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ID0712721500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 127. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 8509 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8509 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 8509 C Fragestunde — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — Fragen A 3 und 4 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Zulassungsbedingungen für das Medizinstudium; Änderung des gegenwärtigen Systems Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . 8510 B, D, 8511 A, B, C Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) . 8511 A, B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8511 C Frage A 5 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Von deutscher Seite amtlich ermittelte Zahl der Vertreibungstoten; Übergabe entgegenstehender polnischer Veröffentlichungen an Journalisten in Warschau Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8511 D, 8512 A, B, C, D Windelen (CDU/CSU) 8512 A, B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8512 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8512 C Frage A 12 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Dokumentation der Vertreibungsverbrechen; Verweigerung der Einsichtnahme gegenüber einem amerikanischen Wissenschaftler durch das Bundesarchiv Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8513 A, B, C, D, 8514 A, B, C Windelen (CDU/CSU) 8513 B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8513 D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 8514 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8514 A, B Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 8514 C Ey (CDU/CSU) 8514 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Frage A 13 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Pressemeldungen betreffend Infiltration westlicher polnischer Zentren durch polnische, von kommunistischen Staatsfunktionären ausgebildete Geistliche Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8514 D, 8515 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8515 A Fragen A 15 und 16 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Gesamtneugliederung des Bundesgebiets noch vor der Durchführung der Volksentscheide in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8515 B, D, 8516 A, B, C Gerster (Mainz) (CDU/CSU) . . 8515 C, D, 8516 A, B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8516 C Frage A 17 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Inhalt der Formulierung „gesamtstaatliche Selbstdarstellung" Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8516 D, 8517 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . 8516 D, 8517 A Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8517 B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8517 C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8517 D Frage A 18 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Josten (CDU/CSU) : Dokumentation „Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs"; eventuelle Notwendigkeit einer speziellen Dokumentation der an Kriegsgefangenen in Ost und West begangenen Verbrechen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . 8518 A, C, D Josten (CDU/CSU) . . . . . . 8518 C, D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8518 D Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Däubler-Gmelin (SPD) : Unterschiedliche Praxis bei der Erteilung von Fremdenpässen an südvietnamesische Studenten; Differenzierungen auch bei gleichartigen Fällen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8519 B, C Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 8519 C Frage A 21 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Rechtsgrundlage für die Arbeit der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8519 D, 8520 A, B, C, D, 8521 A, B Lagershausen (CDU/CSU) 8519 D, 8520 A Dr. Abelein (CDU/CSU) 8520 B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 8520 C Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8520 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8520 D Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . 8521 A Frage A 22 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Gegenstand der Verhandlungen der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8521 B, D, 8522 A, B, C, D, 8523 A, B Lagershausen (CDU/CSU) . . . . 8521 C Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8521 D Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . . 8522 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8522 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8522 D Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 8522 D Dr. I-Iupka (CDU/CSU) 8523 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8523 B Frage A 23 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Berichte betreffend Bereitschaft der Bundesregierung, der DDR die Hoheitsgewalt und das Hoheitsrecht auf der Hälfte der Elbe (Strommitte) einzuräumen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8523 C, 8524 B Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 A, B Frage A 24 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Rechtmäßigkeit der bisher durch die Bundesrepublik Deutschland gehandhabten Rechtsauffassung an der Zonen- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 III grenze im Bereich der Elbe zwischen Schnackenburg und Lauenburg Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8524 C, D, 8525 A, B, C Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 C, D Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8525 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 8525 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8525 B Frage A 25 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Czaja (CDU/ CSU) : Politische Propaganda der Ostblockstaaten in bezug auf Verbrechen der Deutschen; damit beabsichtigte Rechtfertigung ihrer Landnahmen und der Massenvertreibung Deutscher Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8525 C, 8526 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8526 A, B Frage A 26 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/ CSU) : Bestimmungen des Ordensgesetzes betreffend das Tragen ungenehmigt angenommener Orden; Übertretung dieser Bestimmungen durch den früheren KPD-Vorsitzenden Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8526 D Fragen A 28 und 29 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Thürk (CDU/ CSU) : Auswirkungen des neuen Kindergeldgesetzes für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten und für Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente, von Berufsunfähigkeitsrente und von Altersruhegeld Haehser, PStSekr (BMF) . . 8527 A, C, D, 8528 B Thürk (CDU/CSU) . . 8527 B, C, 8528 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler . 8528 C, 8555 A Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 8530 D Wehner (SPD) 8533 D Ronneburger (FDP) 8541 A Genscher, Bundesminister (AA) . 8544 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) 8546 A Friedrich (SPD) 8548 A Dr. Bangemann (FDP) . . 8549 B, 8553 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8552 D Dr. Wörner (CDU/CSU) 8554 B Mischnick (FDP) 8554 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 8554 D Nächste Sitzung 8555 D Anlage Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8557* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 8509 127. Sitzung Bonn, den 6. November 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 12.30 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 8. 11. Alber ** 8. 11. Dr. Artzinger * 8. 11. Dr. Barzel 8. 11. Behrendt * 8. 11. Frau von Bothmer ** 8. 11. Breidbach 7. 11. Christ 7. 11. Conradi 15. 11. Dr. Ehrenberg 15. 11. Dr. Eppler 8. 11. Flämig * 7. 11. Gerlach (Emsland) * 7. 11. Härzschel * 7. 11. Heyen 7. 11. Immer 8. 11. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Jens 12. 11. Kater * 7. 11. Dr. Klepsch ** 8. 11. Krall * 7. 11. Lange * 7. 11. Lautenschlager * 7. 11. Lücker * 7. 11. Maucher 15. 11. Memmel * 7. 11. Müller (Mülheim) * 8. 11. Mursch (Soltau-Harburg) * 7.11. Pawelczyk *** 6. 11. Richter ** 6. 11. Sauer 9. 11. Scheu 14. 11. Schlaga ** 6. 11. Schmidt (München) * 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 15. 11. Dr. Schulz (Berlin) 8. 11. Dr. Schwörer * 7.11. Seefeld * 6. 11. Dr. Starke (Franken) * 7. 11. Strauß 8. 11. Walkhoff * 7. 11. Frau Dr. Walz 6. 11. Dr. Freiherr von Weizsäcker 6. 11. Wienand 15. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir sozusagen der Neugierde halber mitgenommen, was der Herr Kollege Dr. Carstens gleich am 31. niedergeschrieben hat, um einmal zu sehen, ob es, nachdem er mehr als nur durch die Presse unterrichtet worden ist und auch durch diese Regierungserklärung zusätzlich die politische Unterrichtung bekommen hat, einige positivere Bemerkungen gibt. Ich bedanke mich. Es gibt, was dies betrifft, tatsächlich einige positivere Bemerkungen. Dafür hat er am Schluß dann kräftig in die Tasten der Innenpolitik und Ihrer eigenen Hoffnungen gegriffen;

