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ID0722415700

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Wenn nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes die Ministerpräsidenten das Wort nehmen dürfen, nehme ich es auch. Das zunächst einmal.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zweitens glaube ich, daß der Ansatz zu einem vernünftigen Gespräch wieder möglich ist, nachdem der Kollege Kohl eben den Vorwurf zurückgenommen hat.

    (Zuruf des Abg. Stücklen [CDU/CSU])

    — Ich schieße nicht nach. Aber, Kollege Stücklen, vielleicht ist es doch notwendig, in diesem Kreise eine Bitte zu äußern. Wir wissen, daß in der Zeit der Verfolgung im Nazisystem viele Bürger dieses Landes ihr Leben lassen mußten. Wir wissen, daß diese Bürger aus den verschiedensten Schichten kamen und daß es keine Schicht gab, die kein Opfer gebracht hat. Wenn sich dann der Chefredakteur der Zeitung entschuldigt, nachdem er darauf aufmerksam gemacht worden ist, kann man zum Schluß noch darüber streiten, wie wir es gemeinsam erreichen können, daß so etwas nicht wieder geschieht. Aber dann bitte auch beim „Bayernkurier", meine Damen und Herren!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und Zurufe von der CDU/ CSU)

    Jetzt wende ich mich an nicht an Sie, Herr Kohl; denn Sie sind in diesem Falle Kanzlerkandidat, aber nicht Vorsitzender der CSU. Ich wende mich im Augenblick an den Fraktionssprecher der CSU,

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Wir sind in einer Debatte über den Polen-Vertrag!)

    weil sein Vorsitzender nicht anwesend ist — aus ehrbaren Gründen, wie wir wissen —, und bitte jetzt Stücklen und Anhang, dafür zu sorgen, daß mit der gegenseitigen Verleumdung zwischen den Parteien Schluß gemacht wird.
    Ich gehe davon aus, daß wir nach einem harten Wahlkampf auch am 4. Oktober 1976 gemeinsam unter Beachtung allgemeiner staatlicher Prinzipien arbeiten müssen. Jetzt ist es an Ihnen, hier aufzutreten und sich dafür zu entschuldigen, daß Sie Sozialdemokraten häufig in die Nähe der Kommu-



    Senatspräsident Koschnick
    nisten oder der Baader-Meinhof-Gruppe gebracht haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Widerspruch bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hupka.

(Oho-Rufe bei der SPD — Beifall bei der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Hupka


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte zu Beginn auf eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers von heute nachmittag eingehen, in der er unserem Fraktionsvorsitzenden vorwarf, daß er gegen den Ausdruck Bevölkerungsverschiebungen polemisiert habe. In dem Gesetzentwurf — Drucksache 7/4310 — steht der Ausdruck Bevölkerungsverschiebungen. Es ist richtig, daß der Herr Bundesaußenminister heute vormittag von Vertreibung gesprochen hat. Aber es ist nicht einzusehen, daß die Bundesregierung einen Ausdruck aus den deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen übernommen hat, von denen wir wissen, daß der Begriff Vertreibung für die polnischen Angehörigen der deutsch-polnischen Schulbuchkommission ein Reizwort war. Wir sollten bei der geschichtlichen Wahrheit bleiben. Verbrechen unter Hitler müssen Verbrechen genannt werden. Verbrechen unter dem Kommunismus müssen auch Verbrechen genannt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum anderen haben Sie, Herr Bundeskanzler, heute — wie auch schon im Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland — wieder darauf hingewiesen, welche Leiden die Vertriebenen auf sich nehmen mußten und daß wir wissen, was die Vertriebenen zu leiden hatten. Darum ist bei Gott nicht einzusehen, daß sich die Bundesregierung weigert, die Dokumentation über die Verbrechen der Vertreibung der Öffentlichkeit vorzulegen. Das kann ich nur als eine Gefälligkeit in eine ganz bestimmte Richtung bezeichnen. Es gehören alle Dokumente, auch die Zusammenfassung dieser Akten, auf den Tisch der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun zu Ihnen, Kollege Arndt. Sie treiben dasselbe Verwirrspiel mit Zahlen, auf das sich seit langem Ihr Fraktionskollege Bruno Friedrich eingelassen hat. Es soll plötzlich nicht mehr wahr sein, daß beim Deutschen Roten Kreuz 280 000 Aussiedlungswünsche registriert sind. Es ist heute vormittag und nachmittag wiederholt darauf verwiesen worden, daß der Herr Bundesaußenminister sowohl am 7. November vor dem Bundesrat als auch am 26. November 1975 vor dem Bundestag ausdrücklich gesagt hat, wir haben von noch mindestens 280 000 Aussiedlungswünschen auszugehen. Hier wird völlig falsch aus dem Auswärtigen Ausschuß zitiert, indem sich diejenigen, die an diesen Zahlen manipulieren wollen, auf den Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes berufen. Das Deutsche Rote Kreuz steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß im Dezember 1974 die letzte aktualisierte Liste über die Aussiedlungswilligen dem Polnischen Roten Kreuz übermittelt worden ist. Jetzt hat, wenn die „Information" einen Sinn hat, Artikel 3 dieser „Information" zum Warschauer Vertrag zu gelten. Jetzt muß das Polnische Rote Kreuz diese Listen prüfen und dem Deutschen Roten Kreuz mitteilen, wie viele von den Aussiedlungswilligen ihren Wunsch aufrechterhalten. Dazu hat das Polnische Rote Kreuz über ein Jahr Zeit gehabt, und nichts ist geschehen.
    Zum andern ist es eine Milchmädchenrechnung, wenn gesagt wird, bereits im Jahre 1970 seien etwa 270 000 oder 280 000 Aussiedlungswillige dem Deutschen Roten Kreuz bekannt gewesen, 60 000 seien hierher gekommen, und 90 000 hätten ihr Begehren nicht erneuert. Wenn man redlich ist, müßte man hinzufügen: Warum haben diese 90 000 ihr Begehren nicht erneuert? Zum Teil, weil sie die Schikanen nicht aushalten wollten, und zum Teil, weil sie darüber gestorben sind, weil sie es nicht mehr erlebt haben, ausreisen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist verschwiegen worden, auch von Ihnen, Herr Kollege Arndt, daß inzwischen 150 000 neue Anträge gestellt worden sind. Warum wird diese Zahl unterschlagen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Das stimmt doch gar nicht!)

