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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 181. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1975 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 12611 A Überweisung einer Vorlage an Ausschüsse 12611 B Begrüßung einer Delegation beider Häuser des Australischen Parlaments . . . . . 12618 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Berufsbildungsgesetzes — Drucksachen 7/3714, 7/3732 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. weitere Reform der beruflichen Bildung — Drucksache 7/3746 — Rohde, Bundesminister BMBW . 12611 C, 12672 C Dr. Gölter CDU/CSU 12618 B Engholm SPD 12625 D Frau Schuchardt FDP 12630 C Schmidt, Bundeskanzler 12633 D Dr. Maier, Staatsminister des Landes Bayern 12638 B, 12677 B Steinert, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 12644 C Schedl CDU/CSU 12647 A Wüster SPD 12657 D Grüner, Parl. Staatssekretär BMWi . . 12661 C, 12679 C Dr. Klein (Stolberg) CDU/CSU 12667 A Möllemann FDP 12669 B Frau Benedix CDU/CSU 12680 D Burger CDU/CSU 12683 C Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk — Drucksache 7/3777 — Sieglerschmidt SPD 12650 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 7/3778 — Jahn (Marburg) SPD 12651 B Frau Eilers (Bielefeld) SPD . . . . . 12652 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . . . 12653 C Spitzmüller FDP . . . . . . . . . 12654 D Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau — Drucksache 7/3779 — Willms, Senator der Hansestadt Bremen 12655 B Krockert SPD 12655 D Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU . . . . 12655 A Wurbs FDP 12657 B II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1975 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes und der Wehrdisziplinarordnung — Drucksache 7/3505 —, Bericht und Antrag des Verteidigungsausschusses — Drucksache 7/3773 — Gerstl (Passau) SPD 12684 D Biehle CDU/CSU 12686 A Krall FDP 12688 C Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . 12689 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Marktstrukturgesetzes — Drucksache 7/2508 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/3679 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 7/3678 — Marquardt SPD 12690 A Eigen CDU/CSU 12691 C Gallus FDP 12693 C Ertl, Bundesminister BML 12695 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sozialgesetzbuchs — Allgemeiner Teil — Drucksache 7/868 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/3766 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 7/3738, 7/3786 — Gansel SPD 12697 C Müller (Berlin) CDU/CSU 12699 C Hölscher FDP . . . . . . . . . . 12701 D Arendt, Bundesminister BMA 12703 A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Biermann, Hölscher und den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zivildienstgesetzes — Drucksache 7/3460 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/3749 — 12704 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. November 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Gewährung von Sachleistungen der Krankenversicherung — Drucksache 7/3587 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/3742 — 12705 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 7/3385 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/3797 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 7/3771 — in Verbindung mit Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 7/3386 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 7/3771 — 12705 B Zweite und dritte Beratung des von der . Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Auflösung, Abwicklung und Löschung von Kolonialgesellschaften — Drucksache 7/2885 —, Antrag des Auswärtigen Ausschusses — Drucksache 7/3772 — 12705 D Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter — Drucksache 7/3550 —, Bericht und Antrag des Rechtsausschusses — Drucksache 7/3781 — 12706 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol — Drucksache 7/3722 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/3783 — 12706 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. September 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta zur Vermeidung der Doppelbesteuerung — Drucksache 7/3735 — . . . . 12706 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 1. zu dem von den Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Jahn (Münster), Dr. Jobst und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entschließungsantrag zur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Schneider, Braun, Frau Stommel, Dr. Warnke, Frau Tübler, Blumen- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1975 III feld, Dr. Jahn (Münster), Volmer, Vogt, Eilers (Wilhelmshaven), Pfeifer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Zimmermann, Biehle, Röhner, Dr. Jobst, Thürk, Vehar, Frau Verhülsdonk und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Lage der Städte, Gemeinden und Kreise 2. zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — Drucksachen 7/2744, 7/3747 (neu) —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/3767 — . . . . 12706 D Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Schneider, Braun, Frau Stommel, Dr. Warnke, Frau Tübler, Blumenfeld, Dr. Jahn (Münster), Volmer, Vogt, Eilers (Wilhelmshaven), Pfeifer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Zimmermann, Biehle, Röhner, Dr. Jobst, Thürk, Vehar, Frau Verhülsdonk und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Lage der Städte, Gemeinden und Kreise — Drucksachen7/2741, 7/3764 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 7/3765 — 12707 B Beratung der Sammelübersicht 44 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 31. Mai 1975 eingegangenen Petitionen — Drucksache 7/3752 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 45 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen — Drucksachen 7/3758, 7/3798 — Frau Dr. Riede (Oeffingen) CDU/CSU . . 