Herr Abgeordneter, falls eine Reihe von Bedingungen, die Sie nun nicht zitiert haben, von diesem Gesetz nicht erfüllt werden, und dazu wollte ich gerade meine Auffassung vortragen.
Die Verabschiedung eines Hochschulrahmengesetzes ist ferner zu begrüßen — um meinen Gedanken
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Zweiter Bürgermeister Dr. Biallas
von vorhin wiederaufzunehmen —, weil die unterschiedlichen Entwicklungen in der Besoldungs- und Lehrkörperstruktur gestoppt und wieder vereinheitlicht werden müssen, weil dieses Hochschulrahmengesetz den Raum autonomer Gestaltung für die Hochschulen bundesweit sichert und nicht zuletzt, weil eine Bundesregierung der Hochschulzulassung und des Hochschulzugangs einer Regelung über den Staatsvertrag natürlich vorzuziehen ist. Aus diesen Gründen ist ein Hochschulrahmengesetz notwendig.
Die Absichten der Regierung und der Koalitionsfraktionen des Bundes sind von den CDU-regierten Ländern — jedenfalls wenn man die Debatte im Hause verfolgt und wenn man auch das — Sie haben ja auch darauf verwiesen —, was draußen gesagt wird, verfolgt — doch immer wieder untergraben worden. Als Grund solcher Bemühungen kann man wohl nur konstatieren, daß Reformen hier in der Baisse gehandelt werden, daß es eine generelle Reformunwilligkeit der Union gibt und daß es das Bemühen gibt, partikularistischen Interessen den Vorrang — zuweilen jedenfalls — vor bundeseinheitlichen Regelungen zu geben.
Es liegt nunmehr als Ergebnis ein Gesetzentwurf vor, bei dem die sozialliberale Koalition weitgehende Kompromisse gemacht hat. Das betrifft die Lehrkörperstruktur und die Mitbestimmungsfragen, wo sich, wie ich glaube, in der Haltung der Union, insbesondere auch in dem Beitrag des Herrn Abgeordneten Probst, das deutliche Mißtrauen gegen Mitspracherechte, das auch in anderen Bereichen die Politik der Union kennzeichnet, erneut bestätigt.
Das — diese Kompromisse — betrifft die Studienreform, die im Grunde konsequent nur auf dem Weg über die integrierte Gesamthochschule zu erreichen ist, will man nicht die überkommene, durch die gegenwärtige Situation eigentlich nicht zu rechtfertigende, unorganische Zersplitterung des tertiären Bereichs fortschreiben und eben durch Hochschulen mit unterschiedlichem Sozialprestige die dringend notwendige Ausdehnung praxisorientierter Studiengänge und die für eine moderne Ausbildung unerläßliche Flexibilität zwischen den verschiedenen Bildungszweigen des Tertiärbereichs gefährden. Gerade hier aber, in diesem Auftrag Gesamthochschule, integrierte Gesamthochschule zu schaffen, ist der Einfluß der Opposition auf den Gesetzentwurf besonders deutlich.
Auch der Beitrag von Herrn Probst, wie vieles, was von der Union in der Öffentlichkeit gesagt worden ist, erweckte in mir den Eindruck, als sei es eines der vorrangigen hochschulpolitischen Ziele der Union, die Studentenschaft zu disziplinieren. Das jedenfalls, was zum Ordnungsrecht gesagt wurde, und die vielfältigen Anstrengungen, es restriktiv zu gestalten, lassen daran wohl kaum Zweifel. Und man fragt sich, ob sich hier nicht bei manchem Unionspolitiker die späte Rache an einer Bewegung vollzieht, die als geistiger Aufbruch ihren Ausgang auch von den Hochschulen genommen hat, dann im Endeffekt natürlich zur Installation einer sozialliberalen Koalition führte
und die in ihrer Konsequenz der CDU/CSU natürlich nicht recht sein kann. So steht denn auch zu befürchten, meine Damen und Herren, daß das Ordnungsrecht in CDU-regierten Ländern — und das ist sehr wohl ein ernstzunehmender Gesichtspunkt auch für die übrige politische Landschaft — dazu benutzt werden könnte, mißliebige politische Aktivitäten an den Hochschulen zu unterdrücken.
