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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Vorstellungen auch immer Konrad Adenauer gehabt haben mag, um dieses Ziel seiner Politik zu erreichen und seine Visionen Wirklich-



    Hoppe
    keit werden zu lassen, wir haben uns zu fragen, wie wir diesem Ziel heute in einer veränderten Welt näherkommen können.

    (Beifall bei der FDP)

    Jetzt und heute ist dies aber nur möglich und nur auf dem Weg erreichbar, wie ihn die Bundesregierung mit dem Vertrag von Warschau eingeschlagen hat und wie sie ihn mit den Vereinbarungen von Helsinki konsequent weitergegangen ist.
    Schließlich kommt es gerade im internationalen Maßstab darauf an, jene Epoche zu beenden, die wir mit dem zweiten Weltkrieg heraufbeschworen haben. Bei dem Bemühen, die schrecklichen Folgen der kriegerischen Auseinandersetzung endlich zu überwinden, Haß abzutragen und Leid zu mildern, sind es letztlich nicht die Regierungen, die sich versöhnen, sondern mit Recht ist schon an anderer Stelle darauf hingewiesen worden, daß die Regierungen nur die Verträge schließen, die dazu bestimmt sind, einen gerechten und geordneten Frieden zu sichern. Alle Bemühungen um eine rechtliche Friedenssicherung können aber nur dann Erfolg haben, wenn die Völker ernsthaft eine Aussöhnung anstreben und damit eine solide Basis für friedliche Beziehungen schaffen. Für die sich für uns daraus ergebenden Konsequenzen zeigen die Vereinbarungen von Helsinki zwar keine in jeder Einzelheit zufriedenstellende Lösung auf, aber sie liefern ein vertretbares Ergebnis, mit dem man an dieser Aufgabe aktiv mitarbeiten kann.
    Auch die Opposition sollte sich, wie es dem Deutschen Bundestag insgesamt gut anstehen würde und wie es unserem ganzen Volk verpflichtend zukommt, an jener Aussage orientieren, die im Memorandum des Bensberger Kreises 1968 so formuliert wurde:
    Weder der Versöhnung der Völker noch der Zukunft der Staaten ist gedient, wenn sie Schuldkonten gegeneinander aufrechnen. Dem Frieden dient vielmehr, wenn jede Seite sich bemüht, nicht zu leicht zu wägen, was sie gern vergäße. So werden wir Deutsche uns zu sagen haben, daß die im Namen Deutschlands gegen Polen unternommenen Verbrechen wegen ihrer totalen Ziele, wegen ihres grausam kalt geplanten, staatlich verfügten und organisierten Terrors, wegen der Degradierung und Deklassierung der Polen und wegen ihrer verheerenden Folgen, zu denen die Vertreibung der Deutschen selbst gehört, von solcher Art sind, daß jeder Versuch von Gegenrechnungen verstummen muß.
    Meine Damen und Herren, die Fraktion der Freien Demokraten ist bereit, nach dieser Maxime zu handeln. Es ist an der Zeit, die häufig beschworene Pflicht und Bereitschaft zur Versöhnung endlich in die Tat umzusetzen. Noch so viele Bekundungen zu einer solchen Politik werden blaß und verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn diese Gesinnung nicht durch das politische Verhalten endlich praktiziert wird.
    Auch der Bundesrat muß dies bei seiner Entscheidung bedenken. Der Oppostion ist zu wünschen, daß ihr die Entscheidung im Bundesrat nicht zu einem Kraftakt mißrät, in dem innenpolitische Geschlossenheit und Stärke ohne Rücksicht auf außenpolitische Folgen demonstriert werden sollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Auch die Opposition kann nicht nur von Versöhnung reden; auch sie muß schließlich bereit sein, dafür zu ihrem Teil Verantwortung mitzutragen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Andernfalls, meine Damen und Herren, wird die totale Ablehnung doch immer wieder nur zur Obstruktion ausarten. Eine solche Haltung aber wird auch dann nicht ansprechender, wenn Obstruktion neuerdings offenbar mit C. K. geschrieben werden soll; Carstens und Kohl müßten vor dem Streitwagen der CSU zu einem unglaubwürdigen Gespann werden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie haben auch schon besser formuliert, Herr Hoppe!)

