Rede von
Prof. Dr.
Peter
Glotz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das, was verschiedene Kollegen schon gesagt haben, bestätigen: daß in diesem letzten Jahr zwischen allen Fraktionen dieses Hauses in der Hochschulpolitik vernünftige Diskussionen stattgefunden haben, die auf beiden Seiten zu Lernprozessen geführt haben. Da Sie direkt dazu aufgefordert haben, Herr Kollege Schäuble, möchte ich auch klar und deutlich einräumen: auch die Monate und Wochen seit der Sommerpause — wir wollten bis zur Sommerpause fertig werden — haben für dieses Hochschulrahmengesetz noch etwas gebracht. Die Positionen, die Sie, Herr Gölter und Herr Pfeifer, in dieser taktischen Debatte vertreten haben — Sie haben das ja immer gesagt —, waren durchaus richtig. Wir möchten Sie nur darauf hinweisen, daß wir die Verabschiedung im Sommer wollten aus der Sorge heraus, daß die gesamtpolitische Atmosphäre nach dem Sommer dazu führen könnte, daß dieses Hochschulrahmengesetz überhaupt nicht mehr verabschiedet wird. Dies war also nicht der Versuch, eine andere Fraktion zu übertölpeln, sondern dem lag, wie gesagt, diese Sorge zugrunde. Ich freue mich, daß diese Sorge nicht in dem Ausmaß berechtigt war,
wie wir damals dachten, und daß wir jetzt noch in diesen Wochen und Monaten gut miteinander diskutieren konnten.
Herr Kollege Schäuble, lassen Sie mich, eben weil wir auch gerade im Ausschuß oft stundenlang sachlich diskutiert haben, doch noch etwas zu Ihrer Rede sagen. Sie haben heute auch hier sachliche Ausführungen gemacht, doch zwischendurch auch einen Pflichtteil an Polemik abgeliefert, die an manchen Stellen, glaube ich, nicht mehr ganz seriös war. Als Weinexperte sind Sie mir lieb und wert, aber als Hochschulexperte waren Sie mir heute nicht ganz so lieb und wert; da sind Sie manchmal über das Ziel hinausgeschossen, und ich will sagen, an einem Punkt — —
— Selbstverständlich, jeder darf dies so tun, wie er will, Herr Kollege Gölter. Aber ich halte den Versuch des Kollegen Schäuble, differenzierte Lösungen, beispielsweise bei der Personalstruktur oder beim Ordnungsrecht, über die man natürlich verschiedener Meinung sein kann, mit dem Begriff „sozialistische Doppelstrategie" zu bedenken, nur für demagogisch. Dies führt uns keinen Schritt weiter, Herr Kollege Schäuble.
Ich mag diese Art von Diskussion nicht. Aber wenn schon, dann müßte ich sagen, Herr Kollege Fuchs: Hier ist es in der Hochschulpolitik eine — von vielen von uns gemeinsam wahrscheinlich mit Sorge gesehene — Entwicklung, daß es eine konservative Doppelstrategie gibt, nämlich: im Ausschuß in den Einzeldebatten fachmännisch, sachlich, vorzüglich am Punkt — natürlich ausgehend von Ihren Wertorientierungen, wie es richtig und vernünftig ist und wie es verständlich ist —, aber dann draußen in der Öffentlichkeit, wenn es um Hochschulen geht, grobschlächtig und demagogisch. Dies ist eine schlechte Doppelstrategie, Herr Kollege Schäuble.
— Das will ich jetzt mit einzelnen dieser Punkte tun, Herr Schäuble.
Erstens möchte ich wenige Sätze zum Thema Studienreform sagen. Ich finde es gut — ich glaube, die sozialliberale Koalition sollte dafür dankbar sein —, daß die Opposition in ihren Anträgen zur Studienreform nicht mehr aufgegriffen hat, was sie noch im Ausschuß vertrat und was in vielen Diskussionen von der Opposition hier vertreten wurde. Herr Kol-
9320 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1974
Parl. Staatssekretär Dr. Glotz
lege Schweitzer hat schon darauf hingewiesen: Die ganze Studienreform wäre eine halbe Sache gewesen, meine Damen und Herren, wenn wir die Staatsprüfungen aus ihr ausgeklammert hätten oder wenn wir sie ausklammern würden. Das wäre eine ganz unhaltbare Sache.
