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ID0722413000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)





    (Beifall bei der SPD und der FDP)


    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    haben ihn hier demütigend behandelt — bitte, es ist jedermanns Sache, auch eines Vertragspartners Sache, sich in dem Umgang zurechtzufinden, den Sie ihm angedeihen lassen —, Sie haben über diesen Vertragspartner Volksrepublik Polen soviel Negatives gesagt und auch sagen lassen, daß es unvermeidlich ist, sich zu fragen, wie Sie denn den Umgang mit Polen eigentlich meinen: Das ist ein „diktatorisches Regime", das sind „natürlich Kommunisten", die „Bischöfe wären viel besser" ; alles Mögliche kann man sich zusammenflicken aus der heutigen Debatte.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Bitte sehr, gucken Sie doch nach. Falls Sie das nicht herauskorrigiert haben, dann finden Sie das alles darin. Und rundherum wird ja noch vielmehr gesagt. Es sei Ihnen ja auch unbenommen. Sie sind ja völlig frei. Sie erfinden fortgesetzt neue Dinge
    und fragen nicht danach, welches Maß von Demütigungen — so nenne ich das — Sie dem Vertragspartner in einem solchen Streit aufzuerlegen sich bemühen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was soll denn das, daß man dann hört — mit Augenaufschlag und immer genauso schön halblinks von der Mitte —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    daß so viele aus alten Zentrumsfamilien kommen? Ich habe ein Respekt-Verhältnis zu Zentrumsfamilien, und einigermaßen kenne ich mich da auch aus. Nur, wissen Sie, daß man meint, damit sozusagen einen Schein auf Vertrauen beim Vertragspartner Volksrepublik Polen zu haben, das ist wohl ein wenig — wenn ich es mir so zu nennen erlauben darf — naiv. Aber es ist natürlich berechnet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie sagen, hier seien ja „alle Seiten" für die „Aussöhnung". Ja, was bedeutet das aber dann für Sie faktisch, wenn Sie sagen: Das darf aber nicht Geld kosten, und das muß s o sein. Sie geben ja auch Zahlen an. Das geht bis in die 900 000, die dort konstituiert werden sollen. Bei der Gelegenheit versetzen Sie der SPD auch noch einen Schlenker wegen deren Programmsatzes über Volksgruppenrecht — was tatsächlich unser Ziel ist: ein demokratisches Volksgruppenrecht, d. h. ein Europa und Verhältnisse untereinander in Europa und in anderen Ländern, auch außerhalb Europas, die es ermöglichen, zu einem demokratischen Volksgruppenrecht zu kommen. Ich habe das kürzlich hier auch zitiert. Da hat sogar einer aus Ihren Reihen gesagt, dafür sei er auch. Na gut; nur: das können Sie doch wohl nicht unter völliger Ignorierung der tatsächlichen weltmachtpolitischen Verhältnisse mit dem Zeigefinger „Da gibt es ja gar keins!" zum Gegenstand des Entdeckens machen.
    Sie sagen z. B., kein namhafter polnischer Politiker habe von Versöhnung gesprochen. Als ich mir heute morgen eine Frage dazu erlaubt habe, wurde gesagt, es seien Regierungsmitglieder gemeint. Nun habe ich inzwischen natürlich — so etwas fliegt einem dann ja zu — den „Kölner Stadtanzeiger" vom 17. Februar 1976 erhalten, also eine ziemlich neue Ausgabe, in dem es u. a. heißt „Warschau: Chance wäre vertan", die Glaubwürdigkeit sei in Gefahr. Dort steht auch die Äußerung des polnischen Außenministers Olszowski, welche die polnische Nachrichtenagentur PAP verbreitet hat: Ein solcher Schritt würde außerdem nicht nur in den Augen der polnischen Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik in der Frage der Versöhnung mit Polen verlorengehen lassen" . Hier steht „Versöhnung". Also habe ich nun auch den Rang getroffen.
    Im übrigen: Ich habe heute morgen nach Herrn Stomma gefragt, nicht um Sie in Verlegenheit bringen zu wollen, meine Damen und Herren. Sie kann man ja nicht in Verlegenheit bringen, weil das, was unsereiner Ihnen sagt, von vornherein abgestempelt ist. Nun gut, gehen wir so miteinander um. Ich jedenfalls habe mir noch einmal das Protokoll der



    Wehner
    202. Sitzung von Mittwoch, dem 26. November 1975, herausgenommen.