12707 C Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. Einspruch des Hessen-Nassauischen Heimatbundes e. V., vertreten durch den Vorsitzenden, Peter Heilmann, Oberursel, gegen die Gültigkeit des Volksentscheides im früheren Bezirk Montabaur des Landes Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1975 — Drucksache 7/3751 — 12709 B Beratung des Antrags des Innenausschusses zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für Verordnungen des Rates über die Einführung einer Sonderprämie für die Atomanlagenbediensteten in Deutschland und in den Niederlanden sowie einer vorübergehenden Pauschalzulage für dieses Personal, das in den beiden genannten Ländern sowie in Belgien dienstlich verwendet wird — Drucksachen 7/3525, 7/3743 — 12709 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsturzschutzvorrichtungen von landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern — Drucksachen 7/3108, 7/3748 — . . 12709 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Gasverbrauchsgeräte, hierfür bestimmte Gassicherheits- und Regelgeräte und über Prüfverfahren für diese Geräte Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Warmwasserbereiter für sanitäre Zwecke, die mit gasförmigen Brennstoffen beheizt werden — Drucksachen 7/3184, 7/3750 — 12709 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Übereinkommen Nr. 137 über die sozialen Auswirkungen neuer Umschlagmethoden in Häfen der Empfehlung Nr. 145 betreffend die sozialen Auswirkungen neuer Umschlagmethoden in Häfen mit je einer Stellungnahme der Bundesregierung — Drucksachen 7/3445, 7/3753 — 12710 A Beratung des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Geel-Mol (Belgien) dienstlich verwendet werden — Drucksachen 7/3377, 7/3761 — 12710 A Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu den von der Bunderegierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Billigung des Briefwechsels zwischen IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1975 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen betreffend die von Norwegen vollzogene Festlegung von Fischereizonen, die für Trawler während bestimmter Zeitabschnitte des Jahres gesperrt sind Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Waren der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den AKP-Staaten Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe der Tarifstelle 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Israel Verordnung (EWG) des Rates zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Israel — Ducksachen 7/3431, 7/3609, 7/3577, 7/3593, 7/3770 — . . . . . 12710 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektromedizinische Geräte Richtlinie des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für medizinische elektroradiologische Geräte für Röntgenstrahlen von 10 bis 400 kV — Drucksachen 7/3176, 7/3776 — . . . . 12710 B Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern (Zugang zu Arbeitsplätzen, zur Berufsausbildung und -förderung und Arbeitsbedingungen) — Drucksachen 7/3316, 7/3782 — 12710 C Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 17/74 — Besondere Zollsätze gegenüber Marokko) — Drucksachen 7/3535, 7/3769 — 12710 C Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über Beziehungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten eine Empfehlung einer Verordnung (EWG) des Rates über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Entwurf eines Abkommens über den Handel mit den überseeischen Ländern und Gebieten mit Erzeugnissen, die unter die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl fallen — Drucksachen 7/3569, 7/3784 — 12710 D Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Empfehlung einer Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens über handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Sri Lanka — Drucksachen 7/3459, 7/3785 — 12710 D Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Anpassung der in Artikel 13 Absatz 9 von Anhang VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenen Sätze der Tagegelder für Dienstreisen — Drucksachen 7/3615, 7/3787 — . . . . . . . . . . 12711 A Beratung des Antrags des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Schröder (Lüneburg), Dr. Marx, Baron von Wrangel, Dr. Abelein, Dr. Gradl, Jäger (Wangen), Böhm (Melsungen), Dr. von Bismarck, Franke (Osnabrück), Seiters, Lagershausen und Genossen betr. Verhandlungen mit der DDR über die Grenzmarkierungen an der Elbe — Drucksachen 7/3278, 7/3780 — Spillecke SPD 12711 B Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 12712 B Möhring SPD 12714 B Dr. Wendig FDP 12717 B Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 12719 A Präsident Frau Renger . . . . . . . . 12721 D Dr. Abelein CDU/CSU 12722 A Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 12724 B Baron von Wrangel CDU/CSU 12727 D Hoppe FDP 12729 A Nächste Sitzung 12730 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12731* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1975 12611 181. Sitzung Bonn, den 19. Juni 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 20. 6. Adams * 20. 6. Dr. Aigner * 20. 6. Dr. Artzinger * 20. 6. Baier 20. 6. Dr. Bangemann * 20. 6. Dr. Bayerl * 20. 6. Behrendt * 20. 6. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 20. 6. Dr. Blüm 20. 6. Blumenfeld * 20. 6. Dr. Böger 20. 6. Dr. Burgbacher * 20. 6. Dr. Corterier * 20. 6. van Delden 20. 6. Fellermaier * 20. 6. Flämig * 20. 6. Frehsee * 20. 6. Dr. Früh * 20. 6. Gerlach (Emsland) * 20. 6. Härzschel * 20. 6. Hansen 20. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 6. Kater 20. 6. Dr. Klepsch * 20. 6. *) Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Krall * 20. 6. Lange * 20.6. Lautenschlager * 20. 6. Lücker * 20. 6. Lutz 20. 6. Dr. Meinecke (Hamburg) 20. 6. Memmel * 20. 6. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 20. 6. Müller (Mülheim) * 20. 6. Mursch (Soltau-Harburg) * 20. 6. Frau Dr. Orth * 20.6. Picard 20. 6. Dr. Ritgen 20. 6. Frau Schimschok 20. 6. Frau Schleicher 20. 6. Schmidt (München) * 20. 6. Dr. Schneider 20. 6. Frau Schroeder (Detmold) 20. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 20. 6. Schwabe * 20. 6. Dr. Schwörer * 20. 6. Seefeld * 20. 6. Spranger 20. 6. Springorum * 20. 6. Dr. Starke (Franken) * 20. 6. Suck * 20. 6. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 20. 6. Walkhoff * 20. 6. Walther 20. 6. Frau Dr. Walz * 20. 6. Dr. Zimmermann 20. 6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Norbert Gansel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich wollte es auch nur sagen, um zu entschuldigen, Herr Präsident.
