Rede von
Dr.
Martin
Bangemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Vielen Dank, nein.
Sie sehen auch an dem Argument Jugoslawien, das Sie gebracht haben, daß Sie hier etwas tun, was man außenpolitisch nicht tun sollte. Sie unterstellen mit Ihrer Kritik der Regierung, daß sie auf die jugoslawischen Forderungen eingehen wolle. Dabei hat die Regierung mehrfach erklärt, daß sie das nicht tun werde, daß sie in diesem Punkt eben nicht den jugoslawischen Forderungen nachkommen werde. Sie sollten davon dann auch einmal Kenntnis nehmen.
Wenn Sie davon sprechen — ich weiß nicht, wer von Ihnen es war —, daß die vier Verträge mit der Sowjetunion und die drei Verträge mit der DDR in
Dr. Bangemann
der Luft hängen, dann sollten Sie sich daran erinnern, daß wir zu solchen Verträgen überhaupt nicht gekommen wären, wenn wir nicht in dem Moskauer und dem Warschauer Vertrag bereit gewesen wären, die Möglichkeit zu eröffnen, überhaupt in ein solches Gespräch zu kommen.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, stellen sich auf eine Ebene, die wir erst geschaffen haben, und kritisieren dann — um bei dem Beispiel des Schuttwegräumens zu bleiben —, daß wir noch nicht in der Lage waren, ein Haus zu bauen, beteiligen sich an den Hausbauarbeiten aber nicht, sondern orientieren diese Bemühungen der Regierung, die ernsthaft und mit großem Realitätssinn unternommen werden, an Ihren eigenen Erwartungen. Sie machen Ihre Erwartungen zum Maßstab dessen, was die Regierung tun soll, und von daher kritisieren Sie dann.
Wenn Sie dann noch, Herr Professor Carstens, in der Tonart und mit den Argumenten des CSU-Vorsitzenden kritisieren, muß ich Ihnen sagen: Dann ist vieles von dem, was Sie zur Gemeinsamkeit der außenpolitischen Positionen in der Vergangenheit gesagt haben, in den Wind gesprochen. Gemeinsame Außenpolitik kann man doch nur betreiben, wenn man davon ausgeht, daß diese Entspannungspolitik fest verwurzelt ist in einer Westpolitik, in einer Position zu unseren Verbündeten, die man auch nicht verbal antasten darf, die man auch nicht dadurch antasten darf, daß man von einer Zweiteilung der NATO und davon spricht, daß wir hier zu einer europäischen Verteidigungsarmee kommen müssen.
Sie wären auch gar nicht in der Lage, hier zu beklagen, daß Ihren Erwartungen nicht entsprochen worden wäre, wenn Sie die Realitäten, von denen die Regierung ausgeht, mit vollzögen, wenn Sie sich mit auf den Boden dieser schwierigen Verhandlungen begäben.
Sie sagen immer: Die Verhandlungen sind schwierig. Nun, beteiligen Sie sich doch einmal daran! Verlassen Sie doch diese Hybris, von der Sie immer ausgehen, diese Überschätzung der eigenen Position.
Ich bin der letzte, der nicht z. B. die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers mit großer Befriedigung gehört hat, daß die europäische Position, insbesondere was die Handelsabkommen angeht, durch diese Abkommen in gar keiner Weise tangiert worden ist und daß die Bundesregierung — der Bundeskanzler und der Außenminister — darauf großen Wert gelegt hat. Ich glaube, das ist ein Nebeneffekt europäischer Politik, der nicht gering bewertet werden darf.
Aber, meine Damen und Herren, wir können Europa auch nicht überbewerten in dem Sinne, daß man nun davon spricht: Wir sind hier bereit und in der Lage, eine europäische Position aufzubauen, die an die Stelle der NATO oder eines Teiles der NATO treten kann. Dies, meine Damen und Herren, ist eine Politik des Abenteuers,
die Sie da betreiben, und auf diesen Weg werden wir uns nicht gemeinsam begeben können. Dann gibt es eben keine gemeinsame Außenpolitik.
Die Außenpolitik dieser Regierung ist eine Außenpolitik realer Versuche, mit der Entspannung fertig zu werden. Aber diese realen Versuche können nur dann gelingen, wenn Sie selbst diese Versuche ernsthaft mit unternehmen. Darüber sind wir uns doch alle im klaren: Positionen, die die Regierung in diesen Verhandlungen mühsam aufrechterhält, können natürlich auch von innen her, können auch von einer Opposition unterminiert werden, ohne daß Sie das wollen; nachher beklagen Sie dann aber den Mißerfolg.
Ich darf Sie an das Wort erinnern, Herr Professor Carstens, das Sie hier vor nicht allzu langer Zeit einmal geprägt haben, nämlich daß eine vernünftige Regierung die Positionen, die die Opposition ihr liefere, und die Argumente, die sie ihr liefere, in ihre außenpolitischen Bemühungen einbeziehen sollte — im Interesse des gesamten Landes. Das setzt voraus — das habe ich damals gesagt, und ich wiederhole es hier —, daß die Opposition auch vernünftige Positionen bezieht, setzt aber nicht voraus, daß die Opposition aus vordergründigen Wahlüberlegungen, um Triumphe im Innern zu feiern und um sich daran zu berauschen, außenpolitische Positionen verläßt, die im gemeinsamen Interesse auch von der Opposition mitgetragen werden müssen.
Solange Sie das nicht anerkennen, kann eine gemeinsame Politik mit Ihnen überhaupt nicht in Frage kommen.