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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 224. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 15531 A Begrüßung des Präsidenten und einer Delegation der Verfassunggebenden Versammlung der Republik Portugal 15531 A Begrüßung des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan mit seiner Begleitung 15550 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 — Drucksache 7/4310 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/4733 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4731 — Schmidt (Kempten) FDP . . . 15531 C, 15576 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU (zur GO) . . 15535 C Sund SPD (zur GO) . . . . . . . . 15536 B Genscher, Bundesminister AA 15536 C Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 15540 C Metzger SPD . . . . . . . . . . 15544 C Hoppe FDP 15548 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 15551 D Brandt SPD . . . . . . . . 15559 D, 15622 B Dr. Jaeger CDU/CSU . . . . . . . 15564 C Sund SPD 15570 C Franke (Osnabrück) CDU/CSU . . . . 15574 C Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 15577 B, 15623 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . . 15583 D Schmidt, Bundeskanzler . . . 15588 C, 15619 A Dr. Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz . . . 15599 C, 15620 D, 15622 D Mischnick FDP 15606 B Wehner SPD 15609 D Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . 15612 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15616 C Dr. Hupka CDU/CSU 15624 A Dr. Czaja CDU/CSU . . . . . . . . 15626 C Schlaga SPD 15629 A Dr. Schweitzer SPD (Erklärung nach § 59 GO) 15631 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 Reddemann CDU/CSU (Bemerkung nach § 35 GO) 15633 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 15612 C, 15634 B Namentliche Abstimmung 15631 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes — Drucksache 7/4577 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 7/4740, 7/4744 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 — Drucksache 7/4687 —Schmidhuber CDU/CSU . . . . . . . 15634 C Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 15636 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . . 15637 A Zywietz FDP .. . . . . . . . . . 15638 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes — Drucksache 7/4323 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/4728 — 15641 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren — Drucksache 7/4178 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/4718 — 15641 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze - Drucksache 7/4174 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/4737 — . . . . . . . . 15641 C Erste Bratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 7/4684 — 15641 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/4686 — . . . . . . . . 15641 D Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1973 — Drucksache 7/4306 — Frau Pieser CDU/CSU 15642 A Haehser, Parl. Staatssekretär BMF . . 15644 D Dr. Sperling SPD 15646 A Hoppe FDP 15646 C Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts 1975 der Bundesregierung — Drucksache 7/4460 - . . . . . . . . 15647 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Schaffung eines einheitlichen und umfassenden Jugendgesetzbuchs — Drucksachen 7/1019, 7/4697 — 15647 B Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 7/4708 — . . . . . 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 4/76 — Besondere Zollsätze gegenüber Israel — EGKS) — Drucksache 7/ 4674 — 15647 C Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 12/75 — Erhöhung des Zollkontingents 1975 für Elektrobleche) — Drucksache 7/4685 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Un- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 III terrichtung vorgelegten Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag — Drucksache 7/3267, 7/4720 — . . . . .15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzauschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr von bestimmten Verkehrsmitteln — Drucksachen 7/4316, 7/4679 — 15647 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4342, 7/4688 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis — Drucksachen 7/4300,7/4689 — 15648 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien (66/403/EWG) und (70/458/EWG) über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln und mit Gemüsesaatgut — Drucksachen 7/4277, 7/4690 — 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWG auf die französischen überseeischen Departements — Drucksachen 7/4341, 7/4691 —15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch — Drucksachen 7/4351, 7/ 4692 — . 15648 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission zur Kodifizierung im Reissektor — Drucksachen 7/4353, 7/4693 — 15648 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern — Drucksachen 7/4052, 7/4724 — 15648 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder für den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt — Drucksache 7/4753 — . . . . . 15648 D Nächste Sitzung 15648 D Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15649* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer SPD nach § 59 GO . . . . . . . . . 15649* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 15531 224. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 20. 2. Dr. Aigner * 20. 2. Dr. Artzinger * 20. 2. Behrendt * 20. 2. Biermann 20. 2. Dr. Dregger 20. 2. Entrup 20. 2. Dr. Eppler 20. 2. Prof. Dr. Erhard 20. 2. Flämig * 20. 2. Frehsee * 20. 2. Gerlach (Emsland) * 20. 2. Hussing 20. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 2. Dr. Kreile 19. 2. Dr. Klepsch * 20. 2. Lange * 20. 2. Dr. Lauritzen 20. 2. Lautenschlager * 20. 2. Lücker * 20. 2. Dr. Marx 20. 2. Mattick *** 20. 2. Memmel * 20. 2. Müller (Mülheim) * 20. 2. Frau Dr. Orth 20. 2. Schmidt (München) * 20. 2. Schonhofen 20. 2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 20. 2. Dr. Schwörer * 20. 2. Seibert 20. 2. Spilker 19. 2. Springorum * 20. 2. Strauß 20. 2. Suck * 20. 2. Tönjes 20. 2. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 2. Dr. Wagner (Trier) 20. 2. Walkhoff * 20. 2. Frau Dr. Walz * 20. 2. Frau Dr. Wolf 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schweitzer (SPD) nach § 59 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und UnfallAnlagen zum Stenographischen Bericht versicherung nebst der Vereinbarung hierzu vom 9. Oktober 1975 (Drucksache 7/4310) Mit meiner Zustimmung zu dem gesamten deutschpolnischen Verhandlungspaket möchte ich nicht zuletzt meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß wir endlich aus dem Teufelskreis alter Verwicklungen, Irrungen und Belastungen im deutschpolnischen Verhältnis herauskommen und künftig noch mehr Beiträge zur Verdeutlichung gerade auch des vielen Gemeinsamen zwischen Polen und Deutschen leisten müssen. Es ist für mich erstaunlich festzustellen, daß zumindest ein Teil der CDU/CSU gerade im Zusammenhang mit dem heutigen Thema oft eine Einsicht in große historische Zusammenhänge vermissen läßt. Nur so ist es zu erklären, daß das intern völlig verfehlte Argument ständig in die öffentliche Debatte geworfen wird, wir Deutschen würden jetzt nach dem Warschauer Vertrag zum zweitenmal gegenüber der Volksrepublik Polen „zur Kasse gebeten". Muß es denn stets aufs neue eingehämmert werden, daß wir mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten 1970 gar keinen Preis für Hitlers begonnenen und verlorenen Krieg zahlen konnten, weil der Sieger sich diese Gebiete als Beute längst genommen hatte und keine Macht der Welt sie uns hätte zurückholen können? In der in diesem Hause in den letzten Jahren monoton wiederholten Argumentation eines kleinen Teiles der Opposition klingt doch immer wieder die Linie durch, daß „nicht sein kann, was nicht sein darf", daß mit anderen Worten die alten Gebiete im Osten für uns Deutsche mit allen Konsequenzen nicht endgültig verloren seien, weil wir vor der Geschichte auf sie ein ewig verbrieftes Anrecht hätten. Tatsächlich ist aber doch die Geschichte bis zum Atomzeitalter angefüllt gewesen mit gewonnenen und verlorenen Kriegen, mit der Wegnahme von Gebieten und Bevölkerungsteilen. Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen. Ein Otto von Bismarck war in dieser Beziehung sehr viel nüchterner. So rechnete er in einer heute geradezu prophetisch anmutenden Rede im Deutschen Reichstag 1885 durchaus mit der Möglichkeit, daß eines Tages, „... wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zerschlagen und niedergeworfen ist" ..., Deutschlands Grenze nach einem verlorenen Kriege „bis an die Oder heran" zurückgedrängt werden könnte. Heute sollten wir allen denjenigen, die der Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn nicht nur verbal, sondern tatsächlich denselben historischen Rang beimessen wie der Aussöhnung mit Frankreich nach 1945, sagen, daß Aussöhnung und Normalisierung angesichts der teilweise so schrecklich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen letztlich Leerformeln bleiben und neuen gefährlichen Entwicklungen Platz machen könnten, wenn es nicht gelingt, im deutschen Volk ein besseres Verständnis für Einstellungen und Geschichtsbilder des polnischen Volkes und umgekehrt zu wecken und Geschichtsbilder in beiden Ländern im Interesse der Friedenssicherung in Europa auf einen zumindest niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Zu Recht hat schon vor Jahren die UNESCO in einem 15650* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 224. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1976 berühmten Bericht festgestellt, daß „Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen". Das wollen wir nicht mehr. Dem Ziel eines besseren gegenseitigen Geschichtsbildes dient eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Gemeinschaftsvorhaben von Deutschen und Polen. An dieser Stelle will ich nur eines erwähnen, weil es von der Opposition in diesem Hause wiederholt in sträflicher Weise falsch dargestellt worden ist. Ich meine hier die jüngsten Empfehlungen der sogenannten deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz, die einer besseren Darstellung der deutschpolnischen Beziehungen nach 1945 in den Schulbüchern dienen sollen. Der Kollege Carstens hat hier am 26. November 1975 so getan, als ob diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ausschließlich von „Bevölkerungsverschiebungen" sprechen. Damit sollten offensichtlich die Emotionen von Millionen von Landsleuten geweckt werden, die einmal in diesen Gebieten wohnten. Tatsächlich handelte es sich hier nur um eine Überschrift über einem Abschnitt, in dem völlig korrekt nacheinander von Evakuierung, Flucht — hier ausdrücklich „unter großen Verlusten" — Ausweisung und Zwangsumsiedlung gesprochen wird. Wer hier wider besseres Wissens falsch bzw. unvollständig zitiert, der muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er in Wirklichkeit die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen torpedieren will. Auch Vertriebenenpolitiker sollten sich klarmachen, wie schwer es den polnischen Wissenschaftlern gefallen sein muß, in Polen deutsch-polnische Hinweise z. B. darauf veröffentlichen zu lassen, daß die Bundesregierung bei Abschluß des Warschauer Vertrages „nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland handelte", daß „man in der Bundesrepublik beim staatlichen Neuaufbau an alte deutsche demokratische Traditionen anknüpfen konnte" oder daß die „Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren wiederholt Vorschläge vorlegten, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren". Wir können nur hoffen, daß die deutsche Seite nun doch schneller mit der polnischen gleichzieht, was die Umsetzung der gesamten Empfehlungen in die Praxis betrifft. In Polen ist in dieser Hinsicht schon viel geschehen. Der Bundesrat täte gut daran, statt sich mit seiner derzeitigen Mehrheit auf ein staatsrechtlich mehr als zweifelhaftes Experiment der Einmischung in die Außenpolitik des Bundes einzulassen, die Länderkultusminister aufzufordern, endlich neue Handreichungen zu liefern, mit denen der überholte sogenannte Ostkundeerlaß aus dem Jahre 1956 abgelöst werden könnte. Wer will es verantworten, daß nun auch noch die bisherigen Erfolge in der wissenschaftlich-kulturellen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik aufs Spiel gesetzt, ja vielleicht verspielt werden, und dies gerade 1976, wo wir endlich auch ein Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen wollen, nachdem das Jahr 1975 einen großen Aufschwung in den wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen jeder Art erlebt hat? Was die heute so heftig diskutierten Probleme der Aussiedlerzahlen betrifft, so sollten wir daran objektiv und nüchtern herangehen. Niemand in Deutschland oder in Polen kann sie ganz genau kennen. Jeder, der sich mit dieser Frage an Hand von Unterlagen hier in Deutschland oder in Polen beschäftigt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehmen darf, weiß um die statistischen, aber auch staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und ethnologischen Schwierigkeiten. Auch das mit so viel Fleiß seit Jahren arbeitende Deutsche Rote Kreuz kann Anträge nicht alle fünf Jahre wieder auf den neuesten Stand bringen, sie im übrigen nur entgegennehmen und schon gar nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Wer oder wessen Nachkommen sind schließlich abgesehen von unserem Staatsangehörigkeitsrecht in diesem Teil des europäischen Ostens heute noch als Deutsche zu bezeichnen? Welche Kriterien sind überhaupt für die Beantwortung der generellen Frage anzuwenden, wer mit welchem Anspruch heute zu welcher Nation und zu welchem Volk gehört? Sicher ist für mich auf Grund vieler Gespräche mit polnischen Regierungsstellen, mit polnischen Kollegen aus Wissenschaft und Politik, daß alle polnischen Stellen jetzt enorme organisatorische Anstrengungen unternehmen, um die ganze Frage in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endgültig lösen zu helfen. Die Polen wollen ja selber auf die Dauer keine volksdeutschen Minderheiten — was nach den Erfahrungen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht unverständlich sein mag. Sicherlich treffen daher auch Ergebnisse jüngster Umfragen in Polen zu, wonach weit über 80 % der Bevölkerung die schließliche Ausreise aller in Frage kommenden Personen nach Deutschland wünschten. Wir Deutschen haben keinerlei Veranlassung, den ehrlichen Willen der polnischen Seite zur Vertragserfüllung gerade in diesem Punkte anzuzweifeln. Wer dies dennoch tut, der untergräbt die internationale Vertragsmoral schlechthin. Davor sollten gerade wir uns hüten.
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    Rede von Dr. Walter Wallmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/ CSU-Fraktion hat die uns heute zur Entscheidung vorgelegten Vereinbarungen der Bundesregierung mit der Regierung der Volksrepublik Polen gründlich geprüft. Seien Sie sicher Herr Minister Genscher: Die persönliche Entscheidung und Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten ist in der CDU/ CSU-Fraktion in vollem Umfange gewährleistet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir gehen miteinander in gegenseitigem Respekt um, auch und gerade wenn der einzelne zu einem anderen Ergebnis kommt als die Mehrheit unserer Fraktion. Bei uns gibt es keinen Fraktionszwang.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich rufe Sie in SPD und FDP auf, diesen unseligen Fraktionszwang fallenzulassen und der Gewissensentscheidung freien Raum zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich sagte, wir haben die uns vorliegenden Vereinbarungen gründlich geprüft. Wir haben dies allerdings — das werden Sie verstehen — nach unseren Erfahrungen mit der sogenannten neuen Ostpolitik seit 1969 mit der gebotenen Skepsis getan. Für uns lautet die entscheidende Frage, ob diese Vereinbarungen geeignet sind, Ausgleich und Verständigung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen zu entwickeln, zu fördern und zu vertiefen.
    Herr Außenminister Genscher, Sie haben gesagt, eigentlich müßte die heutige Tagesordnung unter diesem Punkt heißen: Das deutsch-polnische Verhältnis. Ich nehme das auf. Wir, die Christlichen Demokraten und die Christlich-Sozialen treten seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland für einen dauerhaften Ausgleich und eine zukunftsgerichtete Verständigung zwischen Polen und Deutschland ein;

