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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 199. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 Inhalt: Eintritt des Abg. Schetter in den Deutschen Bundestag 13631 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . . 13631 B Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) Drucksache 7/4100 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1975 bis 1979 — Drucksache 7/4101 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksachen 7/4127, 7/4193 — Bericht und Antrag des Haushaltsausschusses — Drucksachen 7/4224, 7/4243 — in Verbindung mit Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuer- und Gewerbesteuergesetzes (Steueränderungsgesetz 1975) — Drucksache 7/3667 — Strauß CDU/CSU 13631 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller SPD 13648 D Hoppe FDP 13656 D Leicht CDU/CSU 13660 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 13688 B Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU 13693 B Dr. von Bülow SPD 13700 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 13706 B Moersch, Staatsminister AA 13714 B Dr. Müller-Hermann CDU/CSU 13717 C Dr. Ehrenberg SPD 13723 A Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 13727 B Dr. Sprung CDU/CSU 13729 C Blank SPD 13731 D Wohlrabe CDU/CSU 13732 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 Fragestunde — Drucksache 7/4242 vom 31. 10. 1975 — Fristverlängerung für Beitragsnachentrichtung der Selbständigen zur Rentenversicherung sowie Mittel für die Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger MdlAnfr Al 31.10.75 Drs 07/4242 Rollmann CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA 13668 D, 13669 A, B, C ZusFr Rollmann CDU/CSU 13669 A ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . 13669 B Gewährung von Vergünstigungen an Zivildienstleistende bei Benutzung öffentlicher Einrichtungen MdlAnfr A2 31.10.75 Drs 07/4242 Gansel SPD Antw PStSekr Buschfort BMA . 13669 C, 13670 A ZusFr Gansel SPD . . . . . . . . 13670 A Kapazitätsberechnung an den Hochschulen MdlAnfr A3 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Schweitzer SPD Antw PStSekr Dr. Glotz BMBW 13670 B, D, 13671 A ZusFr Dr. Schweitzer SPD . . . . 13670 D Ausdruck „Ausland" als Geburtsortangabe in den Zulassungsbescheiden der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für in Mittel- und Ostdeutschland geborene Studenten MdlAnfr A4 31.10.75 Drs 07/4242 Gerlach (Obernau) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Glotz BMBW . . 13671 A, B, C ZusFr Gerlach (Obernau) CDU/CSU . . 13671 B, C Benachteiligung der Versicherten der Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz durch das neue Tarifsystem der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen MdlAnfr A5 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Jobst CDU/CSU MdlAnfr A6 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Jobst CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 13671 D, 13672 A, B, C, D, 13673 A ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU . . . . . 13672 A, B, C ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . 13672 D ZusFr Kiechle CDU/CSU . . . . . . 13673 A Einkommensbelastung der Kraftfahrer durch die Erhöhung der Mineralölsteuer MdlAnfr A8 31.10.75 Drs 07/4242 Milz CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . 13673 A, C, D ZusFr Milz CDU/CSU . . . . . . . 13673 B, C ZusFr Nordlohne CDU/CSU 13673 C Einschränkung der Förderungsmittel für Industrieansiedlung in Ballungsräumen zugunsten schwachstrukturierter Gebiete MdlAnfr A9 31.10.75 Drs 07/4242 Spranger CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . . 13673 D, 13674 A, B, C ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . 13674 A, B ZusFr Spranger CDU/CSU 13674 C Ankauf oder Subventionierung der anwachsenden Kohlenhaldenbestände durch die Bundesregierung zum Zwecke der Bildung einer nationalen Energiereserve zur Überbrückung künftiger Versorgungskrisen MdlAnfr A10 31.10.75 Drs 07/4242 Thürk CDU/CSU MdlAnfr A11 31.10.75 Drs 07/4242 Thürk CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 13674 C, D, 13675 A, B, C ZusFr Thürk CDU/CSU 13675 A, B ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . 13675 C Unterdrückung der Veröffentlichung von Testergebnissen der Stiftung Warentest durch die betroffenen Hersteller MdlAnfr Al2 31.10.75 Drs 07/4242 Hansen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 13675 D, 13676 A, B ZusFr Hansen SPD . . . . . . . . . 13676 A ZusFr Frau Dr. Riedel-Martiny SPD . . . 13676 B Entwicklung des Primärenergie- und Stromverbrauchs in den drei ersten Quartalen 1975 MdlAnfr A13 31.10.75 Drs 07/4242 Kern SPD MdlAnfr A14 31.10.75 Drs 07/4242 Kern SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 13676 C, D, 13677 A ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . . 13676 D Förderung der einheimischen Natursteinindustrie im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zur Sicherung der Arbeitsplätze MdlAnfr A15 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . .13677 A, C, D, 13678 A, B, C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 III ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . 13677 C, D ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU 13677 D ZusFr Schwabe SPD 13678 B ZusFr Niegel CDU/CSU 13678 B ZusFr Milz CDU/CSU . . . . . . . 13678 C Koordination der Auslandsaktivitäten der Bundesregierung und Landesregierungen auf wirtschaftlichem Gebiet MdlAnfr A16 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Wernitz SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . 13678 D, 13679 B ZusFr Dr. Wernitz SPD . . . . . . . 13679 B Auslegung der Härteklausel in § 7 des Dritten Verstromungsgesetzes durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft sowie Anzahl der gemäß § 7 gestellten Anträge für 1975 MdlAnfr A17 31.10.75 Drs 07/4242 Wolfram (Recklinghausen) SPD MdlAnfr A18 31.10.75 Drs 07/4242 Wolfram (Recklinghausen) SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 13679 B, D, 13680 B, C ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . . 13679 C, 13680 B, C Errechnung des Index der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte in den Monaten Juli und August der Jahre 1975 und 1976 MdlAnfr A21 31.10.75 Drs 07/4242 Peters (Poppenbüll) FDP Antw PStSekr Logemann BML . . . . . 13680 D, 13681 A, B, C ZusFr Peters (Poppenbüll) FDP . . 13681 A, B ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . . . . . 13681 B ZusFr Niegel CDU/CSU . . . . . . . 13681 C Beteiligung der Erzeuger beim Abbau und bei der Verwertung von Agrarüberschüssen MdlAnfr A22 31.10.75 Drs 07/4242 Niegel CDU/CSU Antw PStSekr Logemann BML 13681 D, 13682 A, B ZusFr Niegel CDU/CSU 13682 A ZusFr Kiechle CDU/CSU 13682 B EG-Verhandlungen mit Island über Fischereirechte innerhalb der 200-Meilen-Zone unter Berücksichtigung von britischen Interessen MdlAnfr A23 31.10.75 Drs 07/4242 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Logemann BML 13682 C, 13683 A, B ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . . . . 13683 A, B Einsatz der Bundesregierung für eine Kostenbeteiligung auch der deutschen Milcherzeuger im EG-Ministerrat MdlAnfr A24 31.10.75 Drs 07/4242 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Logemann BML . . . 13683 C, D, 13684 A, B ZusFr Eigen CDU/CSU 13683 C, D ZusFr Kiechle CDU/CSU 13684 A, B Einfuhrverbot für Singvögel aus Italien zur Bekämpfung des Vogelmords MdlAnfr A25 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Gruhl CDU/CSU MdlAnfr A26 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Gruhl CDU/CSU Antw PStSekr Logemann BML . . . . 13684 C, D, 13685 A, B, C ZusFr Dr. Gruhl CDU/CSU . 13684 D, 13685 A, B Sicherstellung der Trinkwasserversorgung aus dem Rhein MdlAnfr A27 31.10.75 Drs 07/4242 Josten CDU/CSU MdlAnfr A28 31.10.75 Drs 07/4242 Josten CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 13685 C, D, 13686 B, C, D ZusFr Josten CDU/CSU . . . . . . 13686 B, C ZusFr Dr. Gruhl CDU/CSU 13686 D Ausdehnung der Maßnahmen gegen die Beschäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst auf in öffentlichem Auftrag eingesetzte Busfahrer bei privaten Firmen MdlAnfr A32 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Sperling SPD MdlAnfr A33 31.10.75 Drs 07/4242 Dr. Sperling SPD Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . 13687 A, C ZusFr Dr. Sperling SPD . . . . . . 13687 B, C ZusFr Hansen SPD . . . . . . . . . 13687 C Konsequenzen aus den Feststellungen des Bundesrechnungshofs über die Zahl der Dienstwagen in den Bundesverwaltungen MdlAnfr A34 31.10.75 Drs 07/4242 Gansel SPD Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 13687 D Nächste Sitzung 13737 C IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode —199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13739* A Anlage 2 Verletzung des Persönlichkeitsschutzes durch Angabe des Aktenzeichens und der Namen der Prozeßbeteiligten auf Umschlägen von Briefsendungen der Justizbehörden MdlAnfr A2 19.9.75 Drs 07/4038 Brandt (Grolsheim) SPD ErgSchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . 13739* B Anlage 3 Verlängerung der Gültigkeitsfristen für Jagdscheine MdlAnfr A20 31.10.75 Drs 07/4242 Wawrzik CDU/CSU SchrAntw PStSekr Logemann BML . . . 13739* C Anlage 4 Pressemeldung über die Errichtung von Atomkraftwerken bei Stockstadt und Kahl und einer Wiederaufbereitungsanlage bei Rieneck MdlAnfr A29 31.10.75 Drs 07/4242 Lambinus SPD MdlAnfr A30 31.10.75 Drs 07/4242 Lambinus SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 13739* D Anlage 5 Strahlengefährdung durch einen in Unterfranken gefundenen Metallzylinder mit radioaktivem Material MdlAnfr A31 31.10.75 Drs 07/4242 Schäfer (Appenweier) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 13740 *B Anlage 6 Aushändigung von Durchschriften ausgefüllter amtlicher Formulare an Bürger als Unterlage über die von ihnen eingereichten Angaben MdlAnfr A35 31.10.75 Drs 07/4242 Gerster (Mainz) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 13740* C Anlage 7 Unterstützung der Empfehlung 768 des Europarats und der „Deklaration über die Folter° des 5. UN-Kongresses über Verbrechensverhütung und Strafvollzug durch die Bundesregierung MdlAnfr A36 31.10.75 Drs 07/4242 Frau von Bothmer SPD MdlAnfr A37 31.10.75 Drs 07/4242 Frau von Bothmer SPD SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 13740 *D Anlage 8 Verbesserung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen MdlAnfr A38 31.10.75 Drs 07/4242 Horstmeier CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 13741* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 13631 199. Sitzung Bonn, den 5. November 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 197. Sitzung, Seite 13 533 A, Zeile 10 ist statt „Drucksache 7/4112" zu lesen: „Drucksache 7/4212" Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 7. 11. Dr. Aigner * 7.11. Alber ** 6. 11. Dr. Artzinger * 7. 11. Baier 7. 11. Behrendt * 7. 11. Dr. Böger 5. 11. Prof. Dr. Burgbacher * 7. 11. Dr. Eppler 7. 11. Fellermaier * 7. 11. Frehsee * 7. 11. Frau Funcke 7. 11. Gerlach (Emsland) * 7. 11. Glombig 7. 11. Graaff 12. 12. von Hassel 5. 11. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 11. Kater 7. 11. Kiep 5. 11. Dr. Kiesinger 7.11. Dr. Köhler (Wolfsburg) 7. 11. Lange * 7. 11. Lautenschlager * 7. 11. Memmel * 7. 11. Müller (Mülheim) * 7. 11. Frau Dr. Orth 28. 11. Pieroth 5.11. Rosenthal 5. 11. Dr. Schulz (Berlin) * 7.11. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 11. Dr. Schwörer * 6. 11. Seefeld ` 7. 11. Sieglerschmidt 7.11. Springorum * 7.11. Suck * 7. 11. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 12. 12. Walkhoff * 7.11. Baron von Wrangel 7.11. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Brandt (Grolsheim) (SPD) (Drucksache 7/4038 Frage A 2 187. Sitzung, Seite 13182* Anlage 3) : Durch Ihr Schreiben von 30. September 1975 habe ich erstmals von der Praxis eines Gerichts erfahren, eine zuzustellende Postsendung außer mit der An- Anlagen zum Stenographischen Bericht schrift der Person, an die zugestellt werden soll, der Bezeichnung der absendenden Stelle und der Geschäftsnummer auch mit den Namen der Prozeßparteien zu versehen. Die Praxis des Landgerichts Baden-Baden findet keine Rechtfertigung durch § 211 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Ich stimme Ihrer Auffassung zu, daß entsprechende Vermerke auf den Briefumschlägen für die Feststellung der Identität des zuzustellenden Poststücks nicht erforderlich und im Hinblick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen nicht unbedenklich sind. Die Bundesregierung hält gesetzgeberische Maßnahmen nicht für erforderlich, da das Problem im Wege der Dienstaufsicht durch den Erlaß von Verwaltungsvorschriften der Länderjustizminister geregelt werden kann. Ich habe veranlaßt, daß die Angelegenheit der Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg zur Kenntnis gebracht worden ist. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wawrzik (CDU/CSU) (Drucksache 7/4242 Frage A 20) : Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Verringerung von Verwaltungskosten die Gültigkeitsfristen von Jagdscheinen von einem Jahr auf drei oder fünf Jahre zu erweitern? Der Begriff „Jahresjagdschein" ist in § 15 des Bundesjagdgesetzes normiert und wird in anderen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder entsprechend verwendet. Eine Änderung mit dem Ziel, die Gültigkeitsdauer auf drei oder fünf Jahre zu erweitern, könnte nur vom Gesetzgeber getroffen werden. Gegen eine solche Änderung sprechen aber verschiedene Gründe, so daß eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer nicht tunlich erscheint. Anlage 4 Antwort des Pari. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lambinus (SPD) (Drucksache 7/4242 Fragen A 29 und 30) : Treffen Presseveröffentlichungen über ein Gutachten der Kernforschungsanstalt Jülich zu, nach welchen in Unterfranken in den nächsten Jahren drei neue Atomanlagen, und zwar bei Stockstadt und Kahl je ein Atomkraftwerk und bei Rieneck eine Wiederaufbereitungsanlage errichtet werden sollen? Trifft es zu, daß die für Rieneck geplante Wiedergewinnungsanlage für Reaktorbrennstoff jährlich 1 500 Tonnen Brennstoff durch Umwandlung von Plutonium für Leichtwasserreaktoren produzieren soll und bisher in der Bundesrepublik Deutschland noch keinerlei Erfahrungen mit dem geplanten Typ der Anlage gesammelt werden konnten? 13740* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 Zu Frage A 29: An dem Forschungsvorhaben „Zukünftige radioaktive Umweltbelastung in der Bundesrepublik Deutschland durch Radionuklide aus kerntechnischen Anlagen im Normalbetrieb" sind Institute der Technischen Hochschule Aachen und der Kernforschungsanlage Jülich beteiligt. In dem den Presseveröffentlichungen zugrunde liegenden 1. Bericht über dieses Vorhaben wird abgeschätzt, wie sich bei einer angenommenen raschen Zunahme des Energiebedarfs und des Einsatzes der Kernenergie die radioaktive Umweltbelastung in der Bundesrepublik im Laufe der nächsten 100 Jahre entwickeln würde. Hierbei wurden den Berechnungen unterschiedliche Annahmen über Art, Anzahl und regionale Verteilung von kerntechnischen Anlagen zugrunde gelegt. Die in den einzelnen Fallstudien enthaltenen Standorte sind somit insgesamt rein hypothetisch. Das gilt auch für die in zwei Abbildungen des Berichts eingezeichneten Kernkraftwerke bei Kahl — neben dem dort bestehenden Versuchskraftwerk —, ebenso für die Prozeßwärmeanlage bei Stockstadt und die Wiederaufarbeitungsanlage bei Rieneck. In einer weiteren Abbildung des Berichts sind an den genannten Standorten keine kerntechnischen Anlagen eingezeichnet. Der Bericht enthält somit weder eine Standortplanung noch gar eine Standortfestlegung. Er soll vielmehr die Möglichkeit eröffnen, bereits heute die voraussichtlichen radiologischen Belastungen durch kerntechnische Anlagen bis weit über das Jahr 2000 hinaus abzuschätzen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu beurteilen. Zu Frage A 30: Es trifft nicht zu, daß für den Raum Rieneck eine Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe geplant ist. Richtig ist lediglich, daß Wissenschaftler in dem Bericht über das soeben genannte Forschungsvorhaben im Rahmen hypothetischer Annahmen in eine Abbildung im Raume Rieneck eine Wiederaufbereitungsanlage eingezeichnet haben. Diese Abbildung bezieht sich etwa auf das Jahr 2070, denn frühestens in diesem Jahr wird die Stromerzeugung in der Bundesrepublik eine Gesamtleistung von 540 Gigawatt erreichen. In einer zweiten Annahme für das Jahr 2070 haben die Wissenschaftler im Raum Rieneck keine Wiederaufbereitungsanlage eingezeichnet. Von einer entsprechenden Planung für den Raum Rieneck kann also nicht die Rede sein. Zu Ihrer Frage nach den bisher gesammelten Erfahrungen weise ich darauf hin, daß eine kleinere Wiederaufarbeitungsanlage bereits seit einigen Jahren beim Kernforschungszentrum Karlsruhe in Betrieb ist. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schäfer (Appenweier) (SPD) (Drucksache 7/4242 Frage A 31) : Treffen Pressemeldungen zu, nach denen in Unterfranken ein mit radioaktivem Material gefüllter Metallzylinder gefunden wurde, und kann die Bundesregierung mitteilen, ob eine Strahlengefährdung vorhanden war? Bei dem angeblich „radioaktiven Material enthaltenden Metallzylinder", der einer Einheit der US-Streitkräfte im Verlauf des Manövers „Reforger VII am 23. Oktober 1975 abhanden gekommen war, handelt es sich um ein Strahlenmeßgerät. Das Gerät wurde wieder aufgefunden und konnte bereits am 24. Oktober 1975 über die Militärpolizei der betroffenen Einheit unversehrt wieder zugestellt werden. Eine Gefährdung der Bevölkerung war durch diesen Verlust zu keiner Zeit gegeben. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Gerster (Mainz) (CDU/ CSU) (Drucksache 7/4242 Frage A 35) : Trifft es zu, daß die meisten amtlichen Formulare und Fragebogen den Bürgern, die sie auszufüllen haben, ohne Zweitschrift zugesandt oder ausgehändigt werden, so daß die Bürger entweder sich umständlich Abschriften oder Ablichtungen fertigen müssen oder keine Unterlagen über die eingereichten Angaben behalten (z. B. Anträge für Wohngeld, Ausbildungsförderung u. v. a. m.), und ist die Bundesregierung bereit, entsprechend dem bei Steuererklärungen bereits üblichen Verfahren, in allen Fällen, in denen sie für die Regelung des Verwaltungsverfahrens zuständig ist, die grundsätzliche Aushändigung von Durchschriften oder Zweitschriften an die betroffenen Bürger vorzusehen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß es — im Gegensatz zu der Praxis z. B. im Besteuerungsverfahren — in verschiedenen Bereichen der Verwaltung bisher nicht üblich ist, dem Bürger amtliche Formulare und Fragebogen in doppelter Ausfertigung zuzusenden oder auszuhändigen. So werden z. B. nach meinen vorläufigen Feststellungen für Anträge auf Wohngeld und auf Ausbildungsförderung dem Bürger keine Zweitausfertigungen überlassen. Die Bundesregierung hält es durchaus für sachgerecht, dem Bürger Doppelstücke von Formularen und Fragebogen in Fällen zur Verfügung zu stellen, in denen ein Interesse an der Zurückbehaltung eines Doppels zu unterstellen ist. Unter Beteiligung der Länder, die die einschlägigen Bundesgesetze auszuführen und in der Regel deren Kosten ganz oder teilweise zu tragen haben, wird die Bundesregierung prüfen, in welchen Sachbereichen die Aushändigung von doppelten Ausfertigungen amtlicher Formulare und Fragebogen vorgesehen werden kann. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau von Bothmer (SPD) (Drucksache 7/4242 Fragen A 36 und 37) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Auslieferung oder Ausweisung nach Ländern, in denen die Folter angewandt oder von den Behörden geduldet wird, Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht, und wird sie demgemäß die Empfehlung 768 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats im Ministerkomitee unterstützen? Ist die Bundesregierung bereit, die Deklaration über die Folter des 5. UN-Kongresses über Verbrechensverhütung und Straf- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1975 13741* vollzug auf der gegenwärtigen UN-Vollversammlung zu unterstützen und gegebenenfalls die rechtlichen Bindungen der darin enthaltenen Prinzipien zu stärken? Zu Frage A 36: Nach Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf niemand „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden". Nach ständiger Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte kann ein Vertragsstaat der Konvention die Bestimmung des Artikels 3 durch die Auslieferung oder Abschiebung einer Person im Einzelfall verletzen, wenn nach den Umständen ernsthafter Anlaß zur Annahme besteht, daß der von der Auslieferung oder Ausweisung Betroffene in dem Staat, an den er ausgeliefert oder in den er abgeschoben werden soll, Maßnahmen erleiden wird, die durch Artikel 3 der Konvention verboten sind. Dieser Auslegung schließt sich die Bundesregierung an. Die Anwendung dieses Grundsatzes kann allerdings im Einzelfall in Konflikt treten zu internationalen Verpflichtungen, die die Vertragsstaaten der Konvention auf Grund multilateraler oder bilateraler Auslieferungsverträge übernommen haben. Schon im Jahre 1969 ist die sich hieraus ergebende Problematik innerhalb des Europarats erörtert worden. Hinzuweisen ist insbesondere auf den seinerzeit im Europäischen Ausschuß für Strafrechtsfragen beim Europarat veranstalteten Meinungsaustausch über die Anwendung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, bei dem folgender Beschluß gefaßt worden ist: „Selbst wenn bei der Unterzeichnung oder Ratifizierung keine diesbezüglichen Vorbehalte gemacht worden sind, sollte die Auslieferung auf Grund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens nicht bewilligt werden, wenn — hinsichtlich der Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention — die Gefahr besteht, daß die Auslieferung zu einer Verletzung der Bestimmungen dieser Konvention durch den ersuchenden Staat führt oder, was die anderen Staaten betrifft, daß die Auslieferung nicht den Grundsätzen entspricht, auf denen die Vorschriften des genannten Übereinkommens beruhen." Über den damals gefaßten Beschluß geht die Empfehlung 768 (1975) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 3. Oktober 1975 hinaus, als sie das Ministerkomitee ersucht, den Europäischen Ausschuß für Strafrechtsfragen damit zu beauftragen, bestehende Auslieferungsverträge mit dem Ziel zu überprüfen, eine Auslieferung an solche Staaten zu verhindern, in denen die Folter praktiziert oder durch deren Regierungen geduldet wird. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese und die anderen in der Empfehlung 768 (1975) behandelten Fragen einer sehr sorgfältigen Prüfung bedürfen. Sie wird darum die Empfehlung im Ministerkomitee unterstützen. Zu Frage A 37: Die Praktizierung der Folter ist nach Auffassung der Bundesregierung verabscheuungswürdig und ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte. Der vom 5. Kongreß der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und Behandlung Straffälliger angenommenen Deklaration zur Folter hat daher die deutsche Delegation auf dem Kongreß zugestimmt. Die Bundesregierung wird diese Deklaration auch im Rahmen der Vollversammlung der Vereinten Nationen unterstützen. Sie ist im übrigen der Auffassung, daß das innerstaatliche deutsche Recht den Anforderungen der Deklaration voll entspricht. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Horstmeier (CDU/ CSU) (Drucksache 7/4242 Frage A 38) : Plant die Bundesregierung eine Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, und welche Verbesserungen sind vorgesehen? Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sowie des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter, durch den die Entschädigungen verbessert werden sollen, ist am 15. Oktober 1975 von der Bundesregierung beschlossen und dem Bundesrat zugeleitet worden. Der Entwurf ist als Bundesrats-Drucksache 631/75 erschienen, die ich zu Ihrer Unterrichtung beifüge. Die wichtigsten Verbesserungen für Zeugen und Sachverständige bestehen darin, daß der Höchstbetrag der Entschädigung des Zeugen für Verdienstausfall von 8 DM je Stunde auf 15 DM und der Höchstbetrag für die Regelentschädigung des Sachverständigen von 30 DM je Stunde auf 50 DM heraufgesetzt werden soll. Diese Erhöhungen sind mit Rücksicht darauf erforderlich, daß die letzte Erhöhung im Jahre 1969 vorgenommen wurde und die Einkommen inzwischen erheblich gestiegen sind.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident,