Ich freue mich auch, daß kein Antrag von seiten der Opposition vorliegt, unsere Regelung mit dem Diplom, die also einen einzigen Diplombegriff für verschiedene Arten von Diplomen vorsieht, wegzubringen. Ich freue mich, daß hier keine Anträge von der Opposition gestellt worden sind.
Herr Kollege Schäuble, weil Sie immer gesagt haben, hier habe die SPD eine Erkenntnisprozeß vollzogen, und dort habe sie einen Erkenntnisprozeß vollzogen: Wir haben an manchen Stellen durchaus auch Ihre Argumente für richtig befunden; das ist ja richtig. Lassen Sie mich doch sagen: Ich hoffe, daß Sie den Erkenntnisprozeß, den Sie — die Bundestagsopposition — in diesen Punkten vollzogen haben, auch Ihren Kollegen vom Bundesrat, den konservativen Ländern im Bundesrat, vermitteln können, damit dies gewahrt bleibt und dieser wichtigste Komplex der Studienreform vernünftig über die Bühne kommt.
Eines möchte ich zu dem sagen, was Herr Gölter hier zum Thema Studienreformkommissionen angeführt hat. Herr Kollege Gölter, unsere Regelung besagt erstens, daß der Staat in allen Studienreformkommissionen mit 50 % vertreten ist. Das ist gerade deshalb gemacht worden — gegenüber sehr viel weitergehenden Forderungen aus den Hochschulen —, um die Staatsprüfungen hineinzubringen. Und zweitens, Herr Kollege Gölter, bleibt bei Staatsprüfungen ja die Möglichkeit des Staates bestehen, letztlich die Studienordnung bei Studiengängen zu erlassen, die mit einer Staatsprüfung abschließen. Insofern kann ich Ihre Bedenken, daß unsere jetzige Regelung die Staatsprüfungen in irgendeiner Form gefährde, nicht teilen.
Jetzt ein paar Bemerkungen zum zweiten großen Problem, zum Hochschulzugang. Auch da, Herr Kollege Schäuble, hilft es uns nichts, wenn wir die echten oder vermeintlichen Fehler des anderen sozusagen triumphierend verwalten. Ich glaube schon, wir brauchen eine eigene Konzeption. Ich halte nichts von diesem Verwalten, auch nichts von diesem gegenseitigen Aufrechnen; Sie haben heute ja ein bißchen eine Aufrechnungsrede gehalten. Aber wenn Sie schon sagen: „An dem Punkt habt ihr euch unseren Argumenten angeschlossen, und an dem Punkt habt ihr euch unseren Argumenten angeschlossen", dann muß ich Sie beim Zugang auf eines hinweisen: Sie wollten beim Zugang zuerst eine völlige Streichung des Kapitels. Jetzt haben wir — sicher mit Differenzierungen — die Regelungen, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, weitgehend auch mit Ihrer Zustimmung im Gesetz. An diesem Punkt haben Sie sich zwar nicht um 180, aber vielleicht um 150 Grad gedreht. Das heißt, hier haben wir S i e überzeugt. Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren.
Nun zu zwei Einzelpunkten, die allerdings wichtig sind. Sie haben gesagt, Herr Kollege Schäuble, daß durch dieses Hochschulrahmengesetz kein neuer Studienplatz geschaffen wird. Dies ist halb richtig. Es wird kein neuer Studienplatz gebaut. Aber, Herr Kollege Schäuble, es wird dafür gesorgt, durch dieses Hochschulrahmengesetz, daß bestehende Studienplätze sehr viel besser benutzt und ausgenutzt werden können als bisher. Erstens: Regelstudienzeiten — eine Regelung, wo wir einig sind. Es gibt heute Ausrechnungen, die besagen, daß wir bei 5,7 Jahren Verweilzeit in der Hochschule Mitte der 80er Jahre ohne Regelstudienzeitmechanismus in der Bundesrepublik anderthalb Millionen oder mehr Studenten haben werden. Die Finanzminister streiten sich zur Zeit darüber, ob man für diese Zeit 800 000, 850 000 oder 900 000 Studienplätze bauen könne. Dieser Unterschied ist nur durch das System der Regelstudienzeiten mit Sanktionen zu überbrücken, wie es in diesem Hochschulrahmengesetz steht. Sie können also nicht sagen, daß wir mit diesem Hochschulrahmengesetz nicht mindestens zu einer besseren Nutzung der Plätze an den deutschen Hochschulen beitrügen.