Rede von
Wolfgang
Mischnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung, über die wir heute reden, ist eine realistische Handlungsanleitung für das, was in den nächsten vier Jahren zu tun ist. Kritiker schöngeistiger Literatur wird sie womöglich nicht zufriedenstellen, doch dafür entspricht sie in ihrer Offenheit und ihrer konkreten Aussage den Aufgabenstellungen, die vor uns liegen. Wir stimmen ihr zu. Die Bundesregierung kann sich auf die Unterstützung der Freien Demokratischen Fraktion verlassen.
Eine Reihe unpopulärer, aber notwendiger Aufgaben ist zu bewältigen, um Stabilität in Gesellschaft und Staat fortzuentwickeln.
Herr Kollege Kohl hat hier zu Beginn davon gesprochen, daß es die schwächste Regierung sei. Herr Kollege Kohl, gleiche 'Töne haben wir bereits 1969 gehört. Es frappiert allerdings etwas, daß Sie sich unmittelbar nach der Kanzlerwahl über das knappe, wie Sie sagen, Ergebnis alterieren, nachdem Sie im Wahlkampf gesagt haben: Ich regiere mit einer Stimme, notfalls mit der Minderheit. Was für eine Logik ist darin?
Wir haben in diesem Vierjahresprogramm nichts ausgeklammert, was verantwortlicherweise angegangen werden muß. Wir stehen da sicherlich im Gegensatz zur Opposition, die sich derzeit so ausgiebig wie noch nie um vordergründige Harmonisierung bemüht, genauer: um das Ausklammern ihrer klaftertiefen Widersprüche und um die Kaschierung ihrer fundamentalen Risse, die in ihr enthalten sind.
Sie sprachen davon, daß Sie Alternativen bei praktischen Entscheidungen vorlegen wollen. Das wäre ein großer Schritt vorwärts, Herr Kollege Kohl. Ob Sie dies nach den Ereignissen der letzten Monate besser können als früher, wird sich erst erweisen müssen. Die getroffenen Vereinbarungen zwischen CDU und CSU lassen eher erwarten, daß das Gegenteil eintritt. Ob die Schwierigkeiten zwischen den C-Parteien wirklich überwunden sind, erscheint zweifelhaft. Wir wünschen Ihnen dabei alles Gute, damit nicht alle Kräfte darin gebunden werden und die Aufgabe der Opposition nur deshalb nicht wahrgenommen werden kann, weil man sich ständig um Kleistern und Kitten bemühen muß.
Wir wissen, es hat in diesem Parlament schon Mehrheiten gegeben, die ungleich komfortabler, ja drückend waren. Aber jedermann hat auch die Erfahrung vor Augen, daß gewaltige Mehrheiten eher im umgekehrten Verhältnis zum Maß der Entscheidungsfähigkeit und zum politischen Ertrag stehen können. Ich bin ganz sicher: die jetzt zur Verfügung stehende Mehrheit, die ausgereicht hat, um ein so schwieriges Programm in Gang zu setzen, wird auch ausreichen, um die Vorhaben in Gesetzesform zu bringen und dann auch hier mit Mehrheit durchzusetzen.
Wir werden uns bemühen, die gesellschaftliche Stabilität zu stärken, auf die sich unsere staatliche Ordnung stützt. Ich füge hinzu und fordere dabei auch die Besonnenen in den anderen Parteien zur Mitarbeit auf: die Liberalität in unserem Lande, um die wir in der Vergangenheit zäh gekämpft haben, muß unbedingt gewahrt bleiben.
Als Beispiel nenne ich unser demokratisches Verfassungsverständnis. Ihm entsprechen die Regelungen der Abwehr von Extremisten im öffentlichen Dienst, wie sie in der Regierungserklärung vorgeschlagen worden sind. Das ist ein Angebot, die Diskussion zu versachlichen, Hysterie abzubauen und das Zutrauen zu unserer demokratischen Ordnung zu festigen.