    (Zuruf von der SPD: Verbal!)

    denn wir wußten und wissen, daß das Verhältnis dieser beiden Völker immer noch — 30 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges! — belastet ist. Diese Belastungen wollen wir überwinden. Wir wünschen eine Zusammenarbeit, die beiden Seiten und damit dem Frieden in Europa dient.
    Dazu ist es nötig, daß beide Seiten Verständnis füreinander haben. Wir verstehen, daß Polen in gesicherten Grenzen leben will. Wir haben das in unserer Erklärung zum Warschauer Vertrag am 4. Dezember 1970 klar zum Ausdruck gebracht.
    Darum erwarten auch wir Verständnis, vor allem für unsere Forderung, die Einheit Deutschlands zu-



    Dr. Wallmann
    rückzugewinnen. Dieses Verständnis erhoffen wir gerade vom polnischen Volk, das nach über hundertjähriger Teilung am Ende des ersten Weltkrieges seine Einheit im Zeichen des Selbstbestimmungsrechtes wiedergefunden hat. Gerade Polen müßte deshalb verstehen, daß endgültige Regelungen über Deutschland als Ganzes nicht getroffen werden können, solange die Deutschlandfrage nicht im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes gelöst ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Polen soll wissen, daß die Respektierung des Selbstbestimmungsrechtes auch für die Deutschen das entscheidende Problem ist. Über alle anderen Fragen mag verhandelt werden. Dabei kann für Polen nicht belanglos sein, daß die Bundesrepublik Deutschland klar und unzweideutig auf die Anwendung jedweder Gewalt verzichtet hat und daß dieser Gewaltverzicht gerade von den Vertriebenen in vollem Umfange mitgetragen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Verständnis für den anderen, sagte ich, ist Voraussetzung für einen dauerhaften Ausgleich. Darum wird es Verständigung zwischen Polen und Deutschland nur geben, wenn wir ehrlich miteinander sprechen. Vereinbarungen zwischen Polen und Deutschland müssen auf Klarheit und Wahrheit beruhen. Sie müssen ausgewogen den beiderseitigen Interessen dienen. Diese Grundsätze hat die Bundesregierung schon beim Abschluß des Warschauer Vertrages vom Dezember 1970 — übrigens auch bei Abschluß des Moskauer Vertrages — nicht beachtet.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Sie hat damals einen Vertrag ausgehandelt, der nachher beide Seiten enttäuscht hat. Das um so mehr, als im ostpolitischen Überschwang Erwartungen und Hoffnungen geweckt wurden, die einfach nicht erfüllt werden konnten.
    Der entscheidende Fehler beim Warschauer Vertrag war, daß die Bundesregierung damals darauf verzichtet hat, das wichtgiste deutsche Anliegen, nämlich die Ausreisemöglichkeit für die Deutschen unter polnischer Herrschaft, im Vertrag selbst zu regeln,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß sich die Bundesregierung mit der schwachen Form einer einseitigen und nicht sehr klar formulierten polnischen Erklärung zufrieden gab — der sogenannten Information —, d. h. der Zusage, daß alle ausreisewilligen Deutschen zu uns ausreisen dürfen, wenn sie darauf antragen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Was ist daraus geworden!)

    Dies geschah, meine Damen und Herren, in Kenntnis der schwerwiegenden Gegensätze über die Zahlen, über den Umfang der ausreisewilligen Deutschen. Die Folgen dieser Versäumnisse kennen wir alle, und sie haben die deutsch-polnischen Beziehungen seit 1970, Herr Außenminister Genscher, eben nicht fruchtbar entwickelt, sondern erneut schwer belastet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber aus den Fehlern beim Abschluß des Warschauer Vertrages hat die Bundesregierung offenbar wenig gelernt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Sie ist hier in der Kontinuität, wie der Bundeskanzler Schmidt in seiner Regierungserklärung bereits angekündigt hat, sie ist in der Nachfolge der Regierung Brandt geblieben, in einer ostpolitischen Kontinuität — wir müssen es sagen — des Nachgebens und der Schwäche.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sicherlich, Außenminister Genscher - wir erkennen das durchaus an — bemüht sich um einen realistischeren Kurs in der Ostpolitik. Wir verfolgen das aufmerksam, auch mit Hoffnungen. Aber um so enttäuschter sind wir, daß auch den neuen Vereinbarungen mit Polen jene Ausgewogenheit und Klarheit fehlt, die wir im beiderseitigen Interesse - auch wir sagen, Herr Minister Genscher: im beiderseitigen Interesse —, aber ganz besonders im Interesse der betroffenen Deutschen für nötig halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sagte, am Anfang unserer Beziehungen zur Volksrepublik Polen muß Aufrichtigkeit stehen. Deswegen hat die CDU/CSU-Fraktion erklärt, welche Grundsätze bei der Regelung der Beziehungen mit Polen beachtet werden müssen, um ein tragfähiges Fundament für Ausgleich und Verständigung zu schaffen.
    Erstens. Den Deutschen in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße muß nach verbindlich vereinbarten Kriterien die Ausreisemöglichkeit offengehalten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zweitens. Denjenigen Deutschen, die in ihrer Heimat bleiben wollen, muß jedenfalls ein Mindestmaß der elementaren Menschen- und Gruppenrechte garantiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Die verabredeten Leistungen müssen für beide Seiten rechtsverbindlich sein, und sie müssen gleichen rechtlichen Rang haben.
    Viertens. Leistungen und Gegenleistungen müssen von beiden Vertragspartnern Zug um Zug, d. h. über einen gleichen Zeitraum, erbracht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diesen Grundsätzen werden die Abmachungen, die wir heute beraten, nicht gerecht. Ich will das nur an wenigen Beispielen verdeutlichen.
    Der Bundesaußenminister hat bereits darauf hingewiesen, daß wir einen Finanzkredit in Höhe von einer Milliarde DM gewähren. Die erste Rate von 340 Millionen DM haben wir bereits gezahlt, die zweite und dritte Rate sollen in diesem und im nächsten Jahr überwiesen werden. Der Zinssatz beträgt — äußerst günstig — 2,5 %. Die Rückzahlung soll in 20 gleichen Raten erfolgen, beginnen 1980, endend am 15. November 1999. Für uns — die Bundesrepublik Deutschland — fallen angesichts



