Rede von
Gerhard
Kunz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wir beraten heute in dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts. Diesem Entwurf liegen sowohl der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts, den die Bundesregierung eingebracht hat, als auch der Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Rechtspflege zugrunde. Der Rechtsausschuß hat die Entwürfe zusammengefaßt.
Sie, Herr Kollege Gnädinger, haben darauf hingewiesen, welche Fülle von Vorschriften beraten wurde, und zwar, wie auch ich hinzufügen kann, mit großer Gründlichkeit und Sorgfalt. Sie haben darauf hingewiesen, daß es sich im einzelnen um Änderungen der Eidesvorschriften sowie um Maßnahmen zum Schutze kindlicher und jugendlicher Zeugen in Strafverfahren handelt, Sie haben auf die
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Präzisierung der Voraussetzungen hingewiesen, unter denen ohne den Angeklagten verhandelt werden kann, und nicht zuletzt haben wir in diesem Entwurf die Probleme des Verteidigerausschlusses geregelt. Hier allerdings, Herr Kollege Gnädinger, gibt es erhebliche Differenzen, und ich möchte diese dritte Lesung benutzen, um gerade zu diesem Komplex schwerpunktartig zu sprechen.
Ich erinnere mich, daß es die CDU/CSU war, die im Mai 1973 hier im Haus einen Antrag eingebracht hat, wonach es vordringlich ist, gesetzliche Regelungen für den Ausschluß von Verteidigern zu schaffen.
Dem war nicht nur diese unsere Erkenntnis vorausgegangen, daß dies sehr notwendig ist, sondern auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, und dies wiederum erhebliche Zeit vorher. In diesem Urteil hieß es, daß gesetzliche Grundlagen
geschaffen werden müßten, um hier unverzüglich die dringend notwendigen Regelungen vorzunehmen. Dessenungeachtet kam die Vorlage der Regierungskoalition sehr spät,
und sie wurde dann sehr zögernd behandelt. Bereits bei den Beratungen eines sogenannten ersten Strafverfahrensrechtsreformgesetzes — diese vielen Reformismen hintereinander auszusprechen ist manchmal nicht ganz unbeschwerlich — haben wir darauf hingewiesen, daß vordringlich dieses Problem, nämlich auf geordneter, gesetzlicher Grundlage Ausschlußtatbestände bei Verteidigermißbrauch zu schaffen, zu lösen ist. Dennoch kam es erst in diesem Monat — wenngleich, wie ich noch einmal bestätigen möchte, sehr gründlich, sehr eingehend und sehr ausführlich und unter Einbeziehung eines Hearings mit Sachverständigen — zu den Beratungen.
Die Regierungskoalition war bereit, eine Bestimmung über den Ausschluß eines Verteidigers für den Fall zu treffen, daß dieser an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist oder eine Begünstigung oder Hehlerei begeht. Die Regierungskoalition war jedoch nicht bereit — und dies ist für uns einer der wesentlichen Punkte —, einen Ausschlußtatbestand für den Fall einzuführen, daß ein Verteidiger mit rechtsmißbräuchlichen Mitteln die geordnete Durchführung der Hauptverhandlung absichtlich und gröblich gefährdet und die Ausschließung erforderlich ist, um weiterer Gefährdung zu begegnen. Dann, wenn eine solche Fülle von Korrektiven in eine solche Bestimmung eingebaut ist, von einem Generaltatbestand, noch dazu von einem allgemeinen Generaltatbestand zu sprechen, wie Sie, Herr Gnädinger, es getan haben, ist schlechthin unmöglich. Die Vorschrift ist präzis, die Vorschrift ist praktikabel, und die Vorschrift stellt ein unverzichtbares Instrument dar, um den Exzessen, die wir in der letzten Zeit gerade im Bereich der
Baader-Meinhof-Bande erlebt haben, wirksam zu begegnen.