Die Freien Demokraten halten es für eine herausragende Aufgabe unserer Zeit, politische Entscheidungsprozesse für den Bürger transparenter zu machen, um dadurch sein Engagement für Staat und Gesellschaft zu fördern.
Das, meine Damen und Herren, setzt aber auch die Bereitschaft zu einem Höchstmaß an Information und offener Aussprache zwischen dem Bürger und seinen Vertretern in Parlament und Verwaltung voraus. Wer dies als unbequem empfindet, sollte bedenken, daß die Alternative dazu nur bedeuten kann: wachsende Distanz zwischen, hart gesagt, Regierten und Regierenden, und das in einer Zeit, da, wie wir ja dargelegt bekommen haben, die Problemstellungen doch zunehmend komplizierter werden.
Die Nutzung der Kernenergie ist dafür ein markantes Beispiel. Mit Gesetzgebungs- und Verwal-
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tungsverfahren allein ist der Problemkonflikt nicht gelöst, wenn bei ungezählten Bürgern offene Fragen und tiefsitzende Befürchtungen zurückbleiben.
Gerade hier ist die Herstellung eines umfassenden Grundkonsenses in solch existentiellen Fragen für die Stabilität in unserem Land unerläßlich. Kritische Rede und Gegenrede sind deshalb Bedingungen für die Auflösung konfliktträchtiger Entwicklungen. Wir müssen hier die Chance des Dialogs zwischen Personen und Institutionen intensiver nutzen. Das dient dem inneren Frieden. Seiner Wahrung ist allerdings auch der Grundsatz verpflichtet, daß am Ende eines jeden Meinungsbildungsprozesses ein klares und klärendes parlamentarisches Schlußwort, eine Entscheidung stehen muß. Die Verantwortung und letzte Entscheidung des frei gewählten Parlaments sind nicht delegierbar und nicht ersetzbar.
Meine Damen und Herren, es ist ein urliberales Anliegen, die Mitwirkungsrechte der Bürger zu stärken. Deshalb bejaht die Freie Demokratische Partei die Bürgerinitiativen, die Bürgerbegehren. Dieses Prinzip muß unbedingt die in obrigkeitsgläubigen Kreisen vorherrschende Befürchtung überlagern, daß das Bürgerengagement mehr Risiken als Nutzen in sich berge.
'Es war doch ohne Zweifel eine erschreckende Erfahrung, daß beispielsweise in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die dort politisch Verantwortlichen auf die Protestbewegung der Anwohner gegen die Kernenergieprojekte von Wyhl und Brokdorf zunächst nur mit diffamierenden Verallgemeinerungen und autoritären Gesten reagierten.
Wer so handelt, leistet in Wahrheit jener Radikalisierung Vorschub, die wir ja gerade vermeiden wollen.
— Wir sind genau so wie Sie gegen jede Gewaltanwendung. Wir wollen aber mit dem Bürger, der Sorgen hat, die politische Auseinandersetzung führen, sie nicht umgehen und den Bürger nicht ausschalten. In dieser Einstellung unterscheiden wir uns von Ihnen.
Die beiden genannten Fälle sind für mich exemplarisch für die unterschiedlichen Perspektiven, Autoritärer auf der einen Seite und Liberaler auf der anderen Seite.
Bei uns hat eben der Mensch den Vorrang. Freiheit und Menschenwürde sind in Selbstbestimmung und Verantwortung für andere zu verwirklichen. Das Vertrauen in den Bürger ist die Grundlage aller staatlichen Tätigkeit.
Umgekehrt — darüber sollten wir uns auch immer wieder im klaren sein — mißt sich die Stärke eines
Staates nicht an der Zahl seiner Vorschriften und Verbote, sondern an dem Maß des Vertrauens, das er seinen Bürgern entgegenbringt. Das ist das Maß des liberalen Staates, nichts anderes.
Konservatives Staatsverständnis bezieht dagegen oft das Mißtrauen der Bürger immer noch als gravierende Größe in politische Entscheidungen ein. Das hat sich gerade wieder in den ablehnenden Reaktionen bei der CDU/CSU auf all jene Gesetze bestätigt, die mehr Selbstbestimmung, mehr Eigenverantwortung des Bürgers anstreben. Ich denke dabei an die Reform des § 218. Ich denke an das Eherecht. Ich denke an die Mitbestimmung in den Betrieben und an das moderne Sexualstrafrecht. Die Abneigung gegen die Erweiterung des Freiheitsraums für den einzelnen geht bei Teilen der CDU und CSU so weit, daß sie sogar bereits in Kraft getretene Gesetze, wie die Neufassung des § 218, in der Praxis zu unterlaufen versuchen. Das ist nach meiner Meinung wider die Verfassung.
Diesen Kräften kann es natürlich aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht recht sein, daß staatliche Bevormundung abgebaut, d. h. auch, daß mehr reale Freiheit für den Bürger hergestellt wurde. Dieser prinzipielle Gegensatz wird übrigens alle jene Versuche von CDU und CSU zum Scheitern bringen, sich neben vielerlei volksparteilichen Attributen auch noch ein liberales Mäntelchen überzuwerfen. Der Dissens in der Sache ist zu groß, als daß der Bürger den Unterschied zwischen fortschrittlicher Haltung und propagandistischem Anspruch auf Liberalität nicht durchschauen würde.
Wer Politik als gemeinsame Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung definiert, muß auf dem Fundament von Vertrauen und Offenheit alle politischen Entscheidungen den Grundwerten der Gerechtigkeit, der Toleranz und damit der Humanität unterordnen. Politische Leistung muß eben mehr bewirken als nur materiell meßbaren Fortschritt. Sie muß durch Inhalt und Stil auch ein gesellschaftliches Klima schaffen, das die Mitmenschen zur prägenden Kraft macht.
Konkret bedeutet das nicht nur, daß wir Liberale unseren besonderen Beitrag zur Stärkung jener Bürgerinitiativen und Organisationen leisten wollen, die Bedürfnisse von Minderheiten und Benachteiligten aufspüren und sich unmittelbar für Hilfeleistungen und Problemstellungen einsetzen. Viele Arten dieser Bürgergemeinschaften haben wir.
Wir müssen uns darüber hinaus — und das sollte alle Parteien im Hause einschließen — für den Abbau von Aggressivität, für die Förderung der Toleranz und für die Freiheit der Andersdenkenden jederzeit einsetzen, auch wenn es um uns selbst geht, nicht nur immer, wenn es um den anderen geht.
Der Appell geht an uns alle als Mitbetroffene, weil wir das Freund- und Feinddenken, das immer stärker zu dominieren droht, abbauen sollten.
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Der zum Teil bitterbös geführte Wahlkampf hat manche Verletzungen hinterlassen, Verletzungen nicht nur des politischen Gegners, Verletzungen nicht nur des guten Geschmacks, der Fairneß, ja manchmal der Menschenwürde. Aus diesen schlimmen Erfahrungen müssen nach meiner Überzeugung jetzt Konsequenzen gezogen werden. Wenn die Rückkehr zu Anstand und Vernunft im Umgang der Parteien nicht gelingt, werden bleibende Schäden für das Klima der Zusammenarbeit in unserem Lande verursacht.
Das ist kein Plädoyer für Kaschierung politischer Gegensätze, für oberflächliche Harmonisierung. Natürlich brauchen wir das kritische und auch das harte Gegeneinander beim Suchen und Ringen um die bestmöglichen Sachentscheidungen. Aber es darf nicht zu einer Eigendynamik des Machtwillens kommen.
Das wäre das Ende eines freiheitlichen Staatswesens, in dem Menschlichkeit und Bürgerrechte nicht nur sein sollen, sondern sein müssen.
Der demokratische Standort erhält sich aber nicht durch sich selbst. Er setzt dauernde Anstrengung voraus. Wir werden deshalb in der Kontinuität der bisherigen Politik weiter für vernünftige Fortschritte einzustehen haben. Alle Demokraten stehen hier in einer ständigen, immer neuen herausfordernden Bewährung. Wir Liberale sind angesichts einiger Vorgänge nicht ohne Sorge, daß die Sensibilität gegenüber illiberalen Fehlentwicklungen durch die absichtsvolle Einengung des Begriffes „Stabilität" auf Formalordnung und Formalrecht geschwächt werden könnte. Unsere Wachsamkeit ist gefordert, wenn das Vergessen geschichtlicher Erfahrungen in Mode kommt. Die „Süddeutsche Zeitung" registrierte neulich in einem Leitartikel bei einer Analyse denkwürdiger Ereignisse bereits Symptome gepflegten Vergessens. Unsere Wachsamkeit ist doppelt gefordert, wenn solche Symptome, in denen sich der Versuch der Verfälschung der Geschichte mit autoritären Vorstellungen vermischt, durch Manipulationen am Parteiengefüge zusätzliche Betonung erhalten. Politische Zellteilung führt nicht zwangsläufig zum gewünschten Größenwachstum, eher zu Größenwahnwachstum.
Hier werden leicht Emotionen und dumpfe Hoffnungen freigesetzt, die auch auf anwachsende Strömungen am Rande der Parteienlandschaft vertrauen, und zwar ganz so, als sei die Frage der Mehrheitsgewinnung ein Ziel an sich, das jede Methode rechtfertige.
Noch einmal zur Klarstellung: Wer glaubt, die aus äußerster Aggressivität gespeiste Konfrontation fortführen und die Gegensätze bis zur Unüberbrückbarkeit hin verschärfen zu müssen, setzt bewußt auf irrationale Entwicklungen, wie sie schon einmal in diesem Jahrhundert forciert und letzten Endes aufs schlimmste genutzt worden sind.
Für uns Liberale heißt das, alles daranzusetzen, daß die Integration unserer Bürger zur politischen Mitte hin nicht nachläßt.
Meine Damen und Herren, wir bekennen offen, daß es politische Bereiche gibt, in denen wir es alle gemeinsam versäumt haben, genügend Aufklärung zu leisten. Ich nannte z. B. die Kernenergie. Genauso notwendig ist es, die Wechselwirkung zwischen der Leistungsfähigkeit des Staates und der Leistungsbereitschaft der Bürger stärker sichtbar zu machen. Erst wenn ein aus Kenntnissen gewachsenes Verständnis über die materiellen Bedingungen der staatlichen Leistungen — von der Bildungs- bis zur Sozialpolitik — erreicht ist, werden unsere Mitbürger nicht nur bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, sondern sie werden auch politische Entscheidungen, die wir hier fällen müssen, akzeptieren. Es muß aus der Mode kommen, daß der Staat eben nur als eine Art zu melkende Kuh betrachtet wird. Der Staat kann seinen Bürgern nur geben — ich will das wiederholen, was mit anderen Worten schon gesagt wurde —, was vorher erwirtschaftet worden ist. Es muß deshalb das Bewußtsein dafür geschärft werden, daß jede Forderung an den Staat, an seine betreuenden Einrichtungen neue Opfer voraussetzt.
Die manchmal schon menschenfeindlichen Errungenschaften des technischen Fortschritts und bestimmte Erscheinungsformen der arbeitsteiligen Industriegesellschaft haben den Wert der Individualität für viele wieder deutlicher werden lassen. Der Wille des einzelnen Bürgers wächst, die eigene Identität gegen Bevormundung durch Großgruppen, Organisationen oder Sachzwänge zu behaupten und damit für seine individuelle Freiheit in Staat und Gesellschaft zu kämpfen. Es genügt eben nicht, dem Bürger eine Fülle formaler Rechte zu bescheren, ohne gleichzeitig darauf zu achten, daß die verbrieften Rechte auch zur alltäglichen Freiheit werden können.