    Dr. Wallmann
    dieser günstigen Zinsbedingungen noch Zinssubventionen in Höhe von etwa 950 Millionen DM an.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Die Bundesregierung verpflichtet sich außerdem, unmittelbar nach der angestrebten Ratifikation des Abkommens zur Abgeltung angeblich bestehender Renten- und Unfallversicherungsansprüche pauschal 1,3 Milliarden DM zu zahlen; darauf wird Herr Kollege Franke (Osnabrück) im einzelnen noch eingehen Aber insgesamt: Wir sollen 2,3 Milliarden DM zahlen, und wir werden außerdem tast 1 Milliarde DM an Zinskosten zu tragen haben.
    Worin soll nun die Gegenleistung Polens bestehen? In der Gewährung der Ausreise für 120 000 bis 125 000 Deutsche aus den Oder-Neiße-Gebieten bis zum Jahre 1979. Meine Damen und Herren, eines ist doch zwischen uns sicherlich unstreitig: Das Recht auf Freizügigkeit haben nach der allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen, nach den Menschenrechtspakten und den feierlichen KSZE-Erklärungen alle Menschen in dieser Welt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht wir verletzen die Menschenrechte, wenn wir darauf hinweisen, daß das Menschenrecht auf Freizügigkeit vielen unserer Landsleute in Polen heute noch vorenthalten wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und nicht nur das. Sie werden mit ihren Angehörigen vielfältigen Schikanen ausgesetzt. Sie verloren in den vergangenen Jahren ihren Arbeitsplatz, andere mußten ihr Studium aufgeben, viele bekamen nicht einmal Fürsorgeunterstützung.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wer von Aussöhnung spricht, meine Damen und Herren, darf diese Wahrheit nicht unterschlagen, so wie wir das Unrecht nicht leugnen, das im deutschen Namen geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In dieser Debatte muß eine weitere Tatsache erwähnt werden. Die polnische Regierung hat leider die von ihr 1970 in der von mir bereits erwähnten „Information" übernommene Verpflichtung, nämlich Deutsche, die dieses wollen, in die Bundesrepublik ausreisen zu lassen, nur zu einem geringen Teil und nur äußerst willkürlich erfüllt.

    (Werner [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Zahl der Aussiedler, die seit 1970 zu uns kommen konnten, spricht eine deutliche Sprache.
    Ich nenne nur ein paar Zahlen. Im Jahre 1975, im vergangenen Jahr, kamen 7 041 Deutsche zu uns in die Bundesrepublik. Von ihnen kamen aber nur 5133, wie die Polen sagen, „legal". 1 908 Menschen, fast 2 000, sind „illegal" gekommen, d. h.: nicht mit einer Ausreisegenehmigung, sondern sie sind von Besuchen nicht zurückgekehrt oder geflohen. Im Durchschnitt mußten die Menschen, die „legal" ausreisen durften, fünfmal einen Ausreiseantrag stellen, ehe sie die Genehmigung zur Ausreise erhielten.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In den letzten drei Jahren sind 23 771 Menschen, Deutsche, zu uns in die Bundesrepublik übergesiedelt. Aber auch davon nur 17 222 mit polnischer Ausreisegenehmigung. Die anderen, 6 549, kamen nach polnischer Auffassung „illegal". Dies ist die bittere, die traurige Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir miteinander reden, müssen wir diese Wahrheit selbst sagen wie auch Wahrheit entgegennehmen. Nur dann werden wir Ausgleich und Verständigung erreichen das wollen wir doch gemeinsam.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, wir sollten uns auch an einen weiteren Vorgang erinnern. Beim Besuch des polnischen Außenministers Olszowski in Bonn wurde am 7. Dezember 1973 eine nach Aussage von Staatsminister Moersch zwischen der deutschen und der polnischen Delegation abgestimmte Erklärung veröffentlicht. In ihr wurde mitgeteilt, daß zunächst im Jahre 1974 50 000 Menschen die Aussiedlung nach Deutschland gestattet werde. Auch diese Zusage blieb unerfüllt. Es konnten nur 7 827 Menschen zu uns kommen.
    Warum sind, meine Damen und Herren, die von der Bundesrepublik Deutschland zu erbringenden Leistungen in förmlichen völkerrechtlichen Verträgen festgeschrieben, während die in Aussicht gestellten Ausreisen nur in einem Protokoll festgehalten wurden? Warum sollen die deutschen Zahlungen an Polen innerhalb von zwei Jahren erfolgen, während sich die polnische Gegenleistung, Gewährung der Ausreise für 120 000 bis 125 000 Menschen, über den doppelten Zeitraum von vier Jahren, nämlich bis 1979, erstrecken soll?
    Meine Damen und Herren, wieder wird versucht, mit Hoffnungen und Erwartungen die tatsächlich bestehenden schweren Mängel der Vereinbarungen zuzudecken. Denn die Regierung weiß ganz genau, daß wir und unsere Mitbürger die Frage stellen, was denn eigentlich mit denjenigen wird, die bis 1979 nicht ausreisen dürfen. Die Bundesregierung antwortet darauf — der Herr Bundesaußenminister hat es soeben noch einmal getan —, indem sie die Behauptung aufgestellt hat, es gebe eine Offenhaltungsklausel im Ausreiseprotokoll. Aber, Herr Außenminister, diese klare, eindeutige Regelung fehlt eben. Es wird lediglich festgestellt, daß auch ab 1979 Ausreiseanträge gestellt werden können. Aber, meine Damen und Herren, es kommt — darin stimmen wir doch hoffentlich miteinander überein — nicht darauf an, daß Anträge gestellt werden dürfen,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Blanker Hohn!)

    sondern daß sie auch genehmigt werden. Daran hat es in den vergangenen Jahren gefehlt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn die Bundesregierung nun behauptet, nach dem Ausreiseprotokoll sei die Möglichkeit zur Ausreise für Deutsche auch nach 1979 gesichert, so muß



    Dr. Wallmann
    ich Ihnen, verehrter Herr Außenminister, sagen, daß sich diese Aussage vom Wortlaut her nicht begründen läßt. Wenn die Bundesregierung sagt, die Formulierung bedeute eine Offenhaltungsklausel, so kommt es doch zunächst darauf an, ob auch die polnische Seite dies so versteht.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Das hat sie doch gestern ausdrücklich erklärt!)

