Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag steht heute abend vor der schwierigen Frage, ob er eine Steuer verlängern soll, die nach seinem eigenen Beschluß aus dem Jahre 1971 in wenigen Tagen auslaufen sollte.
Ich spreche von der Heizölsteuer, über die es in der Tat in diesem Hohen Hause seit ihrem Bestehen, bei ihren Änderungen und Verlängerungen verschiedene Meinungen und wechselnde Mehrheiten gegeben hat. Manche von denen, die heute eine Verlängerung der Heizölsteuer um fünf Jahre befürworten, waren bei ihrer Einführung noch gegen sie eingestellt. Andere, die heute der Verlängerung der Heizölsteuer skeptisch gegenüberstehen oder sie gar ablehnen, haben sich 1960 für die Einführung der Heizölsteuer ausgesprochen. Diese Wechselseitigkeit, die für dieses Parlament spricht, mag manche überraschen. Sie korrespondiert mit der unterschiedlichen Beurteilung der energiewirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik. So scheint es nach den Ausführungen von Herrn Dr. Weber auch heute zu sein.
Zunächst darf ich noch einmal auf das Ende der 50er Jahre zurückblicken, in denen es notwendig wurde, die Heizölsteuer als eine Art Schutzsteuer einzuführen. Man wollte und mußte der Steinkohle helfen und wollte darüber hinaus das weitere Vordringen des Heizöls auf dem Markt wenigstens ver-
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langsamen. Damals war das Heizöl auf breiter Front im Vormarsch, und die deutsche Steinkohle geriet in eine trostlose Wettbewerbssituation.
Fast 20 Millionen Tonnen Steinkohle waren auf Halden gelagert, von den sozialen Folgeschwierigkeiten ganz zu schweigen.
Damals, meine Damen und Herren, waren wir es zwar nicht gewöhnt, wie heute über gefährdete Arbeitsplätze zu sprechen, da wir in stabilen wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Verhältnissen lebten. In diesem Bereich aber mußte geholfen werden, und daher war der Beschluß dieses Hohen Hauses im Jahre 1960 notwendig und richtig. Man wollte der Kohle helfen und damit den Menschen, die im Revier tätig waren.
So war auch die Zweckbindung des Aufkommens aus der Heizölsteuer zu verstehen, die — 1971 erweitert — die Finanzierung energiewirtschaftlicher Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlebergbaus an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt zum Ziele hatte. Damals, 1971, war also eine veränderte Lage Ausgangspunkt für die Heizölsteuer.
Meine Damen und Herren, Herr Dr. Weber meinte eben, wir hätten heute die gleiche Situation. Dieser Meinung sind wir gar nicht. Wir haben nämlich eine ganz andere Situation. Sie ist ohne jeden Zweifel eine völlig andere, wenn auch die Bundesregierung heute in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf sagt, die Notwendigkeit, den Konsolidierungsprozeß des deutschen Steinkohlebergbaus auch künftig abzustützen, habe sich durch die neueste Entwicklung auf dem Energiemarkt nicht grundlegend geändert. — Geändert hat sie sich also schon, nur, meine Damen und Herren, nicht grundlegend.
Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung dann wohl auch in anderem Zusammenhang, nämlich in ihrem fortgeschriebenen Energieprogramm, gesagt, daß sich die Wettbewerbsrelationen zwischen 01 und den anderen Energieträgern und damit auch der Steinkohle gravierend verschoben haben. Damit korrigiert sich die Bundesregierung selbst und erspart mir und uns hier weitergehende Ausführungen. Es ist nämlich so: Die Steinkohle scheint, wenigstens vom Preis her, gegenüber dem Heizöl wettbewerbsfähig bzw. wenigstens wettbewerbsfähiger zu sein, und die Schutzwirkung — das ist wohl das Entscheidende —, die von der Heizölsteuer ausging und ausgehen sollte, scheint heute nicht mehr notwendig. Das Heizöl oder, besser gesagt, das Öl überhaupt ist nämlich nicht mehr auf dem Vormarsch; auf dem Vormarsch sind die Preise, die wir dafür zu bezahlen haben.
Je mehr diese steigen, desto leiser sollte eigentlich unser Ruf nach der Heizölsteuer sein; denn das 01 ist teuer genug.
Ich darf noch einmal zusammenfassen. Sosehr die Heizölsteuer bei ihrer Einführung und bei ihren Änderungen vor allem wegen ihrer Schutzwirkung
notwendig war, so wenig scheint sie von dieser Seite her gesehen heute geboten zu sein. Wenn Sie, meine Damen und Herren, Geld brauchen, um notwendige Maßnahmen, z. B. auch energiepolitische Maßnahmen, zu finanzieren, so sprechen Sie das klar und deutlich aus, wie Sie, Herr Dr. Böhme, das vorhin schon in einem anderen Zusammenhang getan haben. Dann reden wir aber nicht mehr von unserer alten Heizölsteuer, sondern von einer Fiskalsteuer, deren Notwendigkeit Sie uns allerdings bis zu dieser Stunde nicht deutlich genug nachgewiesen haben.