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Er ist ein Denunziant! Denken Sie nur an den „Stern"Artikel! Ganz typisch!)

    ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Bemerkung. Aber wenn Sie wüßten, was der Herr Kollege Gansel in den letzten Wochen und Monaten an Beschuldigungen gegen mich erhoben hat, dann würden Sie verstehen, warum ich das gesagt habe.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wohlrabe [CDU/CSU] : Auch gegen SchmittVockenhausen selber!)

    Präsident Tito warnt vor einer Einmischung, und man kann sich unschwer vorstellen, an wen sich diese Warnung richtet.
    Ebenso erleben wir zunehmende Schwierigkeiten bei der Wahrung der deutschen Positionen, der Positionen der Bundesrepublik Deutschland in und in bezug auf Berlin. Jetzt bewahrheitet sich, was wir — insbesondere ich selbst — warnend in den Jahren 1970, 1971 und 1972 immer wieder gesagt haben. Damals, 1971, kam das Viermächteabkommen zustande, in dessen Anlage IV die Sowjetunion folgendes erklärt:
    Unter der Voraussetzung, daß Angelegenheiten der Sicherheit und des Status nicht berührt werden, wird sie keine Einwände haben gegen
    b) die Ausdehnung von völkerrechtlichen Vereinbarungen und Abmachungen, die die Bundesrepublik Deutschland schließt, auf die Westsektoren Berlins . . .
    Das waren die damaligen Erklärungen der Sowjetunion. Ich habe Ihnen und viele andere haben Ihnen gesagt: Testen Sie die Wirksamkeit dieser Erklärungen! Ratifizieren Sie den Moskauer Vertrag



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    nicht, bevor Sie nicht wenigstens ein Abkommen, z. B. ein Kulturabkommen, mit der Sowjetunion unter Einbeziehung Berlins unter Dach und Fach gebracht haben! Sie haben das abgelehnt. Sie haben gesagt: Die Ratifikation des Moskauer Vertrages duldet keinen Aufschub; dadurch wird der internationale Terminkalender in Unordnung gebracht.
    Meine Damen und Herren, die Interessen Berlins blieben auf der Strecke; denn heute kämpft die Bundesregierung vergeblich darum, eine Reihe von Abmachungen mit der Sowjetunion zu schließen, weil die Sowjetunion nicht bereit ist, Berlin einzubeziehen — das gleiche gilt für die DDR —, obwohl diese Abmachungen mit der Sicherheit oder dem Status Berlins nicht das mindeste zu tun haben.
    Die Bundesregierung hat in fundamentaler Weise bei ihrer sogenannten Entspannungspolitik die Realitäten verkannt. Sie hat sich immer gerühmt, sie treibe eine realistische Politik. Es war eine auf Illusionen — um es vorsichtig auszudrücken — aufgebaute Politik; denn die Bundesregierung hat verkannt, daß der östliche Partner mit eben dieser Politik genau entgegengesetzte Ziele verfolgte, als die Bundesregierung und andere westliche Staaten sie verfolgten, nämlich das Ziel der Ausdehnung des sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftssystems auf ganz Europa. Auf der Strecke — so sage ich noch einmal — blieben die Interessen Berlins.
    Der Herr Außenminister er hat mich wissen
    lassen, daß er nicht anwesend sein kann, weil er zu einer Sitzung nach Brüssel fahren muß, aber ich kann auf diese Auseinandersetzung mit ihm trotzdem nicht verzichten — erklärt bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Berlin sei ein Gradmesser der Entspannung. Aber, meine Damen und Herren, wie sieht es denn mit der Entspannung aus, wenn Berlin ein Gradmesser dieser Entspannung ist? Ein Projekt der Stromversorgung Berlins durch ein Kraftwerk, das in Königsberg errichtet werden sollte, scheiterte. Am 22. September intervenierte der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin gegen eine Konferenz der Innenminister der deutschen Länder in West-Berlin. Das gab es vor 1969 nicht; das sind Folgen dieser Ost- und Entspannungspolitik der Bundesregierung. Im Oktober 1975 sagten mehrere sowjetische Bürgermeister einen Berlin-Besuch ab, weil sie nicht von Bremen aus nach Berlin fliegen wollten, um auf diese Art und Weise nicht eine Art Zusammengehörigkeit zwischen der Bundesrepublik und Berlin zu dokumentieren. Die DDR will über die Öffnung des Teltowkanals nur mit Berlin verhandeln — ungeachtet des von der Sowjetunion anerkannten Anspruchs der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland, für Berlin Verträge zu schließen. Die DDR will über Stromlieferungen nach Berlin nur mit Berlin verhandeln, obwohl seit 20 Jahren im Rahmen der Interzonenvereinbarungen auch über die Energielieferungen nach Berlin durch die Unterhändler und Vertreter der Bundesregierung verhandelt und abgeschlossen wird und obwohl diese selbe Bundesregierung gerade zur Förderung des Interzonenhandels einen zinslosen Kredit von 800 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat. Sehen Sie, das meinen wir, meine Damen und Herren, wenn wir sagen: Die Bundesregierung vertritt die deutschen Interessen schlecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler kommentiert diese Vorgänge mit Sätzen wie den folgenden: Man soll keine neuen Streitfälle mit der Sowjetunion in die Welt setzen. Oder: Man soll die Belastbarkeit des Viermächteabkommens nicht testen. — Herr Bundeskanzler, dies sehen wir nicht als eine wirksame Wahrnehmung der Interessen Berlins an. Von Ihnen wird nicht verlangt, daß Sie Streitfälle in die Welt setzen, ganz gewiß nicht; aber es wird von Ihnen erwartet, daß Sie, wenn die Interessen Berlins unter Verletzung klar getroffener Vereinbarungen beeinträchtigt werden, dazu mehr sagen als diese Bemerkungen.
    Ich sagte es schon, der Bundesaußenminister erklärt, Berlin sei ein Gradmesser der Entspannung. Aber aus dieser seiner Erklärung zieht er an keiner erkennbaren Stelle irgendwelche Konsequenzen. Das läuft wie ein Ritual ab. Jedesmal, wenn eine Schwierigkeit entsteht, sagt der Bundesaußenminister: Berlin ist ein Gradmesser der Entspannung. Ich fürchte, die Sowjetunion und die östlichen Partner gewöhnen sich an diesen Zustand und haben in gar keiner Weise das Gefühl, daß sie die Entspannung und die Entspannungspolitik beeinträchtigen, wenn sie sich gegenüber Berlin so verhalten, wie ich es geschildert habe.
    Meine Damen und Herren, ein weiterer Bereich, in dem die Bundesregierung versagt und dadurch den Interessen unseres Volkes und unseres Landes nicht in der von ihr zu fordernden Weise dient, ist die Auseinandersetzung mit dem Linksradikalismus in unserem Lande.