Nicht nur daraus, aber auch daraus ergibt sich ihre Unverzichtbarkeit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz aufführen, wo die Wirksamkeit einer solchen Vorschrift beginnt. Sie beginnt dort, wo ein Verteidiger sich nicht nur inhaltlich sachfremd bewegt, sondern auch formell unzulässig seine Rechte wahrnimmt. Ich denke an die Wiederholung bereits abgelehnter Anträge mit genau derselben Begründung bei genau derselben Sachlage — ein geübtes Mittel besonders gravierender Verschleppungstaktik, das von einzelnen Verteidigern immer wieder grob rechtsmißbräuchlich bemüht wird. Ich denke insbesondere aber auch daran, daß — wiederum einzelne — Strafverteidiger den Eindruck erweckt haben, daß sie auch vermittels Straftaten rechtsmißbräuchlich in das Verfahren eingreifen. Hier muß insbesondere an gröbliche Beleidigungen, an Tätlichkeiten und an Drohungen gegen die Richter gedacht werden.
Zu dieser Fallgruppe gehört insbesondere die Beteiligung des Verteidigers — dies ist an und für sich ein Kuriosum in sich — an der von seinem Mandanten betriebenen Fortführung einer kriminellen Bande oder Vereinigung. Gerade dieser Fall verlangt unsere erhöhte Aufmerksamkeit, und hier, Herr Kollege Gnädinger, werden die Auseinandersetzungen nicht nur rechtlich, sondern auch politisch, und sie müssen rechtlich und politisch geführt werden. Wenn man hier einwenden wollte, daß in diesen Fällen der Beteiligung eines Verteidigers an der Fortführung einer kriminellen Bande oder Vereinigung mit jenem Ausschlußtatbestand geholfen werden könne, der den Ausschluß dann vorsieht, wenn eine Tatbeteiligung gegeben ist, so muß ich im Hinblick auf die Praxis sagen: leider weit gefehlt! Der engere Tatteilnahmebegriff, die Notwendigkeit, den Begünstigungsvorsatz eindeutig und zweifelsfrei nachzuweisen, machen eine solche Vorschrift, wie wir sie für geboten erachten und wie wir sie durchsetzen werden — wenn nicht in diesem Verfahren, dann in einem anderen, auf das ich noch zu sprechen kommen werde —, unerläßlich.
Es ist eingewandt worden, ein solcher Ausschließungstatbestand könne nicht klar gefaßt werden, insbesondere könne die Gefahr entstehen, daß zulässige Verteidigerhandlungen von unzulässigen nicht hinreichend abgegrenzt werden können. Ich stelle in diesem Zusammenhang für meine Fraktion fest: Die Ausschließung eines Verteidigers soll durch unsere Mißbrauchsvorschrift nur vorgesehen werden, wenn ein Verteidiger mit rechtsmißbräuchlichen Mitteln die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung zu sabotieren versucht hat und die Gefahr der Wiederholung besteht. Dies sind rechtsstaatlich absolut einwandfreie Kriterien,
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insbesondere wenn man bedenkt, daß eine Wiederholungsgefahr ohnehin nur angenommen werden kann, wenn entsprechende bestimmte Tatsachen zur Stützung der Annahme einer solchen Gefahr dahinterstehen. Zudem wäre eine solche Vorschrift, wie wir sie im Auge haben, nur dann zu verstehen, wenn nicht mit geringeren Mitteln, in voller Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Verfahrenssabotage, und zwar krassesten Fällen der Verfahrenssabotage, entgegengewirkt werden kann.
Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, daß eine solche Vorschrift, wie wir sie im Auge haben, sich selbstverständlich nicht gegen die Anwaltschaft richtet. Eine solche Vorschrift richtet sich selbstverständlich nicht gegen den Verteidiger, der oft unbequem sein muß, um seine Rechte als Verteidiger voll wahrzunehmen. Darin liegt gerade zum Teil seine Bedeutung.
Ich möchte mir — Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung — gestatten, kurz den Begriff des Verteidigers aus dem Kommentar von Kleinknecht zur Strafprozeßordnung in der 29. Auflage hier in die Debatte einzufügen. Aus diesem Begriff ergeben sich eindrucksvoll die Rechte des Verteidigers, aber auch die Grenzen. Ich möchte mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, zitieren:
Der Verteidiger ist ein unabhängiges, selbständiges, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichgeordnetes, dem Beschuldigten zur Seite stehendes Organ der Rechtspflege, der nicht zur Unparteilichkeit, sondern in seiner Schutzaufgabe gegenüber dem Beschuldigten zur Einseitigkeit gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und dem Gericht verpflichtet ist.