    Wie zahlreiche Kollegen aus meiner und aus anderen Fraktionen gehöre ich zu dem Kreis der unmittelbar Betroffenen. Wenn ich als Handelnder und Duldender zugleich der Ratifizierung der Vereinbarungen von Helsinki und damit dem Vollzug der proklamierten Entspannungspolitik das Wort rede, bin ich mir dabei sehr wohl bewußt, um was es im einzelnen geht.
    Ich bin nicht nur in Pommern geboren und habe bis zum Kriegsende in Stettin gelebt; ich habe später dann auch die in der Gesetzgebung gewählten Bezeichnungen und Attribute „Vertriebener" und „Flüchtling" empfangen. Aber vielleicht bin ich gerade deshalb gemeinsam mit meinen politischen Freunden bereit, den von der Bundesregierung eröffneten und eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende gehen. Mit den Vereinbarungen von Helsinki gilt es zwischen dem durch den letzten Krieg tragisch verstrickten polnischen und deutschen Volk eine Aussöhnung herbeizuführen und die Chance zu einem friedlichen und hoffentlich wieder freundschaftlichen Nebeneinander zu ermöglichen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertes (Gerolstein).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alois Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort an den Kollegen Hoppe. Herr Kollege, von totaler Obstruktion kann überhaupt keine Rede sein. Wir sprechen ein begründetes Nein. Wir haben dies klargemacht. Wir haben deutlich gesagt, unter welchen Voraussetzungen auch wir deutsch-polnischen Vereinbarungen zustimmen könnten. Wenn Sie das als eine totale Obstruktion bezeichnen, dann verstehen wir uns nun auch in diesem Wort nicht mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das große Problem in diesem Hause scheint zu sein,
    daß jeder seine Begriffe souverän selber denkt,
    ob es das Wort „moralisch", ob es das Wort „Ent-



