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ID0800605200

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Hoppe.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl CDU/CSU 55 A Brandt SPD 67 B Mischnick FDP 79 A Strauß CDU/CSU 86 A Wehner SPD 99 C Hoppe FDP 102 C Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . 105 B Schmidt, Bundeskanzler 113 A Genscher, Bundesminister AA . . . . . 121 D Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen . 88 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und Regelung betr. die Einreichung von Fragen für die Sitzungswoche ab 17. Januar 1977 123 C Nächste Sitzung 123 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 125' A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976 55 6. Sitzung Bonn, den 17. Dezember 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 17. 12. Dr. Aigner * 17. 12. Dr. Früh * 17. 12. Dr. Fuchs 17. 12. Dr. Gruhl 17. 12. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Ansage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Klepsch * 17. 12. Lampersbach 17. 12. Lange * 17. 12. Lücker * 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Schedl 17. 12. Seefeld * 17. 12. Dr. Staudt 17. 12. Frau Dr. Walz * 17. 12. Dr. Warnke 17. 12. ■.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Strauß, Sie haben etwas von Ihren Manuskripten hier liegenlassen. Ich möchte davon keinen Mißbrauch machen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das richtete sich gegen den Bundeskanzler; aber das können Sie ihm noch später versetzen, und zwar alles. Ich bin hier mehr für Eigenproduktion.

    (Erneute Heiterkeit und erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist hier von zwei Oppositionsführern gesagt worden, was sie zur Regierungserklärung zu sagen haben. Einen wirklichen Drang zur Auseinandersetzung mit der Regierungserklärung habe ich auch heute hier nicht gespürt, so wie ich ihn, was ja seltsam ist, wenn man das bei einer Oppositionspartei zu vermissen Gründe hat, vorher vermißt habe. Denn diese Opposition hätte ja auf eine gründliche Debatte dieser Regierungserklärung drängen müssen. Sie hat es nicht getan.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Heute hat der Herr Strauß damit angefangen, zu sagen, was nach seiner Meinung dies für eine Regierungserklärung gewesen sei.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU] : Nicht nur nach seiner!)

    Ich will Herrn Straußens Bewertungen nicht noch mal zitieren; das sind ja seine eigenen.

    (Dr. Althammer [CDU/CSU] : Lesen Sie mal die Presse!)

    — Nun, Sie werden ja wohl Herrn Strauß nicht mit der Presse vergleichen. Wir reden doch hier nicht über die Presse, sondern miteinander.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Nein.
    „Soweit sie Substanz hat, diese Regierungserklärung", hat der Herr Strauß — —

    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

    — Ja, hat der Herr Strauß!

    (Anhaltendes Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    - Nein, nein.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das weiß ich.

    (Fortgesetztes Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich kann ja noch mal anfangen. Der Herr Strauß hat ja gesagt, soweit sie Substanz habe.

