Rede:
ID0724105600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 241. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 16929 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung — Drucksache 7/5142 — Kleinert FDP . . . . . . . . . . . 16929 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 7/5036 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 7/5054 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 7/5056 — Liedtke SPD 16930 A Dr. Dregger CDU/CSU 16933 C Kleinert FDP 16945 B Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 16949 D, 16979 A Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 16959 D Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 16965 C Dr. Wendig FDP 16969 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 16974 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 7/5037 — Simon SPD 16983 A Dürr SPD 16984 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 16987 C Engelhard FDP . . . . . . . . . . 16993 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 16997 C Schmidt, Bundeskanzler . . . 17002 C, 17018 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 13011 D Spitzmüller FDP . . . . . . . . . . 17015 D Wehner SPD . . . . . . . . . . . 17016 C Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 17017 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . . . . 17011 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 7/5040 — Löffler SPD . . . . 17019 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 17019 C Peters (Poppenbüll) FDP . . . . . . 17022 A Ertl, Bundesminister BML . . . . . . 17023 A Dr. Ritz CDU/CSU . . . . . . . . 17026 D Gallus FDP 17029 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 7/5046 — 17029 C Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 7/5047-17029 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 7/5049 — 17029 D Nächste Sitzung 17029 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17031* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 16929 241. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Christ 12. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Dr. Eppler 12. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. Krall * 14.5. Dr. Kreile 12. 5. von Kühlmann-Stumm 12. 5. Lange * 14. 5. Lautenschlager * 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Pfeifer 12. 5. Rosenthal 14. 5. Seibert 21. 5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck' 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, wir unterbrechen die Sitzung des Deutschen Bundestages und treten in die Mittagspause ein. Wir beginnen wieder um 14 Uhr.
    Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 12.59 bis 14.00 Uhr)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren fort mit der verbundenen Aussprache zu den Einzelplänen 06, 33 und 36. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Riedl (München).

(Kleinert [FDP] : Das ist ein Irrtum! Herr Dr. Wendig sollte als erster reden!)

— Verzeihung, es ist mir gesagt worden, daß als nächster Redner Herr Dr. Riedl (München) spricht. Sollte das anders sein, darf ich fragen, ob sich die Fraktionen verständigt haben, anders zu verfahren. —
Herr Dr. Wendig, wenn Sie vorher sprechen wollen, bitte schön; Herr Dr. Riedl tritt so lange zurück. Sie waren bei mir als Redner bislang nicht gemeldet, Herr Kollege.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Wendig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eine Vorbemerkung allgemeiner Natur voraus: Die Art und Weise, in der gestern und auch heute Teile der Opposition diskutiert haben, hat mich in hohem Maße erschreckt. Ich meine dabei nicht, was die Form an-
    geht, die Ausführungen des Kollegen Weizsäcker, wohl aber auch da zum Teil den Inhalt.
    Ich muß ein wenig auf das eingehen, was der Kollege Weizsäcker — er ist im Augenblick nicht im Raum — in seinen einleitenden Ausführungen zum Begriff „Freizeit" in unserem verfaßten Staat gesagt hat. Ich begrüße es mit ihm, daß wir hier an dieser Stelle so ausgiebig über die Freiheit diskutieren. Das ist gut so, das ist recht so, daran wird niemand etwas finden. Das, was der Herr Kollege Weizsäcker hier aufgebaut hat, waren Selbstverständlichkeiten in der allgemeinen Formulierung, die gar nicht bestritten sind. Man darf nicht den Eindruck erwecken, als bestünden in unserem Lande Fronten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das mag daran liegen, daß es in der Opposition zum Teil neu ist, darüber noch zu denken. Wir haben über diese Fragen schon sehr viel länger nachgedacht.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Natürlich ist für uns „Freiheit" nicht nur ein formaler Begriff; wir sind nicht im 19. Jahrhundert stehengeblieben. Natürlich ist Freiheit nicht nur ein Anspruch an den Staat, sondern auch eine Aufgabe. Natürlich müssen wir auch im einzelnen die Freiheit nach ihren Inhalten definieren. Natürlich wissen wir auch genau, daß es Bedrohungen der Freiheit gibt, möglicherweise von Mächten des Staates, aber auch von Mächten in der Gesellschaft. Das sind Dinge, über die wir alle sehr lange nachdenken. Herr Kollege Weizsäcker ist da nicht sehr konkret geworden. Das nehme ich ihm nicht übel, denn in dieser Allgemeinheit gibt es im großen und ganzen keinen Unterschied.
    Nur: Wenn er den Sprung macht und das Ganze dann unter die Überschrift „Freiheit und Sozialismus" stellt, dann verfälscht er gerade das, was er eingangs gesagt hat. Dann bringt er eine Polarität und eine Begriffsverwirrung in die Diskussion, die im Grunde genommen zu den von ihm genannten Zielen gar nicht paßt und die dort nicht hingehört.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das muß ich ihm sagen.
    Auf die Diskussion von heute über die Freiheit will ich nicht näher eingehen, auch nicht darauf, inwieweit er innerhalb seiner Partei mit allen konform geht oder sich von einigen anderen abhebt. Das ist nicht meine Sache, das ist nicht mein Bier; darüber wird er sich selber in seiner Partei auseinandersetzen müssen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Er vertritt die Meinung der Fraktion!)