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    spannung", ob es das Wort „Versöhnung" ist. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, daß wir uns in diesen Tagen etwas besser verstehen.
    Zum Moralischen, meine Damen und Herren: Es ist moralisch unerlaubt, den Begriff des Moralischen zu verengen auf einen ganz bestimmten Fall und auf eine ganz bestimmte Problematik. Die Tatsache, daß wir hier im Bundestag sind, hat bei jedem von uns eine moralische Motivation; jedenfalls gehe ich davon aus. Daß sich hier auch andere Motive einmischen, ist etwas Selbstverständliches. Wir sind eben alle schwache Menschen. Aber wir sind in der Sozialpolitik moralisch motiviert, wir sind in der Außen- und Verteidigungspolitik moralisch motiviert, wir sind es in der Deutschlandpolitik — gerade dort sind wir es. Deshalb sollte man den Begriff der „moralischen Entscheidung" nicht auf einen solchen Vertrag so einengen, daß ein falscher Begriff der Sittlichkeit in der Politik entsteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Not des Politikers besteht doch darin, daß sich die großen moralischen Kategorien sozusagen gegenseitig im Wege stehen oder daß sie miteinander ringen.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Die Begriffe „Freiheit", „Frieden", „Gerechtigkeit" sind doch Begriffe, die sich in einer konkreten Situation oft nicht in Übereinstimmung bringen lassen, und es ist die Not des Politikers — ich sage es noch einmal —, auch in einem solchen Falle wie dem jetzigen festzustellen, welches moralische Element denn nun den Vorrang hat.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Friede das allerhöchste Gut wäre, dann hätte Polen 1939 der Erpressung durch Hitler nachgeben müssen. Wenn die Gerechtigkeit das höchste Prinzip wäre, dann würden wir unter Umständen den Frieden gefährden. Wir sollten den Begriff des Moralischen hier sehr vorsichtig gebrauchen und uns nicht gegenseitig einen Mangel an moralischer Motivation unterstellen. Wir sollten uns unsere jeweilige Entscheidung mit Respekt abnehmen. Zu den gefährlichsten Dingen in der Entwicklung unserer Demokratie würde es gehören, meine Damen und Herren, wenn eine Gruppe in diesem Hause in Fragen weltlicher Gesetzgebung und Außenpolitik eine Art moralisch unfehlbaren Richtigkeitsanspruch für sich erheben würde, und wäre er noch so versteckt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Mutter der Parlamente, dem englischen Unterhaus, hatte man im 19. Jahrhundert die gute Übung, auch nach der überzeugtesten und überzeugendsten Rede zum Schluß zu sagen: „Aber, meine verehrten Herren, vielleicht bin ich doch im Unrecht." („But, honourable gentlemen, I may be wrong.") Wenn wir uns das gegenseitig hier nicht mehr konzedieren, Herr Bundeskanzler, ich wende mich vor allen Dingen an Sie, weil Sie in diesen Tagen die Kategorie des unbedingt Richtigen so sehr für sich in Anspruch nehmen, dann wird die Intoleranz in diesem Hause einziehen; die Demokratie lebt davon, daß es einen unfehlbaren Richtigkeitsanspruch in der Politik nicht gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, ich halte es gerade unter moralischem Blickwinkel für höchst problematisch, den Begriff der Versöhnung und den Begriff des Friedens an ein so konkretes Vertragsinstrument zu ketten. Wir haben das schon einmal erlebt. Damals war es auch die Sozialdemokratische Partei, die sagte: „Wir dürfen doch die deutsch-französische Versöhnung nicht ketten an ein bestimmtes Saar-Statut, wie es jetzt vorliegt und zur Abstimmung steht." Das taten damals einige französische Politiker. Ich habe in jener Zeit selbst öffentlich mit Jakob Kaiser erklärt, daß es unmöglich und auch moralisch nicht vertretbar ist zu sagen: Wenn dieses Statut nicht durchgeht, dann ist irreparabler Schaden in den deutsch-französischen Beziehungen entstanden, dann ist die Versöhnung auf das höchste gefährdet. So können auch Sie heute als verantwortliche Politiker in diesem Hause nicht sprechen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Außenpolitik der Staaten wird durch ihre Interessen bestimmt. Hier gibt es nicht Altruismus, sondern hier gibt es eine vernünftige Vertretung der Interessen des eigenen Staates, und ich bin fest davon überzeugt, daß die Vertretung der eigenen Interessen der Volksrepublik Polen für die polnische Regierung der entscheidende Maßstab ist. Das wird auch gelten, sollte es nicht zu diesem Abkommen kommen.
    Lassen Sie mich ein Wort zu dem Problem des Menschlichen sagen, ich meine zu den Problemen, die die Menschen in Polen selbst angehen. Vergegenwärtigen wir uns doch die eigentliche Sachlage! Nach 1956, d. h., nach der Machtergreifung Gomulkas — ich bitte um Entschuldigung wegen des Wortes; ich vergleiche diesen Vorgang nicht mit der Machtergreifung von 1933 —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Machtwechsel! — Wehner [SPD] : Macht sich aber so schön!)

    — haben Sie zugehört, was ich anschließend gesagt habe? —

    (Wehner [SPD]: Ja, ja! Mit Genuß!)

    — sehr schön —, hat es das Deutsche Rote Kreuz, hat es das Internationale Rote Kreuz in enger Kooperation mit der Bundesregierung von 1956 bis 1969 erreicht, daß etwa 350 000 Menschen, Deutsche nach deutschem Recht, in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen konnten. Es ist einfach unerhört, uns zu unterstellen, wir hätten für diese menschliche Frage kein Organ.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann kam die große Wende. Das war der Winter 1969/70, das waren die Verträge der Regierung Brandt/Scheel. In dieser Situation, als die Bundesregierung bereit war, große politische und wirtschaftliche Konzessionen an die Volksrepublik Polen zu machen, war der Moment gekommen, die Frage der noch in den Oder-Neiße-Gebieten lebenden ausreisewilligen Deutschen endgültig zu klären.



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    Der damalige Bundesaußenminister hatte offensichtlich den Eindruck, dies sei gelungen. Er hat uns erklärt, daß diese Ausreisewilligen jetzt zahlenmäßig unbegrenzt ausreisen dürften. Das Problem bei den Ostverträgen und eben auch bei der „Information" war doch — das war damals unsere fundamentale Kritik, und sie hat sich als richtig erwiesen —, daß diese Verträge in wesentlichen Punkten mehrdeutig sind und Anlaß zu neuem Streit geben. Der zweite Punkt — und das gilt auch für dieses Thema — war, daß unsere Leistungen unwiderruflich sind, die Leistungen der anderen Seite aber widerruflich. Und das Dritte war, daß die Gegenleistungen der anderen Seite jeweils nicht im Vertrag selbst standen, sondern in Nebenabreden. — Damit wir uns nicht mißverstehen, Herr Bundesaußenminister: ich sehe in dem Protokoll keine Nebenabrede, und ich möchte ausdrücklich sagen, daß alles, was Sie über die Verbindlichkeit des Protokolls und über die Verbindlichkeit der Information von 1970 zum Ausdruck bringen, unsere volle Zustimmung findet. Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Sieht auch die Regierung der Volksrepublik Polen dies so? Das war doch unser Problem bei all diesen Verträgen und bei der KSZE-Schlußakte. Wenn ich in diesen Tagen so ungefähr täglich lese, daß unserer Regierung Vorhaltungen wegen Nichteinhaltung der KSZE-Schlußakte gemacht werden, so doch nicht deshalb, weil wir früher darauf hingewiesen haben. Das war doch zu erwarten.
    Hier noch ein Wort an Sie, Herr Bundesaußenminister: Wir stellen in diesem Zusammenhang in keiner Weise die Vertragstreue der Regierung der Volksrepublik Polen in Frage. Wir fragen uns nur: Warum hat die polnische Regierung in bestimmten Fragen dem Dokument nicht den formalen Rang gegeben, den wir gewünscht haben? Ich nehme an, weil sie sich auf einem guten Rechtsboden eine größere Handlungsfreiheit erhalten wollte. Wir kritisieren bei all diesen Dingen ja nicht die Volksrepublik Polen und ihre Regierung, sondern die schlechte Verhandlung unserer eigenen Regierung, womit ich die politisch Verantwortlichen meine.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie hatte doch den Eindruck erweckt und wohl auch die subjektive Gewißheit, daß es nun weitergehen werde.
    Aber das Zahlenproblem ist hier nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die grundsätzliche Frage nach der Ausreisemöglichkeit. Herr Bundesaußenminister, ich bin etwas enttäuscht darüber, daß Sie in Ihrer Antwort auf die elf Punkte des Bundesrates die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen und die KSZE-Schlußakte als Grundlage für unsere Forderungen politisch-moralisch selber so abwerten.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Leider!)

