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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Wolfgang Mischnick


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

      Herr Kollege Dr. Czaja, daß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich gescheitert ist, bestreitet niemand. Das geschah aber nicht dadurch. Sie wissen ganz genau, daß andere Überlegungen dann zu dem geführt haben, was heute die NATO ist.
      Zu den Überlegungen in Richtung Bundesrat kommt noch hinzu, was der saarländische Ministerpräsident, Röder, heute in einem Interview mit der „Zeit" gesagt hat. Er erklärte dort — ich zitiere —:



      Mischnick
      Ich halte es durchaus für möglich, daß man sich auch in der Außenpolitik auf der Grundlinie seiner Partei bewegen kann, ohne bei einer Einzelentscheidung bei der Mehrheit sein zu müssen.
      Diese Einstellung zeugt nicht nur von Souveränität, sondern auch von der begrüßenswerten Absicht, einen Beitrag zur Auflockerung verhärteter innenpolitischer und parteipolitischer Fronten zu leisten. Wir Freien Demokraten wollen dies unterstützen. Wir meinen, wir alle gemeinsam sind es dem Bürger doch schuldig, konstruktive politische Arbeit zu verrichten, überall und in jeder Funktion.
      Ich bin mir durchaus bewußt, daß es für den Vorsitzenden der CDU, den Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz, sehr schwierig ist, alle Gesichtspunkte unter einen Hut zu bringen. Aber er sollte sich daran erinnern, daß es in dieser Frage eben nicht nur um die Union, sondern um die Bundesrepublik Deutschland, unseren Staat, geht, und er sollte sich dann nicht in erster Linie als Parteivorsitzender, sondern als Staatsmann entscheiden — um des Staates willen. Da ist die Aufgabe, die jetzt vor ihm steht.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Wir wissen sehr genau — wir tun es selbst —, daß bei der Auseinandersetzung um solche Fragen mit Engagement und Leidenschaft gerungen wird. Und natürlich brauchen wir die Kritik und die Opposition. Auch wir üben Kritik, wo es notwendig ist, und sind Opposition in den Ländern. Aber wir werden darauf achten, daß immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel stimmt. Diese Verhältnismäßigkeit stimmt aber nur, wenn nicht Gefühle zum ausschlaggebenden Faktor werden, wenn nicht mit ihnen und von ihnen getrieben Politik gemacht wird, sondern die Vernunft entscheidet und nicht die demagogische Aufwallung, wie das leider so oft immer wieder der Fall ist.

      (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Aber Gefühl ist doch nicht demagogische Aufwallung!)

      — Lieber Herr Kollege, Sie wissen genau, daß einer Ihrer Fraktionskollegen mit aller Deutlichkeit gesagt hat, daß es darauf ankomme, die Gefühle anzusprechen und nicht mit der Vernunft zu operieren. Genau das ist die Gefahr, wenn Sie so Außenpolitik zu einem innenpolitischen Faktor machen, wie Sie es getan haben.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesaußenminister und mein Fraktionskollege Hans-Günter Hoppe haben sehr eingehend die Details, die mit dieser Vereinbarung zusammenhängen, dargestellt und auf die Konsequenz des gesamten Ratifizierungsverfahrens für den Fortgang der Entspannungspolitik hingewiesen.

      (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Welcher Entspannungspolitik?)

      — Unserer Entspannungspolitik, von der Sie ja genau wissen, daß sie nicht leicht ist, daß es aber zu
      ihr keinerlei Alternative gibt. Eine solche Alternative haben Sie nicht vorweisen können und werden Sie nicht vorweisen können. Deshalb bleibt es bei diesem Grundsatz.

      (Lachen bei der CDU/CSU)

      — Wenn Sie darüber lachen, zeigt das ja nur, daß Sie nicht in der Lage sind, sachlich zu antworten, und daß Sie sich damit der Notwendigkeit der sachlichen Antwort entziehen wollen. Weiter gar nichts! Sie wissen keine Alternative; das ist doch der Punkt.

      (Beifall bei der FDP und der SPD)

      Auch in dem Land des Vertragspartners ist eine kritische Phase erreicht. Auch dort gibt es Strömungen und Entwicklungen, die niemandem in diesem Hause gelegen sein können, die sich aber verstärken dürften, wenn die Abmachungen scheitern sollten. Dann würden Emotionen und Ressentiments freigesetzt, die sich innen- wie außenpolitisch bestimmt nicht zu unserem Vorteil auswirken können. Daran kann nur Interesse haben, wer politische Eiszeiten für einen erstrebenswerten Zustand hält.

      (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Wer tut das denn? Wir dürfen nicht vergessen, daß hier ein Kompromiß zur Abstimmung steht, der beiden Seiten einiges abverlangt. Ich kenne niemanden, der bis zur Stunde Gegenteiliges hätte begründen oder gar beweisen können. Dieser Entscheidung kann nicht länger ausgewichen werden. Ich hoffe, daß sie letztlich doch noch gut ausfällt — um der Menschen willen, um der Versöhnung willen und um der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland willen. Die Vernunft, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf keine Niederlage erleiden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es zeigt sich, daß sich von der ersten Lesung, die hier am 26. November gehalten wurde, bis zur zweiten Lesung — jedenfalls bei den Abgeordneten der Unionsfraktion — in der Sache nichts bewegt hat. Das ist trotz allem, was es heute hier an rekordlangen Reden und an gewaltigen Auftritten gegeben hat, etwas, was tiefer geht und tiefer wirken wird als alles, was wir in mehr als 25 Jahren Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Bundestag erlebt haben. Glauben Sie nicht, daß ich sentimental werden will. Glauben Sie auch bitte nicht, daß ich annehme, ich könnte hier jemand überzeugen. Ich bin mir ganz bewußt, daß z. B. die hervorragende Stellungnahme, die die Bundesregierung zu den Vereinbarungen geliefert hat, natürlich ebensogut hätte ausbleiben können, soweit es sich um die Kenntnisnahme und die Urteilsfindung und Entscheidung der Abgeordneten, die zur Unionsfraktion gehören, handelt. Es gibt kein sachliches Eingehen, weder Wehner auf Probleme noch auf Erläuterungen. Für Sie, meine Damen und Herren, sind die Abkommen, die am 9. Oktober letzten Jahres vom Bundesminister des Auswärtigen unterzeichnet worden sind, lediglich Attrappen für ein Spiel mit absolut innenpolitischem Kalkül. Das ist alles, worum es hier geht. Wir haben das ja heute hier gehört: Wenn im Herbst die CDU/CSU die Bundesregierung übernimmt, dann werde sie dafür sorgen, daß neue Abkommen zustande gebracht werden. Das ist das, was in Ihrem Ton „Bekennen" und „Vertrauen" usw. heißt. Das sei Ihnen unbenommen. Ich sage Ihnen nur eins: Noch nie ist mit Fragen und mit unterzeichneten Abkommen der Bundesrepublik Deutschland so umgegangen worden, wie Sie jetzt mit ihnen umgehen. Das wird draußen bei den Partnern Wirkungen haben. Ich kann darüber nicht lachen, ich kann mich auch nicht freuen. Ich bin auch nicht der Meinung, daß irgend jemand Grund hat, zu triumphieren, wen er da wohin packen wird. In den Jahren, seitdem die Bundesrepublik Deutschland, allmählich, unter Schwierigkeiten und lange Zeit nur sehr bedingt, Souveränität für Ordnung und Handhabung ihrer auswärtigen Angelegenheiten und Beziehungen erworben hat, ist eine Souveränität entwickelt worden, die jetzt unter Umständen unheilbar verletzt wird durch das, was geschehen soll, nämlich die Nicht-Ratifikation unterzeichneter Abkommen von der Qualität, über die soviel gesprochen worden ist. Wenn Sie nun sagen, dann wird eben eine neue Regierung verhandeln, und wenn man hört, die Polen werden doch auf die Dauer nicht ... usw.: Das mag Ihre Sorge sein. Über den Vertragspartner Polen haben Sie hier im Streit um diese Abkommen soviel ausschließlich Negatives gesagt, Verletzendes gesagt, (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe bei der CDU/CSU)


      (Lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)


    Rede von Dr. Hermann Schmitt
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Herbert Wehner


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)





      (Beifall bei der SPD und der FDP)


      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      haben ihn hier demütigend behandelt — bitte, es ist jedermanns Sache, auch eines Vertragspartners Sache, sich in dem Umgang zurechtzufinden, den Sie ihm angedeihen lassen —, Sie haben über diesen Vertragspartner Volksrepublik Polen soviel Negatives gesagt und auch sagen lassen, daß es unvermeidlich ist, sich zu fragen, wie Sie denn den Umgang mit Polen eigentlich meinen: Das ist ein „diktatorisches Regime", das sind „natürlich Kommunisten", die „Bischöfe wären viel besser" ; alles Mögliche kann man sich zusammenflicken aus der heutigen Debatte.