Dies alles bejahen wir. An all diese Begrifflichkeiten knüpfen wir an, und daraus ergeben sich die Grenzen. Diese Grenzen hat unsere Rechtsmißbrauchsvorschrift im Auge und nur diese.
Die Vorschrift richtet sich also gegen vereinzelte Verteidiger, die die Grenzen der Rechtsstellung eines Verteidigers, die ich als selbstverständlich bezeichnen möchte, absichtlich und gröblich überschreiten.
Überschreitungen dieser Art — ich habe einige Beispiele genannt — sind mit der Stellung eines Rechtsanwalts und Verteidigers als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar. Ich möchte hinzufügen: Einem Verteidiger, der derart handelt, der derartige Unrechtsakte begeht, fehlt die Legitimation für sein Handeln, und wir zeigen nur diese Grenzen auf.
Es erscheint mir keinesfalls zufällig, daß die Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes eine solche Vorschrift, Sanktionsmöglichkeiten bei
Rechtsmißbräuchen vorzusehen, dringend empfohlen hat. Diesen Sachverstand, Herr Kollege Gnädinger, machen wir uns nicht nicht zunutze, wie Sie gesagt haben, sondern gerade zunutze, um diese unsere Vorschrift in den Zusammenhang zu stellen mit Notwendigkeiten einer geordneten Rechtspflege.
Die Koalition — und hiermit komme ich zum zweiten für uns gravierenden Punkt — hat es sodann abgelehnt, eine Überwachung des Verkehrs des Beschuldigten mit dem Verteidiger für den Fall vorzusehen, daß der Beschuldigte oder der Verteidiger den Verkehr dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder deren Begehung zu fördern, die Sicherheit in einer Vollzugsanstalt zu gefährden oder die Ordnung in einer solchen Anstalt erheblich zu stören. Die Koalition — und hier muß man wirklich sehr darüber nachdenken — hat die Schaffung einer entsprechenden Überwachungsvorschrift abgelehnt, obwohl die Konferenz der Justizminister einhellig eine solche Vorschrift für geboten erachtet hat, also auch, Herr Gnädinger, Ihre Länder. Und ich höre gerade, daß ein von Ihrer Partei regiertes Land, das bestimmt zuallerletzt in dem Verdacht steht, etwa erzkonservativ zu sein, die Wiedereinführung einer solchen Überwachungsvorschrift für geboten hält.
-- So ist es. Ich habe das jedenfalls so gehört.
— Und als streng rechtsstaatlich bezeichnet worden, wobei darüber, daß dies nur mit streng rechtsstaatlichen Mitteln durchgeführt werden soll, überhaupt kein Zweifel bestehen kann.
Die Ablehnung — und diese Schlußfolgerung ziehe ich daraus — stellt somit nicht nur einen falschen Entschluß in der Sache, sondern zugleich eine eklatante Konfrontation der Koalition mit dem Bundesjustizminister dar. Ja, wir müssen das so würdigen, Herr Minister.
Zum Ausgleich dessen scheint die Koalition es für nötig gehalten zu haben, es gut zu heißen, daß Sie, Herr Minister, den früheren Bundespräsidenten
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Dr. Heinemann gebeten haben, einen Brief an Frau Meinhof zu richten. Wir sind betroffen über die Einseitigkeiten in diesem Brief von Dr. Heinemann. Wir vermögen in diesem Brief kein Wort über die kriminellen Aktivitäten der Baader-Meinhof-Bancle zu erkennen und insbesondere kein Wort über die Steuerung krimineller Aktivitäten aus den Gefängniszellen. Wir sehen die Gefahr, daß auf Grund bestimmter Formulierungen dieses Briefes verschiedentlich der Eindruck entstehen könnte — sicherlich nicht gewollt —, die Motive der Bandenmitglieder seien in moralische und ethische Kategorien einzuordnen. Dem widersprechen wir ganz entschieden.
Bei der Schaffung von Vorschriften gegen den Mißbrauch der Verteidigerrechte wäre es höchst wünschenswert gewesen, ein hohes Maß an Gemeinsamkeit in diesen wichtigen rechtspolitischen Vorstellungen zu erreichen. Die Koalition, Herr Minister, hat diese Ihre Ansätze, die wir erkennen, blockiert.