    (van Delden [CDU/CSU] : Sie hätten das nie getan!)

    aber das sei Ihnen völlig unbenommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie gütig!)

    Wissen Sie, die Sache ist es wert, daß man gründlich darüber redet. Wir werden über diese Dinge noch wiederholt reden und werden, ohne daß man jetzt alles mit diesem Moskau-Besuch zusammenbringt, die Beziehungen zu Polen, die Beziehungen zur DDR, auch immer wieder von diesen Punkten aus auf die grundlegende Bedeutung des Moskauer Vertrages für unsere Beziehungen sowohl mit jenem großen Land als auch mit den Ländern, die mit ihm verbündet sind, zu sprechen kommen. Ich jedenfalls



    Wehner
    sage dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion unseren herzlichen Dank für den Bericht und die geleistete Arbeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe einmal in diesem Bundestag gesagt, daß die Westverträge für Jahrzehnte — ich sagte: für Jahrzehnte — die Grundlage und der Rahmen für die Politik der Bundesrepublik Deutschland sein würden. Das war meine Überzeugung, und das ist nach wie vor meine Überzeugung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Waren Sie nicht dagegen?)

    — Sie waren damals noch nicht dabei. Ich nehme es Ihnen nicht krumm, daß Sie nur das wissen, was Sie, und zwar illustriert, gesehen haben.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Aber es stimmt!)

    Die Westverträge sind nach harter Auseinandersetzung, die ihren Sinn gehabt hat, von der klassischen Opposition der Sozialdemokraten

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — ja, sicher — damals, nachdem sie Verträge geworden waren, als Verträge, die für Jahrzehnte Grundlage und Rahmen für die Politik der Bundesrepublik Deutschland darstellen werden, akzeptiert worden.
    Die Ostverträge, meine Damen und Herren, sind die notwendige Ergänzung zu unseren Westverträgen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, sicher! Sie können auf einem Bein bestenfalls stehen, aber nicht gehen. Das wissen Sie doch auch, sogar Sie.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Daß die einen Verträge, die Westverträge, kein Ersatz für die anderen Verträge, die Ostverträge, sind, und umgekehrt, das ist, meine Damen und Herren, auch wenn Sie sich Ihrer Allwissenheit sicher zu sein scheinen, des Nachdenkens auf allen Seiten unserer innenpolitischen Auseinandersetzung über Außen-und Sicherheitspolitik wert. Ich sage: es ist des Nachdenkens und dann auch des allmählichen Aufeinanderzukommens wert.
    Der Herr Kollege Strauß, der ja sicher zu den Prominenten in diesem Hause gehört, modelliert auf seine Weise an den Westverträgen herum. Ich zitiere ihn aus einer Zeitung, die ihm bestimmt nicht übel will, aus der „Welt" vom 6. November, also von heute früh. Ich finde diese Meditationen hochinteressant. Deutschland spiele noch immer die amerikanische Karte, ist ihm von einem französischen Gesprächspartner beinahe vorgeworfen, jedenfalls fragend entgegengehalten worden. Er hat darauf geantwortet:
    Wissen Sie, wenn Sie einen Rock haben, kann es sein, daß Sie auch einen Mantel brauchen. Für uns ist der Mantel Amerika. Und der Rock, das ist Europa. Man kann nicht von den Amerikanern verlangen, daß sie für alle Ewigkeit die politische und militärische Verantwortung für Europa tragen. Die beste Lösung wäre unserer Meinung nach eine politische Union Europas, die Hand in Hand mit der Unterteilung der NATO in zwei Zweige ginge: einen amerikanischen und einen europäischen.

    (Vereinzelter Beifall bei der CDU/CSU)

    — Daß Sie Strauß applaudieren würden, habe ich erwartet. Der Applaus war dünn. Tut mir leid, Herr Strauß. Aber er ist ja nicht hier.

    (Heiterkeit)

    Die einzige Macht, die der Sowjetunion imponiert, sind die Amerikaner. Wir, wir unterhalten Operettenarmeen. Es ist nicht normal, daß die europäischen Zwerge die einen in Konflikt mit Größenwahn, die anderen in weinerlicher Art — sich ständig an die amerikanischen Rockschöße anhängen.
    Sie können sich nun aussuchen, ob wir zu den Zwergen der weinerlichen Art oder zu denen „in Konflikt mit Größenwahn" gehören. Eine dritte Möglichkeit gibt es hier nicht. Aber der Herr Kollege Strauß hat sich außerdem in einem Interview des Zweiten Deutschen Fernsehens noch einmal der Frage der Europäer gewidmet und gesagt:
    Die Europäer können doch nicht darauf warten, daß die Amerikaner auf unbegrenzte Zeit — sagen wir, für den Rest des Jahrhunderts und vielleicht noch für das nächste Jahrhundert — die alleinige Verantwortung für Europa übernehmen. Das ist zwischen uns und den Amerikanern und auch zwischen Herrn Kissinger und mir schon oft besprochen worden.
    So weit Herr Strauß. Das ist sicher, jeder macht sich auf seine Weise Gedanken über die Westverträge, weil sie ja für Jahrzehnte die Grundlage und der Rahmen unserer deutschen Politik sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dünne Suppe!)