Überdies muß man sagen, daß die Erfahrung im Grunde lehrt, daß die wirklich ernstzunehmenden und wirklich gefährlichen Aktivitäten gegen Lehrveranstaltungen, gegen Mitglieder der Hochschulen häufig genug ja gar nicht von Studenten, sondern von anderen wahrgenommen werden, so daß die Möglichkeit der Exmatrikulation doch keineswegs das Strafrecht überflüssig macht. Im Grunde, so glaube ich, wird durch Ordnungsrecht nicht viel bewirkt werden können.
Ich muß wohl auch Wasser in den Wein manch anderer Erwartungen an das Hochschulrahmengesetz gießen. Es ist sicherlich ein erstrebenswertes Ziel, die Verweildauer der Studenten an den Hochschulen zu verkürzen und auch im Interesse der Studenten selbst eine möglichst zügige Ausbildung zu ermöglichen. Dies — und dafür schafft der Gesetzentwurf die Voraussetzung — wird in erster Linie durch Maßnahmen der Studienreform erreicht werden müssen.
Die Kapazität unserer Hochschulen, insbesondere die in den Numerus-clausus-Fächern, wird ja doch vor allem bestimmt durch einen gewissen Katalog, durch eine beschränkte Anzahl von Lehrveranstaltungen, die eben beschränkten Zugang, beschränkte Teilnehmerzahlen haben auf Grund mangelnder technischer Einrichtungen, auf Grund auch mangelnden Personals. Kapazität an den Hochschulen zu erweitern, heißt letzten Endes doch eben gerade, diese Flaschenhälse einer Ausbildung zu dehnen oder aber — das wäre die Konsequenz — den mehrfachen und häufigen Zugang zu solchen Flaschenhälsen zum Erwerb von Leistungsnachweisen zu verhindern. Ich glaube nicht, daß, wenn man sich darüber klar ist, die Regelstudienzeiten mit den anschließenden Sanktionen als Ei des Kolumbus gelten können. Diese Regelstudienzeiten, die ja auf Höchstzeiten hinauslaufen, sind wohl auch deshalb nicht geeignet, solche Ziele zu erreichen, weil unter anderem, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, eine Exmatrikulation doch nur dann erfolgen soll und kann, wenn die für einen Studiengang notwendigen Veranstaltungen dem einzelnen ordnungsgemäß nicht zugänglich waren. Dies aber ist doch gerade die entscheidende Aufgabe, die vor einer Reglementierung zu lösen wäre, und es ist außerordentlich schwer, solche ordnungsgemäßen Bedingungen zu sichern.
Zudem müßte geprüft werden, ob nicht andere, vom einzelnen nicht zu vertretende Umstände die Einhaltung der Studienzeit verhindert haben. Es wäre auch nachzuprüfen, ob nicht durch Tätigkeit in der Selbstverwaltung oder für die Studentenschaft Aufschub zu gewähren wäre. Zudem läßt die Überantwortung solcher Entscheidungen an Fachbereich oder Verwaltung natürlich die Gefahr entweder zu großzügiger oder restriktiver Handhabung aufkom-
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men. Da solche Entscheidungen selbstverständlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen, werden Hochschulen und Staat durch eine Fülle schwieriger Rechtsstreite und möglicherweise widersprechender Entscheidungen zunächst immer aufs neue in Unsicherheit über die Handhabung solcher Sanktionen gedrängt werden. Schließlich aber wird das Ganze einen Verwaltungsaufwand verursachen, von dem füglich bezweifelt werden muß, ob er noch in angemessener Relation zum Erfolg steht.
Es ist hiernach nicht sicher, daß der Nutzen für die Allgemeinheit dennoch so beträchtlich sein kann, daß damit der zweifellos nicht wünschenswerte Eingriff in die Entscheidung einzelner gerechtfertigt werden kann. Bedenklich erscheint ein solcher Eingriff natürlich auch vor dem Hintergrund, daß er die sozial schwächergestellten Studenten deshalb besonders trifft, weil bei ihnen die Nebenbeschäftigung zur Finanzierung des Studiums sehr wohl zu Studienverzögerungen führen kann, ohne daß deshalb schon eine im Gesetz vorgesehene Studienzeitverlängerung gewährt werden könnte. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir nicht dem Schlachtruf des sozialen Numerus clausus Vorschub leisten, insbesondere solange mit Recht geltend gemacht werden kann, daß Studienförderung in vielen Fällen eben nicht zureicht.
