Rede von
Dr.
Karl
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 42 sind die Zusammensetzung der Hochschulgremien und der Stimmenanteil in ihnen festgelegt. Diese Regelung hat eine enorme Bedeutung für den den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverstand und für die Festlegung und die Abgrenzung der Verantwortung der einzelnen Gruppen.
Nun ist in Abs. 3 der Stimmenanteil umstritten, den die Professoren in den Gremien mit Entscheidungsbefugnissen haben. Sicher ist festzustellen, daß die SPD und die FDP auf einem mühsamen und sicher auch widerwillig begangenen Weg von der Drittelparität über den Versuch, durch die Zusammenfassung von Professoren und Assistenzprofessoren das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu unterlaufen, bis zu der jetzigen Formulierung einen Fortschritt erzielt haben. Aber es gibt keinen Zweifel für die CDU/CSU-Fraktion, daß die Koalition den entscheidenden Schritt dabei noch nicht getan hat. Es bleiben gravierende Mängel, die beseitigt werden müssen, wenn eine Mitbestimmung nach Funktion, nach Qualifikation und nach Betroffenheit der Mitglieder worüber ja zwischen den Fraktionen Einigkeit besteht — tatsächlich dieses Gesetz bestimmen soll.
Die Koalition vertritt in Abs. 3 beim Stimmenanteil der Professoren, die auf Grund ihres Sachverstandes, ihrer Erfahrung, ihrer lebenslangen Verantwortung für die Hochschule und für die von der Hochschule wahrzunehmenden Aufgaben mit Recht das Hauptgewicht bei den Entscheidungen für Lehre und Forschung haben müssen, leider auch jetzt das Prinzip der Minimalisierung, wenn sie die Regelung getroffen hat, daß in den Kollegialorganen die Gruppe der Professoren lediglich über die Zahl der Stimmen verfügen darf, die für die absolute Mehrheit gerade erforderlich und noch ausreichend ist. Eine so sehr auf das Patt hin gegriffene Regelung bringt aber zweifelsohne Instabilität mit sich,
weil keine klare Verantwortung einer Gruppe festgeschrieben ist.
Und Instabilität bringt auch die Gefährdung der Institution Hochschule mit sich. Die CDU/CSU-Frak-
9348 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974
Dr. Fuchs
tion lehnt demgegenüber diese verpflichtende rahmengesetzliche Begrenzung der Mehrheit der Professoren in § 42 Abs. 3 des Gesetzentwurfs auf die Mindestanforderung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 29. Mai 1973 ab. Sie will mit dieser Änderung des Abs. 3 erreichen, daß den Landesgesetzgebern die Möglichkeit eröffnet wird, darüber hinausgehende Mehrheiten der Professoren vorzusehen. Denn andernfalls wird der gesetzgeberische Spielraum der Landesgesetzgeber völlig beseitigt. Dies widerspricht aber dem Charakter eines Rahmengesetzes, das nur die allgemeinen Grundsätze vorsehen kann.
Ein besonders schwerwiegender Mangel der Koalitionsfassung liegt im Abs. 5 vor, der den Entscheidungsvorgang bei Berufungsvorschlägen regelt. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, daß bei Entscheidungen, die unmittelbar die Forschung oder die Berufung von Hochschullehrern betreffen, der Gruppe der Hochschullehrer ein weitergehender, ausschlaggebender Einfluß so wörtlich — vorbehalten bleiben muß. Von einem ausschlaggebenden Einfluß kann aber nicht gesprochen werden, wenn die Professoren dann, wenn ihre Mehrheit nicht mit dem Vorschlag des Berufungsgremiums einverstanden ist, nach dem Wortlaut des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs lediglich einen weiteren Berufungsvorschlag vorlegen können; denn damit kann die Berufung eindeutig auch gegen den Willen der Mehrheit der Professoren erfolgen.
Um den Professoren das ihnen vom Bundesverfassungsgericht zugestandene Recht bei den Berufungen nicht vorzuenthalten, schlägt die CDU/CSU-Fraktion die Regelung vor, daß Berufungsvorschläge der Mehrheit der Stimmen der dem Gremium angehörenden Professoren bedürfen, so daß der Kultusverwaltung von seiten der Hochschule nur eine Berufungsliste vorliegt.
Um diesen ausschlaggebenden Einfluß der Professoren zu sichern, ist es weiter erforderlich, daß, wenn im zweiten Abstimmungsvorgang keine Entscheidung mit der Mehrheit der Professoren zustande gekommen ist, für Berufungsvorschläge dann die Mehreit der dem Gremium angehörenden Professoren genügt.
Damit ist der Verantwortung der Professoren bei Berufungen Rechnung getragen.