    (Zurufe von der SPD: Aha! — Natürlich! — Das mußte ja kommen!)

    — Ja, das mußte kommen. Das muß jedesmal kommen, denn das ist eine kolossal wichtige Sache!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Herr Bundesinnenminister hat uns in der letzten Woche einen Bericht — einen sehr lesenswerten Bericht — über die DKP vorgelegt. Er legt darin dar, die DKP sei eine verfassungsfeindliche Partei. Er hat das mit vorzüglichen Argumenten untermauert; niemand von uns könnte das besser machen, als er es getan hat. Er sagt: Wenn die DKP von „sozialistischer Umwälzung" spricht, ist das nur ein Tarnausdruck für „sozialistische Revolution" ; in Wirklichkeit will sie die sozialistische Revolution. Wenn die DKP von der „Herrschaft der Arbeiterklasse" spricht, ist das nur eine Tarnvokabel; in Wirklichkeit meint sie: Diktatur des Proletariats. Der Bundesinnenminister stellt fest, daß beide Prinzipien unserem Grundgesetz widerstreiten. Darin wird er sicherlich recht haben.
    Dann kommt ein sehr bemerkenswerter Satz. Das Bekenntnis der DKP zum Grundgesetz, so sagt der Innenminister, habe den Zweck, günstige Kampf-



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    bedingungen für die Kommunisten in der Zukunft zu schaffen.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich bewundere den Scharfsinn des Innenministers, mit dem er alle diese Dinge erkannt hat. Die DKP, sagt er mit Recht, bezeichne immer wieder die DDR als ihr Vorbild, und das System der DDR sei — so sagt er mit Recht — mit dem unseres Grundgesetzes nicht vereinbar.
    Trotzdem hat diese Bundesregierung und hat die Mehrheitskoalition von SPD und FDP in diesem Bundestag vor zwei Wochen den Mitgliedern der DKP einen Freifahrschein für den Staatsdienst in unserem Lande ausgestellt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es tut mir leid, ich kann die Situation nicht anders bezeichnen, denn Regierung und Koalition von SPD und FDP wollen den Mitgliedern der DKP den Zugang zum Staatsdienst in der Regel nicht verweigern. Die Mitgliedschaft in der DKP soll für sich allein nicht ausreichen, um einen Bewerber für den Staatsdienst abzulehnen. Es müssen, so heißt es, weitere Gründe hinzukommen. Aber geschnüffelt werden darf natürlich auch nicht; wir wollen ja keine Gesinnungsschnüffelei.

    (Zuruf von der SPD: Das tut Ihnen leid!)

    — Nein, das tut mir gar nicht leid, das finde ich sogar ganz hervorragend.
    Aber wozu wird denn das führen, meine Damen und Herren? Da wird doch gar nichts anderes übrig bleiben, als daß die einstellende Behörde den Bewerber, von dem sie weiß, daß er Mitglied der DKP ist, zu einem Gespräch bei sich empfängt und ihn fragt: „Sind Sie ein Verfassungsfeind?"

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Das ist das Modell Ehmke, würde ich sagen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Stücklen [CDU/CSU] : Sie haben immer den Ehmke unterschätzt!)

    Das war die Unterhaltung, die Herr Kollege Ehmke mit Herrn Guillaume führte. Er fragte ihn: „Sind Sie ein Spion?"

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Und Herr Guillaume antwortete pflichtgemäß: „Nein, das bin ich nicht."

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wenn es dem Herrn Guillaume gelungen ist, den Herrn Ehmke, der ja sicherlich zu den intelligenteren Mitgliedern dieses Hohen Hauses gehört, in so fundamentaler Weise zu täuschen: ja, meine Damen und Herren, glauben Sie denn ernsthaft, daß die Mitglieder der DKP, die in den Staatsdienst wollen, es nicht fertigbringen werden, dem sie befragenden Behördenleiter hervorragende Antworten zu geben, aus denen hervorgeht, daß sie auf dem Boden der Verfassung, des Grundgesetzes stehen?

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    30 Millionen DM, so hat der Innenminister gesagt, zahlt die DDR jährlich an die DKP; nach anderen Quellen sind es 100 Millionen DM im Jahr. Ich weiß das selbst nicht ganz genau, aber es ist viel Geld, und, meine Damen und Herren, es ist dasselbe Geld, das wir auf den verschiedensten Wegen unsererseits an die DDR zahlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

    Mit diesen Mitteln wird es wohl der DDR und der DKP möglich sein, ihre Mitglieder zu schulen und sie dafür vorzubereiten, daß sie auf die an sie zu stellenden Fragen die richtigen Antworten geben.
    Meine Damen und Herren von der SPD und FDP, Herr Bundeskanzler, meine Herren von der Bundesregierung, Sie treiben mit der inneren Sicherheit unseres Staates ein leichtfertiges Spiel,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und Sie tun es wider bessere Einsicht. Es kann Ihnen nicht entgehen, daß die Mitglieder der DKP in der Regel — ich sage ja auch immer wieder: in der Regel — überzeugte, ich würde sagen: fanatische Anhänger der Ziele dieser Partei sind. Wenn Sie zu der Feststellung kommen, daß die Ziele dieser Partei verfassungswidrig sind, dann können Sie der Schlußfolgerung nicht ausweichen, daß in der Regel auch die Mitglieder dieser Partei nicht die Gewähr bieten, die unser Grundgesetz verlangt, daß sie für die freiheitliche Ordnung im Sinne unseres Grundgesetzes eintreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber nach meiner Überzeugung nehmen Sie den Standpunkt, den Sie hier einnehmen, gar nicht auf Grund von rationalen Überlegungen ein, sondern auf Grund der Tatsache, daß die linken Flügel in Ihren beiden Parteien, in SPD und FDP, in dieser Frage einen so starken Druck auf Sie ausüben, daß Sie nicht mehr zur Entscheidung in der Lage sind, weil die linken Flügel in Ihren beiden Parteien mit Kommunisten zusammenarbeiten. Ich habe das in der letzten Debatte hier ausführlich vorgetragen. Ich verweise darauf, will Ihnen aber gerne, wenn Sie es bestreiten sollten, eine Reihe von fünf, sechs weiteren Beispielen vortragen, aus denen hervorgeht, daß diese Zusammenarbeit besteht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Minister Franke hat es ja gesagt!)

    Herr Kollege Kleinert, den ich jetzt nicht sehe, hat sich in der letzten Sitzung mit mir über die Hessischen Rahmenrichtlinien auseinandergesetzt. Ich muß sagen, ich begrüße das sehr, daß der Herr Kollege Kleinert das getan hat. Dies ist immerhin einer der Fälle, in denen ein Kollege auf das eingeht, was ein Sprecher der Opposition zuvor gesagt hat, ohne mit pauschalen Urteilen zu versuchen, die Angelegenheit beiseitezuschieben. Der Herr Kollege Kleinert hat mir entgegengehalten, die Hessischen Rahmenrichtlinien seien überholt, inzwischen seien in Hessen alle möglichen Veränderungen vor sich gegangen.