    (Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

    — Den Witz können Sie sich ersparen. Ich wollte nur sagen: Die Sitzung begann mit einem Nachruf auf den verstorbenen Herrn Kollegen Dr. Friedrich Beermann, verehrter Herr. Lassen Sie Ihre blöden Witze!

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Da habe ich gefunden — ich bin dann auch in den Besitz einer ordentlichen deutschen Übersetzung gekommen —, daß der Sejm-Abgeordnete Stanislaw Stomma sowohl in TYGODNIK POWSZECHNE geschrieben als auch im Sejm über den Eindruck gesprochen hat, den auf ihn die Erklärung gemacht hat, welche der Abgeordnete Friedrich Beermann seinerzeit bei der Abstimmung über den Warschauer Vertrag am 17. Mai 1972 abgegeben hat. Ich habe sie mir aus dem Protokoll herausgenommen. Ich will Ihnen das nicht zumuten. Es gibt vielleicht den einen oder den anderen — vielleicht auch die eine oder die andere —, die sich diese erschütternde Erklärung — es könnte ja auch einmal ein Dienst dazu geleistet werden — ansehen, über die natürlich jemand, der so wie Sie dahinten gebaut ist, feixen mag. Diese Erklärung beginnt mit dem, was er als Leutnant, der am 1. September 1939 im Dienst über die Grenze nach Polen marschiert ist, bei der Begegnung mit dem ersten Gefallenen auf der Gegenseite — Polen
    — erlebte und wie ihn das verfolgt hat. Beermann war ja ein Soldat, und ich kenne ihn lange genug, um das auch mit Respekt beurteilen zu können. Er hat damals erklärt:
    Wenn wir diesen für uns so beschämenden Zeitabschnitt
    — er meinte den Krieg und das, was am Ende des Krieges vice versa geschehen ist, was die einen den anderen angetan haben —
    Revue passieren lassen, so sollten wir ganz tief und innerlich und ohne jeden Vorbehalt auch für das uns angetane Unrecht Vergebung gewähren, Vergebung gewähren für die Tausenden von Toten, als sich bei Kriegsbeginn aufgespeicherter polnischer Volkszorn gegen die dort ansässige deutsche Bevölkerung entlud.
    Der eine oder andere wird es nachlesen. Der Stomma-Artikel ist ein bewegender Artikel. Daß er in einem Land wie dem dort geschrieben wurde und daß in ihm Beermanns gedacht wurde als eines deutschen Abgeordneten, der aus dem Militär — zuletzt im Range eines Generals — kommt, ist bemerkenswert.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das darf man ja wohl sagen, verehrte Unruhige, auch wenn der Beermann rot war. Das war unser Mann, er war ein Sozialdemokrat, er war ein guter Soldat, und er war ein guter Abgeordneter.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/ CSU]: Sie haben ihn beschimpft! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ein solcher Mann wurde von einem polnischen Abgeordneten dafür gerühmt,

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Er ist von Ihnen beschimpft worden!)

    daß die stärkste Antriebskraft der Geschichte die moralischen Strömungen sind, genau das, was Beermann als sein Erlebnis, als Summe seiner Lehren und als Lehre für das Verhalten zwischen Deutschen und Polen herauszufiltern versucht hat und was der andere genau verstanden hat. Bitte, ich gebe es auf; ich will nicht zitieren. Aber sehen Sie einmal zu, ob Sie dort nicht manches finden, was nachdenklich macht, gerade in einem Saal mit Abgeordneten, wo es coutume geworden ist zu sagen, daß alle die Aussöhnung oder die Versöhnung wollen; denn derjenige, der kürzlich auf Ihrer Tagung in Ingolstadt postuliert hat, das sei lediglich ein theologischer Begriff, ist ja nicht hier. Sonst würde er natürlich diese besondere Auffassung, daß das lediglich ein theologischer Begriff sei, auch hier noch darlegen können.
    Meine Damen und Herren, hier ist gesagt worden: Es war nicht Deutschland allein. Das ist wahr. Nur, mindert das eigentlich unsere Verantwortlichkeit?