    Meine Damen und Herren, die Abstimmung eben hat gezeigt, daß das Vorhaben des Sozialgesetzbuches im Grunde genommen nicht kontrovers ist. Ich sehe auch, daß die parlamentarische Situation zur Zeit nicht dazu angetan ist, noch einmal eine Grundsatzdebatte zu führen. Andererseits hat das Werk doch eine solche Bedeutung, daß wir in der dritten Lesung etwas dazu sagen müssen. Um den Kollegen nicht zusätzlich Zeit zu nehmen, wollen wir versuchen, es flott zu machen; mit einer Erklärung kann man dabei vielleicht etwas Zeit sparen. Ich sage das, weil es immer etwas unangenehm ist, wenn man sich so starr an einen Text halten muß; aber dadurch geht es dann eben schneller.
    Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion trägt die Bemühungen der sozialliberalen Bundesregierung, das Sozialrecht zu kodifizieren. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gibt dem Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches ihre Zustimmung. Sie sieht darin den ersten Schritt zur Verwirklichung einer Forderung des Godesberger Programms, „die gesamte Sozialgesetzgebung einheitlich und übersichtlich in einem Sozialgesetzbuch zu ordnen".
    Der Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung enthält eine große Zahl Änderungen des Regierungsentwurfes. Sie sind zum überwiegenden Teil redaktioneller Art und aktualisieren nur die Verweise auf das geltende Recht; denn die Regierungsvorlage ist ja schon fast zwei Jahre alt. Aber sie haben dennoch politischen Aussagewert. Sie zeigen an, in welchem Umfang das Sozialrecht in den vergangenen zwei Jahren durch die sozialliberale Koalition fortentwickelt wurde.
    Auf folgende inhaltliche Verbesserungen des Regierungsentwurfs soll aber besonders hingewiesen werden.
    Erstens. Die sozialen Rechte in den §§ 3 bis 10 sind auf Grund des neuen § 2 Abs. 2 bei der Auslegung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und bei der Ermessensausübung zu beachten. Dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Die sozialen Rechte sind also nicht mehr nur eine Art Inhaltskatalog. Sie sind zwar nicht selbst An-



    Gansel
    spruchsgrundlage geworden, sie bleiben unter dem Vorbehalt der Einzelgesetze stehen. Durch diese Änderung sind die sozialen Rechte aber dynamisiert worden. Erst durch diese Dynamisierung konkretisieren sie die Leitideen des sozialen Rechtsstaats, wie die Sozialdemokraten sie verstehen. Der Sozialstaat ist eben nach unserer Auffassung nicht statisch. Er hat keine Grenzen. Der Sozialstaat ist eine sich dynamisch entfaltende Ordnung, die in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit schafft.
    Zweitens. Soziale Gerechtigkeit heißt heute in unserem schon hochentwickelten Sozialleistungssystem z. B. auch, den Zugang zu den sozialen Leistungen zu erleichtern und zu vereinfachen. Der Sozialstaat darf kein Privileg derer werden, die sich in ihm auskennen. Wir messen daher der Verpflichtung der Leistungsträger zu Aufklärung, Auskunft und Beratung große Bedeutung bei — §§ 13 bis 15. Deshalb haben wir dafür gesorgt, daß sich der Rat-und Auskunftsuchende eine schriftliche Bestätigung geben lassen kann. Auskunft und Beratung bleiben damit nicht länger eine unverbindliche Pflichtübung der Leistungsträger. Falscher Auskunft, falschem Rat wird vorgebeugt. Tritt dennoch ein Schaden ein, wird die Beweislage des Bürgers verbessert. In Zukunft wird der Extremfall nicht mehr vorkommen, daß der hilfesuchende Bürger von Amt zu Amt herumgeschickt wird, bis er aufgibt. Die Ortskrankenkasse zum Beispiel als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung hat dem Auskunftsuchenden die zuständige Stelle zu nennen, diese hat ihn umfassend zu beraten und ihm dem neuen § 16 Abs. 3 gemäß bei der Antragstellung zu helfen.