    Wie ist das möglich? Sie mögen juristisch recht haben, wenn Sie sagen, ein unmittelbarer förmlicher Anspruch sei hier nicht gegeben. Aber wir verstehen nicht, daß diese Regierung, die doch die Schlußakte von Helsinki gerade unterschrieben hat, um diesen Anspruch erheben zu können, diese Texte
    nicht heranzieht. Wenn Sie sagen, es trete ein ungeheurer Schaden für die Menschen ein, wenn diese Abkommen scheiterten, dann muß ich Sie fragen: Was ist denn von Ihrer Auffassung zu halten, daß die Information noch gilt? Entweder gilt die Information noch, und dann ist die Tür nicht zugeschlagen, oder sie gilt nicht mehr.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir brauchen hier klare Äußerungen der polnischen Regierung, nicht nur der deutschen.
    Lassen Sie mich aber dieses Thema verlassen, um zu dem Begriff der Versöhnung zu kommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Versöhnung heißt im Deutschen Verzicht auf Sühne. Versöhnung: das ist die Wiederherstellung eines guten Verhältnisses, das durch gegenseitige Verfehlungen — nacheinander oder gleichzeitig — gestört war. Dabei spielt die frei gewährte gegenseitige Vergebung eine herausragende Rolle. Solcher Sicht gibt der Brief der polnischen Bischöfe von 1965, dem Jahr des Jahrtausendjubiläums der Christianisierung und Staatwerdung Polens, den der Kollege Metzger erfreulicherweise zitiert hat, einen vorbildlichen Ausdruck.
    Das deutsche Wort Versöhnung bedeutet aber auch Einsicht in die Unzulänglichkeit und die Ichbezogenheit der menschlichen Natur. Dieses gilt für Einzelmenschen wie für Völker. Deshalb ist — und so verstehe ich den Kollegen Werner Marx — Versöhnung letzten Endes eine religiös-theologische Kategorie, angesichts derer der Politiker seine Grenze erfährt. In seiner nüchternen Sicht des Menschen und in seiner Heilsbotschaft sehe ich den Kern des Christentums, nicht in moralischen Rezepten für konkrete politische Probleme, oder gar in moralischem Pharisäismus gegenüber anderen, wenn ich das einmal sagen darf.
    Wir alle, die wir als junge Menschen die Zeit des Nationalsozialismus mitgemacht haben, haben doch nach 1945 darüber nachgedacht: Wie konnte es dahin kommen? Die Antwort, die wir uns gaben, lautete: Das Leid begann doch nicht am 1. September 1939, als Polen überfallen wurde. Das Leid begann auch nicht am 23. August 1939, als zwischen der Sowjetregierung und der deutschen Reichsregierung ein Beschluß über die gemeinsame Vernichtung des polnischen Staates gefällt wurde. Das muß immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Die volle geschichtliche Wirklichkeit muß immer wieder in Erinnerung gerufen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Leid fing auch nicht an, als auf dem Rücken der Tschechoslowakei ein sogenannter Friede hergestellt wurde. Das Leid wurde grundgelegt im Jahre 1933, als das bis dahin ohne totalitäre Erfahrungen lebende deutsche Volk einem Regime in den Sattel half, das anschließend seine Schreckensherrschaft begann.
    Ein Mann wie Theodor Heuss, der dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hat, hat dieses als die bitterste Erfahrung seines Lebens angesehen. Auch er war bei seiner Entscheidung subjektiv moralisch und menschlich motiviert angesichts der großen sozialen



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    Not in Deutschland. Das steht doch nicht zur Debatte. Zur Debatte steht die Frage, welche Konsequenz müssen wir aus dieser Erfahrung — was nicht mit Schuld gleichzusetzen ist — ziehen?
    Es ist die folgende: Niemals mehr dürfen freie Menschen, dürfen Demokraten auf deutschem Boden totalitäre Herrschaft anerkennen oder fördern; denn in totalitären Herrschaftsräumen werden die Menschen aus Not anpasserisch und feige. Die Quintessenz unserer historischen Erfahrung ist doch gerade dies: Es darf nicht mehr eine strukturelle Situa tion auf deutschem Boden entstehen, in der so etwas möglich ist. Das Entscheidende ist nicht das ständige Nachbohren in den einzelnen Verbrechen. Nichts darf vermindert werden, was böse auf dieser Erde war oder ist. Aber es darf nicht selektiv behandelt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es muß „Der SS-Staat" von Eugen Kogon gelesen und an unsere Jugend verteilt werden. Und mit dem „SS-Staat" muß gleichzeitig der „Archipel GULAG" von Alexander Solschenizyn verteilt werden. Und beide Bücher müssen aufmerksam gelesen werden!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer den „SS-Staat", das Buch von Eugen Kogon,
    unterschlägt und nur auf den „Archipel GULAG"
    hinweist, der ist moralisch nicht im Gleichgewicht.