    (Zurufe des Abg. Immer [SPD])




    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Ich bin diesem Argument nachgegangen und habe festgestellt, daß im Jahre 1974 in Hessen und anderswo ein Schulbuch eingeführt worden ist, das sich „Arbeitsbuch für die Sozial- und Gemeinschaftskunde der Klassen 7 bis 9 aller Schulen" nennt. Dieses Buch stellt eine Umsetzung der Richtlinien in ein Schulbuch dar. Es ist ebenso verfassungswidrig wie die Richtlinien selbst. Es ist ebenso charakterisiert durch den Versuch einer Denunzierung unserer freiheitlichen Ordnung und ebenso geprägt durch marxistische Propagandathesen. Dieses Buch ist in Hessen, in Bremen, in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen als Schulbuch zugelassen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Es ist inzwischen, seit 1974, in 30 000 Exemplaren verkauft worden. Ich kann also nur feststellen — in all diesen Ländern regieren ja sozialdemokratische, zum Teil sozialdemokratisch-freidemokratische Regierungen, und in all diesen Ländern sind Sozialdemokraten die verantwortlichen Minister —, daß die immer wieder geleugnete Verbindung von Mitgliedern der SPD mit kommunistischen Kräften unverändert weiterbesteht.

    (Zuruf von der SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Punkte schließen,

    (Gansel [SPD] : Der Höhepunkt fehlt noch!— Weitere Zurufe von der SPD)

    der nach meiner Auffassung im Rahmen der Haushaltsdebatte auch noch erwähnt werden sollte.

    (Zuruf von der SPD: Zum Haushalt reden!)

    Die Bundesregierung hat uns einen Gesetzentwurf über die Reform des Strafvollzuges vorgelegt, über den übermorgen abgestimmt werden soll. Ich gehe auf den Inhalt nur ganz kurz ein. Dieser Entwurf enthält

    (Dr. von Bülow [SPD] : Sind Sie übermorgen weg?)

    — ich bin auch übermorgen da — viele fortschrittliche Gedanken, denen wir zustimmen können. Wir begrüßen es unter anderem, daß der Vollzug der Freiheitsstrafe nunmehr einheitlich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, und wir begrüßen es auch, daß verbesserte Möglichkeiten zur Wiedereingliederung der Strafgefangenen in die Gesellschaft geschaffen werden. Außerdem ist in diesem Entwurf aber vorgesehen, daß die Strafgefangenen künftig eine kräftige Erhöhung ihrer Bezüge, ihrer Arbeitsentgelte erhalten. Dadurch entstehen zwar nicht dem Bund, Herr Bundesfinanzminister, aber den Bundesländern in den nächsten Jahren zusätzliche Ausgaben von sehr beträchtlichem Ausmaß, Ausgaben, die nach einem Gutachten des Haushaltsausschusses innerhalb der nächsten zehn Jahre 1,6 Milliarden DM betragen werden.

    (Stücklen [CDU/CSU]: Wir haben es ja!)

    Auf der anderen Seite lehnt es die Bundesregierung
    und lehnt es die Koalition ab, ein Gesetz zu verabschieden, dessen Verabschiedung wir seit langem
    fordern, nämlich das Gesetz über die finanzielle Entschädigung der Opfer von Gewaltverbrechen.

    (Gansel [SPD] : Das stimmt doch gar nicht!)

    So geht es nicht! Wir werden Ihnen einen Antrag vorlegen — ich kündige das jetzt schon an, Herr Bundesfinanzminister —, den finanzwirksamen Teil dieses Gesetzes zunächst zurückzustellen, bis sich die Finanzlage des Bundes und der Länder gebessert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn wir sind der Meinung, daß in einer Zeit, wo wir an allen Enden kürzen — bei den Kriegsopfern, bei den Landwirten, bei den Auszubildenden, im öffentlichen Dienst, bei wichtigen Investitionen —, eine derartige Aufbesserung der Einkünfte der Strafgefangenen zurückgestellt werden muß, meine Damen und Herren.

    (Gansel [SPD] : Das ist ein Niveau, sagenhaft! Pfui! Pfui!)

    Das ist eine zwangsläufige Folgerung aus der finanziellen Lage, in der wir uns befinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gansel [SPD] : Pfui! Da klatscht noch nicht einmal Ihre eigene Fraktion! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

    Ich halte dies für notwendig, ich halte dies bei einer Abwägung aller Interessen für einen notwendigen Schritt. Ich sage noch einmal: Wir fordern die Zurückstellung, nicht etwa die Aufhebung der geplanten Schritte.
    Meine Damen und Herren, ich habe zu einigen Bereichen außerhalb der finanziellen und der wirtschaftlichen Bereiche

    (Zuruf von der SPD: Nichts gesagt!)

    Stellung genommen. Ich habe insbesondere zu Fragen der Ostpolitik und zu Fragen der inneren Sicherheit Stellung genommen.

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Auch zum Haushalt?)

    Ich wiederhole: Die Bundesregierung versagt in beiden Bereichen. Sie ist in beiden Bereichen der Aufgabe, die ihr von der Verfassung gestellt wird, nicht gerecht geworden. Im Bereich der Ostpolitik vertritt sie die deutschen Interessen nicht ausreichend, und im Bereich der inneren Sicherheit spielt sie ein leichtfertiges Spiel.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Bülow.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Andreas von Bülow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte bisher eine gewisse Hochachtung vor dem Führer der Opposition,

    (Zuruf von der SPD: „Führer" ist gut! — Weitere Zurufe von der SPD)




    Dr. von Bülow
    die sich auf Grund der Einlassungen, die heute zum Haushalt gegeben worden sind, sicherlich nicht aufrechterhalten läßt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Man kann diese Ausführungen sicher auch nicht damit entschuldigen, daß irgendwelche Referenten die Redemanuskripte für 10 oder 15 Gesetzesvorhaben der vergangenen und kommenden Wochen zusammengestoppelt und ihm als Manuskript gegeben haben, um sie als Beitrag zur Haushaltsdebatte zu bringen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß eine solche Fülle von Fehldarstellungen, wie sie hier soeben vom Führer der Opposition gegeben worden ist

    (van Delden [CDU/CSU] und Wohlrabe [CDU/CSU] : Nennen Sie einmal eine!)

    — kommt, kommt; Herr Wohlrabe, das kommt, langsam! —, der Aufmerksamkeit des Oppositionsführers gegenüber seinen Ghostwritern entgangen sein sollte.
    Ich fange mit der letzten Behauptung an: Entschädigung von Opfern von Gewalttaten. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt im Ausschuß, steht zur Behandlung an, ist von seiten der Regierungskoalition keineswegs abgelehnt worden.
    Nehmen wir den Strafvollzug! Die Strafvollzugsreform ist von allen Fraktionen im Strafrechtssonderausschuß einstimmig verabschiedet worden,

    (Hört! Hört! bei der SPD — Weitere Zurufe von der SPD)

    also auch von der Opposition. Sie ist für notwendig erkannt worden auf Grund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts und von den Justizministern sämtlicher Länder, also auch der CDU/CSU- geführten Länder, gebilligt worden. Auch der bayerische Justizminister ist der Meinung, daß dieses Strafvollzugsgesetz kommen muß.

    (Zurufe von der CDU/CSU) — Moment! —

    Die Behauptung, es sei eine kräftige Erhöhung der Bezüge von Strafgefangenen vorgesehen, ist falsch. Bis zum Jahre 1980 gibt es keinerlei Erhöhungen der Bezüge. Über die Rechtfertigung dieser Bezüge kann man durchaus streiten; aber bis zum Jahre 1980 sieht der jetzt zur Verabschiedung kommende Entwurf eine Erhöhung des Entgelts nicht vor. In den Kosten des Entwurfs zum Strafvollzugsgesetz ist das enthalten, was die Länder schon teilweise erledigt haben oder auch im eigenen Interesse erledigen müssen, nämlich der Neubau von Strafvollzugsanstalten, der ohnehin notwendig ist, weil die Anstalten aus dem letzten Jahrhundert stammen. Herr Kollege Carstens, Sie als Oppositionsführer sollten sich, wenn Sie ein gewisses Niveau der Debatte halten wollen, informieren,

    (Beifall bei der SPD)

    ehe Sie solche, ich würde sagen: schäbigen und auf die billigen Emotionen von Stammtischen ausgerichteten Behauptungen aufstellen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann haben Sie sich an der Auseinandersetzung um den Bundeshaushalt vorbeigemogelt, indem Sie Schulbücher anführen, die niemand von uns kontrollieren kann. Was weiß ich denn, was an neuen Schulbüchern herauskommt? Wahrscheinlich stellt sich heraus, wenn man es genau verfolgt, daß der Sachverhalt völlig anders ist oder das von Ihnen angeführte Buch gar nicht zugelassen ist.
    In der Frage des Linksradikalismus sollten Sie sich mehr in die Richtung von Alfred Grosser begeben, der das auf einen etwas vernünftigeren Nenner bringt als Ihre von Hektik, Antikommunismus und Angstpsychose diktierte Haltung.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zum Haushalt selbst haben Sie nur einige Stichworte vorgetragen. Die schöne Bemerkung, man sollte lieber über eine globale Kürzung der Beamtenstellen von einem Prozent sprechen und nicht von der Weltrezession, zeugt von der Unkenntnis des Sprechers der Opposition von den weltweiten wirtschaftlichen Zusammenhängen.
    Ich nenne das Stichwort Jugoslawienkredit. Als ob Sie nicht wüßten, daß unter der Regierung Adenauer ein zinsloser Kredit an Jugoslawien gegeben worden ist! Das wollen Sie einfach unter den Tisch wischen, um billige Polemik zu machen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nehmen wir das Problem der Rentenabgeltung an Polen in Höhe von 1,3 Milliarden DM. Sie haben zwar eine weitgehende Übereinstimmung in Ihrer Fraktion in der Ablehnung dieses Abkommens zustande gebracht; aber die Leute bei Ihnen, die etwas mehr nachdenken, verweigern Ihrer Marschroute die Zustimmung.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt schließlich Äußerungen von Herrn Stoltenberg, der der Richtung, die die Regierung jetzt eingeschlagen hat, das Wort geredet hat. Er hat gesagt, langfristig werde man im Wege der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eine Möglichkeit finden, das deutsch-polnische Verhältnis zu bereinigen. Es gibt auch Äußerungen Schröders, von Weizsäckers usw. Ich finde, es ist billig, wie hier argumentiert worden ist.
    Auch der Swing, Herr Carstens, der der DDR im innerdeutschen Handel eingeräumt worden ist, besteht nicht erst, seitdem es diese Koalition gibt. Den gibt es, seitdem es den innerdeutschen Handel gibt. Auch dies ist falsch in Ihrer Darstellung.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Er wurde aber im ungünstigen Zeitpunkt erhöht!)

    — Ungünstiger Zeitpunkt, Herr Wohlrabe, — das ist eine ganz andere Sache. Hier wurde es aber so dargestellt, als wäre das eine Leistung der Koalition an den Ostblock.
    Auch mit Ihren Bemerkungen über die Straßnbenutzungspauschale operieren Sie auf einem ganz billigen Terrain. Schließlich sind die Visagebühren abgeschafft worden, die früher die Berliner und die Besucher Berlins zu tragen hatten. Sie werden jetzt pauschal abgegolten, und das muß aus dem Bundes-



    Dr. von Bülow
    haushalt bezahlt werden. Der DDR wird also kein Pfennig mehr gegeben, sondern ihr wird das gegeben, was ihr auch dann zufallen würde, wenn die Visagebühren — die auch in Ihrer Regierungszeit eingeführt worden sind — heute von den Bürgern weitergezahlt würden.
    Meine Damen und Herren, dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, daß das, was hier als Einlassung vorgetragen worden ist, völlig neben der Sache liegt und mit dem Haushalt 1976 und der weiß Gott drängenden Problematik überhaupt nichts zu tun hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Aufgabe des Haushalts 1976 und der mittelfristigen Finanzplanung 1975 bis 1979 ist es, in Zeiten großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten und unvorhergesehener finanzieller Bedrängnis das Netz sozialer Sicherung aufrechtzuerhalten, dabei die laufenden Konjunkturprogramme finanziell abzusichern, die staatliche Nachfrage nach Wirtschaftsgütern nicht etwa abzuwürgen, sondern aufrechtzuerhalten und gleichzeitig sparsam mit den knapp gewordenen Mitteln umzugehen.
    Daß die Konjunkturprogramme keineswegs so völlig daneben gelegen haben, wie der Kollege Strauß uns das heute morgen einzureden versucht hat — er hat gesagt: das war ein Strohfeuereffekt —, zeigen die neuesten Zahlen. Wenn man die neueste Statistik des Wirtschaftsministeriums zur Hand nimmt, sieht man, daß die Aufträge in der Investitionsgüterindustrie aus dem Inland im Juni, bedingt durch die Investitionszulage, um 100 % zugenommen haben, im Juli um 23,5 % — das ist noch ein Effekt auf Grund der Investitionsprämie daß sie im August um 2 % abgenomen haben — mit der Folge, daß die Kassandra-Meldung durch die Welt ging, es handle sich tatsächlich um einen Strohfeuereffekt — und daß nach den neuesten Zahlen im September wieder ein Plus von 26,8 % zu verzeichnen ist. Ähnliche Zahlen lassen sich — nicht ganz so hoch — aus dem Ausland nennen: 8,5 % für September. Die Konjunkturprogramme haben also im Inland in dem Bereich, für den sie gedacht waren, durchaus gezogen, was nicht heißt, daß es nicht noch problematische Zonen gibt.

    (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Zitieren Sie mal die neuen Arbeitslosenzahlen!)

    — Auch die neuen Arbeitslosenzahlen können Sie hinzunehmen. Saisonal bedingt hat die Arbeitslosigkeit jetzt noch leicht zugenommen, aber weit weniger als im Durchschnitt der Jahre.
    Meine Damen und Herren, gleichzeitig muß mit diesem Haushalt die kurz- und mittelfristige Konsolidierung der Staatsfinanzen eingeleitet werden. Ich glaube, der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede eine sehr offene und ehrliche Bestandsaufnahme vor der Bürgerschaft dieses Landes vorgetragen. Er hat die Probleme dargestellt und den entschlossenen Weg der Regierung geschildert. Er hat den Bürgern klaren Wein eingeschenkt. Es ist eben nicht so wie 1965 oder 1966, wo zunächst im Wahlprogramm die große Täuschung vorgenommen und nach gewonnener Wahl die Rücknahme der Staatsleistungen durchgeführt wurde. Die Sozialdemokraten, Herr Leicht, wurden damals dazu benutzt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    So war die Situation. Die Sozialdemokraten brauchten Sie damals, sonst wäre der Karren nicht aus dem Dreck gekommen.
    Herr Strauß hat in einem neunzigminütigen Ritual, das wir schon seit Jahren kennen, die Regierung ins Gebet genommen. Dabei möchte ich als einzigen wirklich bemerkenswerten Satz festhalten, daß er noch einmal die „Gnade der Stunde der Angst" hervorgekehrt hat. Ich weiß nicht, ob es jedem Mitglied dieses Hauses aufgefallen ist: Auf den Zwischenruf „Gnade der Stunde der Angst" sagte er: „Ja, und die muß genutzt werden". Also dieselbe Philosophie, die 1966/67 dazu benutzt worden ist, Arbeitnehmern Angst einzujagen und die soziale Absicherung abzubauen. Dies ist auch heute wiederum die Mentalität, die hinter den Vorstellungen wenigstens eines Teiles der Opposition steckt.
    Weder von Herrn Strauß noch von Herrn Leicht sind die langersehnten Alternativen zu dem, was die Regierung als Programmpaket vorlegt, gekommen. Die Erwartungen waren hochgeschraubt — Herr Apel hat das vorhin ausgeführt — in der Debatte über den Nachtragshaushalt und das Haushaltsstrukturgesetz. Da hieß es: Schonung der ersten Rednergarnitur; die großen Sparmaßnahmen werden aus Anlaß der ersten Lesung des Bundeshaushalts verkündet. Nichts dergleichen ist gekommen. Statt dessen eine kleinlaute Entschuldigung: die Regierung habe ja den Apparat, und im übrigen: wenn es um unpopuläre Maßnahmen gehe, müsse die Regierung vorangehen, nicht die Opposition. Wenn es aber umgekehrt, Herr Leicht und Herr Strauß, darum geht, Steuervergünstigungen zu verkaufen, Steuerermäßigungen zu bringen, dann wird im Interesse des Wählerfangs sehr konkret beschrieben, was da im einzelnen gewollt ist.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Das ist nun einmal der Vorzug der Opposition!)

    Unter dem Strich liefern Sie keine Einsparungsvorschläge, und Sie erhöhen das Manko des Staates noch um Ihre Steuervergünstigungsvorschläge.

    (Beifall bei der SPD Leicht [CDU/CSU] : Im nächsten Frühjahr reden Sie anders!)

    Herr Leicht, wir sind uns ja alle miteinander einig: Hauptproblem ist die Kreditaufnahme 1976 und in den folgenden Jahren. Knapp 39 Milliarden DM stehen im Haushaltsentwurf, und dies ist zweifellos ein Höchstpunkt. Das Ziel der Regierung ist es — und wir werden sie dabei unterstützen —, von den 38,9 Milliarden DM im Jahre 1976 im Laufe der nächsten vier Jahre auf 11,3 Milliarden im Jahre 1979 herunterzukommen.
    Nun gibt es Streit über die Ursachen dieser Defizitentwicklung. Die Opposition hat uns heute die Schlagworte „Reformeuphorie" und „Anspruchshorizonte" vorgehalten und gesagt, die Lohnquote sei zu hoch, d. h., die gezahlten Löhne seien zu hoch,

    Dr. von Bülow
    und auch die Staatsquote sei zu hoch; daraus resultierten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten werden entsprechend vernachlässgt. Es wird mit keinem Wort darauf Bezug genommen, daß sich Rohstoffe in einem Jahr um 100 % verteuert haben, daß sich Energie —Erdöl — um 300 % verteuert hat, daß gegenüber dem Vorjahr Auslandsaufträge in Höhe von 40 Milliarden DM mit der Umsetzung in Beschäftigung, Lohnsteuer, Gewerbesteuer und dergleichen mehr fehlen.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Fünf Milliarden fehlen, nicht 40 Milliarden!)

    — Herr Strauß hat behauptet, das sei eine Phantomrechnung, obwohl sie im Sachverständigengutachten so enthalten ist und wohl auch von allen Wirtschaftswissenschaftlern akzeptiert wird. Sie tun so, als könnte man das Haus dichtmachen: Die Fenster werden geschlossen, und der Streit innerhalb der Familie wird im eigenen Mief ausgetragen; auf die Nachbarn wird keine Rücksicht genommen. Sie übersehen dabei folgendes. Warum haben die USA eine Arbeitslosenquote von 8,3 %? Doch nicht etwa, weil dort die deutsche sozialliberale Koalition am Ruder wäre. Warum beträgt die Arbeitslosenquote in Großbritannien 5,4 % und in Frankreich 4,7 %? Die Bundesrepublik ist mit ihrer Arbeitslosenquote inzwischen in der Skala der westlichen Nationen im unteren Viertel angelangt, schneidet also vergleichsweise hervorragend ab. Tiefe Rezession herrscht also in allen westlichen Industriestaaten, nicht nur in der Bundesrepublik.
    Wenn Sie sagen, daß die Lohnquote in der Bundesrepublik ungeheuer stark gestiegen sei, und darauf verweisen, daß daraus die große Krise auch der öffentlichen Finanzen resultiere, so müssen Sie sich ebenfalls die internationalen Statistiken zu Gemüte führen. Bei uns sind im Jahre 1975 gegenüber 1974 genauso wie im Jahre 1974 gegenüber 1973 im Durchschnitt die gemäßigtesten Lohnsteigerungen in der westlichen Welt festzustellen.
    Warum haben wir die niedrigste Preissteigerungsrate in der westlichen Welt? Dies ist doch nicht etwa darauf zurückzuführen, daß wir hier eine unfähige Regierung haben. Im Gegenteil! Gerade all diese internationalen Daten deuten ja darauf hin, daß die Staatsschiffe durch schwierige Wasser geführt werden müssen, daß überall Kursverluste und Reibungsverluste entstehen, daß aber das Schiff der Bundesrepublik insgesamt am besten unter den miteinander konkurrierenden Staatsschiffen fährt.

    (Beifall bei der SPD)

    Andere Staaten beneiden diese Republik ja auch um ihre Regierung, um ihre Handlungen, um ihr Sozialsystem.
    Nun noch einiges zur Staatsverschuldung. Wir wollen, wie gesagt, von 1976 bis 1979 die Staatsverschuldung von rund 40 Milliarden DM auf 11,3 Milliarden DM reduzieren. Die Gründe für diese Staatsverschuldung hat der Bundesfinanzminister dargelegt. An erster Stelle ist die Rezession zu nennen, die uns 1976 Steuerausfälle in Höhe von 19 Milliarden DM gegenüber früheren Schätzungen beschert. Weitere Posten sind: zusätzliche Zahlungen an die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 6,1 Milliarden DM, Steuerrevisionsklausel: 2,6 Milliarden DM, Steuerreform: 10 Milliarden DM. Das ergibt zusammen ein Paket von 37 Milliarden DM. Dies sind die beiden Probleme, die durch die Haushalte der kommenden Jahre bewältigt werden müssen.
    Nun zu den einzelnen Maßnahmen. Die Kürzungen werden zum ersten — dies trifft jeden Bürger — in der mittelfristigen Finanzplanung vorgenommen. Gegenüber der ursprünglichen Finanzplanung für die Jahre 1974 bis 1978 wird die jetzt vorgelegte Finanzplanung für das Jahr 1976 Kürzungen in Höhe von 5,1 Milliarden DM enthalten. 1977 werden es 6,6, 1978 11,4 Milliarden DM sein.
    Das morgen zu verabschiedende Haushaltsstrukturgesetz ist ein weiteres Paket, das vielen Bürgern ebenfalls Opfer abverlangt. Es wird dazu führen, daß wir 1976 eine Entlastung des Haushalts in Höhe von 7,9, 1977 in Höhe von 12,2 und 1978 in Höhe von 11,5 Milliarden DM zu verzeichnen haben. Dazu dann die Mehrwert-, Tabak- und Branntweinsteuer in Höhe von 8,2 bzw. 10 Milliarden DM. Das heißt, allein 1976 müssen und werden 13 Milliarden DM durch die Maßnahmen eingespart werden, die die Regierung jetzt vorgeschlagen hat.
    Herr Leicht, der Rückgriff auf 1966 zieht so, wie Sie ihn gebracht haben, nicht. Im Jahre 1966 — so Ihre Behauptungen — rund 70 Milliarden DM Staatshaushalt und 7 Milliarden DM Einsparungen,

    (Leicht [CDU/CSU] : Bei einer Lücke von 3 Milliarden DM!)

    heute 40 Milliarden DM Defizit und nur 3 Milliarden DM Einsparungen. Daß das eine Milchmädchenrechnung ist, ergibt folgender Tatbestand. Sie haben 1966 das mitgerechnet, was in den Ressortverhandlungen nicht zum Zuge gekommen ist.

    (Leicht [CDU/CSU] : Nein!)

    — Natürlich. Das ist in den 7 Milliarden DM genau mit enthalten. — Sie haben bei der Vergleichsrechnung 1976 nicht die Abstriche der Ressorts eingerechnet; das müßte mit eingerechnet werden, wenn es eine vergleichbare Rechnung sein sollte. Sie haben nicht die Abstriche in der mittelfristigen Finanzplanung eingerechnet; die haben Sie bereits verkonsumiert. Und Sie haben die Entlastung auf der Ausgabenseite ebenfalls nicht mit eingerechnet. Insofern stimmt diese ganze Rechnung nicht.
    Im übrigen: Das Haushaltssicherungsgesetz von 1966 hat — entschuldigen Sie bitte — nicht zu langfristigen Einsparungen geführt in einem Zeitraum von vier, fünf Jahren, wie wir das jetzt anstreben, sondern es hat fast nur ein Jahr gewirkt und war damit wirklich ein Strohfeuer. Schon 1967 hat das Haushaltssicherungsgesetz von 1966 nur noch 700 Millionen DM erbracht. Ab 1967 war unter dem Strich nichts mehr.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ritz [CDU/CSU])

    Im Vierjahreszeitraum, Herr Ritz, 1966 bis 1969,
    beliefen sich die Einsparungen insgesamt auf
    3,9 Milliarden DM oder 1,3 % des Haushalts. Das,



    Dr. von Bülow
    was jetzt als Paket 1976 bis 1979 vorgelegt wird, bringt 31,2 Milliarden oder 4,1 % des Haushalts. 1,3 % zu 4,1 % ist ja eine beträchtliche Differenz.

    (Leicht [CDU/CSU] : Mit dem Unterschied, daß das damals nicht notwendig war!)

    Die Alternative der CDU/CSU ist heute nicht vorgelegt worden. Im Gegenteil: Die Kürzung der mittelfristigen Finanzplanung akzeptieren Sie ja wohl. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird abgelehnt. Das sind 7,8 Milliarden DM im Jahre 1977. Im Haushaltsstrukturgesetz wird die Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages abgelehnt. Für 1977 bedeutet das 4,6 Milliarden DM. Wenn Sie Ihre Rechnung aufstellen und heute die Regierung übernehmen müßten, fehlten Ihnen für 1976 5,2 Milliarden DM und für 1977 13,8 Milliarden DM. Da sind dann schon einige Ihrer Steuervergünstigungen, die Sie planen, mit eingerechnet.
    Wenn Sie also in 1977 den Deckungsbedarf in Höhe von 13,8 Milliarden DM nicht decken können — indem Sie nämlich das mitmachen, was wir vorschlagen —, dann müssen Sie in dieser Höhe Eingriffe planen. Daran führt überhaupt gar kein Weg vorbei. Sie müssen dann Eingriffe in die sozialen Leistungen oder im Investitionsbereich vornehmen.

    (Leicht [CDU/CSU] : Nein, wir kriegen dann mehr Steuern!)

    Herr Strauß sagt, das soziale Kleid sei zu groß. Gehen Sie voran, machen Sie Vorschläge! Herr Leicht sagt, es müßten einschneidende, für den Bürger unter Umständen empfindsame Maßnahmen durchgeführt werden. Das kann doch nur heißen, daß man im Sozialbereich vorgehen will. Es bieten sich an: Rentenversicherungszuschüsse in Höhe von 21,6 Milliarden DM, Kriegsopferversorgung in Höhe von 11,2 Milliarden DM, Kindergeld in Höhe von 13 Milliarden DM. Sie müssen entweder unseren Weg gehen, müssen die Lasten der schwierigen Wirtschaftslage gleichmäßig auf alle Schultern verteilen — das ist die eine Option —, oder aber Sie müssen in Leistungen eingreifen, die den Bürgern, und zwar den betroffenen, das Durchstehen dieser schwierigen Zeit ermöglichen sollen. Wir entscheiden uns für die solidarische Lösung, für die Solidarität mit denen, die von diesen Schwierigkeiten betroffen sind, die im übrigen auch vom Strukturwandel betroffen sind.
    Wenn Sie immer von Strukturwandel in der Wirtschaft reden — es gibt ihn ja zweifellos —, wenn Sie so sehr für die Marktwirtschaft eintreten — tun wir in gewissem Umfang ja auch

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das war sehr gut gesagt! — Lachen bei der CDU/CSU)

    — nicht mit dem Kinderglauben, mit dem Sie sie versehen —,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn man für das System dezentraler Unternehmensentscheidung ist, mit der Folge, daß von Staats wegen sehr wenig Einfluß darauf genommen werden kann, und wenn man diese Strukturwandlung sich vollziehen sieht, dann muß man aber wenigstens das Netz der sozialen Sicherungen für diejenigen, die von dem Strukturwandel betroffen sind, so dicht wie möglich ziehen.

    (Beifall bei der SPD) Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

    Ich will es mir ersparen, heute auf die Frage der Subventionen einzugehen. Es ist immer wieder populär, zu fordern, die Subventionen abzubauen. Nur: Jedesmal, wenn man konkret Punkt für Punkt die Subventionsliste durchgeht, wird man feststellen, wie schwierig es ist, Subventionen gerade in der heutigen Zeit abzubauen. Die Subventionen beziehen sich auf den Bereich der Landwirtschaft, auf die Mineralölsicherung, auf die Luftfahrtindustrie. Hier ist von uns aus Herrn Strauß mehrfach als Zwischenruf das Stichwort „Airbus" zugerufen worden. Wer der Meinung ist, daß die deutsche Luftfahrtindustrie noch eine Chance haben soll gegenüber der amerikanischen Konkurrenz, die auf den ganzen Weltmärkten übermächtig ist, der muß bei der Subvention derartiger Flugzeugprogramme durchhalten. Wer billig fordert, einfach 10 % der Subventionen abzubauen, der muß wissen, daß es dann, wenn es an diese Position herangeht, nicht mehr zu halten ist.

    (Zuruf von der SPD: Das wissen die aber noch nicht!)

    Auch die regionale Wirtschaftsförderung zählt zu den Subventionen. Auch die Förderung des Zonenrandgebiets ist letztlich nach unserer Definition — ob sie vernünftig ist oder nicht — eine Subvention. Wir alle sind aber der Auffassung, daß der Zonenrand durch Investitionen, durch Beihilfen usw. gestärkt werden muß.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist also alles nicht abzubauen. Zu den Subventionen zählen auch die Sparförderung und entsprechende Maßnahmen im Wohnungswesen.
    Ich will hier nicht weiter darauf eingehen. Ich kann nur jeden auffordern, sich den Subventionsbericht vorzunehmen und da nach Möglichkeiten des Abbaus zu suchen. Er wird sehr schnell finden, daß dies kaum möglich ist.
    Die Oppositionsargumentation hört sich meistens ganz gut an. Man sollte sie aber mit dem konfrontieren, was in den von der Opposition regierten Ländern passiert.

    (Leicht [CDU/CSU] : In allen!)

    Die Defizitentwicklung verläuft dort genauso wie beim Bund: 1973 1,9 Milliarden DM, 1975 21 Milliarden DM. Ich sage das ja nicht, um hier wieder billig den Schwarzen Peter zu verteilen, sondern nur, um zu sagen, daß wir alle in einem Boot sitzen, zusammen auch mit den Bundesländern. Ich will damit zum Ausdruck bringen, daß die Länder, wenn sie den Zuwachs des Defizits — 1973 1,9 Milliarden DM, 1975 21 Milliarden DM — abbauen wollen, aktiv im Bundesrat in dieser Beziehung mitwirken müssen.
    Was tun nun die einzelnen Länder? Herr Kohl in Rheinland-Pfalz — Ihr besserer Helmut, wie Sie ihn nennen, wie er in Autoaufklebern bereits genannt wird — fordert für den Bund weitere Sparmaßnah-



    Dr. von Bülow
    men. Das Land Rheinland-Pfalz befindet sich aber mehr oder weniger in der Position des Schlußlichts bei der Sparkommission. Der Haushalt 1976 ist in Rheinland-Pfalz überhaupt noch nicht eingebracht; Eckwerte zum Haushalt 1976 sind vom Kabinett in Rheinland-Pfalz überhaupt noch nicht beschlossen.

    (Leicht [CDU/CSU] : Sie wissen wohl nicht, daß es dort einen Zweijahreshaushalt gibt!)

    In diesem Jahr wird er auch nicht mehr verabschiedet werden, weil es komplizierte Beratungen geben wird. Die Steuermindereinnahmen 1975 belaufen sich auf 548 Millionen DM. Wie das zu decken ist, dafür gibt es überhaupt keine Erklärung.

    (Zuruf des Abg. Stücklen [CDU/CSU])

    Wenn Sie uns die Forderung entgegenhalten, wir sollen mit dem Personal sparsam sein, was wir weiß Gott sind — Personalbestand beim Bund: unter dem des Jahres 1973 —, muß ich erwidern, daß das Land Rheinland-Pfalz 1975 allein 2 182 neue Stellen einführt.

    (Leicht [CDU/CSU] : Sagen Sie, wofür! — Zurufe von der SPD)

    Bei Herrn Goppel in Bayern sieht es nicht viel anders aus. Er hat zwar einen Nachtragshaushalt für 1975 vorgelegt, aber es sind Mindereinnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden DM einzusetzen.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Für 1976!)

    Die Nettokreditaufnahme erhöht sich um das Achtfache gegenüber 1974.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Alles die Folgen des Bundes!)

    Es gibt auch nicht sonderlich viel Personaleinsparungen. Für 1976 wurde bereits ein Anstieg des Personals in Bayern um 5 600 Stellen bewilligt.

    (Zuruf des Abg. Stücklen [CDU/CSU])

    Davon werden jetzt, Herr Stücklen, 30 % wieder eingespart.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Das ist für mehr Polizisten und Krankenschwestern! Wollen Sie die haben oder nicht?)

    — Wir wollen sie haben. Nur die billige Argumentation hier im Bund, die wollen wir so nicht haben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Wagner [Trier] [CDU/CSU])

    Baden-Württemberg hat auch einen Doppelhaushalt. Auch dort gibt es Steuerausfälle in beträchtlicher Höhe: 2,1 Milliarden DM. Die Regierung erklärte: Wir wollen 1 Milliartde DM sparen. Fs passiert zunächst aber überhaupt nichts. Auch hier wird das Personal noch erheblich ausgeweitet.
    Wenn man die Haushalte gerade dieser Länder genauer untersucht, wird man sehen, daß sie sich sogar noch prozyklisch verhalten, daß sie Investionen teilweise streichen, daß sie kommunale Finanzausgleichsmasse streichen, so daß das letzte Ende der Finanzkette des Bundes äußerst schwach ausgestattet ist.
    Nun zum Sparen im öffentlichen Dienst. Auch hierzu ist schon einiges gesagt worden. Ich sagte schon, daß der Personalstand des Bundes seit Jahren stagniert. Wir liegen unter der Zahl von 1973.
    Herr Carstens, Sie machten eine Bemerkung zu der Steigerungsrate beim Bundeskanzleramt von 80 %. Das ist ja nur darauf zurückzuführen, daß ein ganzes Ministerium in das Bundeskanzleramt eingegliedert worden ist. Sie müßten das besser als alle anderen hier wissen. Das war also auch eine Fehlbehauptung.
    Die Bundesregierung wird in diesem Jahr 1 000 Stellen einsparen. Der Präsident des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat Vorschläge für Einsparungen im Bundeshaushalt gemacht. Wir begrüßen sie. Diese Vorschläge werden aufgegriffen und geprüft. Die Arbeitsgemeinschaft Haushalt der Koalitionsfraktionen hat eine Untergruppe eingesetzt, um sie im Detail zu prüfen.
    Wir sind dafür, daß Rationalisierungsfelder erschlossen werden. Nur glauben wir, daß dies ein sehr mühsames Feld ist, daß Globalmaßnahmen nur in beschränktem Sinne hilfreich sein werden. Wir sehen es ja immer wieder: Wenn wir global kürzen, dann bedeutet das, daß wir z. B. bei den Organen der inneren Sicherheit, bei den Organen der Justiz, teilweise auch im Bereich der Verteidigung, Ausnahmen machen müssen. Es ist also äußerst schwierig, über globale Forderungen Einsparungen zu erzielen. Aber wir sind durchaus bereit, an diesen Einsparungsvorschlägen zu arbeiten, und willens, sie auch durchzusetzen.
    Noch ein Wort zur Staatsquote. Dies ist ein Propagandaschlagwort, mit dem man sich in der öffentlichen Diskussion bei bestimmten Kreisen gut einschmeicheln kann. Es ist aber außerordentlich problematisch.
    Der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, was alles Staatsquote ist, daß da die Sozialversicherung einzubeziehen ist, soweit sie auf Zwangsbeiträgen beruht, was in der Bundesrepublik ja der Fall ist. Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung sind Bestandteil der Staatsquote. Ebenso ist es mit der Arbeitslosenversicherung. Wenn Sie das etwa mit den Vereinigten Staaten oder anderen Ländern vergleichen, dann stellen Sie fest, daß es dort privat organisiert ist. Infolgedessen ist das überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Insofern ist das ein Instrument, das klassisch in die Behauptung hineinpaßt, die wir überall unter den Bürgern finden: Mit Statistik läßt sich trefflich lügen.
    Der zweite Grund, weshalb die Staatsquote kein maßgebliches Kriterium für die Entwicklung innerhalb eines Staates und für die Staatsaktivität ist, liegt darin, ,daß die Staatsleistungen konjunkturbedingt natürlich nach oben schwellen. Wenn wir kein Wachstum des Bruttosozialprodukts mehr haben, aber auf der anderen Seite die Transferleistungen des Staates stärker in die Höhe gehen, dann bedeutet das, daß der Staatsanteil automatisch steigt.



    Dr. von Bülow
    Ein weiteres Beispiel dafür, wie schwierig es ist, hier die richtigen Kategorien zu finden, ist die Kindergeldreform. Wenn das Kindergeld in der Form gewährt wird, daß Steuerabzüge ermöglicht werden, hat man eine niedrige Staatsquote. Wenn es aber über direkte Auszahlungen gewährt wird, wie wir es jetzt haben, dann liegt eine Erhöhung der Staatsquote vor. Das bedeutet, daß sich mit diesem Begriff trefflich argumentieren läßt. Der Wahrheit kommt man damit nicht näher. Wenn man alles abzieht und den reinen Staatsbegriff im klassischen Sinne sieht, dürfte sich herausstellen, daß wir im Laufe der Jahre kaum eine Steigerung dieser Tätigkeiten zu verzeichnen haben werden, vielleicht mit Ausnahme des Bildungsbereichs.
    Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber einig, daß dieser Haushalt wie jeder Haushalt Risiken hat. Es handelt sich meistens um dieselben Positionen: Deutsche Bundesbahn, Steuereingänge, Bundesanstalt für Arbeit, Frage des wirtschaftlichen Wachstums. Wie es damit steht, wird sich im Zeitablauf zeigen. Ich glaube, Pessimismus ist in dem Umfang, wie er hier vorgetragen wurde, auf keinen Fall angebracht. Ich hatte vorhin schon ausgeführt, daß sich die Auftragseingänge im In- und Ausland stabilisieren, wenn nicht sogar bessern. Es gibt verbreitet Anzeichen ,des Optimismus. Die Arbeitslosigkeit sinkt, sie steigt nicht in ,dem saisonalen Umfang, wie es in früheren Zeiten zu beobachten gewesen ist. Es ist unseres Erachtens möglich, in dieser schwierigen Lage die durch den Haushalt 1976 und die mittelfristige Finanzplanung gesteckten Ziele zu erreichen.
    Wir stellen nochmals fest: Die Kritik der Opposition ist ohne jede Alternative. Sie ist weit überzogen und in der Form teilweise beleidigend vorgebracht worden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir glauben, daß der Weg der Regierung allein realistisch und der gebotene ist und deshalb auch beschritten werden sollte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)