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht im Sinne der Kollektivschuld; ich bitte Sie, mißverstehen Sie mich nicht. Mindert es unsere Verantwortlichkeit, wenn man sagt: Es waren aber noch andere usw.? In diesem Punkt muß ich Sie, auch wenn das keinen Einfluß auf Ihre Stellung zu Ihrer Entscheidung hat, dringend darum bitten, daß Sie sich einmal überlegen, ob das — ich will Ihren Parteinamen gar nicht ironisieren — mit dem Gewissen von Leuten vereinbar ist, die sich auf das Gewissen berufen — das tun wir ja unabhängig von Konfession und Partei sonst alle, wenn es darauf ankommt —, ob es in Ordnung ist, daß man sagt: Es waren ja auch noch andere dabei, und vielleicht hätte unsere Seite das gar nicht gemacht, wenn die anderen nicht dabei gewesen wären. Nein, nein, hier ist vieles, um das man sich Sorgen machen muß.
    Hier ist heute mit großer Beredtsamkeit gesagt worden, was man eigentlich alles mit dem Friedensvertragsvorbehalt machen kann, der nicht genügend berücksichtigt worden sei.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Was man alles machen kann, habe ich nicht gesagt!)

    — Nun wissen Sie, sehr zu ehrender Herr Kollege
    — ich will mich gar nicht in den Streit — —

    (Stücklen [CDU/CSU] : Mertes heißt er!)

    — Es gibt ja mehrere sehr zu ehrende Kollegen; diese darf ich ja wohl einmal insgesamt ansprechen. Ich habe Sie, Herr Stücklen, in diesem Fall nicht gemeint.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Sie nenne ich dann direkt; aber das geschieht meist in anderen Zusammenhängen.
    Ich wollte nur sagen — hierüber brauchen wir gar nicht zu streiten —: Als es darum ging, auszuloten, ob Friedensvertrag oder nicht, haben Ver-



    Wehner
    bündete und die damalige Regierung Gründe gehabt, es nicht zu machen. Die Argumente waren so, daß, wenn man einmal gründlich darüber reden kann, eines jedenfalls einen historischen Kunst- und Denkfehler so großen Ausmaßes ausmacht, daß alles, was sonst bedeutend an diesem Staatsmann war, das nicht aufwiegt, was hier an historischem Kunst- und Denkfehler gemacht worden ist, nämlich: Wenn die jetzt schon mit solchen Vorschlägen kommen, dann werden sie bald mit noch besseren Vorschlägen kommen. So etwas kann auch einem bedeutenden Staatsmann passieren. Vielleicht war es so, daß damals nichts drin war. Nur, das gehört auch der Geschichte an.
    Worum geht es jetzt? Was heißt Friedensvertragsvorbehalt? Ich bitte Sie: Wir haben doch keine Verträge abgeschlossen, weder den Warschauer noch den Moskauer noch einen anderen Vertrag, ohne uns darauf zu berufen, daß sich unsere Rechtsauffassung darin von der unserer Vertragspartner unterscheidet, daß wir auf einen Friedensvertrag hinaus wollen. Nur, tun Sie doch bitte nicht so, als ob wir Leute wären, die nichts für einen Friedensvertrag übrig hätten oder nichts dafür getan hätten. Wir sind doch dafür immer abgeschmiert worden. Brandt hat völlig recht gehabt, als er heute an jene leider nur Episode gebliebene Sache 1961 mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten Kennedy erinnerte. Da ging es nicht um Friedensvertrag schlechthin. Als aber plötzlich die sowjetische Seite reizte, gab es kurzzeitig einen amerikanischen Präsidenten, der sagte: Bitte, dann gehen wir hin. Da hieß es hier in Bonn: Das wünschen wir aber nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ja, sicher. Das ist historisch nachweisbar. Das weiß der Herr auch. Es ist gar nicht notwendig, sich heute abend zu streiten, weil das nichts ändern wird an der Entschlossenheit, die Sie erfüllt, sich zu den konkreten Abkommen, die mehr sind, als daß Sie alle nur sagen können, Sie seien für Aussöhnung, nicht umzubesinnen.
    Als wir heute morgen begannen, hat der Herr Wallmann die SPD, wenn schon nicht beschworen — das liegt seinem Charme nicht —, aber doch sehr bedrängend angesprochen — und ich fand, das war interessant —, sie solle den unsinningen „Fraktionszwang" aufheben. Ich muß sagen. ich habe noch nie ein so tolles Modell für das, was man imperatives Mandat nennen kann, gefunden als jenen Brief des Vorsitzenden der CSU an alle Abgeordneten der CDU/CSU