    (Erneutes Lachen und Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ja sicher, deswegen habe ich so angefangen. Aber Sie brauchen heute Lärm. Sie brauchen Selbstbefriedigung auf eine ganz besondere Eigenart. Das ist das, was Sie brauchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    100 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976
    Wehner
    Immerhin, man kann eine Regierungserklärung so bezeichnen, und um dann das eine oder andere aufzupicken, sagt man: „Es handelt sich um Vorschläge der CSU und der CDU".
    Herr Strauß, Sie wollen das mit dem Thema Rentenversicherungen so halten, wie Ihre Partei und Sie als der Matador es mit dem Thema Inflation halten. Als es als Thema nicht zündete, haben Sie in Bayern und anderswo nachgeholfen und haben Geldscheine mit riesigen aufgedruckten Nullen verteilt, damit die Leute den Schrecken in den Knochen fühlten. Wenn sie die Umseite sahen, sahen sie: so würde es sein; so sehen Sie das. Sie wollen das Rententhema genau so auswalzen wie damals und wie auch heute noch, wenn es darauf ankommt, das Inflationsthema.
    Ich habe eine einzige Feststellung zu treffen. Wenn das so wäre, Herr Strauß, wie Sie heute hier mimen, wieso haben Sie dann der Rentenerhöhung im vorigen Jahre zugestimmt, und zwar in der ersten Lesung, in der zweiten Lesung, in der dritten Lesung?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann hätte ja Ihr Gewissen Sie zwingen müssen zu sagen: Es blutet uns das Herz,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    wir möchten so gerne. — Da feixen Sie, Patent-C-
    Träger, da feixen Sie!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das hätten Sie machen müssen. Sie hätten sagen müssen: „Wir haben immer zugestimmt", und zugleich haben Sie den anderen Leuten gesagt: „Aber finanziert werden kann das nicht". Da das so ist, wie Sie es wollen — es soll nämlich ein längere Zeit währender Dauerbrenner werden —, wird er das werden. Dennoch werden Sie, weder Herr Strauß noch Herr Kohl — entschuldigen Sie, daß ich die Reihenfolge so nehme —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    die Genugtuung haben, daß das politisch wirkt, aber nicht, daß das unserem Volke hilft, und Sie werden auch nicht erleben, daß wir, unser Staat, daran zugrunde gehen, weil wir fähig sind, Ihrer Art von Demagogie nicht nur zu widersprechen, sondern auch zu widerstehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das Wort Ehrlichkeit aus Ihren Mündern ist ja nun für die Faschingszeit und nicht für die Vorweihnachtszeit gemeint.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, da haben Sie alles mögliche auf dem Korn.
    Außerdem haben Sie einige Andeutungen gemacht. Ich weiß, und ich schelte Sie ja nicht, denn damals gab es entsprechende Verhältnisse. In der Zeit des Bundesministers der Finanzen Strauß und des Arbeitsministers Katzer hat es ja auch mit den

    (Breidbach [CDU/CSU] : Problemchen waren das!)

    — Aber bitte, werden Sie doch nicht gleich vorweg nervös. Herr Katzer weiß doch Bescheid. Ich trete ihm ja nicht zu nahe. Ich sage nur, was heute noch davon existiert. Nehmen Sie mal die Beitragslisten in der Arbeiterrentenversicherung: ab 1. 1. 1968 15 %, ab 1. 1. 1969 16 %, ab 1. 1. 1970 17 %, ab 1. 1. 1973 18 %, — alles damals in dieser Zeit beschlossen. Ich schelte Sie dafür nicht, meine Herren von CSU und CDU, ich sage nur: wenn Sie über die Probleme der Rentenversicherung reden wollen, damit wir das, was daran lösbar und lösungsbedürftig ist, lösen, dann leugnen Sie doch bitte nicht oder feixen Sie doch nicht über die Probleme hinweg, die Sie mit Beitragserhöhungen zu lösen versucht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Da gibt es vieles.
    Und Herr Strauß hat ja ahnungsvoll, aber richtig gesagt, er und seine Freunde seien bereit, in diesen Fragen über alles mit uns zu sprechen und mit sich reden zu lassen. Das ist ganz in Ordnung. Nur, Sie wollten heute die Zeit ausnutzen, um vorher erst noch einmal möglichst viele Leute verrückt und vielen irrsinnig Angst zu machen. Das ist Ihr Weihnachtsbeitrag, meine Herren!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Rawe [CDU/CSU]: Wer hat denn dauernd die falschen Zahlen bekanntgegeben?)

    — Hier sind keine falschen Zahlen in Umlauf gesetzt worden! Und ich frage Sie zurück: Warum und mit welchem Gewissen haben Sie denn im vorigen Jahr der Rentenerhöhung zugestimmt, während Sie heute behaupten, auch Sie und alle anderen hätten das, was Sie jetzt „falsche Zahlen" nennen, damals schon gewußt?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Rawe [CDU/CSU] : Sie würden doch nicht so schreien, wenn Sie das nicht gewußt hätten!)