Wir Freien Demokraten haben mit den Sozialdemokraten in langjähriger Zusammenarbeit unter Beweis gestellt, daß die Freiheit in unserem Lande durch konkrete Leistungen ausgebaut worden ist. Wir haben die Rechte des einzelnen Bürgers gestärkt und damit seinen Freiheitsraum erweitert, indem wir mehr Mitsprache und Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen gesetzlich verankerten. Wir haben den strafenden und bevormundenden Staat zurückgedrängt und dem Bürger mehr persönliche Entscheidungsfreiheit gegeben.
Wir haben die freie Wirtschaftsordnung im Interesse des Bürgers gestärkt. Wir haben diese marktwirtschaftliche Ordnung auch in äußerst kritischen Zeiten — wie etwa während der Ölkrise — gegen den Ruf nach dirigistischen Regelungen verteidigt. Wir werden mit ihr auch die Probleme der Arbeitslosigkeit und die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten besser überwinden, als das jedes andere Wirtschaftssystem könnte.
Meine Damen und Herren, die Renten- und die Gesundheitspolitik spielen natürlich in dieser Wahlperiode eine zentrale Rolle. Dabei geht es darum,
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allein bis 1980 ein beim derzeitigen Rechtsstand mögliches Defizit in der Rentenversicherung von rund 83 Milliarden DM auszugleichen. Das fordert von allen Beteiligten Opfer. Wer die angekündigten Maßnahmen ablehnt, muß sich die Frage stellen, ob er die Beiträge weiter erhöhen und damit die Solidargemeinschaft zwischen Beitragszahlern und Rentnern einer neuen Belastungsprobe aussetzen will.
Natürlich ist es das gute Recht der Opposition, Kritik an den Vorschlägen der Regierung zu üben. Ich bin gespannt, ob wir in der Debatte heute oder im Januar konkret hören, wie man glaubt, die Dinge lösen zu können. Der Kassensturz, der verlangt worden ist, wird mit dem Sozialbericht deutlich werden; der Sozialbeirat hat Daten gesetzt. Wer aber sagt: keine Beitragserhöhung, keine Leistungsveränderung, kein Abschmelzen der Rücklage, der scheint im Besitz der Geheimformel zu sein, daß zwei mal zwei doch fünf sei.
Wenn die Opposition sie hat, sollte sie diese Geheimformel ganz schnell allen zugänglich machen.
Ich kann allerdings nur hoffen, daß die Rechenkünste in der Opposition nicht so sind, wie es vorhin der Fall war, als Herr Kohl davon sprach, daß beispielsweise die Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM für das dritte Kind nicht ausreiche, eine Mehrwertsteuererhöhung von 2 % aufzufangen. Dann, wenn jede Familie — wenn Sie das einmal ausrechnen — für jedes Kind 1 500 DM ausgeben könnte, wären die Einkommensverhältnisse allerdings ganz anders, als sie heute sind. Dieses eine Beispiel zeigt mir, wie schnell und wie falsch man in der Opposition beim Rechnen oft ist.
Meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten in der Rentenversicherung liegen in der bisherigen Anpassungspraxis, aber auch im Altersaufbau unserer Bevölkerung. Zusätzliche Belastungen — sei es über erhöhte Beiträge, sei es über erhöhte Steuern im Falle einer verstärkten Staatsfinanzierung — bedeuten Risiken für Arbeitsplätze, Stabilität und Wachstum. Wir ziehen gerade diese Punkte mit in Betracht, weil wir im Interesse der Rentner nicht nur kurzfristig, sondern langfristig handeln wollen.
Aus den Erfahrungen der letzten Jahre kann ich allerdings nur den Schluß ziehen: Der politische Konkurrenzkampf um die Stimmen der Rentner droht das System unserer Rentenversicherung zu sprengen. Damit ist den Rentnern am allerwenigsten gedient. Eine solide Rentenfinanzierung nützt dem Rentner mehr als Augenblickserfolge. Dazu bedarf es einer rationalen Rentenpolitik. Die Regierungserklärung hat dazu die Weichen gestellt.