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und an alle Ministerpräsidenten, die Mitglieder der CDU/CSU sind. Der Brief war veröffentlicht, ehe die, die er anging, ihn überhaupt gehabt haben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich verstehe, daß das seine Regie ist. Der braucht auch nie hier herzukommen,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Sie machen sich doch lächerlich!)

    wenn über Polen gesprochen wird.
    Machen Sie bitte ruhig so weiter, meine Damen und Herren. Nur wird eines dabei schwer beschädigt, und ich weiß noch nicht, wie verhindert werden kann, daß diese Sache Schaden nimmt, der nicht wiedergutzumachen ist. Ich will nicht unken, aber ich fürchte, hier richten Sie Schaden an, der nicht wiedergutzumachen ist. Schaden für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und in einer Sache, die humanitär wesentlich ist. Daß Sie mit unseren auswärtigen Beziehungen so umgehen, meine Damen und Herren, macht mir — und ich spreche das Wort selten aus — angst.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine
Damen und Herren, während die Frau Kollegin Funcke präsidierte, hat der Herr Kollege Stark in wenig schwäbischer Weise beleidigende Zurufe gemacht. Nach Rücksprache mit der Frau Kollegin Funcke rufe ich den Herrn Kollegen Stark dafür zur Ordnung.

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] sowie weitere Abgeordnete der CDU/CSU: Was hat er denn gesagt?)

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete von Weizsäcker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard von Weizsäcker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist vorgerückt, aber ich habe mich zugleich im Namen einer Reihe von Kollegen zu Wort gemeldet, weil wir die Absicht haben, dem Polenabkommen zuzustimmen, und das Bedürfnis haben, die Gründe dafür selbst darzulegen. Wir wollen sagen, wozu wir ja und wozu wir nein sagen. Wir können das nicht anderen überlassen, die aus Versehen oder mit Absicht aus unserem Votum falsche Schlüsse ziehen. Ich habe jedenfalls unter den Rednern der Koalition heute und bei der ersten Lesung keinen gehört, der einen ernst zu nehmenden Versuch gemacht hätte, zu verstehen, worum es uns geht.
    Ich muß noch einmal zu einigen Themen zurückkehren, die wir heute im Laufe des Tages schon mehrfach behandelt haben. Wir stimmen hier nicht darüber ab — wie man aus manchen Ihrer Beiträge schließen könnte —, ob die Ostverträge der Jahre 1970 und 1973 noch einmal in Kraft gesetzt werden sollen. Diese Entscheidungen liegen hinter uns. Die Unionsparteien achten gültiges Recht und bedürfen dazu Ihrer Ermahnungen nicht. Es war deshalb — ich greife hier noch einmal auf die erste Lesung zurück — eine ganz besonders abwegige Unterstellung des Kollegen Friedrich, die Union wolle nun mit Hilfe des Bundesrates die Grundlage der Ostverträge zerstören.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Ebensowenig geben wir mit unserer Zustimmung ein Urteil darüber ab, ob sich die Entspannungspolitik in der Regierungszeit der Bundeskanzler Brandt und Schmidt bewährt habe. Die Bilanz wäre



