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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
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    Rede von Prof. Dr. Claus Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 17. Mai 1972 habe ich von dieser Stelle aus zu den Verträgen von Moskau und Warschau folgende Erklärung abgegeben, die ich teilweise hier zitieren will:
    Politisch halte ich beide Verträge um des Friedens und der freiheitlichen Entwicklung unseres Landes für unverzichtbar.

    (Anhaltende Unruhe)

    Wird rechtlich einem Friedensvertrag nicht vorgegriffen, den Verfassungsorgane, die vom ganzen deutschen Volk legitimiert sind, abzuschließen hätten, so ist doch die eindeutige Erklärung der vom Grundgesetz konstituierten Organe erforderlich, daß sie im Rahmen ihrer nur von den Deutschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrührenden Kompetenz insoweit die Zugehörigkeit der Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie zu Polen nicht mehr in Frage stellen. Ungeachtet dieser Rechtslage muß es politisch jedem Deutschen klar sein, daß diese Gebiete für immer für Deutschland verloren sind.
    Dies ist keine Folge der Verträge, sondern eine solche der Nazi-Diktatur und des von Hitler angezettelten Krieges, für die Sozialdemokraten in diesem Lande die geringste Schuld tragen.
    Obwohl meine beiden Großväter Ostpreußen waren (einer von ihnen Rektor der Universität Königsberg), mein Vater in Königsberg geboren ist und ich 1945 mit meiner Familie aus Schlesien vertrieben wurde, will ich den Teufelskreis von Haß und Vertreibung jedenfalls für meine Person durchbrechen. Ich gestehe den 40 % bereits dort geborenen Polen und Russen in diesen Gebieten heute das gleiche Heimatrecht zu, das meine Familie und ich bis 1945 dort besessen haben. Gerade auch im Hinblick auf das millionenfache Leid, das im deutschen Namen Polen und Russen von 1939 bis 1945 angetan wurde, halte ich dies auch für moralisch vertretbar und geboten.
    Soweit meine Erklärung damals. Die Grundgedanken dieser Erklärung sind auch der Grundtenor dessen, was ich heute zu dem hier zur Beratung anstehenden Vertragswerk zu sagen habe; sie geben den roten Faden meiner Stellungnahme ab.
    Weil das aber so ist, benutze ich — und das ausdrücklich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion — diese Gelegenheit, um das Ergebnis der Er-



    Dr. Arndt (Hamburg)

    klärung, die hier soeben abgegeben worden Ist, nämlich die Zustimmung zu den Vertragswerken durch den Herrn Kollegen von Weizsäcker und andere Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, ausdrücklich zu begrüßen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dies schließt nicht unbedingt ein, daß ich mich hier. allen Argumenten Herrn von Weizsäckers anschließen muß,

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das glaube ich!)

    insbesondere nicht manchem Unterton, den er hier hat mitschwingen lassen. Aber der Respekt vor seiner andersgearteten Meinung läßt uns dennoch das Ergebnis begrüßen, ein Ergebnis, von dem ich sagen muß, daß es bei uns mehr Respekt findet als an anderer Stelle.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Zur Nachahmung!)

    Ich will hier nur eine einzige Stimme zitieren, ganz abgesehen von den Meinungsäußerungen und den Lachsalven, die soeben in der CDU/CSU-Fraktion teilweise aufbrandeten, während Herr Kollege von Weizsäcker sprach — nicht gerade ein Zeichen besonderer Hochachtung für alle seine Argumente.


Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Claus Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Mertes, ich habe eine sehr kurze Redezeit; ich bitte um Verständnis, daß ich mich darauf beschränke.
    Ich will Ihnen nur als einziges Beispiel dafür, wie andere — nicht die Sozialdemokraten — auf diese Haltung reagieren, aus der Tageszeitung „Die Welt" mitteilen, was dem Kollegen Barzel, der die gleiche Meinung vertritt, die der Kollege von Weizsäcker hier heute geäußert hat, dort ans Herz gelegt wird. Es wird zuerst kritisiert, daß er kampflos die Position aufgegeben habe, an der Spitze der nordrhein-westfälischen Landesliste der CDU zu kandidieren, und er habe sich auch weitere Versäumnisse zuschulden kommen lassen. Dann heißt es weiter:
    Und jetzt verzichtet Herr Barzel auch noch auf Frontbewährung im Kampf gegen die PolenVerträge und stimmt zu.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, dies ist nicht der Respekt, den wir Sozialdemokraten jedenfalls dieser Äußerung und denjenigen, die hier, ihrem Gewissen folgend, für die Verträge stimmen, die zur Beratung anstehen, entgegenbringen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir eben am Applaus gehört!)

    Leider ist Herr Kollege Carstens eben aus dem Saal gegangen, aber ich muß mich hier noch einmal mit ihm und seinem Zahlenspiel auseinandersetzen. Herr Carstens hat vorhin gesagt, 280 000 Deutsche, die ausreisewillig seien, seien für ihn der Fixpunkt, an dem er sich festhalte. Dieses habe vor geraumer Zeit der Außenminister gesagt, und damit sei dieses
    für ihn das Maßgebliche. Nun, es wäre sicher gut, wenn Herr Kollege Carstens immer Worte des Außenministers als für ihn so maßgeblich ansähe.
    Aber wie sind nun die Tatsachen? Meine Damen und Herren, auf dem Tisch bei Ihnen liegt der Bericht des federführenden Ausschusses. In diesem Bericht, der nach tagelangen intensiven Debatten im Ausschuß gedruckt worden ist

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ohne das Votum der CDU/CSU-Gruppe!)

    — das ist jetzt nicht der Punkt, Herr Kollege Mertes —, finden Sie zu dem Problem der Zahl der ausreisewilligen Deutschen die Mitteilung des Referats des Generalsekretärs des Deutschen Roten Kreuzes. Er berichtet dort ganz konkret — jeder von Ihnen hat es auf dem Tisch und kann es aktuell mitlesen —, daß 271 000 Deutsche die Ausreise begehrten, als 1969 das Deutsche Rote Kreuz Bilanz aus dem bei ihm vorliegenden Material gezogen habe. Dann — so wird weiter der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes zitiert — habe in diesem Jahr das Deutsche Rote Kreuz die Zahlen aktualisiert und dabei festgestellt, daß 90 000 dieser damals registierten Bewerber nicht mehr die Absicht hätten, auszureisen und sich in diesem Zusammenhang aufführen zu lassen.

    (Dr. Jahn [Braunschweig] [CDU/CSU] : Wem sind die Anträge zurückgegeben worden? — Abg. Reddemann meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Reddemann, Sie wissen, daß ich von Ihnen keine Zwischenfragen entgegennehme.
    Wer rechnen kann, wird sofort erkennen, daß 271 000 minus 90 000 niemals 280 000 ergeben, daß also im Ergebnis die Zahl nach der Meinung des Roten Kreuzes — ich zitiere nur den Generalsekretär des Roten Kreuzes, nicht Zahlen, die, wie hier behauptet worden ist, die Regierung vorgelegt haben soll; das Rote Kreuz hat sie auf Grund seiner Archivunterlagen vorgelegt - bei etwa 180 000 liegt.
    Aber, meine Damen und Herren, niemand von uns hier im Saal kann die Garantie für die Genauigkeit irgendeiner Zahl geben. Auch ich will dieses nicht tun.

    (Dr. Jahn [Braunschweig] [CDU/CSU] : Aber wir wollen doch alle nur raushaben! Das ist doch das Problem!)

    — In der Tat, Herr Jahn, wir wollen sie alle heraushaben. Ich werde darauf gleich noch zurückkommen.
    Wir brauchen doch überhaupt nicht theoretisch zu streiten. Ich begrüße es daher, daß der Präsident und der Generalsekretär des Roten Kreuzes dem Deutschen Bundestag in diesen Tagen ein offizielles Angebot gemacht haben, eine aus Mitgliedern der drei Fraktionen dieses Hauses gemeinsam bestehende Delegation zum Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes nach Hamburg zu entsenden, damit sie sich dort über die wirklichen Zahlen sachkundig machen kann und diese Zahlen hier nicht als ein Schlaginstrument im politischen Kampf benutzt werden können. Dieses ist die richtige Auffassung, die



    Dr. Arndt (Hamburg)

    sich aus der Neutralität und Unparteilichkeit einer Institution wie der des Roten Kreuzes ergibt.

    (Abg. Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Entschuldigen Sie, Herr Sauer, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. Das gilt auch für eventuelle weitere Bewerber.

    (Zuruf des Abg. Sauer [Salzgitter])

    Es entspricht auch der Neutralität des Roten Kreuzes, Zahlen zunächst nicht mehr zu bestätigen. Dieses ist eine Art, wie man mit Menschenschicksalen umgeht. So sollten wir alle in Zukunft verfahren.
    Ein weiterer Punkt: Die Herren Carstens und Wallmann haben zunächst schon im Ausschuß, aber dann später auch hier die Forderung aufgestellt, es sollten objektive Bedingungen für die Ausreise geschaffen werden.
    Zunächst überlegte man: Was versteht man unter solchen objektiven Bedingungen? Nun, Herr Carstens ließ in seiner Rede die Katze aus dem Sack. Er sagte: Wir hier in der Bundesrepublik wollen darüber mitreden, wer im einzelnen aus der Volksrepublik Polen hierher ausreisen darf.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Das Deutsche Rote Kreuz!)

    Was ist das für ein Verständnis unserer Verfassung? Eine deutsche Stelle soll darüber befinden, welchem Deutschen sein Grundrecht auf Freizügigkeit gewährt werden soll und welchem nicht.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Das Rote Kreuz! — Dr. Czaja [CDU/CSU] : Allen!)

    Dieses ist schlechterdings mit dem Verständnis von deutscher Verfassung nicht vereinbar. Keine deutsche Stelle kann sich jemals erlauben, einzuteilen:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Mißverstehen Sie doch nicht mit Absicht!)

    Du darfst jetzt als erster oder Du darfst überhaupt Dein Grundrecht wahrnehmen, und Du darfst es erst später. Niemand wird sich auch danach drängen, eine solche Aufgabe zu übernehmen.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Das hat er doch nicht gesagt! Das sagen Sie! Das ist doch völlig unwahr!)

    Ich kann mich über dieses Verfassungsverständnis, das einer solchen Forderung zugrunde liegt, nur zutiefst wundern.

    (Dr. Jahn [Braunschweig] [CDU/CSU] : Es gibt doch für solche Fälle immer Kommissionen aus Vertretern der beteiligten Staaten!)

    Das letzte Problem, das ich vor Ihnen auszubreiten die Absicht habe, betrifft die Mitteilung, die Sie auch bereits Ihrer Drucksache entnehmen können, nämlich daß zwei Tage intensiver Beratung im Rechtsausschuß ergeben haben, daß gegen alle Bestandteile dieses Vertragswerkes weder verfassungsrechtliche noch völkerrechtliche Bedenken stehen. Auch im Rechtsausschuß war klar, daß der politische Kernpunkt die Frage der menschlichen
    Probleme, der Aussöhnung mit Polen und der Möglichkeit für die Deutschen, nach hier zu kommen, wenn sie es wollen, war. Es ist die Realisierung und Konkretisierung unseres Willens zur Aussöhnung nach den Qualen und Leiden, die im — wenngleich usurpierten — deutschen Namen dem polnischen Volk zugefügt wurden.
    Einer der zentralen Kernpunkte war daher für uns die Beratung der rechtlichen Bedeutung des sogenannten Protokolls, jener Rechtsgrundlage, die als Konkretisierung der „Information" für die Ausreise der 120 000 bis 125 000 Personen geschaffen wurde. Die Opposition hat nun die künstliche Frage aufgerichtet, ob dieses Protokoll weniger verbindlich sei als andere Teile des Gesamt-Vertragswerks. Der Rechtsausschuß, der Bundesminister des Auswärtigen und andere haben bereits sehr deutlich klargemacht, daß es im Völkerrecht keine unterschiedliche Verbindlichkeit völkerrechtlicher Verpflichtungen gibt. Der Bundesminister selbst hat in seinem Schreiben vom 16. Februar auf den berühmten Grönlandfall hingewiesen. Dort hat der Ständige Internationale Gerichtshof in Den Haag bekanntlich sogar die mündliche Äußerung eines Außenministers als völkerrechtlich verpflichtend für das betreffende Land erklärt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist doch nicht unser Problem!)