      (Zurufe von der CDU/CSU)

      — Bitte sehr, gucken Sie doch nach. Falls Sie das nicht herauskorrigiert haben, dann finden Sie das alles darin. Und rundherum wird ja noch vielmehr gesagt. Es sei Ihnen ja auch unbenommen. Sie sind ja völlig frei. Sie erfinden fortgesetzt neue Dinge
      und fragen nicht danach, welches Maß von Demütigungen — so nenne ich das — Sie dem Vertragspartner in einem solchen Streit aufzuerlegen sich bemühen.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      Was soll denn das, daß man dann hört — mit Augenaufschlag und immer genauso schön halblinks von der Mitte —,

      (Heiterkeit bei der SPD)

      daß so viele aus alten Zentrumsfamilien kommen? Ich habe ein Respekt-Verhältnis zu Zentrumsfamilien, und einigermaßen kenne ich mich da auch aus. Nur, wissen Sie, daß man meint, damit sozusagen einen Schein auf Vertrauen beim Vertragspartner Volksrepublik Polen zu haben, das ist wohl ein wenig — wenn ich es mir so zu nennen erlauben darf — naiv. Aber es ist natürlich berechnet.

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      Sie sagen, hier seien ja „alle Seiten" für die „Aussöhnung". Ja, was bedeutet das aber dann für Sie faktisch, wenn Sie sagen: Das darf aber nicht Geld kosten, und das muß s o sein. Sie geben ja auch Zahlen an. Das geht bis in die 900 000, die dort konstituiert werden sollen. Bei der Gelegenheit versetzen Sie der SPD auch noch einen Schlenker wegen deren Programmsatzes über Volksgruppenrecht — was tatsächlich unser Ziel ist: ein demokratisches Volksgruppenrecht, d. h. ein Europa und Verhältnisse untereinander in Europa und in anderen Ländern, auch außerhalb Europas, die es ermöglichen, zu einem demokratischen Volksgruppenrecht zu kommen. Ich habe das kürzlich hier auch zitiert. Da hat sogar einer aus Ihren Reihen gesagt, dafür sei er auch. Na gut; nur: das können Sie doch wohl nicht unter völliger Ignorierung der tatsächlichen weltmachtpolitischen Verhältnisse mit dem Zeigefinger „Da gibt es ja gar keins!" zum Gegenstand des Entdeckens machen.
      Sie sagen z. B., kein namhafter polnischer Politiker habe von Versöhnung gesprochen. Als ich mir heute morgen eine Frage dazu erlaubt habe, wurde gesagt, es seien Regierungsmitglieder gemeint. Nun habe ich inzwischen natürlich — so etwas fliegt einem dann ja zu — den „Kölner Stadtanzeiger" vom 17. Februar 1976 erhalten, also eine ziemlich neue Ausgabe, in dem es u. a. heißt „Warschau: Chance wäre vertan", die Glaubwürdigkeit sei in Gefahr. Dort steht auch die Äußerung des polnischen Außenministers Olszowski, welche die polnische Nachrichtenagentur PAP verbreitet hat: Ein solcher Schritt würde außerdem nicht nur in den Augen der polnischen Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik in der Frage der Versöhnung mit Polen verlorengehen lassen" . Hier steht „Versöhnung". Also habe ich nun auch den Rang getroffen.
      Im übrigen: Ich habe heute morgen nach Herrn Stomma gefragt, nicht um Sie in Verlegenheit bringen zu wollen, meine Damen und Herren. Sie kann man ja nicht in Verlegenheit bringen, weil das, was unsereiner Ihnen sagt, von vornherein abgestempelt ist. Nun gut, gehen wir so miteinander um. Ich jedenfalls habe mir noch einmal das Protokoll der



      Wehner
      202. Sitzung von Mittwoch, dem 26. November 1975, herausgenommen.

      (Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

      — Den Witz können Sie sich ersparen. Ich wollte nur sagen: Die Sitzung begann mit einem Nachruf auf den verstorbenen Herrn Kollegen Dr. Friedrich Beermann, verehrter Herr. Lassen Sie Ihre blöden Witze!