    Dr. Freiherr von Weizsäcker
    ja wenig ermutigend. Gewiß, wir alle wollen die naturgegebene Nachbarschaft zur Sowjetunion so normal und friedlich wie möglich gestalten. Dies kann allerdings so lange nicht gelingen, als Gesundbeter die Szene beherrschen. Die Schwierigkeiten haben ja zugenommen, wie jedermann weiß. Man denke nur an die verhärtete Haltung der Sowjetunion in der Frage des Status von Berlin, jener deutschen Testfrage der Entspannung. Ich verweise hier auch auf das, was die Führung der Sowjetunion an die Adresse ihrer eigenen Bevölkerung und damit der ganzen Welt über die Wirkungen der Entspannungspolitik sagt, daß sich nämlich das Kräfteverhältnis zwischen Ost und West im Zeitalter der Entspannungspolitik zugunsten des Ostens verschoben habe.

    (Stücklen [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Das alles sollte dem letzten unter uns diejenige Nüchternheit beibringen, ohne welche verantwortliche Ostpolitik nicht betrieben und Normalisierung nicht erreicht werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Folglich geht es auch nicht um eine konsequente Fortsetzung der Ostpolitik des ehemaligen Kanzlers Brandt. Ganz im Gegenteil, es geht um Korrekturen eben jener Versäumnisse, zu denen es unter seiner Verantwortung damals gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Vertragsverhandlungen mit Polen im Jahre 1970 hatten humanitäre Leistungen von seiten der Polen eben nicht in dem Umfang erbracht, wie die Regierung Brandt sie öffentlich angekündigt hatte.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : So ist es!)

    Das hat hierzulande dann später eine tiefe Enttäuschung ausgelöst. Allerdings meine ich, es wäre nicht recht, in erster Linie die Polen dafür verantwortlich zu machen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Es war vielmehr unsere eigene Regierung, welche keine inhaltlich ausreichenden verbindlichen Verabredungen erzielt hatte, obwohl sie es öffentlich behauptet hatte.
    Die Folge war eine Periode der Abkühlung in den Beziehungen, und diese hat das deutsch-polnische Verhältnis erneut stark belastet. Wir waren dafür, jede Anstrengung zu unternehmen, um dieser Probleme im Verhandlungswege Herr zu werden. Freilich wurde es deshalb um so wichtiger, neue deutsch-polnische Vereinbarungen nicht noch einmal mit Zweifeln in bezug auf Inhalt und Form zu belasten.
    Nun liegen die neuen Vereinbarungen vom 9. Oktober 1975 vor, aber wieder sind solche Zweifel nicht ausgeräumt. Hinzu kommt die Frage, warum Leistungen und Gegenleistungen nicht Zug um Zug erbracht werden und warum sie sich nicht über den gleichen Zeitraum erstrecken. Ich habe überdies, Herr Bundesaußenminister, in den Erklärungen der Bundesregierung zum Verhältnis der Grundsätze
    des Völkerrechts und der Verpflichtungen in der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit zu den hier vorliegenden Vereinbarungen auch keine befriedigenden Antworten gefunden. Wie soll es mit den menschlichen und kulturellen Rechten bei jenen Deutschen stehen, welche aus den polnischen Gebieten nicht ausreisen? Solche und verwandte Fragen und Zweifel bleiben ungeklärt zurück.
    Freilich — darauf wurde im Laufe der Debatte schon hingewiesen —, wir haben es hier nicht mit einem innenpolitischen Gesetzentwurf zu tun. Auswärtige Verträge dieser Art treten zwar erst durch Ratifizierung, d. h. durch parlamentarische Zustimmung in Kraft, aber sie zeitigen auch schon durch die Regierungsunterschrift selbst erhebliche außenpolitische Wirkungen. So hat denn angesichts dieser Lage jeder in eigener Verantwortung abzuwägen, was für ihn schwerer wiegt: die unbeantworteten Fragen und die unausgeräumten Zweifel, anders gesagt, die notwendige Kritik an der eigenen Regierung oder die ungewissen Folgen einer Lage, wenn die unterschriebenen Vereinbarungen im Parlament nicht ratifiziert werden.
    Wahrlich niemand in meiner Fraktion hat sich diese Prüfung leicht gemacht, weder mit sich allein noch miteinander in der Fraktion. Da ging es sogar mitunter hart und deutlich zu, aber immer freimütig. Natürlich haben wir um Solidarität gerungen; die schuldet auch jeder dem anderen. Nur, Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin beklagt, daß bei uns der Wille von Strauß exekutiert werde. Dahinter kann ich nur ein Demokratieverständnis entdecken, das die SPD in Niedersachsen offenbar gerne durchgesetzt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei uns gibt es eben nicht — es war ja ganz charakteristisch, mit welcher Inbrunst Sie das Thema Fraktionszwang aufgegriffen haben; auch Sie, Herr Wehner — jenen unerträglichen Druck von oben wie bei der antiquierten SPD/FDP-Koalition in Niedersachsen