    In § 17 Abs. 1 sind die Leistungsträger verpflichtet worden, allgemeinverständliche Antragsvordrucke zu verwenden. Man mag diesen Vorschlag des Ausschusses durchaus mit Skepsis betrachten.
    Das Recht des Bürgers auf allgemeinverständliche Antragsvordrucke hat zwar im bürokratischen Staat den Charakter eines modernen Menschenrechtes, bleibt aber wohl deswegen schwerlich einklagbar. Die jüngsten Erfahrungen mit den Kindergeld-Anträgen beweisen, wie wichtig es ist, daß Formulare aus der Perspektive des Leistungsberechtigten — des Bürgers, des Verbrauchers — entworfen werden. Formulare, die hunderttausendfach, ja millionenfach Verwendung finden sollen, müßten praktisch getestet werden, bevor sie auf die Menschheit losgelassen werden.
    Formulare sind für viele Mitbürger nicht selten Schranken vor Sozialleistungen. Mühselige Umwege werden dem Bürger oft auferlegt, wenn er Papiere besorgen soll, wenn die Verwaltung Beweisurkunden über Tatsachen wie etwa die Existenz und die Wohnung des Antragstellers verlangt. Wir haben deshalb in § 65 zusätzlich dafür gesorgt, daß es dann keine Mitwirkungspflicht des Bürgers gibt, wenn sich der Leistungsträger durch einen geringeren Aufwand die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
    Alle diese Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf sollen den Zugang zu den Sozialleistungen popularisieren und entbürokratisieren — um das mit Schlagworten deutlicher zu machen. Wir wissen, daß mit diesen Vorschriften experimentiert und Erfahrung gesammelt werden muß. Daher haben wir uns dafür eingesetzt, die Bundesregierung zu bitten, nach drei Jahren einen Erfahrungsbericht über diese Vorschriften vorzulegen. Der Gesetzgeber muß dann auch den Mut haben, gegebenenfalls aus den Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen.
    Drittens. Durch die Anträge der Sozialdemokraten sind im Ausschuß die Vorschriften über die Anhörung Beteiligter, über den Schutz der Intimsphäre, über Vorschüsse und vorläufige Leistungen sowie ihre Erstattung, über Verzinsung — nach einstimmigem Vorschlag des Ausschusses 6 Prozent — und über Pfändungsschutz noch verbessert worden. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld beantragen muß, hat spätestens nach einem Monat einen gesetzlichen Anspruch auf Vorschuß — § 42 —.
    So wird es in Zukunft z. B. auch nicht mehr möglich sein, daß sich bei einem Gesundheitsschaden das Versorgungsamt und der Unfallversicherungsträger darüber streiten, wer zur Rente verpflichtet sei, während der Antragsteller an das Sozialamt verwiesen wird. Spätestens nach einem Monat ist der zuerst angegangene Leistungsträger zu vorläufigen Leistungen verpflichtet — § 43 —.
    Zum Beispiel wird es auch nicht mehr vorkommen, daß ein Rentner durch den fertigen Bescheid damit überrascht wird, daß seine Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt worden ist. Jedem Bürger muß Gelegenheit gegeben werden, sich vor dem Eingriff in seine sozialen Rechte zu äußern — § 34 —.
    Leider ist es erforderlich, die Verbesserungen, die der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs schon jetzt für den Bürger bringt, durch solche Beispiele plastisch zu machen. Das Gesetz ist durch Abstraktheit und durch Juristendeutsch gekennzeichnet; dies müssen wir selbstkritisch zugeben. Eine volkstümliche Sprache wird der Gesetzgeber wohl erst finden, wenn das Sozialrecht popularisiert worden ist. Die Kodifikation eröffnet jedenfalls den Weg dazu.
    Immerhin hat der Ausschuß dafür gesorgt, daß in § 56, der die Sonderrechtsnachfolge regelt, die Geschwister des Berechtigten nicht mehr als seine „Kinder im Sinne von Absatz 1 gelten", sondern daß sie den Kindern „gleichgestellt" werden. Solche revolutionären Großtaten für eine verständlichere Sprache sind leider die Ausnahme geblieben.
    Der Freiraum der gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Organisationen wird durch das Sozialgesetzbuch nicht berührt. Wir sind uns seiner — und ihrer — Empfindlichkeit durchaus bewußt. Der § 17 Abs. 3 ist deshalb neugefaßt worden. Er soll die Zusammenarbeit mit den freien Trägern nicht etwa einschränken, sondern verbessern helfen. Ihre Tätigkeit, ihr Engagement und ihre Initiative sind ein unverzichtbares Stück Sozialstaat, der eben nicht nur Sozialverwaltung ist.
    Meine Damen und Herren, Sie sehen, daß das Sozialgesetzbuch doch eine Menge materieller Ver-



    Gansel
    besserungen bringt. Es ist eben nicht so, wie der Abgeordnete Professor Klein von der CDU/CSU heute in Ihrem Pressedienst geschrieben hat, daß es nur eine bibliothekarische Aufgabe sei, was der Gesetzgeber auf sich nehme; das ist eine etwas „Klein"-liche Kritik. Wir sind der Auffassung, daß die Kodifikation des Sozialrechtes selbst ein Stückchen Reform ist, und zwar dadurch, daß das Sozialrecht zusammengefaßt und überschaubar wird. Wir feiern das nicht als eine große Reform, wie Herr Klein behauptet, aber das, was wir schaffen, wollen wir nicht „Klein" machen lassen.
    Die Sozialdemokraten begrüßen es, daß die meisten Anträge im Ausschuß einstimmig verabschiedet wurden. Wir danken der Opposition, daß sie auf ein Anhörverfahren verzichtet und damit die Voraussetzung geschaffen hat, daß das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden kann. Wir knüpfen daran die Hoffnung, daß der Bundesrat dem Gesetz ohne Verzögerung zustimmen wird, so daß es zum Jahresende in Kraft treten kann.
    Wir Sozialdemokraten sind den Bedenken des Bundesrates und der Opposition in einigen Fällen entgegengekommen. So im § 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3, § 35 und § 36. Es bleiben im wesentlichen drei Auffassungsunterschiede, bei denen folgende Klarstellung hilfreich sein wird.
    Erstens. Die Jugendhilfe kann nicht aus der Kodifikation herausgenommen werden, ohne diese zu gefährden. Die sozialpädagogische Orientierung der Jugendhilfe steht ihrer Einbeziehung nicht im Wege. Eine Isolierung der Jugendhilfe vom übrigen Sozialrecht kann im Gegenteil nur dadurch vermieden werden. Im übrigen wird ihrer besonderen Bedeutung durch ein eigenes Buch innerhalb des Sozialgesetzbuches Rechnung getragen werden können. Ausdrücklich weise ich unter Bezugnahme auf den Ausschußbericht darauf hin, daß die Kodifikation nicht die Änderung von Ressort-, Verwaltungs- oder Gerichtszuständigkeiten zum Ziel hat.
    Zweitens. Ähnliches gilt für die Einbeziehung des Wohngeldes. Die Bundesregierung ist aufgefordert worden, den Entwurf eines Wohngesetzbuches vorzulegen. Bis zur Vorlage dieses Entwurfes sprechen die engen sozialpolitischen und rechtlichen Gemeinsamkeiten des Wohngeldes mit den übrigen im Sozialgesetzbuch geregelten Sozialleistungen für eine Einbeziehung des Wohngeldgesetzes. Im Rahmen der Kodifikation des Wohnrechts muß geprüft werden, wie beide Gesetzbücher am besten aufeinander abgestimmt werden können.
    Drittens. In der Begründung zu § 44 und in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hat die Bundesregierung überzeugend dargelegt, daß für die Verzinsung im Sozialrecht spezifische sozialrechtliche Überlegungen sprechen. Wir betonen ausdrücklich, daß die Verzinsung, wie sie das Sozialgesetzbuch einführen will, keine präjudizielle Bedeutung für den Bereich der Steuerverwaltung haben soll.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist sich des Umstandes bewußt, daß die Kodifikation des Sozialrechts durch eine politische Polarisierung
    in Frage gestellt werden kann: Der Bundesrat muß zustimmen. Wir sind der Bundesratsmehrheit entgegengekommen, die nun ihrerseits die Kodifikation nicht in Frage stellen sollte.
    Wir hoffen, daß die Verabschiedung des Allgemeinen Teils der Sachverständigenkommission für das Sozialgesetzbuch zeigt, welchen hohen Wert wir ihrer Arbeit beimessen, und daß sie dadurch ermutigt wird, sie energisch fortzusetzen. — Wir danken den Mitarbeitern des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für die gute Zusammenarbeit.
    Bei diesem Anlaß möchte ich einem Mann den besonderen Dank der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sagen: Wir danken Walter Auerbach, der bis zu seinem Tod vor wenigen Wochen Vorsitzender der Sachverständigen-Kommission war, der seine Kraft für den sozialen Fortschritt gab und dessen Arbeit ermöglicht hat, daß der Bundestag diesem wichtigen Gesetz heute seine Zustimmung geben kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Berlin).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Johannes Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allem Wohlwollen, Herr Kollege Gansel, muß ich als Oppositionsvertreter doch ein paar Bemerkungen zusätzlich machen.
    Namens der CDU/CSU-Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab:
    Die Zusammenfassung verschieden strukturierter Sozialbereiche und der Vorschriften für alle sozialen Einrichtungen mit unterschiedlichem Rechtscharakter und subsidiärer Abgrenzung der Leistungen in einem Gesetzbuch wird von uns grundsätzlich und ausdrücklich begrüßt. Solche Pläne bestanden längst vor der Bildung der sozialliberalen Koalition. Schon unter Arbeitsminister Katzer wurde in seinem Ministerium ein neues Referat eingerichtet, das die Vorarbeiten für ein solches Vorhaben in Angriff nahm.
    Wir gingen und gehen auch künftig davon aus, daß zunächst durch Kodifizierung des geltenden Rechts in einem Gesetzbuch weder an dem bestehenden gegliederten System der sozialen Sicherung noch an den geltenden und an den besonderen Bedürfnissen in den unterschiedlichsten Wechselfällen des Lebens orientierten Grundprinzipien sich etwas ändern soll. Dies gilt insbesondere — um nur die wichtigsten aufzuzählen — für das Arbeitsförderungsgesetz, die gesamte Sozialversicherung mit der gegliederten Krankenversicherung, der Unfall- und gesetzlichen Rentenversicherung, des Rehabilitations-, Schwerbehinderten- und Kriegsopferrechts sowie des Bundessozialhilfegesetzes.
    Obwohl wir bei Beginn der Beratungen über die Regierungsvorlage nicht ganz frei von Zweifeln waren, ob nicht mehr beabsichtigt sei, hatten wir gehofft, daß diese Zweifel während der Ausschußberatungen ausgeräumt werden und wir uns über



    Müller (Berlin)

    eine möglichst leicht verständliche, auch für den weniger sachkundigen Bürger überschaubare und vereinfachte Kodifizierung des geltenden Sozialrechts im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs einigen könnten. Leider war das nicht ganz der Fall. Daß es nicht ganz einfach war, haben Sie, Herr Gansel soeben selber zugegeben. Unsere zahlreichen Anträge wurden überwiegend mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Auf eine Wiederholung einiger uns wichtig erscheinender Anträge in der zweiten Lesung, die nur der Klarheit dienen sollten, haben wir nur deshalb verzichtet, weil sie ja doch nur in gewohnter Weise der Ablehnung durch die Koalition anheimgefallen wären. Warum sollen wir uns also mehr anstrengen, als praktisch dabei herauskommt?
    Um so mehr kann ich deshalb leider nicht darauf verzichten, auf einige Fragen kritisch einzugehen. Zuvor jedoch möchte ich der Koalition dafür danken, daß sie, einer besseren Einsicht folgend oder auch nur aus Opportunismus, entgegen der Ablehnung durch die Bundesregierung schließlich doch dem Begehren des Bundesrates und der Opposition im Hinblick auf Art. 6 des Grundgesetzes, den Schutz und die Förderung der Familie in den Aufgabenkatalog des Sozialgesetzbuchs aufzunehmen, stattgegeben und einen Antrag aller Fraktionen daraus gemacht hat. Herzlichen Dank!
    Wieso die Hervorhebung des Schutzes und der Förderung der Familie, wie die Regierung meint, die Gefahr mit sich brächte, daß andere wichtige Aufgaben dadurch als weniger bedeutsam angesehen werden könnten, bleibt uns unerklärlich. Wir halten es in dieser Frage mit dem Zweiten Familienbericht, d. h. mit den unabhängigen Sachverständigen, die feststellten, daß die Familie die am besten geeignete Gemeinschaft zur Erziehung der Kinder ist und die Qualität unserer Gesellschaft entscheidend von der Qualität unserer Familien abhängt. Deshalb ist es besonders wichtig, die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, wenn sie dazu aus eigenèr Kraft nicht oder nicht mehr fähig ist.
    Ich frage also: Gibt es vor dem Hintergrund der heute nicht ganz familienfreundlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft sozialere Aufgaben als die Förderung der Familie? Nicht nur die Einzelperson, wie es die Koalition dauernd betont hat, sondern auch die Familie als die kleinste natürliche Gemeinschaft hat ein Recht auf soziale Leistungen. Es soll doch gerade eines der wesentlichen Ziele des Sozialgesetzbuches sein — das haben Sie, Herr Gansel, auch hervorgehoben —, dem Bürger auch im Hinblick auf die Familie, so möchte ich sagen, das Sozialrecht überschaubarer und verständlicher zu machen.
    Lassen Sie mich anschließend noch ein Wort zu der Ablehnung unseres Änderungsantrags zu dem gleichen § 1 sagen: Wenn die Bundesregierung und mit ihr die Koalition mit nicht überzeugenden Argumenten den Wunsch, neben der sozialen Gerechtigkeit und Sicherheit auch noch die der Würde des Menschen entsprechende Lebensführung als Leitvorstellung für die Gestaltung des Sozialrechts anzusehen, ablehnten, so ist das Argument, eine solche
    Formulierung könnte unter Hinweis auf die Rechtsprechung den Eindruck erwecken, das Sozialgesetzbuch strebe eine Nivellierung aller Sozialleistungen auf die Höhe der Sozialhilfesätze an, nicht überzeugend und geht einfach völlig an der Sache vorbei.
    Auch wir sind der Meinung, daß sich das Sozialgesetzbuch an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes orientieren muß. Wir verkennen dabei auch nicht, daß die Hauptanliegen des sozialen Rechtsstaates die soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherung sind. Im Gegensatz zur Bundesregierung und zur Koalition sind wir aber der Auffassung, daß sich die Verwirklichung dieser Ziele auch am dominierenden Verfassungsgrundsatz, wie er in Artikel 1 des Grundgesetzes an erster Stelle steht, orientieren muß, zumal dies überhaupt erst die Motivation, d. h. der Beweggrund für die Sozialstaatlichkeit ist. Wo die Menschenwürde mißachtet wird, gibt es keine soziale Gerechtigkeit. Im übrigen hat das angezogene Urteil nur gesagt, daß aus Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes nicht ein höherer Rentenanspruch als der Satz der öffentliche Fürsorge, oder besser: als der Regelsatz nach dem Sozialhilfegesetz hergeleitet werden kann.
    Zu den nach unserer Meinung unbefriedigenden Lösungen lassen Sie mich nur wenige Bemerkungen machen:
    Erstens. Wir sind — wie der Bundesrat — dem Grunde nach für — und nicht gegen — die Herausnahme der Jugendhilfe aus dem Sozialgesetzbuch. Natürlich enthält die Jugendhilfe Elemente sozialer Leistungen. Ihrem Wesen nach gehört die Jugendhilfe aber im ganzen und die Jugendpflege im besonderen in den Gesamtbereich der Erziehung und Bildung. Wir streben auch nach wie vor eine Reform des Jugendhilferechts an.
    Zweitens. Es bleibt auch unsere Auffassung, daß z. B. das Wohngeld in erster Linie im Zusammenhang mit dem Recht der Wohnungsbauförderung als wesentliche wohnungspolitische Zielsetzung zu betrachten ist. Es mag sein, daß man das Wohngeld mancherorts als Sozialleistung betrachtet. Die Frage wird sicher noch einmal aufgeworfen, wenn die Bundesregierung dem Ersuchen nachkommt, einen Entwurf für ein Wohnungsgesetzbuch vorzulegen.
    Drittens. Wir befürchten auch, daß die Formulierung in § 4, die neu hinzugekommen ist — „Jeder hat im Rahmen dieses Gesetzbuchs ein Recht auf Zugang zur Sozialversicherung" —, genau am Ziel einer besseren Aufklärung vorbeigeht. Rechtsunkundige Leser werden sehr leicht die Worte „im Rahmen dieses Gesetzbuchs" überlesen. Eine solche Formulierung wird für sie leicht zur Irreführung und Enttäuschung, obwohl doch gerade für Bürger ohne juristische Vorbildung leicht verständliche Formulierungen gewählt werden sollten, auf daß er seine sozialen Rechte erkennt.
    Dieser Satz ist im übrigen völlig überflüssig, weil nach dem vorherigen § 2 „Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden können, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im einzelnen bestimmt sind", es sei denn



    Müller (Berlin)

    — lassen Sie mich dieses kritische Wort sagen —, man strebt auf lange Sicht mit dem Wort „jeder" eine psychologische Vorbereitung einer allgemeinen Volksversicherung an.
    Viertens. Wir bedauern ferner, daß sich die Koalitionsmehrheit nicht mit uns entschließen konnte, den Wünschen der freien und gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände mehr, als es geschehen ist, entgegenzukommen und Formulierungen aufzunehmen, die auch für den Anspruchsberechtigten klar erkennbar machen, daß die öffentlich-rechtlichen Leistungsträger bei der Durchführung von Sozialleistungen mit den freien und gemeinnützigen Trägern der Wohlfahrts- und Krankenpflege bzw. Jugendhilfe partnerschaftlich zusammenarbeiten sollen, so daß der Berechtigte bei der Inanspruchnahme von sozialen Einrichtungen dieser Träger von seinem Recht der freien Wahl ungehindert Gebrauch machen kann.