    — Nein, alles andere ist doch völlig uninteressant.
    Sie blasen Dinge auf, weil Sie damit zeitweilig Kampagnen machen wollen, und der Herr Strauß ist geschmacklos genug, sogar diesen abgegriffenen Schlager hier noch einmal in den Mund zu nehmen wie einen alten Kaugummi — guten Appetit, kann ich nur sagen —, diesen Schlager mit dem Rentenbeschluß und der Diätenregelung.

    (Zustimmung bei der ,SPD)

    Fragen Sie einmal den neben Ihnen sitzenden bedeutenden Herrn, der jetzt auch ein Oppositionsführer bei der CDU/CSU ist.

    (Lachen bei der SPD und der FDP)

    Fragen Sie ihn einmal, wie er es damit gehalten hat. Er war Vorsitzender des Sonderausschusses. Fragen Sie doch einmal, wie das eigentlich war, da Sie ja heute gesagt haben, Sie könnten nicht über
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976 101
    Wehner
    alles unterrichtet sein, sondern müßten bestimmte Dinge lesen. Aber er sitzt ja jetzt neben Ihnen; er wird Sie ja unterrichten, der Herr Zimmermann, damit Sie sehen, wo das Loch ist, das er noch gelassen hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben sich ja nicht mit der Regierungserklärung auseinandergesetzt, meine Herren. Das ist eine Arbeitshypothese, die ich respektiere, weil ich Sie richtig eingeschätzt habe, Sie nämlich, die beiden bedeutenden Herren, und Ihre Absicht, sich hier in dieser Zeit nicht mit der Regierungserklärung auseinanderzusetzen, nachdem sie tatsächlich ergangen ist, und die Dinge im übrigen auf eine lange Bank zu schieben. Sonst hätten Sie ja einiges zu dem nicht nur zu sagen gehabt, sondern wahrscheinlich auch zu sagen für notwendig gehalten, was jetzt der Herr Strauß umgekehrt der Regierung in bezug auf Investitionen, auf Erweiterungsinvestitionen anhängt. Da hätten Sie ja einiges hören können. Vielleicht hätten Sie entdeckt, daß das, was davon in der Regierungserklärung steckt, auch von Ihnen stammt, wie Sie es vorhin gesagt haben: Soweit Substanz in ihr wäre, stammte sie von CDU/CSU-Vorschlägen.
    Und dann, Herr Strauß, um das Gemisch Ihrer bedeutungsvollen Dinge einmal ein wenig auseinanderzuziehen: Sie haben hier ein Ereignis aufgeblasen, das sich bei einer NATO-Parlamentarier-Tagung in Williamsburg zugetragen hat. Das Ereignis ist ärgerlich, aber es verdiente bestenfalls im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ausgetragen zu werden

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    und in Ordnung gebracht zu werden. Aber für Sie war es gerade recht. Vielleicht sind Sie nicht ganz richtig informiert worden. Ich habe den Bericht über diesen Vorgang, und dort lag durchaus nicht nur die Bereitschaft vor, sondern es ist auch darüber geredet worden, in dieser Versammlung miteinander — unter Einschluß der Sozialdemokraten — klarzukommen. Sie wollten dort dieses kleine Stück Skandal haben, damit man dann davon eine Weile leben kann. Das war alles, was dabei herausgekommen ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Unglaublich!)

    Sie werden doch einem Mann wie Mattick hier nicht öffentlich vorwerfen wollen, daß er nicht bereit gewesen wäre, etwas gegen bestimmte Schießereien und ähnliches zu sagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das wollen Sie auch nicht; für Sie sind das alles keine Leute, nicht! Es ist nicht gut, wie Sie glauben, solche Dinge hier unter Gejohle abhandeln zu können.

    (Windelen [CDU/CSU]: Wer johlt denn hier?)