      (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

      Da habe ich gefunden — ich bin dann auch in den Besitz einer ordentlichen deutschen Übersetzung gekommen —, daß der Sejm-Abgeordnete Stanislaw Stomma sowohl in TYGODNIK POWSZECHNE geschrieben als auch im Sejm über den Eindruck gesprochen hat, den auf ihn die Erklärung gemacht hat, welche der Abgeordnete Friedrich Beermann seinerzeit bei der Abstimmung über den Warschauer Vertrag am 17. Mai 1972 abgegeben hat. Ich habe sie mir aus dem Protokoll herausgenommen. Ich will Ihnen das nicht zumuten. Es gibt vielleicht den einen oder den anderen — vielleicht auch die eine oder die andere —, die sich diese erschütternde Erklärung — es könnte ja auch einmal ein Dienst dazu geleistet werden — ansehen, über die natürlich jemand, der so wie Sie dahinten gebaut ist, feixen mag. Diese Erklärung beginnt mit dem, was er als Leutnant, der am 1. September 1939 im Dienst über die Grenze nach Polen marschiert ist, bei der Begegnung mit dem ersten Gefallenen auf der Gegenseite — Polen
      — erlebte und wie ihn das verfolgt hat. Beermann war ja ein Soldat, und ich kenne ihn lange genug, um das auch mit Respekt beurteilen zu können. Er hat damals erklärt:
      Wenn wir diesen für uns so beschämenden Zeitabschnitt
      — er meinte den Krieg und das, was am Ende des Krieges vice versa geschehen ist, was die einen den anderen angetan haben —
      Revue passieren lassen, so sollten wir ganz tief und innerlich und ohne jeden Vorbehalt auch für das uns angetane Unrecht Vergebung gewähren, Vergebung gewähren für die Tausenden von Toten, als sich bei Kriegsbeginn aufgespeicherter polnischer Volkszorn gegen die dort ansässige deutsche Bevölkerung entlud.
      Der eine oder andere wird es nachlesen. Der Stomma-Artikel ist ein bewegender Artikel. Daß er in einem Land wie dem dort geschrieben wurde und daß in ihm Beermanns gedacht wurde als eines deutschen Abgeordneten, der aus dem Militär — zuletzt im Range eines Generals — kommt, ist bemerkenswert.

      (Zurufe von der CDU/CSU)

      Das darf man ja wohl sagen, verehrte Unruhige, auch wenn der Beermann rot war. Das war unser Mann, er war ein Sozialdemokrat, er war ein guter Soldat, und er war ein guter Abgeordneter.

      (Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/ CSU]: Sie haben ihn beschimpft! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

      Ein solcher Mann wurde von einem polnischen Abgeordneten dafür gerühmt,

      (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Er ist von Ihnen beschimpft worden!)

      daß die stärkste Antriebskraft der Geschichte die moralischen Strömungen sind, genau das, was Beermann als sein Erlebnis, als Summe seiner Lehren und als Lehre für das Verhalten zwischen Deutschen und Polen herauszufiltern versucht hat und was der andere genau verstanden hat. Bitte, ich gebe es auf; ich will nicht zitieren. Aber sehen Sie einmal zu, ob Sie dort nicht manches finden, was nachdenklich macht, gerade in einem Saal mit Abgeordneten, wo es coutume geworden ist zu sagen, daß alle die Aussöhnung oder die Versöhnung wollen; denn derjenige, der kürzlich auf Ihrer Tagung in Ingolstadt postuliert hat, das sei lediglich ein theologischer Begriff, ist ja nicht hier. Sonst würde er natürlich diese besondere Auffassung, daß das lediglich ein theologischer Begriff sei, auch hier noch darlegen können.
      Meine Damen und Herren, hier ist gesagt worden: Es war nicht Deutschland allein. Das ist wahr. Nur, mindert das eigentlich unsere Verantwortlichkeit?

      (Beifall bei der SPD)

      Nicht im Sinne der Kollektivschuld; ich bitte Sie, mißverstehen Sie mich nicht. Mindert es unsere Verantwortlichkeit, wenn man sagt: Es waren aber noch andere usw.? In diesem Punkt muß ich Sie, auch wenn das keinen Einfluß auf Ihre Stellung zu Ihrer Entscheidung hat, dringend darum bitten, daß Sie sich einmal überlegen, ob das — ich will Ihren Parteinamen gar nicht ironisieren — mit dem Gewissen von Leuten vereinbar ist, die sich auf das Gewissen berufen — das tun wir ja unabhängig von Konfession und Partei sonst alle, wenn es darauf ankommt —, ob es in Ordnung ist, daß man sagt: Es waren ja auch noch andere dabei, und vielleicht hätte unsere Seite das gar nicht gemacht, wenn die anderen nicht dabei gewesen wären. Nein, nein, hier ist vieles, um das man sich Sorgen machen muß.
      Hier ist heute mit großer Beredtsamkeit gesagt worden, was man eigentlich alles mit dem Friedensvertragsvorbehalt machen kann, der nicht genügend berücksichtigt worden sei.

      (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Was man alles machen kann, habe ich nicht gesagt!)