Übrigens wollte Ihr früherer Bundesfinanzminister Möller eine solche Steuer nicht. Er sagte nämlich bei der Debatte wegen der Verlängerung im Jahre 1971, er möchte ein Zeichen für den Abbau der Heizölsteuer setzen und nicht zulassen, daß sie in ihrem Charakter zu einer Fiskalsteuer umgewandelt werde.
Meine Damen und Herren, noch eine andere Bemerkung: Wir hörten hier eben einiges über das Energieprogramm der Bundesregierung, wir hörten einiges über die Fortschreibung des Energieprogramms. Ich darf das ein bißchen fortsetzen. Wir sprachen vor einer Woche auch über das Verstromungsgesetz und über das Energiesicherungsgesetz. Ich frage Sie: Warum faßt man diese energiepolitischen Fragen nicht einmal zusammen, um eine Konzeption, gemeinsam oder nicht, zu erarbeiten?
Vielleicht können wir dann auch einmal die Gelder errechnen, die notwendig sind, um das, was wir als Konzeption erarbeiten, in die Tat umzusetzen.
Darum geht es uns nämlich, daß wir die Dinge nicht nur bereden, sondern sie dann, wenn wir sie für richtig und notwendig halten, auch realisieren. Das war jedenfalls immer der Standpunkt meiner Fraktion.
Wir sprachen hier z. B. vor kurzem über das Verstromungsgesetz, mit dem doch ebenfalls Geld für energiepolitische Zwecke abgeschöpft werden soll. Wer zahlt denn die Zeche dafür, meine Damen und Herren? Doch der Verbraucher — privat oder industriell —, genau derjenige, der auch bei Verlängerung der Heizölsteuer die Kosten zu tragen hat. Sie machen das vielleicht geschickt, meine Damen und Herren, aber deshalb nicht richtig. Sie machen das nämlich nicht auf einmal, sondern in Stufen oder etwa in Raten. Diese Ratengeschäfte in der Politik liegen Ihnen mehr.
Noch einige Worte zu den Steuern,
deren Aufkommen Sie, meine Damen und Herren
von den Regierungsparteien, benötigen, um Ihren
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seit Jahren überzogenen Haushalt zu finanzieren. Sie benötigen das Geld. Ich darf Sie daran erinnern, wie Sie seit 1969 oder etwas vorher mit all Ihren Versprechungen auch auf dem Gebiete der Steuerpolitik durch die Lande gezogen sind, bei direkten und indirekten Steuern; Sie nahmen das nicht so genau.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen heute in Ihren Versammlungen, in Ihren Diskussionen — Sie hören das nicht gern, das macht mir aber gar nichts aus —, immer wieder von den Erleichterungen, die die Gesetzgebung auf dem Gebiete der Lohnsteuer und der Einkommensteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1975 bringen soll, eine Entlastung im übrigen, meine Damen und Herren, die zum Ausgleich der inflationären Entwicklung längst überfällig war, die wir vorher schon mehrere Male beantragt, die Sie aber abgelehnt hatten. Die Entlastung war überfällig, das lassen Sie sich sagen. Dieser Entlastung stehen zahlreiche Steuererhöhungen gegenüber, worüber Sie natürlich nicht reden, für die Sie aber die Verantwortung tragen. Ich denke an die Branntweinsteuer, die Tabaksteuer, die Mineralölsteuer zweimal. Und jetzt kommen Sie auch noch mit der Heizölsteuer und machen es sich so einfach, als ob auf energiepolitischem Gebiet die Situation heute die gleiche wäre wie 1971 oder gar 1960. So leicht, meine Damen und Herren, ist das nicht.
Meine Damen und Herren, Sie sind Regierungspartei und nehmen für sich die Erleichterungen in Anspruch, die hier auf dem Gebiet der Lohn- und Einkommensteuer — wenn auch zu spät — mit Wirkung vom 1. Januar 1975 beschlossen worden sind. Die Verantwortung für Steuererhöhungen wollen Sie aber nicht allein tragen. Dafür wollen Sie unsere Zustimmung haben. Dazu möchte ich Ihnen zum Schluß dies sagen:
Erstens. Von der Notwendigkeit, der Verlängerung der Heizölsteuer um weitere fünf Jahre haben Sie uns wahrlich nicht überzeugt. Nach unserer Überzeugung ist die Geschäftsgrundlage für die Heizölsteuer weggefallen.
Zweitens. Einer Verlängerung der Heizölsteuer in Form einer, sagen wir, verkappten Fiskalsteuer stimmen wir nicht zu.
Drittens. Wenn Sie neue oder andere Mittel brauchen, um Ihren Haushalt 1975 oder folgende Haushalte finanzieren zu können, dann sprechen Sie das offen aus! Solange aber Ihr zuständiger Minister — damit meine ich den Bundesminister der Finanzen — sagt, daß Steuererhöhungen 1975 nicht in Betracht kämen und nicht geplant seien, meine Damen und Herren, können Sie nicht die Hilfe der Opposition erwarten, um über den Widerspruch zwischen diesen Ankündigungen oder Versprechungen und dem tatsächlichen Verhalten der Bundesregierung z. B. bei der Heizölsteuer den Mantel der Nächstenliebe zu decken. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung.