Rede von
Wolfgang
Mischnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehen Sie, Herr Kollege Mertes, hier unterscheiden wir uns vielleicht; ich hoffe, daß es nicht so ist. Wir haben unseren Rechtsstandpunkt gewahrt. Von dem gehen wir aus. Dies ist uns auch von unseren westlichen Verbündeten bestätigt worden. Warum setzen Sie es dann in Zweifel und arbeiten mit der Auslegung, die Sie vornehmen, den anderen in die Hände?
Dann haben Sie noch gesagt, Herr Kollege Mertes, es gehe nicht um das Geld.
Ich habe das gern gehört. Nur, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen aus der Union: Warum benutzen Sie dann die mit dieser Vereinbarung vorgesehenen finanziellen Leistungen ständig bei der
Auseinandersetzung draußen im Lande als das Hauptargument, um diese Vereinbarung zu kritisieren? Hier liegt doch der Widerspruch zwischen Ihrer Argumentation im Deutschen Bundestag und draußen.
Wenn vorhin der Kollege Reddemann versucht hat, den Artikel in der „Neuen Bildpost" so etwas herunterzuspielen, dann kann ich nur sagen: Daß dieser Stil eben nicht eine einmalige Entgleisung ist, sehen wir doch gerade in der von Ihnen herausgegebenen offiziellen Zeitung „CDU/CSU, MdB, Informationen aus dem Bundestag".
Da heißt es — ich zitiere —:
Mit anderen Worten: Wir verschulden uns um weitere 3 000 Millionen Mark und lassen dafür 180 000 Deutsche im Stich. Oder zahlen in vier Jahren noch einmal in die Kasse des polnischen Chauvinismus.
Diese Methode in einem offiziellen Blatt einer Fraktion ist genau das, was dem Gedanken der Versöhnung Hohn spricht und die Politik dieses Landes erschwert.
Wenn Sie dann weiter unter der Verantwortung von Herrn Reddemann schreiben:
Die Regierung will zahlen und die Menschen vergessen. Wir nicht.
dann ist das eine infame Unterstellung. Wir kämpfen um die Menschen. Wir werden dafür sorgen, daß sie rauskommen, Sie wollen es verhindern. Das ist der Tatbestand und nichts anderes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Carstens, Sie haben uns vorgeworfen, daß hier mit Zahlen gespielt worden sei und daß keine Grundlage für dieses Zahlenspiel vorhanden gewesen sei. Wann sind denn weitere Zahlen eingeführt worden? Das ist doch erst von dem Augenblick an geschehen, als Ihre Kollegen die Behauptung aufstellten, mit der Vereinbarung werde finanziell mehr geleistet, als überhaupt notwendig sei. Erst dann sind weitere Zahlen in die Debatte eingeführt worden. Es wäre besser gewesen, man hätte diese Art Auseinandersetzung sein gelassen.
Wir verkennen nicht die schwierige Situation, in die sich die Opposition durch eine allzu frühe Festlegung, eine allzu frühe Abwehrhaltung selbst gebracht hat. Ich zitiere eine neutrale Stimme aus der Schweiz. Der in Bern erscheinende „Bund" schreibt unter dem 18. Februar:
Vor allem Franz Josef Strauß und seine Anhänger haben diesen Kurs durchgesetzt. Der
Druck, der von ihnen auf jene ausgeübt wird,
15608 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976
Mischnick
die eventuell bereit gewesen wären, die Verträge zu retten, ist unverkennbar.
Sehen Sie, hier ist doch die Fernsteuerung immer sichtbar gewesen. Wenn Sie hier dazwischenrufen, wir übten Fraktionszwang aus,
dann müßten Sie auch nur ein einziges Beispiel als Beweis bringen, daß es in der Fraktion der Freien Demokraten je einen Fraktionszwang gegeben hat. Den hat es nicht gegeben, und den wird es nicht geben. Dessen können Sie sicher sein!