    (Reddemann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wer aber nur auf den lange zurückliegenden „SS-Staat" sieht und ihn verurteilt und aus „politischem Realismus" — das war doch auch das Entschuldigungswort in den dreißiger Jahren — über das noch existierende Unrecht schweigt, der macht sich nach unserer Auffassung moralisch unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darum geht es in der Deutschlandfrage. Unser ganzes Festhalten am Friedensvertragsvorbehalt ist doch keine juristische Marotte. Das Recht ist ebenfalls etwas Moralisches und etwas Humanes. Es ist etwas, was den Menschen schützt. Es war das nationalsozialistische Deutschland, das im Namen der Macht das Recht anderer niedergewalzt hat, und jetzt kommen wir in die Gefahr, daß wir im Namen der Macht anderer das eigene Recht zu gering schätzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Brandt, hier ist meines Erachtens das fundamentale Mißverständnis zwischen Ihnen und uns, daß Sie das Juristische, daß Sie das Rechtliche, das Verfassungsmäßige, das Völkerrechtliche als Zwirnsfäden abtun, die Sie in Ihrer großen Konzeption hindern. Sie machen etwas, was die Sowjetunion und was die Regierung Polens niemals tun wird. Ich habe den Eindruck, daß diese Regierungen immer mit äußerster Präzision arbeiten, und zwar aus Gründen der Vertretung der eigenen Interessen.
    Herr Kollege Brandt, die Mißachtung des Rechts war die Einleitung des nationalsozialistischen Terrorsystems,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und die Achtung des Rechts ist eine humane Haltung par excellence. Wenn wir den Friedensvertragsvorbehalt so sehr in Schutz nehmen, dann deshalb, weil er der rechtliche Ausdruck dafür ist, daß e i n Deutschland den Krieg verloren hat und daß mit diesem einen Deutschland eines Tages in Freiheit ein Friedensvertrag abgeschlossen werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn ich die Interessenlage des polnischen Volkes sehe — ich sage jetzt nicht: der polnischen Regierung —, dann gehört ja zu den ganz schrecklichen Folgen der Politik Hitlers, daß Rußland für einen Polen jetzt nicht nur an seiner Ostgrenze steht, sondern daß an seiner Westgrenze ebenfalls russischer Machtbereich ist. Ich als Deutscher, der die Freiheitsbewegung der polnischen Geschichte immer mit Sympathie verfolgt hat, frage mich: Ist es objektiv im polnischen Interesse, in Bonn eine Deutschlandpolitik zu betreiben, in der der Friedensvertragsvorbehalt für ein ganzes Deutschland geschwächt und damit die tiefere Interessenlage des polnischen Volkes meines Erachtens im Mark getroffen wird?
    Herr Bürgermeister Koschnick von Bremen hat im Bundesrat und neulich auch wieder in der Öffentlichkeit daran erinnert, daß es im 19. Jahrhundert gerade die katholischen Bevölkerungsteile in Deutschland waren, die den Unabhängigkeits- und Freiheitswillen Polens nachhaltig verteidigt haben; und er ist enttäuscht, daß dieses jetzt nicht so sei. Herr Bürgermeister Koschnick, ich freue mich über Ihren historischen Hinweis, aber stehen wir heute nicht vor einer völlig anderen Lage? Sie erinnern dann an Georg Herweghs Wort von 1848, das da lautete — bezogen auf die deutschen und die polnischen Patrioten —: Unsere Geschichte ist verbunden; kein freies Deutschland ohne ein freies Polen.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Freies Polen!)

    — Ohne ein freies Polen, so sagte Herwegh, Herr Bürgermeister Koschnick! Das Problem kann ich ganz kurz zusamenfassen: Heute, in grundlegend veränderter historischer Perspektive, muß es heißen
    — vielleicht hätte Herwegh dies auch gesagt — Kein freies Polen ohne ein freies Deutschland. Alles, was an unserer Deutschlandpolitik so hart und so zäh und unerbittlich erscheint: Es ist freiheitlich motiviert, es ist moralisch motiviert, es will die Chance der echten Versöhnung erhalten. Darum geht es.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht doch uns nicht ums Geld. Es geht urn den politisch-moralischen Gesamtzusammenhang. Es geht darum, daß Sie uns mit diesen Vereinbarungen vor eine moralisch unmögliche, eine einfach nicht statthafte Alternative stellen. Das ist die eigentliche Innmoralität der Lage, die Sie geschaffen haben. ich verstehe einen mir befreundeten Kollegen, der sagt: Es ist für mich eine schreckliche Sache, alle Gründe sprechen gegen die Vereinbarungen, aber diese 125000 Menschen können dann nicht kommen! Dies ist eine echte menschliche Motivation, sehr konkret und sehr unmittelbar. Aber ich nehme für mein wohldurchdachtes, wohlbegründetes und verantwortungsbewußt begründetes Nein, das die große Mehrheit meiner Fraktion teilt, denselben Respekt hin-