    Gibt es dieses Einverständnis, so frage ich, warum es nicht deutlich formuliert worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum formuliert man zweideutig und verlangt von uns, eindeutig zu verstehen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Immer die gleiche Frage!)

    Im übrigen gibt es Anzeichen dafür, daß Polen der Meinung ist, nach vier Jahren sei das Ausreiseproblem erledigt. So hat der polnische Vize-Außenminister Czyrek vor wenigen Tagen einer Delegation der Jungen Union des Saarlandes erklärt, auch nach Ablauf der vier Jahre werde es die Möglichkeit zu Einzelausreisen geben. Meine Damen und Herren, das ist sicherlich nicht eine Offenhaltung, wie wir — ich denke, auch die Bundesregierung — sie fordern müssen.
    Hierher gehört das Problem der Zahlen, die Frage, wie viele Deutsche wirklich ausreisen möchten. Leider muß ich feststellen: Ich habe den Eindruck, daß neuerdings aus den Reihen der SPD damit ein Spiel getrieben wird — ich muß es so hart formulieren —, das unverantwortlich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Arndt [Hamburg] [SPD])

    Bekannt war und ist, daß beim Deutschen Roten Kreuz die Namen von 280 000 Menschen registriert sind, die Interesse an der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland bekundet haben. Andere Zahlen standen und stehen uns nicht zur Verfügung; davon hatten und haben wir also auszugehen. Polen hat diese Zahlen auch nicht entkräftet. Seit Dezember 1974 befinden sich die vollständigen Rot-KreuzListen in Warschau. Die damals in der „Information", der polnischen Erklärung vom Dezember 1970, vereinbarte polnische Stellungnahme zu diesen Listen steht bis heute aus. Deswegen haben wir auf diese Zahlen hingewiesen, und deswegen hat es ja auch der Außenminister noch in der ersten Lesung zu diesen Vereinbarungen im November des vergangenen Jahres getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es liegt gewiß nicht im Interesse der ausreisewilligen Deutschen, wenn nun Vertreter der SPD fast freudestrahlend der Öffenlichkeit mitteilen, die wahre Zahl der Ausreisewilligen liege viel niedriger als 280 000 und folglich sei das jetzt ausgehandelte Ausreiseprotokoll doch eigentlich ein recht großer Erfolg. Ich will diesen Streit hier nicht unnötig fortsetzen. Das ginge nur zu Lasten unserer betroffenen Landsleute. Aber ich muß mit aller Klarheit sagen: Nach unserem bisherigen Kenntnisstand beträgt die
    Zahl der Ausreisewilligen etwa 280 000. Solange wir keine anderen konkreten Zahlen kennen, dient niemand den deutschen Interessen, der sie in Zweifel zieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich kann es hier Veränderungen geben — wir bestreiten das nicht —, und zwar nach oben wie nach unten.
    Eine Frage aber ist in diesem Zusammenhang doch von Wichtigkeit: Wie viele Menschen, die sich auf die Kriterien der polnischen Zusage von 1970, auf die „Information", berufen und als Deutsche die Ausreise nach Deutschland verlangen könnten, gibt es eigentlich noch in den polnischen Herrschaftsbereichen? Die Bundesregierung hat diese Frage nie klar beantwortet. Ich frage meinerseits: Hat die Bundesregierung wirklich alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft, oder hat sie sich gescheut, an Polen unbequeme Fragen zu stellen? Dieses Problem kann man nicht mit leichter Hand vom Tisch wischen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang an eine sehr gründliche Arbeit erinnern, die eine Arbeitsgruppe des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages unter dem Vorsitz des Sozialdemokraten Wenzel Jaksch im Jahre 1961 erarbeitet hat und deren Ergebnisse uns vorgelegt worden sind. Es heißt dort:
    In den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten leben gegenwärtig noch immer mehr als 1,2 Millionen Menschen,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    die von den Polen als Autochthone bezeichnet werden, da sie dort bodenständig und seit altersher beheimatet sind. Es handelt sich hier um Angehörige des ehemaligen Deutschen Reichs, die immer noch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und sich zum weit überwiegenden Teil zum Deutschtum bekennen. Nach deutschem Recht sind sie deutsche Staatsbürger.
    Soweit dieser Bericht, der unter dem Vorsitz des
    Sozialdemokraten Wenzel Jaksch erarbeitet wurde.
    Das war 1961. Seit damals, seit 1961 bis einschließlich 1975, sind 170 620 Aussiedler zu uns gekommen. Das heißt, die verbleibende Zahl der Deutschen muß noch beträchtlich sein, und es kann also durchaus noch sehr viele antragsberechtigte deutsche Ausreisewillige dort geben.
    Diese Möglichkeit, meine Damen und Herren, verstärkt unsere Forderung, daß der Wille der Menschen entscheidend sein muß,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    die hierher kommen wollen. Ihre Entscheidung muß frei sein und respektiert werden, und zwar in einer Formulierung, die dies unzweideutig feststellt. Sonst ist neuer Streit und schwerer Schaden für die deutsch-polnischen Beziehungen zu befürchten. Einer Entwicklung, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben — mit schweren Belastungen für unser Verhältnis zu Polen und mit viel, viel menschlicher Tragik für die betroffenen Deutschen —, müssen



