Rede von
Dr.
Carl Otto
Lenz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Emmerlich, erkundigen Sie sich vielleicht bei dem Kollegen Müller-Emmert über die Genesis dieses Zwischenrufs; dann werden Sie meine Reaktion nicht nur verstehen, sondern voll billigen können.
— Im übrigen ist das Verhältnis der Koalition zur Verfassung gerade das Thema meines augenblicklichen Beitrags, Herr Kollege Emmerlich. Vielleicht ergibt sich daraus noch einiges mehr.
Bei der Einführung der paritätischen Mitbestimmung hat die Regierung zunächst einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nach Auffassung zahlreicher Sachverständiger verfassungswidrig war.
Das Bundesministerium der Justiz hat selber wegen eigener Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs Gutachten von Professoren angefordert, die dem Entwurf teilweise Verfassungswidrigkeit bescheinigt haben, und zwar zu einem Zeitpunkt, Herr Kollege Arndt, als der Entwurf noch gestoppt werden konnte. Aber erst unter dem Eindruck einer öffentlichen Anhörung hat die Koalition den Entwurf auf Eis gelegt, um dann nach einigen Geheimverhandlungen einen neuen Entwurf ratenweise vorzulegen, der den meisten vorgetragenen Bedenken Rechnung trug.
Schließlich machte die Bundesregierung, nachdem sie das ganze Jahr 1972 ohne Haushaltsgesetz regiert hatte, um die Jahreswende 1972/73 eine Reihe von Ausgaben, für die es keine rechtliche Basis gab. Der Rechtsstreit darüber ist noch in Karlsruhe anhängig.
Die Ausdehnung der eigenen Zuständigkeiten und die einschränkende Auslegung der oppositionellen Möglichkeiten kennzeichnen den Regierungsstil der vergangenen Jahre. Ein besonderer Dorn im Auge der Koalition sind die Vollmachten des Bundesrates, durch den die Länder nach der Verfassung an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mitwirken. Die verfassungsmäßige Ausübung seiner Rechte wird als Blockade des Mehrheitswillens dargestellt und damit dem Denken unserer Mitbürger in verfassungsrechtlichen Begriffen ein über den Tag hinausgehender Schaden zugefügt.
— Herr Kollege, die verfassungsmäßige Ausübung
und auch Ihre Kritik haben die ganze Zeit stattgefunden. Infolgedessen kann sie sich nur gegen die verfassungsmäßige Ausübung gerichtet haben.
Der dritte Schwerpunkt — —
— Herr Emmerlich, ich habe den Eindruck, Sie haben heute nach schlecht geschlafen; denn entweder verstehen Sie das nicht oder Sie wollen das nicht verstehen.
Der dritte Schwerpunkt unserer Kritik liegt auf dem Gebiet von Ehe und Familie. Die Sicherung der Zukunft von Ehe und Familie ist nach unserer Überzeugung weitgehend identisch mit der Sicherung der Zukunft unseres Volkes. Leider ist in den vergangenen Jahren wenig für, viel gegen die Sicherung von Ehe und Familie getan worden.
Der Familienbericht der Bundesregierung, den ich der Aufmerksamkeit des ganzen Hauses dringend ans Herz lege, gibt uns auch wenig Hoffnung, daß das in Zukunft anders werden wird. Man könnte eine ganze Rede mit aus diesem Bericht ausgewählten Zitaten bestreiten, um das merkwürdige Verhältnis der Verfasser dieses Berichtes zu Ehe und Familie zu kennzeichnen.
Auch die gegen unseren Willen durchgesetzte Abtreibungsregelung kann man mit dem besten Willen nicht als ein Gesetz zur Sicherung der Familie oder der Zukunft unseres Volkes ansehen.
Die jetzt beschlossene Reform des Ehe- und Familienrechts hätte in ihrer ursprünglichen Fassung ohne jeden Zweifel eine Erschütterung der Rechtsgrundlagen von Ehe und Familie bewirkt.