      — Nun wissen Sie, sehr zu ehrender Herr Kollege
      — ich will mich gar nicht in den Streit — —

      (Stücklen [CDU/CSU] : Mertes heißt er!)

      — Es gibt ja mehrere sehr zu ehrende Kollegen; diese darf ich ja wohl einmal insgesamt ansprechen. Ich habe Sie, Herr Stücklen, in diesem Fall nicht gemeint.

      (Heiterkeit bei der SPD)

      Sie nenne ich dann direkt; aber das geschieht meist in anderen Zusammenhängen.
      Ich wollte nur sagen — hierüber brauchen wir gar nicht zu streiten —: Als es darum ging, auszuloten, ob Friedensvertrag oder nicht, haben Ver-



      Wehner
      bündete und die damalige Regierung Gründe gehabt, es nicht zu machen. Die Argumente waren so, daß, wenn man einmal gründlich darüber reden kann, eines jedenfalls einen historischen Kunst- und Denkfehler so großen Ausmaßes ausmacht, daß alles, was sonst bedeutend an diesem Staatsmann war, das nicht aufwiegt, was hier an historischem Kunst- und Denkfehler gemacht worden ist, nämlich: Wenn die jetzt schon mit solchen Vorschlägen kommen, dann werden sie bald mit noch besseren Vorschlägen kommen. So etwas kann auch einem bedeutenden Staatsmann passieren. Vielleicht war es so, daß damals nichts drin war. Nur, das gehört auch der Geschichte an.
      Worum geht es jetzt? Was heißt Friedensvertragsvorbehalt? Ich bitte Sie: Wir haben doch keine Verträge abgeschlossen, weder den Warschauer noch den Moskauer noch einen anderen Vertrag, ohne uns darauf zu berufen, daß sich unsere Rechtsauffassung darin von der unserer Vertragspartner unterscheidet, daß wir auf einen Friedensvertrag hinaus wollen. Nur, tun Sie doch bitte nicht so, als ob wir Leute wären, die nichts für einen Friedensvertrag übrig hätten oder nichts dafür getan hätten. Wir sind doch dafür immer abgeschmiert worden. Brandt hat völlig recht gehabt, als er heute an jene leider nur Episode gebliebene Sache 1961 mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten Kennedy erinnerte. Da ging es nicht um Friedensvertrag schlechthin. Als aber plötzlich die sowjetische Seite reizte, gab es kurzzeitig einen amerikanischen Präsidenten, der sagte: Bitte, dann gehen wir hin. Da hieß es hier in Bonn: Das wünschen wir aber nicht.

      (Zuruf von der CDU/CSU)

      — Ja, sicher. Das ist historisch nachweisbar. Das weiß der Herr auch. Es ist gar nicht notwendig, sich heute abend zu streiten, weil das nichts ändern wird an der Entschlossenheit, die Sie erfüllt, sich zu den konkreten Abkommen, die mehr sind, als daß Sie alle nur sagen können, Sie seien für Aussöhnung, nicht umzubesinnen.
      Als wir heute morgen begannen, hat der Herr Wallmann die SPD, wenn schon nicht beschworen — das liegt seinem Charme nicht —, aber doch sehr bedrängend angesprochen — und ich fand, das war interessant —, sie solle den unsinningen „Fraktionszwang" aufheben. Ich muß sagen. ich habe noch nie ein so tolles Modell für das, was man imperatives Mandat nennen kann, gefunden als jenen Brief des Vorsitzenden der CSU an alle Abgeordneten der CDU/CSU

      (Beifall bei der SPD und der FDP)

      und an alle Ministerpräsidenten, die Mitglieder der CDU/CSU sind. Der Brief war veröffentlicht, ehe die, die er anging, ihn überhaupt gehabt haben.

      (Zurufe von der CDU/CSU)

      Ich verstehe, daß das seine Regie ist. Der braucht auch nie hier herzukommen,

      (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Sie machen sich doch lächerlich!)

      wenn über Polen gesprochen wird.
      Machen Sie bitte ruhig so weiter, meine Damen und Herren. Nur wird eines dabei schwer beschädigt, und ich weiß noch nicht, wie verhindert werden kann, daß diese Sache Schaden nimmt, der nicht wiedergutzumachen ist. Ich will nicht unken, aber ich fürchte, hier richten Sie Schaden an, der nicht wiedergutzumachen ist. Schaden für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und in einer Sache, die humanitär wesentlich ist. Daß Sie mit unseren auswärtigen Beziehungen so umgehen, meine Damen und Herren, macht mir — und ich spreche das Wort selten aus — angst.

      (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)