    Dr. Wallmann
    wir jetzt vorbeugen. Das ist unsere menschliche, unsere humanitäre Verantwortung.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun sagt die Bundesregierung: Wenn das Rentenabkommen scheitert, wird 120 000 Deutschen die Ausreise hierher versperrt. Ich meine, dieses Argument, Herr Außenminister, sollte die Bundesregierung besser nicht vorbringen. Grundlage der Ausreise ist und bleibt doch — so hat die Bundesregierung mehrfach in den Ausschüssen, hier im Parlament und heute wieder dargelegt — die „Information", also die polnische Zusage aus dem Jahre 1970, wonach alle Deutschen ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Grundlage gilt weiter. Sperrt Polen die Ausreise, weil die jetzt vorliegenden Vereinbarungen nicht zustande kommen, dann wäre das ein Lossagen von der damals übernommenen Verpflichtung. Ich will nicht glauben, daß dies die Absicht der polnischen Regierung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach alledem stelle ich fest: Die von der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgelegten Vereinbarungen mit Polen stehen in der Kontinuität der unsoliden, von Aufgeben und Nachgeben gekennzeichneten Ostpolitik von Brandt und Bahr.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Von ihr hat ein bekannter amerikanischer Wissenschaftler gesagt, sie verfolge minimale Ziele mit maximalen Konzessionen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine derartige Politik kann nicht zu dauerhafter Verständigung und zu einem Zuwachs an Vertrauen zwischen Polen und Deutschen führen, denn ihr fehlt es auch an Aufrichtigkeit gegenüber dem Vertragspartner. Daher tragen die neuen Vereinbarungen mit Polen ebenso wie seinerzeit das Warschauer Vertragswerk den Keim zu neuen Spannungen und zu neuem Mißtrauen in sich. Sie fördern nicht die Verständigung, sie belasten sie mit neuem Hader.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wir wollen weder eine Außenpolitik der Anbiederung noch eine Außenpolitik des Alles oder Nichts.

    (Zuruf von der SPD: Herr von Weizsäcker!)

    Wir fordern ehrliche und klare Regelungen in unseren Beziehungen zu Polen, damit wirklich Verständigung und Ausgleich zwischen diesen beiden mitteleuropäischen Völkern möglich werden, die sich so viel geben können.
    Diesem Ziel werden die jetzt vorgelegten Vereinbarungen nicht gerecht; und aus diesem Grunde lehnen wir sie ab.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure die Rede des Kollegen Wallmann,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    weil sie nicht geeignet ist, dem Ziel der Verständigung und Aussöhnung mit Polen zu dienen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn es ein politisches Klima gibt, das sich für polemische Auseinandersetzungen nicht eignet, dann sind es die hier zur Entscheidung anstehenden Verträge mit Polen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich stimme dem Bundesaußenminister zu, wenn er vorhin sagte, daß starke Worte nicht in diese Debatte passen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich warne auch davor, durch solche Reden, wir wir
    sie soeben von dem Kollegen Wallmann gehört haben, mühsam verheilte Wunden wieder aufzureißen.
    Der Beitrag des Kollegen Wallmann, des ersten Redners der Opposition, war keine adäquate und gleichrangige Antwort auf die sachliche und überzeugende Rede des Bundesaußenministers.

    (Beifall bei der SPD und der FDP Lachen bei der CDU/CSU)

    Man wird auch, Herr Kollege Wallmann, der außerordentlichen Bedeutung der Verträge nicht gerecht, wenn man — und hier gebrauche ich einen Satz des Kollegen Blüm aus einer ZDF-Sendung vom 16. Dezember 1975 — als „finanztechnischer Buchhalter das Polen-Problem angeht".

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein Wort noch zu dem Thema Fraktionszwang.

    (Seiters [CDU/CSU] : Hannover!)

    Ich will hier die Gewissensentscheidung bei der Reform des § 218 nicht bemühen; ich will ein historisches Beispiel bringen: Im Jahre 1933 haben die sozialdemokratischen Mitglieder der Reichstagsfraktion dem Ermächtigungsgesetz nicht zugestimmt —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    aus eigener Verantwortung und freier Entscheidung. Das ist das Grundprinzip der Sozialdemokratischen Partei.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben das getan, obwohl diese Haltung damals mit erheblichen Risiken für Existenz und Leben dieser Abgeordneten verbunden war.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Respektieren wir auch! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/ CSU]: Haben wir selber schon zitiert! — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber lange her! — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Nehmen Sie sich ein Beispiel an diesen Männern!)

    Wenn wir heute über die Verträge mit Polen diskutieren, kann das nicht losgelöst von den geschichtlichen Abläufen der letzten vier Jahrzehnte



    Metzger
    geschehen. Aus manchen Stellungnahmen in den letzten Wochen und Monaten und auch aus dem heutigen Beitrag des Kollegen Wallmann konnte man cien Eindruck gewinnen, als gehe es bei diesen Verträgen um Probleme, die nach Belieben polemischen Diskussionen ausgesetzt, wahltaktischen Gesichtspunkten unterworfen und ohne Rücksicht auf internationale Verpflichtungen, Erwartungen und Ratschläge unserer Freunde und Verbündeten geregelt oder auch zur Disposition gestellt werden können. Diese Verhaltensweise ist für jeden Bürger unseres Landes, der ein Minimum an Empfinden für moralische Kategorien und staatspolitische Verantwortung hat, tief beunruhigend.
    Für Europa und darüber hinaus war in diesem Jahrhundert kein Ereignis prägender, einschneidender und verhängnisvoller als der von Deutschland begonnene zweite Weltkrieg und seine Folgen.