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Was ist denn mit Herrn Strauß?)

    — Augenblick mal —, nicht jenen Psychoterror.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    — Lieber Herr Ehrenberg, regen Sie sich doch bitte nicht über mich auf, sondern über Ihren ehemaligen Koalitionskollegen Groß in Niedersachsen. Er hat nämlich das Wort vom „Psychoterror durch die SPD" geprägt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei uns gibt es dann zum Glück auch keinen Helmut Schmidt, der, anstatt die Verantwortung für die Folgen eines solchen Psychoterrors der Führung zu übernehmen, diese Folgen einfach als Betrug wegzuinpretieren versucht. Es ist nur gut, Herr Bundeskanzler, daß Ihnen die Bürger in Niedersachsen da gar nicht folgen.

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Woher wissen Sie das?)




    Dr. Freiherr von Weizsäcker
    Die fühlen sich nämlich mit ihrem Albrecht alles andere als betrogen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Sie können ja Ihre Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP nachher weiterführen. Jetzt lassen Sie erst einmal mich zu Worte kommen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Es bedarf nun gar keiner weiteren Erwähnung, daß es bei uns auch keinerlei Versuche gegeben hat, sich gegenseitig humanitäre Gesinnung abzusprechen. Derartige Unterfangen sind ja immer sinnlos und überheblich. Jeder, der es ernst meint, weiß, daß man mit den allerbesten menschlichen Zielen dennoch gegen Vereinbarungen dieser Art sein kann. Niemand kann seine Menschlichkeit einfach dadurch unter Beweis stellen, daß er dafür stimmt. Vielmehr gilt es in einem Bezirk deutscher Politik abzuwägen, der, wie ich meine, der schwierigste und wohl auch der heilloseste ist, mit dem wir es miteinander zu tun haben.
    Lassen Sie mich auch meinerseits noch einige Worte zu diesem deutschpolnischen Verhältnis sagen. Da gibt es in der langen und leidvollen Geschichte vor allem den zweiten Weltkrieg, den wir in das polnische Land getragen haben und der namenloses Leid über unschuldige Polen und Deutsche gebracht hat. Was Krieg, was Besatzung, was Vertreibung an Menschenleben und Menschenleid gekostet haben, kann nicht rückgängig gemacht und auch nicht vergessen werden, Aber die Zeit kann ihre heilenden Kräfte entfalten. Zerstörte Bauwerke und eine verlorene Heimat können nicht wiederhergestellt werden. Aber es gibt die Möglichkeit eines Wiederaufbaus und eines neuen Anfangs.
    Aber das ist ja nicht allein im deutsch-polnischen Verhältnis, was unsere Beziehungen belastet. Etwas anderes, davon Abgeleitetes wirkt in die tägliche Gegenwart fort. Das ist die politische Konstellation, in welche das polnische Volk ganz gegen den eigenen Willen durch diesen Krieg geraten und bis zum heutigen Tag geblieben ist. Die polnische Bevölkerung hat ihre Regierung nicht gewählt, sie hat auch nicht den Pakt ausgesucht, der den Namen ihrer Hauptstadt trägt. Ebensowenig hat sie die politische Tuchfühlung mit jenem anderen größeren Nachbarn herbeigeführt, zu dem die geschichtlichen Beziehungen Polens wahrlich nicht weniger kompliziert sind als zu uns.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wir können und wir wollen uns nicht in die inneren Verhältnisse Polens einmischen. Es wäre auch gar niemand gedient, ja es wäre vermessen und gefährlich, wenn wir von uns aus den untauglichen Versuch machen wollten, irgendwelche Keile in die innen- oder außenpolitischen Bindungen Polens zu treiben. Aber wir müssen die Verhältnisse Polens vor Augen haben, wenn wir die polnischen Gefühle uns gegenüber verstehen wollen;

