Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier einen ausführlichen Beitrag zu leisten; dies wird in dem anderen Haus des Parlaments geschehen, wo wir fraglos eine eingehende Erörterung der Gesetzesmaterie vornehmen müssen. — Übrigens, Herr Abgeordneter Möllemann, in diesem anderen Haus des Parlaments, im Bundesrat, „herrscht" die CDU nicht, sondern sie hat dort eine Mehrheit, wie Sie sie hier haben,
und sie hat ihr Recht, dort zu formulieren.
Ich wäre auch ganz dankbar, Herr Abgeordneter Schweitzer, wenn wir bei dieser Gesetzesmaterie nicht von „ihren Ländern" und „euren Ländern",
sondern von „unseren Ländern" sprächen, insbesondere beim Hochschulgesetz, weil eben hier die Län-
der nach wie vor die Last zu 90 % zu tragen haben.
Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich Ihnen sagen möchte, daß wir ein Hochschulrahmengesetz wollen. Wir warten seit Jahren, in der zweiten Legislaturperiode und unter der Stabführung des dritten Ministers auf dieses Gesetz. Allein der letzte Durchgang im Deutschen Bundestag hat 14 Monate in Anspruch genommen. Dennoch sage ich auch heute: Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir das Gesetz wollen, und wenn ich „wir" sage, Herr Staatssekretär Glotz, dann meine ich auch „wir". Ich verstehe Ihren Versuch, da zu differenzieren; aber ich muß Sie leider enttäuschen: dies ist gemeinsame Meinung aller meiner Freunde; hier gibt es keinen Unterschied.
Wir werden zu einem solchen Gesetz sofort ja sagen, wenn wir zur Überzeugung kommen, daß es den deutschen Hochschulen hilft. Aber der Satz von Herrn Abgeordneten Schweitzer, daß sich die Länder dem Ziel der Einheitlichkeit unterzuordnen hätten, stimmt nicht. Denn, meine Damen und Herren, Einheitlichkeit ist kein Wert an sich. Wir wollen keine Einheitlichkeit der deutschen Hochschulen nach dem Modell von Bremen, Berlin oder Frankfurt.
Dann lieber Uneinheitlichkeit! Und wenn Sie, Herr Möllemann, das „rückschrittlich" nennen, dann bekenne ich mich gern dazu, „rückschrittlich" zu sein.
Was heute als Gesetzentwurf vorliegt, kann unsere Zustimmung — und gestatten Sie, daß ich das hier sage, damit jeder weiß, woran man hinsichtlich unserer Meinung ist — nicht finden, und zwar — zusammengefaßt — aus drei Gründen: erstens weil die Funktionsfähigkeit der Hochschule uns nicht voll gesichert zu sein scheint — die Paritäten beispielsweise, die Sie setzen, können vor den Erfahrungen der letzten fünf Jahre nicht bestehen —, zweitens weil wir die Formel von der ,,Verantwortung vor der Gesellschaft" — und dies, meine Damen und Herren, ist für uns ein ganz entscheidender Punkt — auf keinen Fall akzeptieren können. Nirgendwo in der Welt außer in einigen versponnenen Theorien ist eine solche Formel zu finden. Wir sind bereit zur Verantwortung vor Staat und Verfassung, aber nicht bereit zu einer solch nebulösen Formulierung, mit der das Saatgut einiger Landesgesetze aufzugehen scheint. Es stellt eine verfassungsrechtliche unzulässige Relativierung der vorbehaltlos geschützten Freiheitsrechte der deutschen Wissenschaft dar, wenn man so formuliert wie hier oder im vorliegenden Abänderungsvorschlag vorgesehen. Auch darf in diesem Zusammenhang die parlamentarische Verantwortlichkeit, die auch für die deutschen Universitäten gilt, nicht verkürzt werden, sondern bei ihr muß es bleiben; und deswegen dieser Widerspruch.
Der vorliegende Entwurf kann unsere Zustimmung drittens deshalb nicht finden, weil für dieses Rah-
9328 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974
Staatsminister Dr. Vogel
mengesetz nicht die Finanzierung, ja nicht einmal die Kosten mit Sicherheit zu nennen sind. Die Diskussion, die Sie hatten, hat es gezeigt; ein leider unbefriedigender Briefwechsel, den ich in dieser Sache mit dem Bundeswissenschaftsminister hatte, hat es bestätigt. Selbst grobe Schätzungen, was es denn kostet, wenn man diesem Gesetz zustimmt, liegen nicht vor. Es bleibt bei der dekuvrierenden Formulierung in der Drucksache der Bundesregierung, den Ländern entstünden „gewisse Kosten".
In der gegenwärtigen bildungspolitischen Notsituation — und sehen Sie doch bitte, was die für die Länderhaushalte Verantwortlichen kürzen müssen: sie müssen zu einem Drittel im Bildungshaushalt kürzen, weil Länderhaushalte überwiegend Bildungshaushalte sind — können wir uns mit der Formulierung „gewisse Kosten" nicht abfinden. Es ist ja eine Illusion, daß keine Kosten entstünden. Berechnen Sie nur bitte einmal als eines von vielen Beispielen die Überleitungskosten, die es verursachen wird, wenn wir auf dieser Basis überleiten müßten.
Unsere Ablehnung — damit das deutlich gesagt sei —, bezieht sich auf diese drei Gesichtspunkte und ihre Konsequenzen in den einzelnen Artikeln. Sie bezieht sich nicht auf das Kapitel Zulassung; denn wir stimmen mit allen Kollegen darin überein: Eine Änderung, eine Novellierung der Regelungen des Staatsvertrags, insbesondere hinsichtlich seines § 11 Abs. 8, ist notwendig. Sie kann in diesem Gesetz geschehen, sie kann aber auch, wie Sie wissen, auf anderem Weg vorgenommen werden.
Die Verantwortlichen haben sich mit dieser Gesetzesvorlage sehr viel Zeit gelassen. Die Wandlungen seit Leussinks und Hamm-Brüchers Zeiten, die in den Texten vorgenommen worden sind, sind beachtenswert. Man kann, bitte, nicht diejenigen als Boykotteure oder als Scharfmacher bezeichnen, die sich jetzt zu Wort melden und die jetzt, weil sie über jahrzehntelange Erfahrung in Hochschulgesetzgebung und Hochschulleitung verfügen, darauf bestehen, daß ihr Wort entsprechend gehört wird. Und darum, Herr Kollege Möllemann, bitte keine zwischen den Zeilen eingestreute Drohung: Wenn ihr dort drüben nicht sofort ja sagt, dann kommen wir mit ewas ganz anderem; sondern doch bitte die Bestätigung, daß das gemeinsam weiterberaten und betrieben wird, daß man aber nicht diejenigen auf die Seite schiebt, die in den letzten Jahren unter schwierigen Bedingungen die deutschen Hochschulen am Leben halten mußten und die es nicht verdient haben, jetzt als Reaktionäre bezeichnet zu werden dafür, daß sie wenigstens an einem Teil der Hochschulen arbeitsfähige Möglichkeiten aufrechterhalten haben.
Ich kann nur sagen: Hier hat der Fortschritt in der Tat eine gewisse Tradition. Ich meine in der Tat, es ist fortschrittlich, sich um ein Hochschulgesetz zu bemühen, das allen Hochschulen diese Basis gibt. Noch scheint mir das möglich. Auf der Basis der
heute zur Verabschiedung stehenden Vorlage wird das aber leider nicht gelingen.