Reden kann man über alles, Herr Kollege Lambsdorff. Es besteht aber eindeutig die Notwendigkeit, das Wachstum der konsumtiven Ausgaben eines Haushalts drastisch zu bremsen
und dafür die Mittel für öffentliche Investitionen einzusetzen. Wir sind uns wahrscheinlich einig, daß es drei Sorten öffentlicher Investitionen gibt. Erstens gibt es die allgemeinen öffentlichen Investitionen. Zweitens gibt es Prestigeinvestitionen, die unterlassen werden sollten, weil sie eine Verschwendung der Steuergelder bedeuten. Bei überfließenden Kassen werden solche Investitionen aber natürlich gern getätigt. Sie wissen ja: Geld macht sinnlich; oder: Geld ist scheu wie ein Reh und geil wie ein Bock.
Das stammt von Herrn Blessing und wurde von mir nur etwas erweitert.
Drittens sind schließlich solche öffentlichen Investitionen zu nennen, die der Modernisierung und dem weiteren Ausbau unserer Wirtschaft dienen. Diese dritte Kategorie der Investitionen sollte heute Vorrang vor allen Dingen vor der zweiten Kategorie der Investitionen haben. Aber dafür sollte der Mehrertrag einer Mehrwertsteuer angesetzt werden, damit wir aus diesem ewigen Dilemma — 1 Million brachliegender Arbeitskräfte mit den vorhin genannten volkswirtschaftlichen Folgen — wenigstens einen sichtbaren Schritt herauskommen. Und das läßt sich erzielen, wenn diese Dinge in unserem Lande wieder mit Vernunft und ohne Ideologie angepackt werden.
Darum halte ich auch nicht sehr viel davon, wenn man jetzt wieder ein neues Investitionsprogramm ankündigt. Das ist jetzt schon das vierte Konjunk-
94 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976
Strauß
turprogramm seit dem März 1974. Ich hätte nichts einzuwenden gegen ein regionales Investitionsprogramm, das strukturellen Zwecken dient, vor allen Dingen wirtschaftsschwachen Gebieten zugute kommt. Aber im allgemeinen geht es nicht darum, mehr staatliche Aufträge zu geben; es geht darum, unsere Wirtschaft in ihrer vollen Breite wieder investitionsfähig zu machen und ein Klima zu schaffen, in dem der Unternehmer sagt: Der Einsatz des Geldes ist ein hohes Risiko, aber darin steckt auch eine Chance. Wenn aber einer, der einen Pfandbrief kauft oder ein Bundesschätzchen, bei voller Sicherheit der Rückzahlung eine höhere Rendite bekommt, wo soll dann bei uns das Haftungskapital herkommen? Dieses Problem muß einmal grundlegend angepackt werden.
Wir dürfen doch davon ausgehen, daß der Versuch gescheitert ist, angeblich zur Erhaltung der Vollbeschäftigung die öffentlichen Haushalte mit zweistelligen Zuwachsraten zu steigern und gleichzeitig zur Eindämmung der Inflation eine Politik des teuren Geldes zu verfolgen, wie es in den letzten Jahren geschehen ist. Wer die Inflation bändigen und zugleich einen hohen Beschäftigungsstand erhalten will, muß den Staatshaushalt mit klassischkonservativen Methoden, so darf ich ruhig sagen, ausgleichen und das Geld für Investitionen verbilligen statt verteuern — wenn ich das auf eine allgemeine kurze Formel bringen darf.
Vom Herrn Bundeskanzler ist einiges zur Bildungspolitik gesagt worden, auf das bis jetzt von uns heute noch nicht geantwortet werden konnte. Er macht es sich mit dem bildungspolitischen Teil seiner Regierungserklärung zu einfach. Er meint, soweit es Verbesserungen gegeben habe, seien sie ein Erfolg der SPD/FDP; soweit Probleme bestehen, gehen sie auf das Konto des Föderalismus und der CDU/CSU. Ich darf demgegenüber einmal einige Tatsachen festhalten.
Schulen und Hochschulen wurden in den letzten 15 Jahren in gemeinsamen Programmen der Länder, seit 1969 von Bund und Ländern gemeinsam, ausgebaut. Die Ausweitung der Bildungsmöglichkeiten ging von unionsregierten Ländern aus. Bayern hat im Jahre 1964 von allen Bundesländern den ersten Schulentwicklungsplan vorgelegt. Der Hochschulausbau ist von unionsregierten Ländern ausgegangen. Unser Freund Mikat hat die Universität Bochum gegründet, unter einer CDU-Regierung. In Konstanz und Ulm sind zwei Universitäten durch Wilhelm Hahn gegründet worden, die Universitäten Regensburg und Augsburg durch den bayerischen Kultusminister Ludwig Huber. Diese fünf Universitäten sind gegründet worden, bevor eine einzige Universität in einem sozialdemokratisch regierten Land neu geschaffen worden ist.
Ich komme zu einer weiteren Feststellung: Hätten alle Länder ihre Studienplätze so stark ausgebaut wie die unionsregierten Länder und hätten sie gleichzeitig die Zahl der Abiturienten so maßvoll, d. h. unter Berücksichtigung von Qualifikationsmaßstäben, vermehrt wie die Unionsländer, so hätten wir heute nicht ein Auseinanderklaffen zwischen dem Gymnasialsystem und den Hochschulen mit der unangenehmen Erscheinung des Numerus clausus.
Ich teile auch einfach nicht die Auffassung, die von Politikern beider Regierungsparteien im Laufe der Jahre immer wieder ausgesprochen worden ist, daß die Qualität eines Bildungssystems von der Produktion einer maximalen Zahl von Abiturienten abhängt.
Ich wage es auch hier, Herr Kollege Brandt, Ihnen zu sagen: Was für eine pseudoelitäre Arroganz steckt in Ihren Worten: „Er konnte ja nur Schlosser werden" !
Für die Wertschöpfung unseres Sozialprodukts und für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben ist ein ausgebildeter Handwerker, ein ausgebildeter Facharbeiter von höherer Bedeutung als ein stellenloser Akademiker, der dann im äußersten Fall noch die Gilde der Rechtsanwälte vermehren kann.