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    denn die tägliche Erfahrung dieser Verhältnisse prägt die Gedanken der Polen über uns noch heute.
    Heillos war aber auch das Schicksal der Deutschen, derer, die ihr Leben eingebüßt haben, aus ihrer Heimat unmenschlich vertrieben wurden oder heute noch dort leben, abgeschnitten von Familie, Gemeinde und Sprache. Sie waren und sind an dem, was das Dritte Reich und der Krieg gebracht haben, so unschuldig wie einer von uns, der seine Heimat behalten hat. Was aber oft so schwer für sie erträglich ist, das ist die Haltung, mit der wir ihnen oft begegnen. Wir sparen nicht mit Appellen nach Vernunft und Aussöhnung. Aber was tragen denn wir dazu bei, die Lasten dabei nicht allzu einseitig auf ihren Schultern zu belassen?
    Es gibt noch immer große, ungelöste Probleme, nicht nur im materiellen, sondern vor allem auch im menschlichen Lastenausgleich. Wieviel hat es gerade diesen Problemen geschadet, wenn die einen unter uns sich selbst für fortschrittlich erklärten, um die anderen, von den Lasten viel stärker Betroffenen dadurch verstockt erscheinen zu lassen!
    Meine Damen und Herren, ich schildere das alles nicht, weil ich glaubte, ich hätte eine Lösung. Ich habe nur, wie viele von uns, ein Stück eigene Erfahrung darin, daß sich solche Fragen gar nicht lösen lassen ohne Streit, ohne Mißverständnisse und Schmerzen. Da kann jeder nur allzu rasch in alle möglichen Verdächte geraten: er sei ein Opportunist des kalten Krieges oder aber ein Pharisäer der Versöhnung, er opfere seine Überzeugung der Parteidisziplin oder umgekehrt, er verletze die gebotene Solidarität unter Freunden. Aber das ist alles gar nicht so wichtig, was man da persönlich erlebt. Entscheidend dagegen ist die Konsequenz aus solchen Erfahrungen; daß wir keinen Versuch unternehmen dürfen, diesen kaum lösbaren Fragen zu entfliehen, uns dieser Spannung zu entziehen.
    Bei keinem anderen Thema haben wir es uns in meiner Fraktion so schwer gemacht wie bei den deutsch-polnischen Beziehungen. Wir haben niemals der Versuchung nachgegeben, uns mit oberflächlichen Lösungen zufriedenzustellen oder einfach in die Polarisierung auszuweichen; das ist ja auch nur ein ganz billiger Ausweg. Und wenn es ein Thema gibt, bei dem wir gelernt haben, den Andersdenkenden zu respektieren, dann ist es eben das Thema Polen. In ungezählten Stunden der letzten Jahre habe ich immer wieder empfunden, welche Achtung wir etwa unserem Kollegen Herbert Czaja und anderen schulden. Was Heinrich Windelen bei seinem Besuch in Warschau auf sich genommen hat, offen auszusprechen, das zeugt von jener notwendigen Aufrichtigkeit, die sich eben nicht davonmacht, um den Augenblick leichter zu gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist eine Bereitschaft, die den deutsch-polnischen Beziehungen auf die Dauer mehr helfen wird als wenn ein deutscher Politiker in Warschau einfach seine innenpolitischen Gegner des antipolnischen Chauvinismus bezichtigt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    So etwas schadet nicht nur der Aussöhnung, sondern es wird in Wahrheit von den nachdenklichen Polen auch gar nicht respektiert.



    Dr. Freiherr von Weizsäcker
    Die Demokratie wird von Menschen getragen. So wie der menschliche Respekt erst dort wirklich wächst, wo man die Spannungen untereinander aushält, so gewinnt auch die Demokratie ihr festes Fundament erst dort, wo wir dasselbe im Verhältnis demokratischer Gegner untereinander lernen.
    Damit, Herr Bundeskanzler, bin ich bei Ihnen. Ich habe Ihnen Ihr Engagement für das deutschpolnische Verhältnis immer geglaubt. Aber das kann nur so bleiben, wenn Sie bereit sind, nachhaltig den Gegenbeweis zu Ihrem eigenen derzeitigen Verhalten anzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich meine vor allem Ihr Interview in der „Süddeutschen Zeitung" vom vergangenen Freitag und Ihre Bemerkungen heute von dieser Stelle. Denn das, was Sie da in der „Süddeutschen Zeitung" gesagt haben, war ja ein klassisches Beispiel für einen Bärendienst erstens am deutschpolnischen Verhältnis und zweitens an unserer eigenen Demokratie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dort schildern Sie zunächst eindrucksvoll die deutsch-polnische Entwicklung, aber dann versuchen Sie sich den großen Schwierigkeiten, die nun einmal in der Sache selbst liegen, im entscheidenden Moment dadurch zu entziehen, daß Sie. diese Schwierigkeiten in sachliche und moralische Abqualifizierungen Ihres persönlichen Gegenkandidaten umfälschen. Das heißt, daß Sie die Schwierigkeiten in eigene wahlpolitische Ziele umfunktionieren wollen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist das!) Auf diesem Weg wird es keine Erfolge geben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viele Jahre bin ich nun schon den Weg von Helmut Kohl in freundschaftlicher Verbundenheit mit ihm gegangen. Ich habe manches Auf und Ab miterlebt, und natürlich hat er wie der Herr Bundeskanzler, wie ich und wie Sie alle seine Stärken und Schwächen. Er ist ein Vollblutpolitiker von Jugend auf, aber er ist ein Mensch, und er bleibt das in der Politik. Das ist es gerade, was ihn auszeichnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn es einen gibt, der sich dem deutschpolnischen Verhältnis gewidmet hat, ohne immerfort taktisch nach rechts und links zu sehen, dann ist es Helmut Kohl.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Dabei ist er den heillosen Schwierigkeiten so wenig entgangen, wie irgendeiner von uns das hier kann. Aber das, was Helmut Kohl damit leistet, ist nach meiner Überzeugung für die deutsch-polnischen Beziehungen langfristig wahrhaft wichtiger als das, was Sie, Herr Bundeskanzler, in dem Interview getan haben, nämlich im letzten Moment schnurstracks weg vom Polen-Thema hin zur Diffamierung des politischen Gegners zu marschieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

    Wo kommen wir denn hin in unserer Demokratie, die doch ihre Basis im Menschlichen braucht, wenn
    Sie diesen Stil hier einführen? Was soll das denn: nach Lösungen suchen in Gesprächen, die Sie selbst für „Streng vertraulich" erklären — Gespräche über staatswichtige Dinge, wie Sie heute gesagt haben —, dann in dem Interview hinzufügen, gegenwärtig wollten Sie keine Einzelheiten darüber mitteilen oder, wie Sie heute gesagt haben, Sie wollten bei Ihrer vorsichtigen Schilderung bleiben, aber dennoch heute zum zweiten Mal vom Pult des Bundestages aus Verdächtigungen in die Welt setzen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und weitere Verdächtigungen lancieren lassen? Herr Bundeskanzler, das ist ein Vertrauensbruch und, wie wir zumal an dem Beispiel über das Gespräch mit Giscard d'Estaing gelernt haben, darüber hinaus auch noch mit falschem Inhalt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Wollen Sie uns damit beweisen, daß Sie mit Herz und Sinn bei der Sache sind? Wollen Sie damit Ihre tiefe sittliche Überzeugung unter Beweis stellen, von der Sie in dem Interview gesprochen haben?
    Wer dem Polen-Thema gegenüber ehrlich ist und bleibt — ich hoffe, wir ringen uns alle immer wieder dazu durch —, der hilft doch nur dann weiter, wenn er aufhört, schwarzweißzumalen.