Dennoch, meine Damen und Herren, wenn Regelstudienzeiten dazu dienen können, wirklich Kapazität zu erweitern, und wenn die Ausnahmeregelungen vernünftig genug sind — nun gut, dann mag ein solcher Eingriff wohl für manchen gerechtfertigt
sein; fragwürdig bleibt er.
Zum Schluß möchte ich auf bewährte Modelle der Hochschulform verweisen. Es ist in dieser Debatte immer wieder davon die Rede gewesen, daß die Länder am besten gefahren seien, die sich der Hochschulreform am beharrlichsten verschlossen haben.
Ich glaube, dieser Eindruck kann, mindestens vor dem Hintergrund der Hamburger Situation, nicht aufrechterhalten werden. Die Hamburger haben zu einer Zeit eine Hochschulreform durchgeführt, als — Sie verzeihen, Herr Abgeordneter Probst — die Bayern auf diesem Gebiet, so glaube ich, das Wort „Reform" noch nicht einmal buchstabieren konnten.
Hamburg hat mit seinem Universitätsgesetz, dem Fachhochschulgesetz und dem Gesetz für die Künstlerischen Hochschulen Regelungen geschaffen, die einerseits die dringend gebotenen Veränderungen brachten und andererseits dennoch arbeitsfähige Hochschulen ermöglichten, in denen sich Konflikte in Grenzen hielten und von den Beteiligten in den dafür vorgesehenen Organen selbst ausgetragen und bereinigt wurden. Diese Mechanismen zur Konfliktregelung sind doch gerade in einer pluralistischen Gesellschaft, zu der dann auch pluralistische Hochschulen gehören, Ziel und Zweck von Mitbestimmungsregelungen.
Die Hamburger Hochschulgesetze haben damit allem, was von den Kritikern der Hochschulreform inzwischen insgesamt — und speziell zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung — gesagt worden ist, den Wind aus den Segeln genommen; denn die Hamburger Regelungen sind mindestens das, was der Bund als Rahmenregelungen vorschreibt.
Damit ist der Beweis erbracht, daß solche Regelungen jedenfalls praktikabel und funktional sind. Die Praxis zeigt es. Es ist auch keineswegs die Leistung der Hamburger Hochschulen beeinträchtigt worden. Die Hamburger Universität erfreut sich nach wie vor eines ausgezeichneten Rufs, eines besseren Rufes als manche andere, die in der stillen Beschaulichkeit alter akademischer Traditionen versucht, weiter dahinzuleben.
Wir haben versucht, in Hamburg durch Studienordnungen das Lehrangebot so zu gestalten, daß das Studium in sechs bis acht Semestern abgeschlossen werden kann. Wir haben den Studenten durch Studienreformen Orientierungshilfen gegeben, nach denen sich die Mehrzahl der Studenten richtet. Die Hamburger waren die ersten — mittlerweile von den anderen Kollegen in den Bundesländern beneidet —, die auf Grund ihres Universitätsgesetzes Kapazitätsberechnungen vorgelegt haben. Diese Kapazitätsberechnungen sind nunmehr Modell für die Regelungen in den anderen Bundesländern.
Hier muß ich eines ganz deutlich sagen: Bei Kapazitätsberechnungen gibt es eben keine objektiven Parameter. Da kommt es durchaus darauf an, wie das I Leistungsvermögen eines einzelnen Fachbereichs bewertet wird. In diesem Zusammenhang haben sich die Mitbestimmungsregelungen in Hamburg sehr wohl bewährt; denn es ist keineswegs auszuschließen, daß Hochschullehrer — es wurde von Egoismus geredet; ich kenne Beispiele dafür; ich bin selbst einer gewesen— aus Egoismus heraus versuchen, die Kapazität ihres Fachbereichs zu beschränken, wenn es um die Kapazitätsberechnung geht. Es sind Studenten und andere Leute gewesen, die gesagt haben: Das ist im Interesse derer, die auf der Straße stehen, nicht zulässig. Wir müssen bis an den Rand unserer Möglichkeiten gehen. Das ist eine Konsequenz, die bei Mitbestimmung, auch bei studentischer Mitbestimmung, allzu häufig übersehen wird.