    Inzwischen haben wir die Antworten des Herrn Bundesaußenministers auf die Fragen des Bundesrates. Auch er bezieht sich auf die Aussiedlungsziffer und geht nun von Aussiedlungswünschen aus. Er schreibt, daß ebensowenig zuverlässig gesagt werden kann, ob alle diese Personen, die ausreisen wollen, die Kriterien erfüllen. Hier, meine ich, ist höchste Wachsamkeit geboten. Die polnische Seite spricht immer davon: „Wir lassen den und jenen nicht aussiedeln, weil er die Kriterien nicht erfüllt." Darüber können wir nicht befinden, weil das in die Souveränität etwa der polnischen Lokalbehörden gehört. Wir haben von den Zahlen auszugehen. Wir sollten uns nicht auf diese Rechnerei mit Kriterien einlassen, sondern sollten für alle geradestehen, deren Wünsche wir in der freien Bundesrepublik Deutschland kennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit Recht ist in der Einlassung vom Bundesaußenminister, wie auch in dem einstimmig gefaßten Beschluß des Rechtsausschusses auf die Geltung der „Information" verwiesen worden. Hier muß aber an die Bestimmungen dieser „Information" zum Warschauer Vertrag erinnert werden. An den Art. 3, daß man Listen austauscht, habe ich schon erinnert. Jetzt möchte ich auf den Art. 4 hinweisen, worin es heißt, daß das Deutsche Rote Kreuz vom Polnischen Roten Kreuz darüber informiert wird, aus welchen Gründen ein Antrag abgelehnt wird. Bis heute ist eine derartige Information in den letzten vier Jahren dem Deutschen Roten Kreuz gegenüber nicht erteilt worden. Wir müssen leider sagen, daß die „Information" von der polnischen Seite nicht erfüllt worden



    Dr. Hupka
    ist. Hierin befinden wir uns sogar in Übereinstimmung mit der Bundesregierung.
    Nur sollten wir noch darüber hinausgehen und hinzufügen: Sie ist leider auch wiederholt verletzt worden. Ich sehe eine Verletzung dieser „Information" darin, daß diejenigen, die aussiedeln wollten, den gemeinsten Schikanen ausgesetzt gewesen sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Wir haben doch die Zahl, daß 5 000 Aussiedlungswillige entlassen, daß 15 000 tiefer eingestuft worden sind. Diese Zahl mußte im Frühjahr 1973 sogar von der Bundesregierung bestätigt werden.

    (Dr. Klepsch [CDU/CSU] : Das sind Fakten!)

    Im Augenblick herrscht etwa in Oberschlesien die Atmosphäre: Rette sich wer kann! Hoffentlich komme ich noch heraus. Ich weiß nicht, was nach der Wahl zum Deutschen Bundestag am 3. Oktober werden wird, ob dann nicht wieder mit Vehemenz Schikanen einsetzen, die es mir unmöglich machen, von der Möglichkeit zur Aussiedlung Gebrauch zu machen.
    Aussiedler, die ich selbst vor 14 Tagen in Friedland sprechen konnte, haben mir gesagt, daß es jetzt schon in manchen Orten den einen oder anderen gibt, der seinen Antrag zurückgegeben hat, weil er Angst hat, er könne nicht zu den 125 000 gehören. Also müsse er über den 1. Januar 1980 hinaus dableiben, und da habe er nicht die Gewißheit, ob er jemals herauskomme. Er sei nicht stark genug, um Schikanen zu erleiden, weswegen er diesen Antrag zurückziehe.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Ich selbst habe einen Brief hier von jemandem, der am 11. Februar, also vor genau acht Tagen, seinen Antrag auf Aussiedlung wieder zurückbekommen hat — zum zwölften Mal. Das bedeutet, daß man das, da dann immer ein Einspruch erhoben wird, mit zwei multiplizieren muß, so daß hier jemand 24mal eingegeben hat, um aussiedeln zu können, ohne bis heute die Chance erhalten zu haben, daß er aussiedeln darf. In gleicher Weise hat mir soeben Kol- lege Sauer über Briefe berichtet, die er in der Hand hat.
    Aber wir sollten, da hier schon so viel von Zahlen die Rede ist, auch einmal die Politik der „Menschen in Raten" ansprechen. Es ist doch erschütternd, daß in dem Augenblick, als die Ratifizierung des Warschauer Vertrags vor dem Deutschen Bundestag anstand, nämlich im Jahre 1971, 25 000 Aussiedler zu uns kommen konnten. Kaum war die Ratifizierung erreicht, drosselte die polnische Regierung die Ausreise der Deutschen, und es kamen nur noch 13 000. In den nächsten Jahren waren es 8 900, dann 7 800 und schließlich nur noch 7 000.
    In diese Zahlen muß die große Zahl derer mit einbezogen werden, die als „Illegale" — so der Fachausdruck; Herr Kollege Wallmann hat heute früh daran erinnert — hier bleiben. Das sind Besucher — bekanntlich läßt die polnische Regierung immer nur eine Ehehälfte ausreisen —, die hier bleiben in der Hoffnung, weil sie so oft enttäuscht worden sind, auf diese Weise nun endlich ihre andere Familienhälfte mit den Kindern herauszubekommen. Das dauert dann zwei, drei und mehr Jahre, bis diese Familien zusammengeführt werden können. So ist — das müssen wir hier in aller Offenheit sagen — aus der Familienzusammenführung vielfach eine Familienzerreiflung geworden, etwas Inhumanes und nicht etwas Humanes.

    (Beifall bei der CDU/CSU Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Leider wahr!)

    Nun hören wir jetzt, daß in den nächsten vier Jahren 125 000 zu uns kommen sollen und daß - jedenfalls können wir uns des Zahlenspiels der Sozialdemokraten nicht bedienen — 160 000 nicht wissen, was aus ihnen wird. Hier hat nun die Bundesregierung eine Antwort bereit, indem sie sagt, es gebe ja in diesem Protokoll eine Offenhalteklausel. Diese Offenhalteklausel ist zunächst einmal eine binnendeutsche Auslegung eines Satzes aus dem Protokoll. Es gibt bis heute für diese Offenhalteklausel keine Bestätigung aus offiziellem polnischem Mund.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Haben Sie nicht zugehört?)

    Im Gegenteil, der mehrmals zitierte Professor Stomma hat in einem Interview gesagt, daß jetzt ein Dach über die letzten 125 000 gebaut sei.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Die Aussage von Professor Dobrosielski gestern hier in Bonn!)

