Rede von
Friedrich
Hölscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Opposition, ich habe versucht, aus Ihren Beiträgen heute abend einen Bezug zu Ihrer Großen Anfrage herzustellen; bis jetzt ist mir das nicht so recht gelungen. Ich werde versuchen, die Rolle der Opposition — denn
das eine oder andere ist auch kritisch anzumerken — in meinem Beitrag mit zu übernehmen. Herr Kollege Burger und Herr Kollege Braun, was Sie gesagt haben insbesondere was Sie, Herr Burger, über das schwere Schicksal der Behinderten sagten —, ist richtig; dem kann nur beigepflichtet werden. Herr Kollege Burger, Sie haben, wenn ich das richtig gesehen habe, den Beifall des ganzen Hauses bekommen. Was sollte man dem auch entgegensetzen?
Ich fühle mich aber doch genötigt zu fragen: Welche Funktion soll unsere Beratung heute abend haben? Es ist sicher sinnvoll, immer wieder auf das Schicksal der Behinderten hinzuweisen, um z. B. eine Verbesserung des Verhältnisses der Bürger ihren behinderten Mitbürgern gegenüber zu erreichen. Dazu wäre es sicher notwendig, dann zu sprechen, wenn wir eine volle Pressetribüne haben. Alles das ist nicht der Fall. Ich glaube, wir Sozialpolitiker, die wir in erster Linie in diesem Bereich arbeiten, brauchen uns nicht gegenseitig zu bescheinigen, daß wir alles tun wollen. Ich glaube, wir haben uns in der Vergangenheit auch bemüht, das Optimale für die Behinderten zu erreichen.
Wenn Sie, Herr Kollege Braun, von dem Auftrag des Fernsehens reden, in seinem Bereich etwas mehr für die Behinderten zu tun, dann, liegt das auch in der Kompetenz Ihrer eigenen Partei; denn in den meisten Rundfunkanstalten sind Sie doch in den Aufsichtsgremien sehr kräftig vertreten. Das gilt natürlich auch für uns. Wir müssen überall in den politischen Bereichen, in denen wir vertreten
sind, bzw. in allen Lebensbereichen, in denen wir
Einflußmöglichkeiten haben, für Besserung sorgen.
Ich glaube, daß wir als Gesetzgeber genaugenommen wenig tun können, um eine bessere Einstellung, eine Entkrampfung der Bevölkerung gegenüber den Behinderten zu erreichen. Wir können Gesetze machen, wir können aber nicht, Herr Kollege Burger, durch Gesetze ein bestimmtes Verhalten verordnen. Das wissen Sie auch.
Das eigentlich als Vorbemerkung zu Ihren Beiträgen, die sich mit Ihrer Großen Anfrage im Kern nicht befaßt haben. Ich verstehe das; denn Ihre Große Anfrage ist tatsächlich überholt. Es ist gewiß auch verständlich und legitim, daß Sie dann auf eine mehr oder weniger allgemeine Darstellung des Problems ausweichen, und zwar in einer Art und Weise, die, wie Sie, Herr Kollege Burger, es gemacht haben, selbstverständlich richtig ist.
— Herr Kollege Burger, am 19. Dezember 1973 befand sich das Schwerbebindertengesetz bereits in den parlamentarischen Beratungen. Sie kannten auch die Entwürfe zum Rehabilitationsangleichungsgesetz. Das alles war zu diesem Zeitpunkt nicht unbekannt.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zu den Ausführungen meiner verehrten Frau Kollegin Hürland machen. Frau Kollegin Hürland, ich wünschte mir, daß der Beitrag, den Sie hier gehalten haben, von Ihren Kollegen, von den Kollegen der SPD und unseren Kollegen in den Landtagen gebracht würde; denn Sie haben hier — bitte, das ist kein formales Argument — im wesentlichen Kompetenzen der Länder angesprochen, und Sie haben ja selbst gesagt, daß die Kompetenz des Bundes im wesentlichen nur in der Durchführung von Modellförderungen besteht.
Frau Kollegin Hürland, erlauben Sie mir an diesem Tag, der von einer sehr umfangreichen Debatte zum Hochschulrahmengesetz bestimmt war, folgende Bemerkung. Wir mußten es doch gerade heute erleben, daß die Kollegen aus Ihrer Fraktion immer dann ganz besonders polemisch wurden und den Vorstellungen der Koalitionsfraktionen entscheidenden Widerstand entgegenbrachten, wenn auch nur im Ansatz, nur millimeterweise, in die Kompetenzen der Länder eingegriffen werden soll.
Insofern hätte ich mir gewünscht, daß Sie Ihre wirklich berechtigten Forderungen im Laufe des heutigen Tages auch in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft hier vorgetragen hätten. Wenn Anträge von Ihnen in dieser Richtung vorgelegen hätten, dann hätte ich mir im nachhinein vorstellen können, daß wir hierüber sehr ernsthaft diskutiert hätten.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974 9387
Hölscher
Machen wir uns nichts vor: Solange der Bund nicht die Kompetenzen für die Aufstellung allgemeinverbindlicher Kriterien für die schulische Bildung hat, solange er nicht die Kompetenzen hat, tatsächlich ein Angebot für Behinderte bezüglich des Hochschulzugangs zu schaffen, bleibt es bei der Modellförderung. Die letzten Entscheidungen liegen bei den Ländern. Hier war insbesondere die CDU nicht bereit — so, wie wir als Liberale das ohnehin seit langem wollen —, dem Bund eine verstärkte Kompetenz zu geben.