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    sichtlich unserer menschlichen Motivation in Anspruch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich eine letzte Frage anschneiden, die für unsere außenpolitischen Interessen immer von großer Bedeutung gewesen ist: das ist die Koordination der deutschen Rußlandpolitik mit der deutschen Polenpolitik. Dieses war ein Problem im 19. Jahrhundert, und dieses wird noch lange ein Problem sein. Man darf die deutsch-polnischen bilateralen Beziehungen nicht aus den historischen, nicht aus den kulturellen und nicht aus den Machtzusammenhängen herauslösen. Dieses ist unrealistisch. Ich kann Ihnen nach mehrjähriger Tätigkeit in der Sowjetunion nur sagen, daß die Sowjetunion und auch die Russen als Volk gegenüber allen verstärkten Bindungen Polens an den Westen höchst mißtrauisch sind. Es gibt das Wort Stalins gegenüber de Gaulle vom Dezember 1944, daß zwischen den Deutschen und den Polen am besten immer Streit wäre, und die Sowjetunion werde sich dieser Notwendigkeit mit ihrer Armee annehmen.
    Glauben Sie denn, daß wir diesen deutsch-polnischen Streit nicht ausräumen wollen? Nur: Wenn wir gute Polenpolitik treiben wollen, müssen wir gleichzeitig auch gute Rußlandpolitik treiben. Es war Adenauer, ein Mann Westeuropas, ein Mann, der mit den Polen, mit ihrer Glaubenstreue, mit ihrem Nationalbewußtsein menschlich tief verbunden war, der gerade diesen Machtzusammenhang gegenüber Rußland immer gesehen hat. Die Sowjetunion ist für uns ein ganz entscheidender Partner. Sie ist eine der vier Mächte, die Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin haben. Ihre Macht — oder besser gesagt: ihre politische Zielrichtung und die ihr zur Verfügung stehende Macht — ist die Begründung unserer Sicherheitspolitik. Wir müssen eine verantwortungsbewußte Politik auch gegenüber der Sowjetunion treiben.
    Wenn von sowjetischer Seite gesagt wird, dieses Abkommen mit Polen sei ein guter Schritt, ein Schritt in die richtige Richtung, dann muß ich mir — ich darf es einmal so ausdrücken - doch jetzt schon die mögliche Lage vorstellen können — nicht weil ich unberechtigte Forderungen provozieren will, sondern weil ich die objektive Interessenlage der Sowjetunion sehe: Wird nicht eines Tages der sowjetische Außenminister zum deutschen Außenminister kommen und sagen: „Wir dürfen doch wohl davon ausgehen, daß Sie nicht wie de Gaulle bis 1966 oder wie die CDU-Politik in den 60er Jahren eine spezifisch bilaterale deutsch-polnische Verbindung wollen; Sie, Herr Außenminister, haben in Bonn die Chance, diesen Nachweis zu erbringen, indem Sie die Sowjetunion moralisch und finanziell wie die Polen behandeln?"
    Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir schießen hier keine Eigentore. Aber es ist doch unsinnig, die Augen vor der politischen Interessenlage und der Macht der Sowjetunion zu verschließen. Die Sowjetunion weiß sehr wohl, daß das polnische Volk ein zutiefst westliches Volk ist, genau wie die Tschechen und die Slowaken. Wir müssen die subjektive