Und nun zur Begründung eben dieser Überwachungsvorschrift, wie sie Ihr Haus, Herr Bundesjustizminister, selbst vorgenommen hat! Ich zitiere wiederum, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung aus der Begründung der Formulierungshilfe der Bundesregierung selbst:
In jüngster Zeit — so heißt es —
verstärken sich die Anzeichen dafür, daß einzelne Verteidiger in zunehmendem Maße das ihnen zugestandene Recht auf unbehinderten Verkehr mit den Beschuldigten zu Zwecken mißbrauchen, die mit der Stellung eines Anwalts als Organ der Rechtspflege unvereinbar sind. So besteht Grund zu der Annahme, daß insbesondere Anwälte, die als Verteidiger von mutmaßlichen Angehörigen einer kriminellen Vereinigung tätig sind, die ihnen vom Gesetz eingeräumten Rechte dazu benutzen, um den Kontakt der Mitglieder der kriminellen Vereinigung untereinander aufrechtzuerhalten und die Begehung von weiteren Straftaten zu fördern.
Der Rechtsstaat
— so heißt es dann weiter —
kann es aber nicht dulden, daß die dem Beschuldigten und seinem Verteidiger zur Vorbereitung einer umfassenden Verteidigung eingeräumten Rechte zum Angriff gegen die bestehende Rechtsordnung und zur Gefährdung der Sicherheit der Bürger mißbraucht werden.
Das ist genau unsere Meinung.
Deshalb ist der Widerspruch, der sich ergibt, Herr Justizminister, nur damit zu erklären, daß Ihre Vorstellungen — die sich insoweit mit unseren gedeckt haben — offensichtlich aus Ihrer Mitte heraus Korrekturen erfahren haben und vielleicht aus Gründen, die wir nicht beurteilen können, die in Umständen bei Ihnen liegen, erfahren mußten.
— Dies leider ist, Herr Kollege Carstens, zu befürchten.
Die Koalition hat anstelle eines abgelehnten Überwachungstatbestandes einen Ausschlußtatbestand geschaffen. Nun könnte man meinen — der Herr Kollege Gnädinger hat sich bemüht, dies hier argumentativ zu rechtfertigen —, im Grunde genommen sei beides annähernd dasselbe, nein, noch darüber hinausgehend: das schärfere Mittel sei der Ausschlußtatbestand. Ich kann nur sagen, Herr Kollege Gnädinger, Sie wissen doch genausogut wie viele andere und wie ich, daß der Ausschlußtatbestand ein Verfahren zur Grundlage hat, das sehr schwerfällig ist, das über das Oberlandesgericht vollzogen wird und das nicht so zügig durchgeführt werden kann wie die Anordnung einer Überwachung. Sie wissen, Herr Kollege Gnädinger, wie ich, daß der dringende Tatverdacht, den Sie für unerläßlich halten in diesem Zusammenhang, damit ausgeschlossen werden kann, wenn das Verkehrsrecht mißbraucht wird, um Straftaten zu begehen, in vielen Fällen schwer erhärtbar sein wird.
Deshalb muß ich — mit dem Justizminister von Baden-Württemberg — sagen: Sie schaffen, wenn Sie nur einen Ausschlußtatbestand schaffen, eine stumpfe Waffe. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß darin Sinn sein kann, eine stumpfe Waffe zu schaffen. Wir halten es für geboten, gerade hier effektive Vorschriften zu geben.
Insbesondere weisen wir darauf hin, daß ohnehin nicht einmal in Ihrer Ausschlußbestimmung, Herr Kollege Gnädinger, die Fälle einer Sicherheitsgefährdung als solche enthalten sind. Sie verlangen „erhebliche Gefährdung der Sicherheit", und da kann ich nur sagen: Sicherheit ist ein so hohes Rechtsgut, daß, wenn sie gefährdet ist, man nicht verlangen kann, daß sie erheblich gefährdet sein muß, um eingreifen zu können.
Dies ist das eine, was hinzukommt.