Allerdings sind wir Liberalen auch in der Lage, wenn man sich auf einen gemeinsamen Weg geeinigt hat, diesen durchzustehen. Wenn nun jemand aber eine abweichende Meinung hat, dann haben wir ihm noch nie gesagt: „Jetzt mußt du diese oder jene Funktion niederlegen", wie es Ihren Kollegen aus Ihren Reihen angeraten worden ist. Bei uns hat es das nicht gegeben.
Als der Bundesminister Ertl zu § 218 eine andere Meinung hatte, ist kein Mensch auf die Idee gekommen, auch nur den geringsten Vorwurf zu erheben.
Sie haben es gerade nötig, uns etwas über Fraktionszwang zu erzählen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die „Stuttgarter Zeitung" hat am gleichen Tag wie „Der Bund" das Problem mit folgenden Worten kommentiert — ich zitiere —:
Es grenzt ans Tragische, daß der ohnehin äußerst vielfältige Komplex moralischer, politischer, ideologischer, humanitärer und nicht zuletzt finanzieller Probleme in den Beziehungen zwischen Deutschland und Polen jetzt auch noch mit der Frage belastet wird, ob die Union darüber zerbricht oder ob sie nur im Nein zu einem gemeinsamen Nenner finden kann.
Ich will das nicht vertiefen. Ich will vielmehr unmißverständlich klarstellen: Gerade in Kenntnis dieses schwierigen Sachverhalts werden wir uns auf das Sachthema konzentrieren. Wir sehen, daß sich die übergroße Mehrheit der Opposition im Deutschen Bundestag auf ein Nein festgelegt hat. Wir sehen aber auch, daß für die abschließenden Beratungen im Bundesrat noch ein gewisser Spielraum existiert. Er kann genutzt werden, ohne daß von Inkonsequenz oder Gesichtsverlust geredet werden könnte. Nirgendwo steht ja geschrieben, daß zwischen Bundestag und Bundesrat, sei es nach der einen oder nach der anderen Seite, ein Automatismus gleichgestalteten Abstimmungsverhaltens eintreten muß.
Aber — und das ist bei den Auseinandersetzungen über das Recht des Bundesrats hier bisher nicht
zitiert worden — es steht ausdrücklich in Art. 73 GG — ich zitiere wörtlich —: „Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten." Ich gehe davon aus und ich bin überzeugt, daß Sie alle dies verfassungsgemäß so gehandhabt wissen wollen. Das heißt doch aber logisch: Jeder Ministerpräsident, ganz gleich, welcher parteipolitischen Färbung er ist, wird mehr Verständnis und Zustimmung als Ablehnung finden, wenn er dem Bund läßt, was des Bundes ist, und nicht durch ein Verwaltungsverfahren — und um das geht es doch hier — die von Bundesregierung und Bundestag gewollte Außenpolitik konterkariert. Um diese Frage geht es bei der Auseinandersetzung.
Ich habe von Bundesregierung und Bundestag gesprochen und habe deutlich gemacht, daß dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zusteht. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß der Bundesrat hier ein Recht hat, und füge hinzu: Es ist natürlich eine Verlockung, jetzt über ein solches Rentenabkommen Außenpolitik machen zu wollen. Aber wo steht denn geschrieben, daß man jeder Verlockung nachgeben muß? Man muß das mit Sicherheit nicht.
Hinzu kommt doch die Überlegung, daß in ähnlicher Situation der Ministerpräsident von BadenWürttemberg Reinhold Maier einmal zwar bis zum letzten seine Möglichkeiten als Ministerpräsident ausgereizt hat, als es um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ging, daß er aber mit seiner Stimme dafür gesorgt hat, daß die Verträge hier nicht gescheitert sind. Das war der Unterschied in der Haltung. Da ging es darum, deutlich zu machen, was möglich ist, aber auf keinen Fall dem Bund in außenpolitischen Fragen in den Arm zu fallen. Das ist der Unterschied in der Handhabung gegenüber dem, was wir heute erleben.