Rede von
Dr.
Frank
Haenschke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Datenschutzgesetz muß schon eine merkwürdige Sache sein, wenn in der Öffentlichkeit fast niemand ein gutes Haar daran läßt und sich doch jeder Sachkundige wünscht, daß es endlich kommen möge.
Dabei verdient dieses letzte Gesetzgebungswerk der 7. Legislaturperiode seinen schlechten Ruf überhaupt nicht. Es war vor der Wahl einfach in die Mühlen parteipolitischer Polemik geraten. Dazu hatten kritische Perfektionisten verkannt, daß dieses allgemeine Gesetz über den Umfang mit personenbezogener Information die Buntheit des Lebens unter einen Hut bringen muß und nur die Ausgangsbasis für die Entwicklung des völlig neuen Rechtsgebiets „Datenschutzrecht" sein kann. Das Gesetz wurde von Leuten miesgemacht, die darüber schrieben, ohne seine endgültige Fassung je gelesen zu haben. Schließlich befürchteten die Verbände als Folge des
Deutscher Bundestag —7. Wahlperiode— 258. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1976 18555
Dr. Haenschke
Gesetzes schwere Beeinträchtigungen der deutschen Wirtschaft. Als einer, der sich stets nur als Lobbyist der Bürger empfand, kam man sich da oft recht kümmerlich und einsam vor.
In der Politik gibt es nicht viele Signalzeichen, die einem für eine Sache im voraus den einzig richtigen Weg weisen. Oft genug war es aber schon ein Indiz für ein gutes Gesetz, wenn alle Seiten daran etwas auszusetzen hatten. Und es muß doch ein gutes Gesetz sein, wenn alle Welt meint, jeder erneute Anlauf könnte nur etwas Schlechteres bringen. Tatsächlich bedeutet jeder weitere Tag ohne das Bundesdatenschutzgesetz die Einführung und Entwicklung von Informationssystemen, die allein nach den Gesichtspunkten der Effizienz und nicht unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der verdateten Menschen geplant werden. Wer so etwas später noch einmal umkrempeln wollte, müßte sehr viel höhere volkswirtschaftliche Kosten als heute verantworten und fast schon ein Übermaß an politischer Durchsetzungsfähigkeit besitzen.
Man ist sich darüber einig, zur Novellierung des Gesetzes stets dann bereit zu sein, wenn Gesetzesidee und Gesetzeswirklichkeit weit auseinanderliegen. Parlament und Regierung wollen sich mit der Institution des Bundesbeauftragten für den Datenschutz den Sachverstand sichern, der dazu die notwendigen Hinweise und Anstöße gibt. Es ist verabredet, die kommenden Zeiten der Gesetzgebung zu nützen, um beispielsweise für die Informationssysteme der Polizei, des Verfassungsschutzes und des Gesundheitswesens, für Statistik und Meinungsbefragung bereichsspezifische und zeitnahe Datenschutzregelungen zu finden. Wie schwierig es ist, überall mit gleichen Maßstäben zu messen, zeigt sich etwa daran, daß es für Polizei und Verfassungsschutz geradezu typisch ist, mit nichtverifizierten Daten, mit Vermutungen arbeiten zu müssen, während man von der öffentlichen Verwaltung und den privaten Datenverarbeitern im Bundesdatenschutzgesetz strikt verlangt, nur gesicherte Daten zu verwenden.
Das Bundesdatenschutzgesetz erfaßt — mit vernachlässigenswerten Ausnahmen — alle Quellen, aus denen personenbezogene Information sprudelt, ungeachtet der für die Speicherung und Verarbeitung eingesetzten Verfahren. In allen Phasen der Datenverarbeitung müssen Benutzerinteresse und Betroffeneninteresse gegeneinander abgewogen werden.
Für Daten, die einem Berufs- oder besonderem Amtsgeheimnis unterliegen, wurden Weitergabesperren eingebaut. Jeder Betroffene hat das Recht, davon zu erfahren, daß an einer bestimmten Stelle Daten über ihn gespeichert sind. Er kann Auskunft über den Inhalt dieser Daten, deren Verwendungszweck und regelmäßige Empfänger verlangen; er kann Ansprüche auf Korrektur, Sperrung oder Löschung von Daten geltend machen. Für alle Bereiche der Datenverarbeitung werden Kontrollinstanzen geschaffen, die die Durchführung des Datenschutzes überwachen. Ein spezielles Berufsgeheimnis für das datenverarbeitende Personal wird mit dem Bundesdatenschutzgesetz im deutschen Recht fixiert. Zum
Schutze vor unerlaubten Zugriffen und Manipulationen müssen die Datenverarbeiter eine Reihe technischer und organisatorischer Maßnahmen treffen. Die Ziele dieser Datensicherung sind im Gesetz unmittelbar vorgeschrieben.
Das Gesetz erlaubt keine „freien Daten", d. h. Datenkategorien, die keinerlei Schutz unterworfen sind. Eine allgemeine Ermächtigung zur Amtshilfe in der öffentlichen Verwaltung wird nicht gegeben. Vielmehr ist die Datenspeicherung, -veränderung und -übermittlung durch die öffentliche Verwaltung an die Kenntnisberechtigung der datenverarbeitenden Stelle und die Unverzichtbarkeit der betreffenden Daten zur Aufgabenerfüllung gebunden.
Auch die Vorschläge des Vermittlungsausschusses mußten sich Kritik von allen Seiten gefallen lassen. Einerseits wurden datenschutzverschärfende Vorschriften aus der ursprünglichen Innenausschuß-Fassung des Gesetzes wieder aufgenommen; beispielsweise wurden die private Datenverarbeitung für eigene Zwecke in den Schutzbereich des Gesetzes einbezogen und die erleichterte Weitergabe einfacher Daten wie Name und Adresse eingeschränkt. Andererseits wollen die Länder das Bundesdatenschutzgesetz für ihre Verwaltungen nur gelten lassen, wenn keine eigenen Landesdatenschutzgesetze existieren. Hoffentlich wird daraus nicht ein Bürgerverwirrspiel mit zwölferlei Datenschutzrecht.
Nach der langen Geschichte dieses Gesetzes und den vielfältigen Bemühungen, die ich hier ausdrücklich auch den Kollegen von der Opposition und aus den Bundesländern bescheinigen will, hoffe ich, daß wir endlich dieses Gesetz zum Abschluß bringen und daß ihm der Bundesrat seine Zustimmung nicht verweigert.