    (Beifall bei der SPD)

    Unvorstellbare Not, Elend und Erniedrigungen, Schandtaten und Verbrechen in bisher nicht gekanntem Ausmaß, blindwütige Zerstörung irdischer Güter und eine schrankenlose Vernichtung menschlicher, kultureller und moralischer Werte haben zu tiefgreifenden Veränderungen staatlicher, politischer, sozialer, gesellschaftlicher Einheiten und Strukturen geführt, die auch heute noch — bis in unsere heutige Zeit — fortwirken.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, kein Volk hat unter diesem Inferno des Grauens und der Unmenschlichkeit mehr gelitten als die Polen: bis an den Rand der existentiellen Vernichtung. Ich möchte dazu gern aus dem Briefwechsel zwischen den polnischen und den deutschen Bischöfen am Ende des II. Vatikanischen Konzils zitieren und hier aus der Botschaft der polnischen Bischöfe vorlesen, um das Empfinden derjenigen zum Ausdruck zu bringen, die sich in großer innerer Not befinden und um deren Schicksal es in der Zeit von 1939 bis 1945 ging, die aber auch mit großer Souveränität die Hand zur Versöhnung ausgestreckt haben. Die polnischen Bischöfe haben u. a. erklärt:
    Nach kurzer Unabhängigkeit von etwa 20 Jahren, von 1918 bis 1939, brach über das polnische Volk ohne seine Schuld das herein, was man euphemistisch einfach als zweiten Weltkrieg bezeichnet, was aber für uns Polen als totale Vernichtung und Ausrottung gedacht war. Über unser armes Vaterland senkte sich eine furchtbare finstere Nacht, wie wir sie seit Generationen nicht erlebt hatten. Sie wird bei uns allgemein als deutsche Okkupationszeit genannt und ist unter diesem Namen in die polnische Geschichte eingegangen. Wir waren alle macht- und wehrlos. Das Land war übersät mit Konzentrationslagern, in denen die Schlote der Krematorien Tag und Nacht rauchten. Über sechs Millionen polnische Staatsbürger, darunter der Großteil jüdischer Herkunft, haben diese Okkupationszeit mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die führende polnische Intelligenzschicht wurde einfach weggefegt. 2 000 polnische Priester und fünf Bischöfe, ein Viertel des damaligen Episkopats,
    wurden in Lagern umgebracht. Hunderte von Priestern und Zehntausende von Zivilpersonen wurden bei Ausbruch des Krieges an Ort und Stelle erschossen, 278 Priester allein in der Diözese Kulm. 48 % de r Priester wurden im Krieg in der Diözese Wloclawek und 47 % in der Diözese Kulm umgebracht ... Alle polnischen Familien hatten ihre Todesopfer zu beklagen. Wir wollen nicht aufzählen, um die noch nicht vernarbten Wunden nicht weiter aufzureißen, was sich in dieser Zeit alles ereignet hat ...
    Die Bischöfe fahren fort:
    Die Vernichtungswellen des letzten Krieges sind nicht nur einmal wie in Deutschland, sondern seit 1914 mehrere Male über die polnischen Lande hinweggebraust, und zwar hin und zurück, wie apokalyptische Reiter, und haben jedesmal Schutt und Trümmer, Armut, Krankheit, Seuchen und Tränen und Tod und wachsende Vergeltungs- und Haßkomplexe hinterlassen ...
    Nach alledem, was in der Vergangenheit geschehen ist — leider erst in der allerneuesten Vergangenheit — ist es nicht zu verwundern, daß das ganze polnische Volk unter dem schweren Druck eines elementaren Sicherheitsbedürfnisses steht und seine nächsten Nachbarn im Westen immer noch mit Mißtrauen betrachtet. Diese geistige Haltung ist sozusagen unser Generationenproblem, das, Gott gebe es, bei gutem Willen schwinden wird und schwinden muß.
    Ich möchte Ihnen auch die Antwort der deutschen katholischen Bischöfe nicht vorenthalten:
    Dankbar greifen wir Ihre Botschaft auf und hoffen, den begonnenen Dialog in Polen und in Deutschland miteinander fortsetzen zu können. Mit Gottes Hilfe wird dieses Gespräch die Brüderlichkeit zwischen dem polnischen und deutschen Volk fördern und festigen.
    Und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Döpfner, bekräftigte 1970 in einem öffentlichen Vortrag diese Haltung, indem er sagte:
    Ich möchte einige Friedensaufgaben nennen, die mir innerhalb der katholischen Kirche der Bundesrepublik besonders dringlich zu sein scheinen. An die erste Stelle gehört zweifellos, und zwar auf viele Jahre hinaus, die Verständigung und Aussöhnung mit Polen. Wie immer man zu diesem Vertrag
    — dem Vertrag von 1970 —stehen mag, über den gegenwärtig verhandelt wird: Diese Aufgabe ist und bleibt gestellt.
    Ich habe mir, sehr geehrte Damen und Herren, in den letzten Wochen oft die Frage gestellt und möchte sie an alle Mitglieder dieses Parlaments und an alle verantwortlichen Politiker in der Bundesrepublik weitergeben: Verliert nicht jede Kritik, die an den Verträgen geübt wird, auch wenn Einzelheiten ernst genommen werden sollen und müssen,



    Metzger
    an Bedeutung und Gewicht vor dem Hintergrund dieser schrecklichen Ereignisse und im Hinblick auf die Notwendigkeit der Verständigung und Aussöhnung mit Polen?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)