Meine Damen und Herren, eine gleiche Regelung ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten der Forschung erforderlich. Dieser Gesichtspunkt ist bedauerlicherweise bei der von den Fraktionen der SPD und der FDP vorgelegten Formulierung völlig außer acht gelassen worden. Nur durch die Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion wird dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts voll Rechnung getragen werden können.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, werde ich gleich Ziffer 9 unseres Änderungsantrags — hier geht es um § 45 — begründen. In diesem § 45 sind die Aufgaben und die Stellung der Studentenschaft geregelt. Als wichtigsten Punkt sieht der Gesetzentwurf die verfaßte Studentenschaft verpflichtend für alle Bundesländer vor. Zunächst: es ist zweifelsohne eine gewisse Inkonsequenz, daß für eine einzige Gruppe der Hochschule eine eigene Teilkörperschaft festgelegt wird.
Es besteht die Gefahr, daß auch andere Gruppen eine ähnliche Statusregelung anstreben können und daß dadurch das Zusammenwirken der Hochschulgruppen eher gestört als gefördert wird. Entscheidend ist aber, daß keinerlei Grund ersichtlich ist, zwangsweise eine Vereinheitlichung der Studentenvertretung in allen Bundesländern einzuführen. Gerade hinsichtlich dieser Frage der Organisation der Studentenschaft sollte die Möglichkeit bestehen, meine Damen und Herren, neben der verfaßten Studentenschaft auch andere, modernere Formen der studentischen Vertretung zu belassen und in Konkurrenz zueinander weitere Modelle zu entwickeln. Ein Hochschulwesen, das das Zusammenwirken der einzelnen Gruppen auf eine neue gesetzliche Basis stellt, sollte auch in der Frage der Studentenvertretung neue Wege gehen können.
Die CDU/CSU tritt mit ihrem Antrag zu § 45 für eine flexiblere Regelung ein. Sie will es dem Landesgesetzgeber überlassen, welche Organisationsformen der Studentenvertretung er hinsichtlich seines Be- reiches für angemessen hält. Ich darf hier auf die Regelung z. B. des bayerischen Hochschulgesetzes verweisen. Nach diesem Modell haben die Studenten auch ohne verfaßte Studentenschaft ein vermehrtes Mitspracherecht in den akademischen Gremien, und sie verfügen ebenfalls über eine zentrale Organisation. Gleichzeitig werden aber Möglichkeiten des Mißbrauchs der Organisation und der Finanzen verhindert. Meine Damen und Herren, es gilt, gerade diesen Gesichtspunkt hier mit besonderem Nachdruck zu bedenken.
Im Gesetzentwurf ist zwar festgelegt, daß die Studentenschaft auf die Wahrnehmung hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der Studenten beschränkt sein muß.
Die leidvolle Erfahrung hat aber bewiesen, daß die verfaßte Studentenschaft trotz der Tatsache, daß ihr kein allgemeines politisches Mandat zusteht — ich meine, das steht den Volksvertretungen zu —, zweifelsfrei oft genug in rechtswidriger Weise und unter Mißachtung des Sinnes der Zwangsmitgliedsbeiträge dieses allgemein-politische Mandat ausgeübt hat.
Daraus ergeben sich rechtliche Probleme, wie uns ja
Verwaltungsgerichtsurteile bestätigen. Gerade die-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974 9349
Dr. Fuchs
ses immer wieder in Anspruch genommene oder jedenfalls praktizierte Mandat, das sehr schwer gegenüber den hochschulpolitischen Fragen abzugrenzen ist, hat die verfaßte Studentenschaft oft in Mißkredit gebracht und den Studenten und den Hochschulen insgesamt einen mehr als schlechten Dienst erwiesen. Deswegen sollte im Gesetz eine liberalere Möglichkeit für die Gesetzgebung der einzelnen Bundesländer vorgesehen werden.
Aus all diesen Gründen glaube ich sagen zu können, daß der Vorschlag, den wir, die CDU/CSU, machen, vernünftiger, freizügiger ist, daß er künftigen Belastungen mehr gewachsen ist.
Damit darf ich abschließen und Ihnen die Änderungsanträge zum Thema Mitbestimmung in Forschungs- und Berufungsfragen und zum Thema der studentischen Vertretung zur Annahme empfehlen. Sie zielen auf eine klare Abgrenzung und Zumessung der Verantwortung ab. Sie wollen den Bundesländern im Rahmen des Grundgesetzes und des Zweckmäßigen einen Entscheidungsspielraum belassen, und sie leisten einen Beitrag für eine solide und freiheitliche Entwicklung an unseren Hochschulen. Ich bitte Sie, diesen Änderungsanträgen zuzustimmen.
'Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge unter den Ziffern 8 und 9 der Drucksache 7/2957 begründet. Zur Aussprache hat sich der Herr Abgeordnete Möllemann gemeldet.