Das zweite! Sie haben es abgelehnt, einen Ausschlußtatbestand, geschweige denn eine Überwachungsregelung, für den Fall einzuführen, daß es zu einer erheblichen Störung der Ordnung in einer Vollzugsanstalt kommt. Hier liegt der praktisch bedeutende Bereich. Hier liegt ein Vorfeld, das Aktivitäten und Exzesse gezeigt hat, die uns in letzter Zeit ständig beschäftigt haben und uns weiter beschäftigen werden. Ich brauche eigentlich nicht daran zu erinnern: Kassiberdienste waren an der Tagesordnung, sogenannte Zellenzirkulare firmierten als Verteidigerpost, zum Hungerstreik, ja in vereinzelten Fällen zu Durststreiks wurde ermuntert. Hier muß eine Vorschrift geschaffen werden, die dem zu begegnen versucht. Wir wissen natürlich auch, daß dies sehr schwer ist. Aber wer sich nicht einmal bemüht, den Versuch in diesen wichtigen prak-
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tischen Bereichen zu machen, dem muß man vorhalten, ob er die Verantwortung übernehmen will, wenn — von ihm sicherlich nicht gewollt — weitere Eskalationen eintreten.
Wir werden trotz dieser erheblichen Bedenken dem Entwurf eines Gesetzes zustimmen,
— Ja, Herr Kollege Kleinert, die Freude kommt sicherlich auch für Sie noch nach. Wir stimmen zu, weil wir sagen, wir wollen, ehe gar nichts geschieht, diese Minimallösung.
Ich möchte ankündigen, daß wir in diesem Haus alsbald einen Entwurf einbringen werden, mit dem Sie sich erneut zu befassen haben werden. Dieser Entwurf wird zwei Kernbestimmungen enthalten: erstens eine Ausschlußtatbestandsformulierung bei Verwendung rechtsmißbräuchlicher Mittel und zweitens eine geeignete Überwachungsvorschrift. Dies sind unerläßliche Forderungen, hinter denen breite Teile unserer Öffentlichkeit stehen.
— Nein, nein! Herr von Schoeler, sofern Sie diesen Zwischenruf überhaupt ernst gemeint haben — ich glaube, daß Sie dies nur einmal dazwischenrufen wollten —, sofern von anderer Seite ernsthaft ein solcher Vorwurf an uns gerichtet werden sollte, so muß ich sagen: Gerade wir haben die Rechtsstaatlichkeit im Auge, und wir wollen nicht, daß einzelne Verteidiger diese Rechtsstaatlichkeit kaputtmachen, ihre Rechte mißbrauchen, um diesen unseren Staat erheblich zu gefährden.
Es geht überhaupt nicht um die Anwaltschaft als solche, sondern es geht um jene vereinzelten, die den ganzen Stand in erheblichen Mißkredit gebracht haben.
Ich kann hier nur an die Anwaltschaft appellieren, daß zusätzlich Maßnahmen getroffen werden können, um hier — selbstverständlich in aller Rechtsstaatlichkeit — reinigend zu wirken. Wir stimmen also im Sinne von Minimallösungen, die uns vorgelegt worden sind, zu.
Ich möchte abschließend begrüßen, daß alsbald zu den Ausschlußtatbeständen zusätzlich Vorschriften unseres Entwurfes eines Gesetzes zum Schutz der Rechtspflege Gesetz werden können. Wir möchten unseren Ländern danken, daß auf Grund ihrer Entschiedenheit auf der Grundlage des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Rechtspflege die Bundesregierung schließlich bewegt wurde, die Initiative mit zu tragen. Wir werden in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergreifen können — insofern erfreulich einvernehmlich —, um der bedrohlichen Zunahme der Störungen von Hauptverhandlungen, insbesondere durch extremistische Gruppen, zu begegnen, Ausschreitungen wirksam und angemessen entgegenzutreten. Die sitzungspolizeilichen Rechte des Vorsitzenden werden gestärkt
werden, der gesetzliche Rahmen für die Verhängung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft gegenüber Störungen wird erweitert.
Meine Damen und Herren, der Rechtsstaat muß das Recht und vor allem die Instrumente haben, sich verteidigen zu können, und zwar wirksam.
Wir hoffen, daß dieser Entwurf, ein entsprechender Beschluß des Deutschen Bundestages und weitere Maßnahmen, die wir als Opposition verfolgen werden, dazu beitragen werden, dem Rechtsstaat diese Instrumente zu schaffen. Der Rechtsstaat darf nicht schwach und schon gar nicht hilflos erscheinen.
Wir bekräftigen hier, dahin wirken zu wollen, daß sich der Rechtsstaat zu wehren weiß.