    Nun ein paar Sätze zum Herrn Kohl, der ja heute seinen Einstand hier hat geben können. Daß der Herr Kohl sein Verständnis für die Rolle der parlamentarischen Opposition durch seine Berufung auf Kurt Schumachers berühmte Rede 1949

    (Breidbach [CDU/CSU] : Ausgezeichnet!)

    bekräftigen wollte, hat nach meinem Verständnis den Grund, daß keiner der Vorgänger des Herrn Kollegen Kohl aus den eigenen Reihen und auch keiner seiner Mitoppositionsführer aus CSU und CDU von Herrn Kohl als eine Art Berufungsfall oder Autorität dafür, wie Opposition zu verstehen ist, angeführt werden kann.
    Sonst hätten Sie nämlich Herrn Barzel nehmen müssen, der allerdings auch die längste Zeit es nicht gekonnt und gedurft hatte, der aber, als er doch wiedergewählt war, 1972 mit einem guten Vorsatz in das Parlament ging. Ich habe damals gedacht „Donnerwetter, es ist doch immer nicht zu spät, daß einer noch was lernt!" und habe das auch hier zitiert.

    (Heiterkeit)

    Das waren goldene Sätze, Herr Barzel. Aber fünf Monate später waren Sie vom Fenster, weil Sie vier Jahre die Opposition parlamentarisch führen wollten, und Ihre Fraktion hatte das anders bestimmt. Wir können ja einmal in Ruhe darüber reden — nicht privat, aber hier in diesem Plenum. Das ist interessant nachzulesen.
    Ich sage: Da sich Herr Kohl, um sich zu verdeutlichen, nicht auf einen der Vorgänger in der Oppositionsführerrolle — oder jetzt: in der Mitoppositionsführerrolle — berufen kann, mußte er Kurt Schumacher nehmen. Das verstehe ich gut, und das ist ja ganz ehrenhaft.
    Aber, sehr verehrter Herr Kollege, dann müssen Sie mir auch erlauben, in meine Tasche zu greifen und zu sagen — —

    (Franke [CDU/CSU] : In Ihre eigene dürfen Sie greifen!)

    — Ja, sicher. Werden Sie doch nicht plötzlich auch noch gemein, Herr! Das ist doch wohl gemein, was Sie hier dazwischenreden! — Gut, das sei Ihnen geschenkt. Ich werde das nicht noch öffentlich machen.
    Kurt Schumacher war es, der wörtlich gesagt hat:
    Die Demokratie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und der Ehrlichkeit.

    (Windelen [CDU/CSU]: Bravo!)

    Die Demokratie kann nur leben, wenn die Menschen selbständig sind und den Willen zur Objektivität haben.

    (Windelen [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Aber die technokratische und geradezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel führt zum Gegenteil.
    Herr Kollege Kohl, wenn Sie das im nächsten Bundestag wieder in Ihrer Rede als Oppositionsführer zu zitieren und sich zur Maxime zu machen versuchen, dann sage ich: Das ist in Ordnung! — Beide Sachen gehören nämlich zusammen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    102 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976
    Wehner
    Sie haben gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der Bundeskanzler, der in seiner Regierungserklärung ja über Solidarität, über Liberalität gesprochen hat, beschreibe den Begriff der Solidarität so mit der alten sozialen Frage des 19. Jahrhunderts. Machen Sie es sich bitte nicht zu einfach, indem Sie behaupten, daß das eine alte soziale Frage war. Ich habe dieses vergilbte Heft, das ein Jahr zuvor herausgekommen ist, bevor erstmals international der 1. Mai gefeiert wurde. Da hat man im Rückblick und in der Sprache der damaligen Zeit so geschrieben:
    Die Erfolge der Arbeiter wären aber nicht möglich geworden, wenn die Widerstandsfähigsten unter ihnen nur für sich gesorgt und gekämpft, wenn sie sich nicht als die Vorkämpfer und die Leiter und die Organisatoren betrachtet hätten, wenn sie nicht bestrebt gewesen wären, ihre schwächeren Mitarbeiter, die entweder gar nicht oder wenigstens nicht allein ohne fremde Hilfe im Stande waren, ihre Interessen zu vertreten, an ihren Errungenschaften teilnehmen zu lassen.
    Das war etwas, was die freiheitliche Arbeiterbewegung in die Auseinandersetzungen im politischen Raum eingebracht hat, ohne die es dort nur ödes und geiles Interessentauziehen gegeben hätte.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist insofern etwas, was Sie, wenn es nicht von Sozialdemokraten oder Sozialisten — wie Sie sie auch gern nennen — käme, als etwas Ethisches bezeichneten. Ich sage nur, wie es wirklich war. Nun stehlen Sie sich davon und meinen: Ja, aber da ist die CDU-Vorstellung von Solidarität doch ganz anders, nämlich das, was der Staat dem Bürger ermöglichen soll, damit Solidarität geübt werde.
    Sehr Verehrter, Sie haben sicher einmal gelesen, was der frühere Vorsitzende der CDU und langjährige Bundeskanzler Konrad Adenauer zur Antwort gegeben hat, als man ihn gefragt hat, was er denn rate, daß man den Fragestellern antworte, die wissen wollten, wie das Grundsatzprogramm der SPD zu bewerten sei. Der hatte darauf seine klassische Antwort, um sich in der Sache nicht äußern zu müssen.
    In diesem Grundsatzprogramm steht:
    Wir streiten für die Demokratie. Sie muß die allgemeine Staats- und Lebensordnung werden, weil sie allein Ausdruck der Achtung vor der Würde des Menschen und seiner Eigenverantwortung ist.
    Da haben Sie das wieder drin, was wir haben Weiterglühen lassen aus dem, was Sie so ein wenig wegwerfend „19. Jahrhundert" nennen. Wir bekennen uns — wie man das heute gern sagt — zu diesem Erbe. In unserem Programm — weil Sie auf den Staat abgehoben und das unserer Auffassung gegenübergestellt haben — heißt es:
    Der Staat soll Vorbedingungen dafür schaffen, daß der einzelne sich in freier Selbstverantwortung und gesellschaftlicher Verpflichtung entfalten kann. Die Grundrechte sollen nicht nur die
    Freiheit des einzelnen gegenüber dem Staat sichern, sie sollen als gemeinschaftsbildende Rechte den Staat mitbegründen.
    Soviel Sie auch suchen werden, Sie werden nirgendwo finden, daß es etwa eine Anleihe aus der CDU- oder gar CSU-Literatur oder deren Katechismen wäre. Das ist ganz genuin sozialdemokratisch. Derjenige, der am meisten dafür getan hat, daß es wirklich auch so hineinkam, das war der von mir verehrte und auch noch immer geliebte Adolf Arndt, dessen Eigenart manche von Ihnen wohl noch kennen, sich ihrer erinnern und vielleicht sogar schätzen werden.
    Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, einiges zu Ihren langen Reden, die Sie der langen Regierungserklärung des Bundeskanzlers verdanken können, sagen zu dürfen. Ich wollte, da Sie die Gelegenheit brauchten und wenig zur Sache sagen konnten, aber viel, um in der Länge mit dem Kanzler konkurrieren zu können, ein Weniges zur Sache sagen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wirkt gerade bei dem Herrn Kollegen Strauß wenig überzeugend, eher komisch, wenn er den Vorwurf erhebt, die Koalition habe ihre Mehrheit unter falschen Voraussetzungen erreicht, und wenn er dabei auf die Rentenproblematik abhebt. Herr Kollege Strauß, Sie sollten sich besser noch einmal vor den Spiegel stellen und sich das vorsagen, was Sie einmal vor und einmal nach dem 3. Oktober aus Bayern über einen Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz gesagt haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dies sollten Sie jedenfalls dann tun, wenn Sie gute Beispiele für falsche Voraussetzungen suchen.

    (Unruhe)