    Sorge der Sowjetunion sehen, daß politische Bewegungen wegen dieser inneren Bindungen an Westeuropa eines Tages dazu führen könnten, daß die russischen Interessen — und zwar so, wie Moskau sie sieht, nicht wie wir sie der Sowjetunion mit guten Gründen einreden wollen — zu politischen Gegenbewegungen führen. Dieses — von uns nicht geteilte — subjektive Gefühl der sowjetischen Politik müssen wir sehen. Wie hat sie denn reagiert auf de Gaulles Polenpolitik? Wie hat sie reagiert auf einen eigenen tschechoslowakischen Weg zum Sozialismus? Sie hat gesagt: Dieser eigene Weg gefährdet die Interessen der Sicherheit der Sowjetunion. Gemeint war damit die politische Sicherheit der Sowjetunion, nicht die militärische. Die sowjetische Politik nimmt gerade die moralisch-geistigen Kräfte unseres Volkes und Polens, die den machtpolitischen Zustand als geschichtliche Anormalität ansehen, der nicht halten kann und nicht halten wird, außerordentlich ernst. Infolgedessen müssen wir doch rechtzeitig darauf hinweisen, daß in der Zukunft bestimmte Pressionen auf uns zukommen können. Wir müssen darauf hinweisen, nicht weil wir sie für berechtigt halten, sondern weil sie kommen können.
    Mir hat kürzlich jemand gesagt, das bedeute, schlafende Hunde zu wecken. Meine Damen und Herren, man sollte von den Russen nicht als „Hunden" sprechen. Doch wären sie es, dann machen Sie Ihre Augen sehr weit auf und die Ohren ebenfalls! Scharfblick und Wachsamkeit sind in Moskau mehr als stark entwickelt. Gehen Sie bitte davon aus, daß ich dies in großem Verantwortungsbewußtsein gegenüber Polen und auch gegenüber der Sowjetunion sage. Dieses ist doch der Grund, weshalb wir die Notwendigkeit der Sicherung gegen Präzedenzfälle so stark herausstellen: nicht weil wir sie provozieren wollen, sondern weil es in der objektiven Anlage einer solchen Politik liegt, unter Umständen so etwas zu erreichen. Wir wollen doch nicht in erster Linie die Bundesregierung in dieser Frage tadeln, sondern wir möchten, daß in diese Abkommen objektive Kriterien eingebaut werden, die Risiken objektiv ausschließen.
    Herr Bundesaußenminister, in Ihrer Antwort auf die elf Bundesratspunkte widersprechen Sie sich offen. So sagen Sie beispielsweise im Punkt 5, vergleichbare Abkommen seien mit den und den Staaten abgeschlossen worden. In Punkt 11 sagen Sie, dieses deutsch-polnische Abkommen sei ein ganz spezifisches, also ein nicht vergleichbares Abkommen. Das widerspricht sich. Wegen der Kürze der Zeit will ich weitere Schwächen Ihrer Antwort nicht im einzelnen darlegen. Aber darauf muß noch eingegangen werden. Aber gerade in der Präzedenzfrage bitte ich doch zu verstehen, daß das nicht eine juristische Marotte ist, sondern daß wir, die Opposition, uns hierbei verhalten wie der Wächter auf dem Turm, der weit den Horizont der Zukunft und mögliche Gefahren auf die Stadt zukommen sieht.

    (Lachen bei der SPD)

    Es ist die Pflicht der Opposition, auf gefährliche Risiken hinzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Mertes (Gerolstein)

    Zur Versöhnung mit Frankreich, zur Versöhnung mit Israel und zur Versöhnung mit Polen noch ein Wort. Es wird immer wieder gesagt: Es war hohe Zeit, daß nun endlich mit dem Verbalismus der deutsch-polnischen Versöhnung Schluß gemacht wurde und daß sie jetzt konkret werden müsse. Herr Minister, eines war heute morgen in Ihrer Rede nicht gut. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, und ich habe manchem innerlich zustimmen können. Aber ich habe Ihnen nicht zustimmen können, als Sie sagten: „Der Friedenswille darf nicht abstrakt bleiben." Natürlich darf er nicht abstrakt bleiben. Aber wir machen doch konkrete Vorschläge.

    (Bundesminister Genscher: Die Versöhnung darf nicht abstrakt bleiben!)

    — Natürlich, auch die Versöhnung darf nicht abstrakt bleiben.