Rede von
Dr.
Albert
Probst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Es steht jedenfalls fest, daß bisher in hochschulpolitisch wichtigen Ländern, die sozialdemokratisch regiert sind, eine Änderung in Richtung auf das Verfassungsgerichtsurteil nicht durchgeführt worden ist, z. B. in Bremen.
Meine Damen und Herren, wir jedenfalls wollen, daß in den Gremien klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden und daß bei den Entscheidungen der Gremien der Sachverstand der Professoren, ihre Erfahrung und ihr lebenslanges Engagement in der Hochschule ihren Niederschlag finden. Schließlich ist die Arbeit unserer. Hochschullehrer zu wertvoll, als daß man sie in politisierten, oft ergebnislosen Dauersitzungen verschleißen könnte.
Die CDU/CSU hat daher zur Frage der Mehrheitsverhältnisse konkrete Änderungsvorschläge eingebracht.
In der Frage des Ordnungsrechts verhält sich die SPD/FDP-Koalition ähnlich zwiespältig wie in der Frage der Mitbestimmungsregelung. Geschockt durch die schwerwiegenden Störungen und Terrorakte in den vergangenen Semestern, bequemte sie sich schließlich zu einem sogenannten Gewaltschutzparagraphen. Wir meinen, daß diese Bestimmung heute weitgehend ins Leere geht, da sich die Kampfformen der Linksradikalen wesentlich verfeinert haben. Wir wissen doch, welches Ausmaß der Psychoterror an manchen Universitäten angenommen hat. Hier hilft nur ein klar formuliertes Ordnungsrecht mit abgestuften Maßnahmen, wie die CDU/CSU es will.
In manchen ihrer Vorschläge erweckt die Koalition den Eindruck, als ob sie immer noch überflüssigen ideologischen Ballast nicht loswird. Die nach dem Grundgesetz nicht zulässige Relativierung des Grundrechts der Freiheit von Forschung und Lehre, Wissenschaft und Kunst durch den Passus „Verantwortlichkeit vor der Gesellschaft" fordert eine einseitige Interpretation des Grundrechts nach Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes durch Linksradikale und Kommunisten geradezu heraus. Diese Verbeugung nach links ist weder nötig noch sinnvoll.
In eine ähnliche Kategorie fallen auch die Pläne zur Gesamthochschule. Früher oder später wird die SPD/FDP-Koalition ihr verhätscheltes Lieblingskind namens Gesamthochschule fallenlassen müssen, weil sich daraus ein Monster entwickeln wird. Es hieße, das Problem der Massenuniversität noch verschärfen, würde man den Weg, der zur Gesamthochschule führt, zwingend vorschreiben. Die Zahl der Massenuniversitäten steigt. Die Massenuniversitäten wachsen sich zu nicht mehr überschaubaren monströsen Gebilden aus. Es ist nicht zu bestreiten, daß viele unserer Studenten heute vereinsamt und mutlos sind, ein Effekt, der durch die Massenuniversitäten noch verstärkt wird, wie in einem Artikel der „Welt" von gestern nachzulesen ist.
Kein Wunder, daß sich viele dieser Studierenden in politische Radikalität flüchten. Das will die CDU/ CSU vermieden wissen.
Was die verfaßte Studentenschaft angeht, so dürfte doch offensichtlich sein, daß der bisherige Weg an vielen Universitäten ins Abseits geführt hat. Die Union ist sehr für eine sinnvolle Mitverantwortung der Studenten im Hochschulbereich. Es geht uns um unmittelbare und direkte Teilnahme an der Verantwortung. Aber diese findet in den Kollegialorganen statt und nicht ausschließlich in Form einer sogenannten verfaßten Studentenschaft, die vielfältig in rechtswidriger Weise ein allgemeinpolitisches Mandat unter Mißbrauch von zwangsweise erhobenen Mitgliedsbeiträgen für sich in Anspruch genommen hat. Dabei braucht man gar nicht nur an die Aktivitäten des kommunistisch unterwanderten VDS zu denken.
9326 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974
Dr. Probst
Die CDU/CSU hält an ihren Änderungsvorschlägen, die nachher noch einzeln begründet werden, entschieden fest, nicht aus Rechthaberei, sondern in Erkenntnis der Tatsache, daß das Hochschulrahmengesetz eine rechtliche und politische Weichenstellung in der Hochschulpolitik bringen würde, die nach Auffassung der CDU/CSU große Probleme der Hochschule nicht löst, sondern zusätzliche schafft. Hier können wir uns aber keinen Fehler leisten.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, daß die CDU/CSU — und nicht die Koalitionsparteien — die richtigen Marksteine auf dem Wege zu einer Neugestaltung des Hochschulwesens gesetzt hat. In aller Bescheidenheit darf ich hier auch darauf hinweisen, daß dabei vor allem Bayern und sein Kultusminister Maier die Änderung der Bewußtseinslage maßgeblich mit eingeleitet haben. Es ist noch gar nicht so lange her, daß das bayerische Hochschulgesetz von manchen lauthals als reaktionär verdammt wurde, der heute neidvoll auf die konsolidierten und modern geregelten Hochschulen des Freistaates Bayern schaut. Mancher Hochschullehrer mit gepflegtem linksliberalem Image hat sich vor dem linksradikalen Terror oder unerträglich gewordenen Arbeitsbedingungen an eine bayerische Hochschule geflüchtet, nachdem er vorher vielleicht sogar sogenannte progressive Hochschulgesetze mit verfochten hat. Schließlich dürfte es wohl auch kein Zufall sein, daß in Bayern lediglich 2 % der Studenten für eine revolutionäre Systemveränderung der Bundesrepublik Deutschland eintreten, in Bremen jedoch 50% nach der Emnid-Umfrage von 1973.
Nach Professor Nipperdey — übrigens Mitglied der SPD — gibt es in der Bundesrepublik vier Gruppen von Hochschulen. Ich zitiere aus seiner Rede vor der Mitgliederversammlung des Bundes Freiheit der Wissenschaft vom 20. November 1974 in Godesberg:
Es gibt unter den deutschen Hochschulen
1. solche, die noch einigermaßen normal funktionieren, z. B. Köln und München,
2. solche, die hart umkämpft und ständig gefährdet sind, z. B. Frankfurt und jetzt die Universitäten in Niedersachsen,
3. solche, die in wesentlichen Bereichen von Linksradikalen erobert sind, z. B. die Berliner Universitäten und die Universität Marburg,
und 4. ist zu befürchten, daß sich nach dem Muster der institutionalisierten Gegenuniversität Bremen
— so Nipperdey —
weitere Neugründungen wie Oldenburg, Osnabrück und Kassel gebildet werden.
Ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse gerade der vierten Gruppe muß jeden Demokraten zutiefst erschrecken. Hier wimmelt es nur so von Lehrangeboten über Klassenkampf, BRD-Imperialismus, bürgerliche Ideologien und ähnlichem.
Der Bremer Professor Geiss, der sich selbst als Linken versteht, schrieb über die Universität Bremen:
Wenn ich gewußt hätte, daß als mögliche Ausfüllung des Bremer Modells nur der sogenannte wissenschaftliche Sozialismus marxistisch-leninistischer — heute würde ich hinzufügen: in Wahrheit stalinistischer — Observanz zugelassen wird, hätte ich mich weder für diese Universität beworben noch mich an ihrer Gründung beteiligt.