    Und der stellvertretende polnische Außenminister Czyrek hat gesagt, das sei eine einmalige und letzte Aktion. Das, was in der Offenhalteklausel steht, wenn man sie so lesen will, wie die Bundesregierung sie liest, heißt, daß noch Anträge nach 1980 gestellt werden können. Wer diese Praxis mit der „Information" bis zum heutigen Tage genau verfolgt hat, muß doch dann die Frage stellen: Besteht auch die Gewißheit, daß alle diejenigen, die vielleicht noch einen Antrag stellen können, auch die Erlaubnis erhalten werden, auszureisen? Diese Gewißheit besteht eben nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch der von Ihnen, Herr Arndt, hier mit angeführte, zur Zeit sich in der Bundesrepublik befindende Direktor des Instituts für Auswärtige Politik, Herr Professor Dobrosielski, hat in einem Interview im Deutschlandfunk auch nur gesagt: Wir werden diese Anträge annehmen und natürlich nicht in der Schublade liegenlassen. Das besagt überhaupt nichts. Es ist nicht zu verstehen, daß der Bundesaußenminister nicht in Warschau diese Offenhalteklausel so definiert hat, wie er sie im Auswärtigen Ausschuß und im Bundestag immer definiert. Das wäre doch der richtige Ort gewesen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    um von dieser Offenhalteklausel tatsächlich die Legalität und diese Wirkung zu erhalten, die wir uns alle gemeinsam wünschen.
    Vielfach wird übersehen, wenn von der besonderen Bedeutung dieser humanitären Frage gesprochen wird, daß es die CDU/CSU-Abgeordneten die-



    Dr. Hupka
    ses Hohen Hauses gewesen sind, die allein und ständig im Deutschen Bundestag die Bundesregierung befragt haben, wie es denn um das Schicksal der Deutschen jenseits von Oder und Neiße steht. Kein einziger SPD-Abgeordneter oder FDP-Abgeordneter hat nur eine einzige eigene Frage nach dem Schicksal der Deutschen jenseits von Oder und Neiße gestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gewiß, es sind Fragen nach dem Schicksal der Chile-Flüchtlinge gestellt worden. Niemand hat etwas dagegen, daß auch nach dem Schicksal der Chile-Flüchtlinge gefragt wird. Aber ich meine, es gehört zu unserer Pflicht, als frei gewählter Abgeordneter Anwalt derer zu sein, die selbst nicht für sich sprechen können, die aber darauf warten, daß wir ihr Anwalt hier in Freiheit sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Meinen Sie, die Fragestunde sei dazu der richtige Ort?)

    — Ich meine, die Fragestunde ist der richtige Ort. Ich lasse mir auch nicht von Herrn Wehner das Maul verbieten, indem er von Warschau aus sagt, hier sei mit „infamen Unterstellungen" operiert worden. Ausgerechnet in Warschau, in der Hauptstadt des Staates, der den Deutschen die Ausreise verweigert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben große Vorbilder gerade aus der Sowjetunion. Denken Sie an Solschenizyn, solange er in der Sowjetunion war, denken Sie an Sacharow. Dort braucht man Mut, um für die Menschen einzutreten. Von uns verlangt man keinen Mut, sondern nur, daß wir das Selbstverständliche als Menschen für unsere Landsleute tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich muß zum Schluß kommen. Es muß in der Tat unglaubwürdig erscheinen, die deutsch-polnische Verständigung immer nur herbeireden zu wollen. Der Ausgleich zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk bedarf der Gewährung und Sicherung der Menschenrechte als eines sicheren Fundaments. Wenn aus polnischem Munde jetzt zu vernehmen war, daß man nicht mehr bereit sei zu verhandeln — das sagte Herr Professor Dobrosielski vor wenigen Tagen —, falls die deutsch-polnischen Vereinbarungen in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt würden, muß darauf geantwortet werden, daß es sich immer lohnt, über Menschenrechte, Freiheit und Frieden zu verhandeln. Es ist darum auch nicht richtig, daß, wie die Bundesregierung behauptet, die Aussöhnung mit Polen mit der Annahme oder Ablehnung dieser Vereinbarungen gleichzusetzen sei. Die Verständigung und der Ausgleich mit Polen sollten uns allen gemeinsam so viel wert sein, daß man sie nicht von dem Ja zu einer schlecht ausgehandelten Sache abhängig macht. Es muß darum neu verhandelt werden, damit bessere Ergebnisse erzielt werden, Ergebnisse, hinter denen nicht nur die Regierungen, sondern die Mehrheiten der Völker stehen. Es darf nicht Aussiedler erster und zweiter Wahl oder Qualität geben. Es darf keine Deutschen ohne Rechte geben! Das Nein
    zu diesen deutsch-polnischen Vereinbarungen ist zugleich ein Ja zur ewigen deutsch-polnischen Nachbarschaft. Sie zu stärken, bedeutet, die zwischen unseren Völkern befindlichen Probleme ganz zu lösen und nicht völlig unzureichend, wie es jetzt geschehen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)