sie sich erinnern. Es ist nicht so, daß das, was an Einnahmeverzichten für die öffentlichen Haushalte herausgekommen ist, größenordungsmäßig den Vorlagen der Bundesregierung entsprochen hätte, sondern es waren viele, viele Milliarden DM mehr.
Es war auch nicht die Absicht der Bundesregierung, daß das Kindergeld, das wir für nötig hielten, für das wir uns eingesetzt hatten, für dessen Erhöhung im Jahre 1978 wir uns einsetzen wollen, wie wir angekündigt haben, allein vom Bund gezahlt werden sollte, sondern das sollte zu Lasten der allgemeinen Einkommensteuer gezahlt werden.
Das haben uns andere aufgezwungen, die in diesem Punkt bei der Gesetzgebung einen wichtigen Faktor darstellen. Das war nicht die Mehrheit des Bundestages und das war nicht die Bundesregierung!
Ich muß nun Herrn Strauß eines sagen dürfen. Das sage ich für meine Person. Was die Rentenpolitik angeht, so habe ich zu jedem Zeitpunkt die mir zugänglichen Zahlen zugrunde gelegt. Herr Strauß hat von November 1975 gesprochen und gesagt, damals habe er schon gesehen oder man habe schon sehen können, daß man in Schwierigkeiten komme. Gewisse Schwierigkeiten, gewiß. Dazu war ja das Vermögen auch da, daß es in solchen Zeiten abgebaut wird. Das Rentenversicherungsvermögen ist doch nicht dazu da, Hypothekenbankgeschäfte damit zu treiben!
Auf eines muß ich hinweisen. Die Zahlen vom November 1975, von denen Sie meinten, sie hätten jedermann ausreichende Klarheit gegeben, stimmen
nicht mit denen vom Frühjahr 1976 überein und die vom Frühjahr 1976 nicht mit denen vom August — das war der Zeitpunkt vor dem Wahlkampf, in dem ich mich zuletzt, und zwar ausführlich und mit Mühe, damit beschäftigt habe —, die Zahlen vom August stimmen nicht mit den heutigen überein, und im Frühjahr 1977 werden sie wieder anders sein. Weshalb? Ich bin dankbar, daß ich das hier einmal deutlich sagen darf, nachdem auch Herr Kollege Barzel gemeint hat, „die Zahlen" müßten auf den Tisch.
Die Zahlen und ihre Konsequenzen kommen ja jedes Jahr in dem sogenannten Rentenanpassungsbericht, von unabhängigen, sachverständigen Menschen erarbeitet, auf den Tisch, und die Bundesregierung sagt ihre Meinung dazu. Die Beurteilung der Zahlen kommt vom Sozialbeirat. Der Sozialbeirat hat sich in diesem Herbst außer der Reihe geäußert und angekündigt, er werde sich wie üblich jedes Jahr im Frühjahr erneut äußern.
Veranlaßt durch das Gutachten außer der Reihe, haben wir uns ebenfalls außer der Reihe im Vorwege mit etwas beschäftigt, wozu wir nach dem Gesetz eigentlich erst im Frühjahr veranlaßt gewesen wären. Wir haben gemeint, uns vorher selber Klarheit verschaffen zu sollen, und haben uns dann allerdings veranlaßt gesehen, aus den Zusammenhängen, die wir alle kennen, diese Klarheit vorgreifend auf die Gesetzgebung, die erst zum 1. Juli 1977 in Kraft treten muß und die ja in jedem Jahr im Laufe der ersten Monate gemacht wird, hier im Bundestage darzulegen.
Ich will Ihnen sagen, warum sich die Prognosen dauernd ändern.