    Bei den Ostverträgen sind Sie, meine Damen und Herren, noch nicht so weit, jedenfalls nicht so weit, daß Sie sich imstande fühlten, mit ihnen realistisch umzugehen,

    (Dr. Evers [CDU/CSU] : Aber Gedanken machen!)

    obwohl es von Ihrer Seite oft beteuert wird, wobei Sie allerdings gleichzeitig, jedenfalls bis heute — bei Herrn Carstens war es ein wenig im Hintergrund —, immer noch die Verträge selbst im Wert herabsetzen. Was Sie sich, die Sie meinen, einmal wieder Regierungspartei zu werden — und warum denn nicht in diesem Lande mit demokratischen Wechselmöglichkeiten —, damit selbst antun, das werden Sie noch merken, sogar noch im Laufe Ihrer Oppositionszeit. Das liegt meines Erachtens daran, daß Sie eine andere Vorstellung von der Dynamik der Westverträge gehabt haben und daß Sie, nicht alle unisono, aber doch gern und oft diese alte Vorstellung von der Dynamik wieder zur Geltung bringen möchten. Das ist eine andere Dynamik, sagte ich, als die, die diesen Verträgen zugekommen ist und zu-



    Wehner
    kommen kann, so bedeutend sie für die nächsten Jahrzehnte unserer Politik bleiben werden, weil es keine Alternative für sie gibt.
    Da hat es mich interessiert, daß Ihr Generalsekretär, der Herr Professor Biedenkopf, in einem nachdenklichen Rückblick auf die Zeit der „Einfachheit" d. h.

    (Baier [CDU/CSU] : Worüber reden wir eigentlich?)

    — wir kommen noch dazu, Herr Baier (Mosbach) — auf die Zeit des kalten Krieges zurückkam, in der es, wie er selber sagt, „einfach" war, weil das militärische und das ideologische „Feindbild" übereinzustimmen schienen. Weiter meditierte er, es könnte so sein oder es könnte so ausgelegt werden, daß der Westen auf die ideologische Konfrontation verzichten müsse, wenn er mit seiner Entspannungspolitik Fortschritte erzielen wolle. Das kommt alles aus der Vorstellung, daß militärische Entspannung und Entspannung auch in dem, was er ideologisch nennt, eben so nicht geht; es war „einfacher" in der Zeit, in der es ein „Feindbild" militärisch und ideologisch gegeben hat.
    Nun, wie wäre es denn, in Ihrer Betrachtung, die doch sicherlich noch eine ganze Weile im Gange sein wird, wie man Sie kennt, statt dessen alternativ Verträge zum beiderseitigen Nutzen einzubringen als etwas, das mit unseren Interessen übereinstimmt, und dies auch als Ihre Politik anzuerkennen? Sie können ja an den Verträgen Kritik üben, Sie können an der Handhabung der Verträge Kritik üben, warum denn nicht, natürlich ist das Ihr gutes Recht; aber Sie sind als Opposition in einer seltsamen Situation, weil Sie immer wieder versucht sind, die Verträge selbst als Nichtverträge abzuwerten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Das ist Ihre Situation.

    Aber hier geht es um Verträge zum beiderseitigen Nutzen, die mit unseren Interessen übereinzustimmen haben; andere Verträge wären keine Verträge, die unsere Zustimmung haben könnten.
    Ich komme auf Herrn Strauß zurück, es tut mir leid. Er hat statt dessen inzwischen noch einmal mit der Dynamik der Westverträge zu operieren versucht und hat hypothetische europäische Möglichkeiten in die Debatte gebracht. Es geht bei diesem West/Ost um unsere Interessen, das können Sie nicht voneinander trennen, es tut mir leid. Herr Strauß weiß das besser als Sie; er ist aber heute nicht hier. Herr Strauß hat also z. B. auf die Frage, wie er sich eine Verantwortlichkeit in Europa und im Westen vorstelle, gesagt:
    Wir haben im Wahlkampf — auch da Wahlkampf —
    das Thema Gebietsreform gehabt. Und da redet man über Gemeindereform, Landkreisreform, Länderreform usw. Das Wesentlichste wäre die europäische Gebietsreform.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Der Bundeskanzler war in Moskau! Darüber sprechen wir doch!)

    — Lassen Sie das bitte auf der Zunge zerschmelzen, Sie Diplomat: „die europäische Gebietsreform."
    Aus der Vielzahl kleiner und mittlerer selbständiger europäischer Staaten mit protokollarischer Souveränität und politischer Bedeutungslosigkeit
    — sehr freundlich gegenüber den Nachbarn —
    und militärischer Ohnmacht einen europäischen
    Bundesstaat zu schaffen, mit einer Armee. Und
    dieser könnte dann den Partner Europa gegenüber dem Partner USA im Rahmen einer nach
    wie vor zusammenhaltenden NATO darstellen.

    (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    — Sehen Sie, es läßt sich einfach darüber klatschen, wenn auch durch eine Minorität. — Wenn es so einfach wäre, ließe sich darüber reden. Nur, das ist die alte Dynamik-Vorstellung in einer neuen Aufzäumung. In der Zeit der Gemeinde- und der sonstigen Gebietsreformen ist es verständlich, greift man auch gerne einmal über die eigenen Gebiete hinaus.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Du lieber Himmel!)

    Nur, da gehören einige dazu.
    Nun komme ich noch einmal zu den Bemerkungen von Herrn Biedenkopf über gemeinsames Bemühen um die Bewältigung gesellschaftlicher, geistiger und wirtschaftlicher Aufgaben, von denen er sagt, daß sich die Partner der NATO damit als Gegenstand eines gemeinsamen Zieles des Bündnisses in stärkerer Weise als bisher befassen sollten.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen)?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich will das erst darlegen; er wird dann sicher noch einmal darauf zurückkommen. - Nehmen Sie Griechenland, nehmen Sie Portugal, nehmen Sie die Türkei — alles NATO-Partner — und nehmen Sie den Zypern-Konflikt! Ich kann das nur stichwortartig sagen. Überall dort wird jetzt eine so hohe Aufgabe wie die „Bewältigung gesellschaftlicher, geistiger und wirtschaftlicher Aufgaben" auf den Tisch gelegt. Daß Sie das fordern, ist das Ergebnis der Tatsache, daß Sie bisher nicht übereinstimmend bereit sind, zu erkennen — und auch die Politik entsprechend zu richten —, daß die Westverträge der Ostverträge bedürfen und daß die einen nicht die anderen ersetzen können.
    Warum kommt aber denn der verehrte Herr seinerzeitige Bundeskanzler, Kollege Kurt Georg Kiesinger, so kurz weg, der ja das ausgezeichnete Wort vom Interessenausgleich zwischen den Bündnissen von West und Ost am 17. Juni des Jahres 1967 in einer auch heute noch sehr beachtlichen Rede geprägt hat? Den haben Sie dabei vergessen; das ist schade, er verdiente das nicht.



    Wehner
    Aber nehmen Sie im Ost-Zusammenhang auch noch etwas ganz Aktuelles. Ich habe mit Interesse gelesen, was einer der superkritischen Betrachter all dessen, was mit dem Osten zusammenhängt, der Herr Dieter Cycon, in einem Artikel in der „Welt" vom 2. November unter der Überschrift „Wirtschaftliche Partner mit begrenztem Nutzen" —denen dort werden die Ohren klingen — dargestellt und abgehandelt hat. Würde ich meine Zeit dabei nicht überziehen, würde ich Ihnen auch das Ringen eines solchen Mannes, der nun allem, was mit „Ostpolitik" bezeichnet werden kann, superskeptisch gegenübersteht, darlegen. Er sagt am Schluß immerhin:
    Eine verläßliche Prognose läßt sich kaum stellen, und kein Weg ist ohne Risiko. Am Ende gebührt wohl der Vorrang dem Gedanken, daß dieser Planet ein schrecklich gefährlicher Ort geworden ist und daß es Chancen für die deutschen Anliegen nur noch im Falle einer Lockerung des sowjetischen Systems geben kann. Schmidts nüchternes Vorantasten auf einem glitschigen Weg zu einem fernen Ziel hätte dann seine Meriten — vorausgesetzt freilich, das Prinzip des do ut des halten, und daß die Entwicklung des wirtschaftlichen Verhältnisses mit den Russen nicht ablenkt von den Bemühungen um die Entwicklung westeuropäischer Zusammenarbeit.
    Ich sehe, es ist bei Ihnen ein Denkprozeß, sogar schon ein Schreibprozeß im Gange, und dabei werden wir einander noch häufig begegnen.