    Aber es kommt noch etwas hinzu. Absatz 3 des Protokolls, der vielfach bewußt oder fahrlässig, wie auch im Minderheitenbericht des Rechtsausschusses, mißverstanden wurde, enthält für Polen einen Ratifikationsvorbehalt hinsichtlich der Verträge. Es wirkt also das oberste Staatsorgan, der Staatsrat der Volksrepublik Polen, mit. Es liegt auf der Hand, daß die amtliche Mitteilung über diese Mitwirkung des Staatsrats der Volksrepublik Polen, dieser Staatsrat habe sein Einverständnis zur Ausreiseverpflichtung erteilt, die völkerrechtlich einer Ratifizierungsurkunde bei einem Vertrag entspricht, selbst bei dem Skeptischsten den letzten Zweifel ausräumen muß, daß hier eine unanfechtbare und unaufhebbare Verpflichtung der Volksrepublik Polen begründet wird. Daraus folgt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Mit dem Protokoll verpflichtet sich die Volksrepublik Polen völkerrechtlich so verbindlich, wie sich ein Staat nur verbindlich verpflichten kann, erstens binnen vier Jahren 120 000 bis 125 000 Personen die Ausreise zu gestatten, und zweitens, daß es für alle, auf die die „Information" zutrifft — gleichgültig, wie viele es auch seien —, auch nach Ablauf der im Protokoll genannten Zeit ein Recht auf Ausreise gibt. Diesem Punkt hat übrigens auch die Opposition im Rechtsausschuß zugestimmt.
    Beide Punkte hat erst gestern — jetzt hören Sie bitte gut zu — auch Professor Dobrosielski, der Direktor des polnischen Instituts für internationale Beziehungen, in Gegenwart zweier Mitglieder des Zentralkomitees der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei — sie haben vor wenigen Stunden dort oben auf der Diplomatentribüne gesessen — ausdrücklich bestätigt. Er hat insbesondere ausdrücklich bestätigt, daß es nicht so ist, wie hier gesagt wurde, es bestehe nur die Verpflichtung, Anträge



    Dr. Arndt (Hamburg)

    entgegenzunehmen. Er sagte: Was soll eine solche Verpflichtung bedeuten, wenn sie nicht bedeutet, daß diese Anträge, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, auch zu genehmigen sind?

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Wir sollten diese erst gestern in Bonn ausgesprochene offizielle polnische Stellungnahme hier nicht übergehen. Sie räumt alles aus, was hier von verschiedener Seite, insbesondere seitens der Opposition, zu diesem Thema gesagt worden ist.
    Ich stelle damit fest, daß die Voraussetzungen dafür gegeben sind, den Abkommen in ihrer Gesamtheit zustimmen zu können. Sie tragen in allen Teilen rechtlich verpflichtende Wirkung. Gehen wir an das Werk der Aussöhnung! Gehen wir daran, die Brücke zu bauen zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk, zum Nutzen der Jugend, die nach uns kommt!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)