    Ich will das hier nur erwähnen. Aber, meine Damen und Herren, auch von der CDU, der Sprung, den Kollege Weizsäcker gemacht hat, läßt mir die Frage berechtigt erscheinen: Sind nicht bei Ihren Grundsatzpositionen, die Sie zur Freiheit entwickeln, eigentlich nur zwei Deutungen möglich — ich sage das ohne jede Diskriminierung —, von denen jede für sich einen im Grunde mit Sorge erfüllen müßte? Entweder, meine Damen und Herren, Sie glauben



    Dr. Wendig
    das, was Sie zur Freiheit bzw. zur Bedrohung der Freiheit in diesem Lande sagen; dann leiden Sie an einer tragischen Verkennung der politischen und geistigen Situation in Deutschland.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Oder aber Sie glauben das nicht so ganz. Dann wäre es eine schlichte Irreführung. Beides wäre, wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, im Parlament die von Ihnen gewünschte Mehrheit hätten, für uns schlicht eine Katastrophe.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Sie Panikmacher!)

    Es kann auch nicht die Art verwundern, in der Sie beispielsweise — ich will auf einige schon am Vormittag genannte Punkte eingehen — Probleme der inneren Sicherheit behandelt wissen wollen. Aber diese Art der Darstellung ist nicht neu. Wir bemerken sie nicht erst heute. Sie ist schon seit langem die Regel, ja, beinahe schon ein System, das aber den hohen ethischen Werten von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit, die Sie für sich und uns alle aufstellen wollen, nicht gerecht wird.
    Wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? Da verlaufen zwei — ich will es einmal so nennen —Schienen der Argumentation, die — etwas holzschnittartig dargestellt im einen oder andern Fall — nicht nur heute, sondern mit einer gewissen Regelmäßigkeit gebracht werden.
    Da ist zum einen — wir haben es nicht heute, wohl aber gestern gehört — das Grundargument, das Wahres, Halbwahres, Falsches, nicht in den Zusammenhang Gehörendes zu einem angeblich einheitlichen Block zusammenfaßt. Das beginnt bei den Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion, setzt sich mit gewissen Vorgängen in Afrika fort, bezieht gewisse Entwicklungen in westeuropäischen Staaten ein und endet bei uns mit tödlicher Sicherheit irgendwo bei den Radikalen im öffentlichen Dienst oder bei Rahmenrichtlinien in Schulen irgendeines Bundeslands. Sie wissen genauso wie wir, daß man auch dann, wenn man Einzelteile des Blocks ebenso oder ähnlich sieht, zu dem ganzen Block weder uneingeschränkt ja noch uneingeschränkt nein sagen kann. Aber das Ganze scheint für Sie doch ein Glied in der Kette Ihrer Argumentation zu sein, die zur Überschrift „Freiheit oder Sozialismus" führt. Sehen Sie eigentlich nicht, wie gefährlich es ist, wenn man innenpolitische, außenpolitische und — ich denke an das, was Herr Carstens gestern gesagt hat — militärstrategische Gesichtspunkte zu einem einheitlichen Block zusammenschmiedet, um ihn ungehemmt bei allen Gelegenheiten der innenpolitischen Argumentation zu verwenden?

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sie haben Herrn Carstens nicht verstanden!)

    — Doch!

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Nein!)

    Auf der zweiten Schiene — damit komme ich etwas aktueller zu dem, was heute gesagt wurde — werden Sachverhalte und Entwicklungen so zugespitzt dargestellt, daß die Schlußfolgerungen nicht mehr stimmen oder anders werden. Offenbar meinen Sie, dadurch ein griffiges Schlagwort oder — wie es
    Herr Kollege Schäfer genannt hat — ein Argument für eine Konfrontation in die Hand zu bekommen.
    Ich will nur kurz auf ein Beispiel eingehen, das heute morgen schon sehr lang strapaziert worden ist, nämlich das Problem der Extremisten im öffentlichen Dienst. Niemand in diesem Hause will aktive Gegner unserer verfassungsmäßigen Ordnung im öffentlichen Dienst;

    (Eigen [CDU/CSU] : Woher wissen Sie das?)

    das entspricht im übrigen auch unserer Rechtsordnung. Darüber besteht auch gar kein Streit. Streit besteht allerdings — Kundige wissen es — über das Verfahren, wie man solche Verfassungsfeinde ermittelt. Wenn Sie — wie es heute zum Teil der Fall war — nur meinten, die Vorschläge der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen reichten nicht aus, um das angestrebte Ziel zu erreichen, dann könnte man bei aller Meinungsverschiedenheit doch wenigstens in der Sache darüber einigermaßen vernünftig diskutieren. Aber das genügt Ihnen offenbar nicht. Deshalb wird — wie gestern vor allem von dem Herrn Kollegen Carstens — ein derartiger Eindruck erweckt, daß schließlich jeder im Lande annehmen muß, die Bundesregierung und die Vertreter der sozialliberalen Koalition wollten geradezu Extremisten im öffentlichen Dienst eingestellt wissen. Auch heute wurde wieder deutlich zu machen versucht, die Bundesregierung und die Koalitionsparteien verließen damit — so wird argumentiert — den Boden der verfassungsmäßigen Ordnung und der Freiheit — woraus Sie mit einiger Mühe schließlich die Feststellung ableiten, die CDU/CSU sei die einzige Verfassungspartei in diesem Land. In Wahrheit geht es nur um ein rechtsstaatliches Verfahren. Ich will die Debatte nicht aufwärmen. Denn wir sind uns sicher, daß wir für unsere Meinung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und auch die inzwischen ergangenen Gerichtsurteile im Rücken haben.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Verfahrensfragen sind oft Substanzfragen, Herr Kollege!)

    — Ja!
    Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Dabei wissen wir doch alle genau — der Herr Kollege Weizsäcker hat es genannt; man muß es nur konkretisieren —, daß es erstens für jede demokratische Kraft in diesem Land den verfassungskonformen Ausgleich zwischen Freiheit und innerer Sicherheit für den konkreten Fall zu finden gilt — da bin ich völlig der Meinung des Herrn Kollegen von Weizsäcker —, daß aber zweitens in unserem modernen demokratisch verfaßten Staatssystem eine absolute innere Sicherheit nicht erreichbar ist. Auch Sie wissen das, aber Sie tun zumindest nach draußen so, als ob Sie ein Geheimrezept in der Hand hätten, um doch noch alles andere wenden zu können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dabei malen Sie auch heute wieder ein Bild unserer innenpolitischen Verhältnisse sozusagen schwarz in schwarz, ein Bild, das der Wirklichkeit ganz und gar nicht entspricht. Auch dies ist ein ge-



    Dr. Wendig
    fährliches Spiel, es ist nämlich das Spiel mit der Angst, das auf die Dauer noch nie gute Früchte getragen hat.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das mit dem „Sicherheitsrisiko" ist das Spiel mit der Angst!)

    Allerdings steht eines fest: in dem sicher sehr schwierig zu lösenden Gegenspiel von Freiheit und innerer Sicherheit, von Bürgerrecht und Staatsräson haben Sie allzuoft auf seiten derer gestanden, die eher etwas weniger Freiheit in Kauf nehmen würden. Oder wollen Sie das bestreiten? Ich denke dabei gerade an gewisse Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Innen- und Rechtspolitik der vergangenen Jahre.
    Sie zeichnen von den wahren Verhältnissen der Bundesrepublik ein verzerrtes Bild, das einfach nicht stimmt. Die innere Sicherheit ist in unserem Lande zumindest — ich sage es einmal ganz vorsichtig — um keinen Deut geringer als in jedem anderen freiheitlich verfaßten Staat der westlichen Welt. Ich möchte sogar meinen, daß sie größer ist. Dabei müssen wir uns alle in voller Verantwortung darüber im klaren sein, daß es letzte Sicherheit nicht geben wird und immer wieder spektakuläre Fälle eines kriminellen Terrorismus möglich sind. Ich sage dies auch im Blick auf das, was in den letzten Tagen in unserem Lande, u. a. in Frankfurt, geschehen ist. Ich möchte meinen, daß auf der Grundlage unserer Gesetze und der exekutiven Maßnahmen Entwicklungen noch so in den Griff zu bekommen sind, wie Sie es auch nicht besser hätten tun können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Herr Kollege Dregger hat heute den Vorwurf erhoben, die Polizei, die Exekutivorgane, beispielsweise im Lande Hessen, würden von ihren Vorgesetzten, vor allen Dingen von der politischen Führung, im Stich gelassen. Dazu darf ich — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — nur ganz kurz verlesen, was heute der Innenminister des Landes Hessen zu dieser Frage erklärt hat. Er sagte:
    Die Landesregierung hat nicht erst auf Grund der Ausschreitungen gehandelt. Bereits in den vergangenen Jahren sind alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und getroffen worden. Ich erinnere an die Folgerungen aus den schweren Demonstrationen anläßlich der Häuserräumungen 1973 und der Fahrpreiserhöhung 1974. Damals ist die Polizei vorwiegend in Frankfurt durch ein Fünf-Millionen-Programm für jeden denkbaren Einsatz ausgerüstet worden.
    Die Landesregierung ist der Auffassung, daß die in Frankfurt eingesetzten Beamten nicht nur ihr Bestes taten, um der unvorhergesehenen Situation Herr zu werden, sondern auch künftig alles tun werden, um im Rahmen der geltenden Gesetze derartige Gewalttätigkeiten zu verhindern. Sie spricht allen Polizeibeamten Dank und Anerkennung aus.
    Damit komme ich auf das, was Herr Kollege Dregger heute morgen so ein wenig abfällig mit „nur Geld geben" abqualifiziert hat. Ich komme nämlich auf die
    administrativen Maßnahmen, die diese Bundesregierung, ihre Vorgänger, die Innenminister Genscher und Maihofer, unterstützt von den Fraktionen dieser Koalition, in den vergangenen Jahren im exekutiven Bereich geschaffen haben, z. B. durch den Ausbau des Bundeskriminalamts, das auch in Weltmaßstäben ein Vorbild gesetzt hat. Herr Maihofer hat längst aktive Kontakte mit den wichtigsten Nachbarstaaten in der richtigen Erkenntnis aufgenommen, daß nur eine größtmögliche internationale Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus internationale und damit im Ergebnis auch nationale Sicherheit bieten wird. Halten wir uns doch bitte an die klaren Tatsachen, statt in den Wolken zu schweben! Da ist der Ausbau des Bundeskriminalamts, von dem ich soeben sprach, da ist das Gesetz über das Bundeskriminalamt von 1974, das erstmalig gewisse zentrale Kompetenzen des Bundeskriminalamts in der Bekämpfung bestimmter Kriminalitäten eröffnet hat.
    Ein Blick auf die leere Bundesratsbank bringt mir hier allerdings die Frage nahe — auch darüber muß man in einer Debatte über den Haushalt sprechen können —, ob nicht darüber hinaus noch umfassendere originäre Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts bei der Bekämpfung des länderübergreifenden Terrorismus geschaffen werden sollten, auch wenn dies gewisse verfassungsrechtliche Probleme aufwirft; ich weiß das. Es ist sicher inzwischen eine relativ gut funktionierende Kooperation von Bund und Ländern in diesem Bereich vorhanden. Kann dies aber auf die Dauer wirklich ganz befriedigen? Dieser Gedanke gewinnt gerade dann stärkeres Gewicht, wenn man die Notwendigkeit anerkennt, im internationalen Bereich zu einer größeren Zusammenarbeit zu kommen.
    Der Bundesgrenzschutz befindet sich auf einem Höhepunkt seiner vielfältigen Entwicklung. Das vor einigen Wochen in diesem Hohen Hause verabschiedete Personalstrukturgesetz hat die Einsatzfähigkeit dieses Instruments als einer vielfältig zu verwendenden Polizei des Bundes weiter gestärkt und ausgeweitet. Herr Kollege Dregger, man sollte hier nicht irgendwie Tendenzen oder Meinungsbildungen, die vorhanden sein mögen, Vorschub leisten, indem man meint, der primäre Charakter des Bundesgrenzschutzes als einer Verbandspolizei sei hiermit in Frage gestellt. Er bleibt bestehen. Daß es daneben bestimmte Funktionen für den Einzeldienst gibt und geben muß, gerade im Hinblick auf die Verwendbarkeit der Beamten auch in den Ländern, war doch eines der tragenden Fundamente eines Vergleichs, den Bund und Länder für dieses Bundesgrenzschutzgesetz sozusagen geschlossen haben. Man sollte hier doch nicht wieder Zweifel in die Entwicklung hineinbringen.
    Von alle dem, meine Damen und Herren, muß man doch reden, wenn man über die Politik der inneren Sicherheit diskutiert. Das gibt dann zwar keinen ideologischen Höhenflug, wohl aber eine praktisch brauchbare und vor allem jederzeit überprüfbare Politik. Man tut den Bürgern in unserem Lande einen weit größeren Gefallen, wenn man hierauf hinweist, als wenn man Furcht, Angst, Schrek-



    Dr. Wendig
    ken oder auch nur Unsicherheit erweckt. Aber eine solche Darstellung verspricht Ihnen vielleicht einen zu geringen Effekt nach außen.
    Ein weiterer Bereich ist die Reform des öffentlichen Dienstrechts und der öffentlichen Verwaltung. Das ist seit langem ein weites Thema, das, sicher mit vielem Elan, auch von Ihnen hin und her diskutiert wird. Auch Herr Kollege Dregger ist darauf eingegangen. Ich sage hier „hin und her diskutiert", weil eigentlich nicht so ganz klar wird, was Sie im Endeffekt wirklich wollen: nur geringere Personalkosten, Stelleneinsparungen, die Sie nicht näher bezeichnen, eine beträchtiche Beschränkung bisheriger öffentlicher Funktionen oder Verstärkung der Effizienz des öffentlichen Dienstes? In vielem stecken sicher richtige Gedanken. Aber der Zusammenhang ist wichtig, das System, in dem das Ganze vonstatten gehen soll.
    Die Bundesregierung wird in der nächsten Woche ein Aktionsprogramm zur Dienstrechtsreform vorlegen. Sie, Herr Kollege Dregger, haben bemängelt, daß dies so spät geschieht. Ich halte es für gut und richtig, daß wir in einem gewissen zeitlichen Abstand zu den Vorschlägen der seinerzeit eingesetzten Studienkommission an die Konkretisierung bestimmter Vorstellungen herangehen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Drei Jahre!)

    — Jawohl, drei Jahre. Ich komme aber noch darauf.
    Eine Reform des öffentlichen Dienstes kann nur sehr behutsam im einzelnen durchgeführt werden, nicht um einzelne Gruppen zu schonen — was Sie ja auch nicht wollen —, sondern um die großen Zusammenhänge zu wahren, um die es geht.
    Ich darf mir erlauben, an einige Gedanken anzuknüpfen, die ich anläßlich der Beratung des Haushaltsstrukturgesetzes an dieser Stelle zum gleichen Thema vorgetragen habe.
    Die öffentliche Verwaltung ist schlechterdings nicht zu trennen von der Auffassung über die Aufgaben des modernen Staates, auch eines modernen Staates mit einer föderativen Struktur. Probleme der Verwaltungsreform wie der Verfassungsreform spielen daher ebenso eine Rolle wie beispielsweise die Frage nach der Privatisierung bestimmter bisher öffentlich wahrgenommener Aufgaben oder auch die Frage nach der optimalen Finanzverfassung in einem föderativ verfaßten Staatsgebilde.
    Hinzu kommt ein zweiter Gesichtspunkt, und auch den sollten Sie gelten lassen. So sehr sich natürlich auch der öffentliche Dienst wie alle öffentlichen Einrichtungen einer öffentlichen Kritik stellen muß — und er tut das ja auch —, so sehr muß die Durchführung konkreter Maßnahmen von emotionalen Elementen, die im letzten Jahr in der öffentlichen Diskussion leider eine große Rolle gespielt haben, freigehalten werden. Dessen ungeachtet — und deswegen begrüße ich auch den zeitlichen Abstand, Herr Kollege Dregger — hat die Bundesregierung und haben die Koalitionsfraktionen in den letzten Jahren wesentliche gesetzgeberische Voraussetzungen für die Durchführung der Dienstrechtsreform geschaffen. An diese Gesetze ist jetzt anzuknüpfen.
    Ich nenne hier die Fortentwicklung einer Vereinheitlichung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern durch das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts vom vorigen Jahr. Ich nenne die Neuordnung des Personalvertretungsrechts, eine Ausdehnung der Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung von Beamten und Richtern sowie ein Verfahren zur Vermeidung von Tarifkonflikten im öffentlichen Dienst. Die Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung des Versorgungsrechts sind in der Ausschußberatung abgeschlossen. Die Beamtenversorgung wird in diesem Hohen Hause in den nächsten Wochen in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Gleiches gilt für die Fachhochschulausbildung für den gehobenen Dienst. Ich glaube, meine Damen und Herren, dies ist eine Bilanz, die sich durchaus sehen lassen kann. Ich bin gewiß, daß wir, auf dieser Grundlage aufbauend, in den nächsten Jahren die entscheidenden Schritte zu einer Dienstrechts- und Verwaltungsreform tun können, und dies in einer Atmosphäre, die dann hoffentlich nicht emotional aufgeladen ist. Ich denke als an einen ersten Schritt dabei vor allem an eine Verbesserung des Laufbahnrechts mit dem Ziel einer funktions- und leistungsgerechten Personalsteuerung.
    Ein letzter Komplex. Im Bereich der allgemeinen Bewilligungen will ich hier nur kurz die kulturellen und die bildungspolitischen Einrichtungen er- wähnen, die in einer kontinuierlichen Entwicklung — dies gemessen an der generellen Entwicklung des Haushalts — gefördert werden. Zu diesen Bereichen gehört auch der Komplex Deutsche Nationalstiftung, für den im Haushalt 1976 erstmalig im Ansatz 12,5 Millionen DM ausgebracht werden. Die Freien Demokraten begrüßen es sehr, daß hier ein altes national- und kulturpolitisches Anliegen zur Verwirklichung heranreift. Die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Ländern sind in ein gewisses Stadium der Vervollkommnung geraten, das einen baldigen Abschluß erhoffen läßt.
    Leider ist etwas spektakulär die Sitzfrage in den Vordergrund gerückt.

    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU] : Warum leider?)

    — Bitte, warten Sie doch ab, Herr Schröder! — Ich sage dies hier nicht, weil ich irgendwelchen Entscheidungen ausweichen will, sondern weil ich meine, daß man hier ein Pferd von hinten aufzäumt. Um es aber vorab zu sagen und auf Ihr „leider" : Auch für mich besitzt Berlin als Sitz der Deutschen Nationalstiftung eine nicht zu verleugnende Präferenz. Genügt Ihnen das?
    Aber sinnvollerweise muß aller lautstarker Erörterung die Abstimmung mit den Berliner Schutzmächten vorangehen.

    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU]: Aber Sie haben doch im Haushaltsausschuß dagegen gestimmt!)