    Schließlich noch kurz zwei Bemerkungen. Wir sind selbstverständlich für eine ortsnahe und möglichst umfassende Auskunftserteilung; denn wer in sozialen Angelegenheiten Rat und Hilfe sucht, muß sie schnell und umfassend erhalten. Wir befürchten nur, daß die dafür u. a. vorgesehenen Ortskrankenkassen, die über alle — ich betone: alle — sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen haben — und zwar hat die möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle zu erfolgen —, im Laufe der Zeit eine Aufgabe wahrnehmen sollen, die eine mit hochqualifizierten Fachkräften besetzte Zentralstelle erfordert und später einen Ansatz für eine Einheitsversicherung sein könnte. Wir können nur hoffen und wünschen, daß sich die uns im Ausschuß erteilte Auskunft wirklich erfüllt, wonach z. B. nur an die Einrichtung gemeinsamer Sprechtage gedacht ist, an denen Fachleute der einzelnen Leistungsbereiche an einem Ort zur Auskunftserteilung zur Verfügung stehen. Die Praxis wird zeigen, ob unsere Skepsis unberechtigt war.
    Der letzte Punkt, den ich, ehe ich zum Schluß komme, noch ansprechen möchte, macht mich persönlich etwas mißtrauisch. In § 23 Abs. 1 werden die einzelnen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung aufgezählt. Unter Nr. 1 Buchstabe e stand in der Regierungsvorlage — ich zitiere —:
    Beiträge für die Krankenversicherung der Rentner (§ 381 RVO)

    und nicht, wie jetzt in der Ausschußvorlage:
    Zuschüsse zu den Beiträgen von Rentnern für
    ihre Krankenversicherung (§ 381 Abs. 4 RVO).
    Zur Änderung dieses Textes in „Zuschüsse zu den Beiträgen von Rentnern für ihre Krankenversicherung (§ 381 Abs. 4 RVO) " heißt es im Ausschußbericht lediglich, „daß die Einweisungsvorschriften in der Regel nur unmittelbare Leistungsansprüche des Bürgers enthalten".
    Ich möchte deshalb feststellen, daß diese Vorschrift nur einen relativ kleinen Personenkreis betrifft. Ich stelle ferner fest, daß damit das Recht auf Beiträge für die Krankenversicherung der Rentner als Regelleistung der Rentenversicherung unberührt bleibt. Diese Feststellung ist notwendig, weil seitens I der Regierungsvertreter während der Ausschußberatungen die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner nur als Vermögensverschiebung zwischen den Trägern der Rentenversicherung und der Krankenversicherung bezeichnet wurden. Wir bleiben bei der Feststellung, daß die Beiträge der Rentenversicherung an die Krankenversicherungsträger für die Krankenversicherung der Rentner eine Regelleistung der Rentenversicherung ist, auch wenn sie zur Zeit nicht kostendeckend sind, auf die der Rentenversicherte im Rahmen des geltenden Rentenversicherungsrechts einen Rechtsanspruch hat. Dennoch möchte ich mich bei dieser Gelegenheit dem Dank an die Mitarbeiter des Arbeitsministeriums anschließen.
    Wenn wir nun wie in der zweiten Lesung dem Gesetzentwurf bei aller Kritik im Ausschuß zugestimmt haben und ihm auch in der dritten Lesung zustimmen werden, dann aus zwei Gründen: Einmal wollten wir damit zum Ausdruck bringen, daß wir grundsätzlich für eine Zusammenfassung des in zahlreichen Einzelgesetzen geregelten Sozialrechts in einem für den Bürger überschaubaren Sozialgesetzbuch sind. Darin sind wir uns einig.
    Der federführende Ausschuß empfiehlt zum zweiten, eine Entschließung zu fassen, wonach die Bundesregierung bis zum 31. Dezember 1978 einen Bericht über die Erfahrungen mit den Vorschriften des Sozialgesetzbuches — Allgemeiner Teil — vorlegen soll. Sollte sich in der Praxis unsere Kritik an den Vorschriften als berechtigt erweisen, werden wir bei passender Gelegenheit die entsprechenden Änderungen beantragen. Sollten wir, was wir hoffen, nach den nächsten Bundestagswahlen die Mehrheit in diesem Hause haben, werden wir dieses begonnene Werk eines einheitlichen Sozialgesetzbuches konstruktiv weiterführen.
    Mit diesen Vorbehalten stimmt die CDU/CSUFraktion dem Gesetzentwurf auch in der dritten Lesung zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU)