Rede:
ID0712721300

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    Vokabeln: 7
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    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Wehner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 127. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 8509 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8509 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 8509 C Fragestunde — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — Fragen A 3 und 4 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Zulassungsbedingungen für das Medizinstudium; Änderung des gegenwärtigen Systems Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . 8510 B, D, 8511 A, B, C Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) . 8511 A, B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8511 C Frage A 5 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Von deutscher Seite amtlich ermittelte Zahl der Vertreibungstoten; Übergabe entgegenstehender polnischer Veröffentlichungen an Journalisten in Warschau Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8511 D, 8512 A, B, C, D Windelen (CDU/CSU) 8512 A, B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8512 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8512 C Frage A 12 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Windelen (CDU/ CSU) : Dokumentation der Vertreibungsverbrechen; Verweigerung der Einsichtnahme gegenüber einem amerikanischen Wissenschaftler durch das Bundesarchiv Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8513 A, B, C, D, 8514 A, B, C Windelen (CDU/CSU) 8513 B Dr. Hupka (CDU/CSU) 8513 D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 8514 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8514 A, B Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 8514 C Ey (CDU/CSU) 8514 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 Frage A 13 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Pressemeldungen betreffend Infiltration westlicher polnischer Zentren durch polnische, von kommunistischen Staatsfunktionären ausgebildete Geistliche Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8514 D, 8515 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8515 A Fragen A 15 und 16 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Gesamtneugliederung des Bundesgebiets noch vor der Durchführung der Volksentscheide in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8515 B, D, 8516 A, B, C Gerster (Mainz) (CDU/CSU) . . 8515 C, D, 8516 A, B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8516 C Frage A 17 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Hupka (CDU/ CSU) : Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Inhalt der Formulierung „gesamtstaatliche Selbstdarstellung" Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8516 D, 8517 A, B, C, D Dr. Hupka (CDU/CSU) . . 8516 D, 8517 A Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8517 B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 8517 C Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8517 D Frage A 18 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Josten (CDU/CSU) : Dokumentation „Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs"; eventuelle Notwendigkeit einer speziellen Dokumentation der an Kriegsgefangenen in Ost und West begangenen Verbrechen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . 8518 A, C, D Josten (CDU/CSU) . . . . . . 8518 C, D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8518 D Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — der Abg. Frau Däubler-Gmelin (SPD) : Unterschiedliche Praxis bei der Erteilung von Fremdenpässen an südvietnamesische Studenten; Differenzierungen auch bei gleichartigen Fällen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8519 B, C Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 8519 C Frage A 21 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Rechtsgrundlage für die Arbeit der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8519 D, 8520 A, B, C, D, 8521 A, B Lagershausen (CDU/CSU) 8519 D, 8520 A Dr. Abelein (CDU/CSU) 8520 B Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 8520 C Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8520 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 8520 D Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . 8521 A Frage A 22 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : Gegenstand der Verhandlungen der Grenzkommission Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8521 B, D, 8522 A, B, C, D, 8523 A, B Lagershausen (CDU/CSU) . . . . 8521 C Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . . . 8521 D Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . . 8522 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8522 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8522 D Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 8522 D Dr. I-Iupka (CDU/CSU) 8523 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . . 8523 B Frage A 23 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Berichte betreffend Bereitschaft der Bundesregierung, der DDR die Hoheitsgewalt und das Hoheitsrecht auf der Hälfte der Elbe (Strommitte) einzuräumen Dr. Schmude, PStSekr (BMI) 8523 C, 8524 B Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 A, B Frage A 24 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Abelein (CDU/ CSU) : Rechtmäßigkeit der bisher durch die Bundesrepublik Deutschland gehandhabten Rechtsauffassung an der Zonen- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 III grenze im Bereich der Elbe zwischen Schnackenburg und Lauenburg Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8524 C, D, 8525 A, B, C Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 8524 C, D Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 8525 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) 8525 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 8525 B Frage A 25 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Czaja (CDU/ CSU) : Politische Propaganda der Ostblockstaaten in bezug auf Verbrechen der Deutschen; damit beabsichtigte Rechtfertigung ihrer Landnahmen und der Massenvertreibung Deutscher Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . . 8525 C, 8526 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) 8526 A, B Frage A 26 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Dr. Franz (CDU/ CSU) : Bestimmungen des Ordensgesetzes betreffend das Tragen ungenehmigt angenommener Orden; Übertretung dieser Bestimmungen durch den früheren KPD-Vorsitzenden Dr. Schmude, PStSekr (BMI) . . . 8526 D Fragen A 28 und 29 — Drucksache 7/2720 vom 31. 10. 74 — des Abg. Thürk (CDU/ CSU) : Auswirkungen des neuen Kindergeldgesetzes für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten und für Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente, von Berufsunfähigkeitsrente und von Altersruhegeld Haehser, PStSekr (BMF) . . 8527 A, C, D, 8528 B Thürk (CDU/CSU) . . 8527 B, C, 8528 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler . 8528 C, 8555 A Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 8530 D Wehner (SPD) 8533 D Ronneburger (FDP) 8541 A Genscher, Bundesminister (AA) . 8544 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) 8546 A Friedrich (SPD) 8548 A Dr. Bangemann (FDP) . . 8549 B, 8553 B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 8552 D Dr. Wörner (CDU/CSU) 8554 B Mischnick (FDP) 8554 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 8554 D Nächste Sitzung 8555 D Anlage Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8557* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1974 8509 127. Sitzung Bonn, den 6. November 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 12.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 8. 11. Alber ** 8. 11. Dr. Artzinger * 8. 11. Dr. Barzel 8. 11. Behrendt * 8. 11. Frau von Bothmer ** 8. 11. Breidbach 7. 11. Christ 7. 11. Conradi 15. 11. Dr. Ehrenberg 15. 11. Dr. Eppler 8. 11. Flämig * 7. 11. Gerlach (Emsland) * 7. 11. Härzschel * 7. 11. Heyen 7. 11. Immer 8. 11. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Jens 12. 11. Kater * 7. 11. Dr. Klepsch ** 8. 11. Krall * 7. 11. Lange * 7. 11. Lautenschlager * 7. 11. Lücker * 7. 11. Maucher 15. 11. Memmel * 7. 11. Müller (Mülheim) * 8. 11. Mursch (Soltau-Harburg) * 7.11. Pawelczyk *** 6. 11. Richter ** 6. 11. Sauer 9. 11. Scheu 14. 11. Schlaga ** 6. 11. Schmidt (München) * 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 15. 11. Dr. Schulz (Berlin) 8. 11. Dr. Schwörer * 7.11. Seefeld * 6. 11. Dr. Starke (Franken) * 7. 11. Strauß 8. 11. Walkhoff * 7. 11. Frau Dr. Walz 6. 11. Dr. Freiherr von Weizsäcker 6. 11. Wienand 15. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Regierungserklärung des Bundeskanzlers über seine und des Außenministers Gespräche mit den Führern der Sowjetunion in Moskau gehört. Lassen Sie mich dazu einige Bemerkungen machen. Ich möchte mit einigen positiven Bemerkungen beginnen.
    Die CDU/CSU hat gegen die beabsichtigte Reise nach Moskau keine Einwendungen erhoben.

    (Lachen bei der SPD und der FDP)

    — Sie werden es der Opposition nicht verbieten können, meine Damen und Herren, gegen solche Unternehmungen Einwendungen dann zu erheben, wenn sie es für richtig hält.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie ist weiterhin der Meinung, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung die Möglichkeit zu Gesprächen mit den Führern der Sowjetunion nutzt, auch wenn — wie in diesem Fall — das Ergebnis mager bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU begrüßt, daß Bundeskanzler und Außenminister in der Berlin-Frage festgeblieben sind. Dies hat allerdings zur Folge gehabt, daß vier Abkommen, über deren Inhalt seit langer Zeit Einigkeit bestand, mangels einer Einigung über die Berlin-Klausel wiederum nicht abgeschlossen werden konnten.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)




    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Ich werde darauf zurückkommen. Schließlich begrüßt es die CDU/CSU-Fraktion, daß der Bundeskanzler die unqualifizierten Angriffe seiner sowjetischen Gesprächspartner gegen unseren Kollegen Franz Josef Strauß zurückgewiesen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler zeigt sich über das Ergebnis seiner Gespräche befriedigt und verweist dazu auf das, was er die Erfolge nennt, die er aus Moskau mitgebracht habe. Hierzu sind allerdings einige kritische Anmerkungen nötig. Die Vereinbarung über die Errichtung eines nuklearen Kraftwerks in Ostpreußen und damit im Zusammenhang stehende Stromlieferungen nach West-Berlin und in die Bundesrepublik Deutschland stellt, soweit ich sehe, bisher lediglich eine Grundsatzentscheidung dar. Die wichtigsten Einzelheiten, insbesondere die Frage der Trassenführung durch das Gebiet der DDR, bedürfen noch der Klärung. Man kann sich angesichts der Haltung Ostberlins zu den Fragen der Kooperation zwischen beiden Staaten in Deutschland vorstellen und ausmalen, daß es hier noch zu Schwierigkeiten kommen könnte.
    Um bei den wirtschaftlichen Fragen zu bleiben, so ist eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland auch nach Auffassung der CDU/CSU richtig, wenn drei wichtige Kautelen beachtet werden. Für die Lieferungen aus der Bundesrepublik dürfen weder staatliche Kredite noch staatliche Subventionen für Zinsen bereitgestellt werden.
    Hier muß die Bundesregierung in Einklang mit den Grundsätzen der deutschen Außenwirtschaftspolitik bleiben. Der Herr Bundeskanzler hat soeben gesagt, daß dies auch die Auffassung der Bundesregierung sei.
    Die EWG muß im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik konsultiert werden. Es darf nichts vereinbart werden, was mit den Regeln der EWG nicht im Einklang steht oder was faktisch zu einer Aushöhlung der gemeinsamen Kompetenz für Handelspolitik führen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei den Energielieferungen ist zu beachten, daß, so wünschenswert die Erschließung zusätzlicher Energiequellen ist, eine einseitige Abhängigkeit von den östlichen Partnern vermieden werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage nicht, daß die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen in Moskau gegen diese Grundsätze verstoßen hat; ich möchte sie doch nur noch einmal in die Erinnerung rufen.
    Der Bundeskanzler meint, daß die Vereinbarung künftiger regelmäßiger Konsultationen zwischen der Bundesregierung und der sowjetischen Regierung ein weiterer Erfolg seiner Moskaureise gewesen sei. Hier allerdings muß ich darauf hinweisen, daß eine entsprechende Vereinbarung schon bei dem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Brandt in Oreanda im September 1971 getroffen wurde. In dem damaligen Kommuniqué heißt es — ich zitiere wörtlich —:
    W. Brandt und L. I. Breschnew vertraten die Ansicht, daß die entstehende Praxis des Meinungsaustauschs und der Konsultationen auf verschiedenen Ebenen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland sowohl über bilaterale Beziehungen wie internationale Probleme nützlich ist und fortgesetzt werden soll.
    Konsultationen auf verschiedenen Ebenen! Es ist nichts dagegen einzuwenden, meine Damen und Herren, wenn früher getroffene Absprachen in spateren Kommuniqués wiederholt werden. Aber es ist schwerlich angängig, das jedesmal als einen neuen Erfolg zu feiern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch in einigen anderen Punkten sind kritische Anmerkungen gegenüber dem Moskauer Kommuniqué vom 30. Oktober zu machen. In der Passage, die sich auf die Wiener Verhandlungen über Truppenreduzierung bezieht, fehlt der Hinweis, daß es sich um ausgewogene Reduzierungen handeln muß. Dies ist um so erstaunlicher, als der Bundeskanzler in der Zeit, als er noch Verteidigungsminister war, selbst immer besonders eindringlich für das Prinzip der Ausgewogenheit der Truppenreduzierungen plädiert hat.
    Schließlich fällt auf, daß bei der Behandlung des Nahostkonflikts wohl von den legitimen Rechten des palästinensischen Volkes die Rede ist, aber nicht auf die legitimen Rechte Israels Bezug genommen wird.

    (Sehr wahr! und Hört! Hört! bei der CDU/ CSU)

    Hier handelt es sich um Unausgewogenheiten, um Versäumnisse, die bei der Abfassung der gemeinsamen Erklärung unterlaufen sind.
    Aber alle diese Mängel oder, wenn Sie wollen, Negativposten der Moskauer Bilanz werden bei weitern in den Schatten gestellt durch die Schwierigkeiten, auf welche die deutsche Delegation stieß, als sie sich um die Durchsetzung des Deutschen Standpunkts in der Berlin-Frage bemühte. Hier ist es nicht zu einer Lösung gekommen. Um diese Feststellung kommt man nicht herum, auch wenn der Bundeskanzler hier soeben Hoffnungen auf den Beginn einer solchen Lösung ausgesprochen hat.
    Der sowjetische Parteisekretär Breschnew hat in einer Ansprache während des Besuchs von der Notwendigkeit gesprochen, das Viermächteabkommen von 1971 strikt einzuhalten, aber die vereinbarte zweite Hälfte der Formel, nämlich daß das Abkommen auch voll angewendet werden müsse, hat er weggelassen.
    Es ist richtig — der Bundeskanzler hat es hervorgehoben —, daß das in Moskau unterzeichnete deutsch-sowjetische Abkommen über wirtschaftliche Kooperation eine Berlin-Klausel enthält. Es ist dieselbe Klausel, die sich auch im deutsch-sowjetischen Kulturabkommen findet.
    Aber gerade hier werden die Fallstricke dieser Klausel deutlich. Im deutsch-sowjetischen Kulturaustausch kommt es immer wieder zu Störungen, weil die Sowjets nicht bereit sind, die Klausel im



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Einzelfall so anzuwenden, wie die deutsche Seite es fordert und in Übereinstimmung mit ihrer Interpretation und der Interpretation der drei Westmächte bezüglich des Viermächteabkommens auch fordern muß.
    So treten z. B. bei Ausstellungen oder bei der Zusammensetzung und Zusammenstellung von Delegationen im Bereich des kulturellen Austauschs immer wieder Schwierigkeiten auf. Wir haben keine Gewähr dafür, daß nicht die gleichen Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung des Abkommens über die wirtschaftliche Zusammenarbeit auftreten werden; denn auch dieses Abkommen ist ein reines Rahmenabkommen, welches durch entsprechende weitere Abkommen und Vereinbarungen konkretisiert werden muß.
    Alles dies ereignet sich gegen den Hintergrund fortgesetzter Störungen der DDR-Behörden im Berlin-Verkehr auf den Transitwegen. Deswegen muß an dieser Stelle noch einmal mit großem Nachdruck erklärt werden: Es kann keine Fortsetzung der Entspannungspolitik geben, weder in Genf noch in Wien, noch in Moskau, noch in Ost-Berlin, wenn nicht die osteuropäischen Partner bereit sind, West-Berlin in diese Entspannungspolitik voll mit einzubeziehen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und das ihrige dazu beizutragen, daß sich Berlin, seine Bevölkerung, seine Wirtschaft, voll entwickeln und entfalten kann. Ich möchte dies mit allem Ernst sagen.
    Dabei verkenne ich nicht, daß die Chancen für die Durchsetzung dieser Forderung heute schlechter geworden sind, als sie es vor fünf, vier, drei oder zwei Jahren waren. Es bleibt das schwere, nicht wiedergutzumachende Versäumnis der Politik dieser aus SPD und FDP zusammengesetzten Regierung, daß sie im Zuge einer unausgewogenen, übereilten und zeitweilig auf Täuschung der Öffentlichkeit in unserem Lande angelegten Entspannungspolitik

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die Wahrung der Interessen Berlins vernachlässigt hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    SPD und FDP haben bei Abschluß des Berlin-Abkommens 1971 den Eindruck erweckt, als wenn nunmehr die Wahrung der Berliner Interessen gesichert sei. Der damalige Bundeskanzler Brandt erklärte am 3. September 1971 über alle Rundfunk- und Fernsehanstalten:
    Nun, ich meine, die eigentliche Bedeutung liegt darin, daß es in Zukunft keine Berlin-Krisen geben soll. Das wäre viel nach all den Jahren der Unsicherheit .. .
    Zum anderen wird die Zusammengehörigkeit West-Berlins mit unserer Bundesrepublik nicht mehr umstritten sein . . .
    Es bleibt dabei, daß West-Berlin durch die Bundesregierung nach außen vertreten wird, in Zukunft aber auch im Osten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Wenige Tage danach sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Schütz, vor dem Berliner Abgeordnetenhaus:
    West-Berlins Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland sind nunmehr unbestritten und werden weiterentwickelt. Seine Vertretung nach außen wird durch die Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Heute müssen wir erkennen, daß diese damaligen Erklärungen falsch waren, sei es, daß diejenigen, die sie abgaben, sich in Illusionen bewegten, sei es, daß sie die deutsche Öffentlichkeit bewußt täuschen wollten. Jedenfalls hat die Bundesregierung in den entscheidenden Phasen der von ihr zu verantwortenden Ostpolitik die angemessene und nachdrückliche Wahrung der Interessen Berlins unterlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weder bei Abschluß des sogenannten Bahr-Papiers im Mai 1970 noch bei Abschluß des Moskauer Vertrages noch bei Abschluß des Grundvertrages und der sich dann aus dem Grundvertrag ergebenden weiteren Schritte hat die Bundesregierung es für nötig gehalten, ihre östlichen Partner auf diejenige Interpretation des Viermächteabkommens festzulegen, die den Interessen Berlin allein gerecht wird.
    Lassen Sie mich hier noch mit einem Satz auf das Pseudoargument eingehen, das von den Verfechtern der Regierungspolitik zur Entschuldigung ihres Versagens immer wieder ins Feld geführt wird. Sie sagen, man habe Berlin in die Absprachen des Jahres 1970 nicht einbeziehen können, weil das Viermächteabkommen erst 1971 unterzeichnet worden sei. Dieses Argument, meine Damen und Herren, ist haltlos, denn natürlich hätte man in die 1970 geschlossenen Vereinbarungen einen Berlinvorbehalt des Inhalts aufnehmen können, daß die Verwirklichung dieser Vereinbarungen von einer ausreichenden Sicherung der Stellung Berlins abhängig sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Statt dessen kommt, wie Sie wissen, im Bahr-Papier von 1970 das Wort Berlin überhaupt nicht vor. Jemand, der nach einigen Jahren dieses Papier liest, wird gar nicht auf die Idee kommen, daß es im Jahre 1970 so etwas wie ein Berlinproblem im Verhältnis der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, und das ist ein fundamentaler Fehler und eine fundamentale Unterlassung, für die diese Regierungskoalition von SPD und FDP die alleinige Verantwortung trägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Als Folge dieser schwerwiegenden Unterlassungen in der Vergangenheit hängen jetzt vier Verträge mit der Sowjetunion und sechs Verträge mit der DDR in der Luft, weil es nicht gelingt, eine Einigung über die Einbeziehung Berlins herbeizuführen. Dazu hören wir, daß sich Jugoslawien neuerdings weigert, in dem Kapitalhilfeabkommen eine Klausel zu akzeptieren, wonach bei Abwicklung des Kredits die



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Berliner Wirtschaft besonders berücksichtigt werden soll.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wenn man bedenkt, daß die Bundesregierung hier einen Kredit von einer Milliarde D-Mark

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Kredit?)

    mit 30jähriger Laufzeit und zweiprozentiger Verzinsung gewähren will,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Geschenkt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    kann man sich, glaube ich, kaum einen stärkeren Beweis für die Unfähigkeit der Bundesregierung vorstellen,

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    die Berliner Interessen sachgerecht wahrzunehmen.
    Ich könnte diese meine Ausführungen ergänzen, wenn ich die anderen Bereiche in die Betrachtung einbeziehen würde, um die es in der Ostpolitik ebenfalls ging, nämlich die humanitären Fragen und die menschlichen Erleichterungen. Was ist das für eine Politik, meine Damen und Herren, die im Warschauer Vertrag 1970 die polnischen Forderungen in bezug auf die Oder-Neiße-Grenze erfüllt, aber die einzige daran geknüpfte Bedingung, nämlich die Aussiedlung von Deutschen aus Polen, nicht so absichert, daß man sich wirklich darauf verlassen kann.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das war Scheels Meisterstück!)

    Dazu nur zwei Zahlen, meine Damen und Herren. In den Jahren 1956 bis 1970 sind im Jahresdurchschnitt 22 000 deutsche Aussiedler aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Im Jahre 1974 werden es 6 000 sein!

    (Dr. Dregger [CDU/CSU] : Unglaublich!)

    Und jetzt sieht sich die Bundesregierung einem Junktim zwischen polnischen Wiedergutmachungsforderungen und der Aussiedlungsfrage gegenüber.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das war Scheels Meisterstück!)

    Ich kann es verstehen, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesminister des Auswärtigen, daß Sie es gerne sehen würden, wenn man alle diese Fehler der Ostpolitik Ihren beiden Vorgängern anlasten und Ihnen die Chance geben würde, sozusagen mit einer neuen Stunde Null auf der Grundlage dessen zu beginnen, was bisher geschehen ist.

    (Seiters [CDU/CSU] : Wir sind ja auch bei Null!)

    Aber so leicht können Sie es sich nicht machen, so leicht wird es Ihnen die CDU/CSU nicht machen, und so leicht wird es Ihnen auch der deutsche Wähler nicht machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie gehörten dem Kabinett an, welches für alle diese Fehler der vergangenen Jahre verantwortlich ist. Sie betonen immer wieder, daß Sie die Politik Ihrer Vorgänger fortsetzen wollen. Sie tragen die volle Mitverantwortung für den gegenwärtigen Zustand.
    Wenn Ihnen und Ihren Parteien die Wähler in Bayern und in Hessen am vorvergangenen Sonntag eine so klare Absage erteilt und der CDU und der CSU einen so klaren Vertrauensbeweis gegeben haben, dann liegt das nicht zuletzt daran, daß ein großer Teil der Menschen in unserem Lande sich durch die Ostpolitik von SPD und FDP schlecht beraten und schlecht vertreten fühlt,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    während immer deutlicher wird, daß die Forderungen der CDU/CSU voll berechtigt waren, nämlich eine ausgewogene Ostpolitik zu betreiben, bei der verbindliche Zusagen der jeweils anderen Seite den von unserer Seite gemachten Konzessionen gegenüberstehen.
    Während der hoffentlich nur noch kurz bemessenen Zeit, in der SPD und FDP die Verantwortung für die Regierungspolitik in unserem Lande tragen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wird die CDU/CSU bemüht sein, die in den Ostverträgen liegenden Ansätze für eine deutschen Interessen gerecht werdende Politik zu nutzen. Sie wird aber immer wieder mit großem Nachdruck und großer Beharrlichkeit darauf hinweisen, daß die entscheidenden Fehler, die die Wahrnehmung unserer Interessen jetzt so außerordentlich erschweren, von SPD und FDP und von den von ihnen gestellten Bundesregierungen zu verantworten sind.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU' CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir sozusagen der Neugierde halber mitgenommen, was der Herr Kollege Dr. Carstens gleich am 31. niedergeschrieben hat, um einmal zu sehen, ob es, nachdem er mehr als nur durch die Presse unterrichtet worden ist und auch durch diese Regierungserklärung zusätzlich die politische Unterrichtung bekommen hat, einige positivere Bemerkungen gibt. Ich bedanke mich. Es gibt, was dies betrifft, tatsächlich einige positivere Bemerkungen. Dafür hat er am Schluß dann kräftig in die Tasten der Innenpolitik und Ihrer eigenen Hoffnungen gegriffen;

    (van Delden [CDU/CSU] : Sie hätten das nie getan!)

    aber das sei Ihnen völlig unbenommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie gütig!)

    Wissen Sie, die Sache ist es wert, daß man gründlich darüber redet. Wir werden über diese Dinge noch wiederholt reden und werden, ohne daß man jetzt alles mit diesem Moskau-Besuch zusammenbringt, die Beziehungen zu Polen, die Beziehungen zur DDR, auch immer wieder von diesen Punkten aus auf die grundlegende Bedeutung des Moskauer Vertrages für unsere Beziehungen sowohl mit jenem großen Land als auch mit den Ländern, die mit ihm verbündet sind, zu sprechen kommen. Ich jedenfalls



    Wehner
    sage dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion unseren herzlichen Dank für den Bericht und die geleistete Arbeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe einmal in diesem Bundestag gesagt, daß die Westverträge für Jahrzehnte — ich sagte: für Jahrzehnte — die Grundlage und der Rahmen für die Politik der Bundesrepublik Deutschland sein würden. Das war meine Überzeugung, und das ist nach wie vor meine Überzeugung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Waren Sie nicht dagegen?)

    — Sie waren damals noch nicht dabei. Ich nehme es Ihnen nicht krumm, daß Sie nur das wissen, was Sie, und zwar illustriert, gesehen haben.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Aber es stimmt!)

    Die Westverträge sind nach harter Auseinandersetzung, die ihren Sinn gehabt hat, von der klassischen Opposition der Sozialdemokraten

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — ja, sicher — damals, nachdem sie Verträge geworden waren, als Verträge, die für Jahrzehnte Grundlage und Rahmen für die Politik der Bundesrepublik Deutschland darstellen werden, akzeptiert worden.
    Die Ostverträge, meine Damen und Herren, sind die notwendige Ergänzung zu unseren Westverträgen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, sicher! Sie können auf einem Bein bestenfalls stehen, aber nicht gehen. Das wissen Sie doch auch, sogar Sie.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    Daß die einen Verträge, die Westverträge, kein Ersatz für die anderen Verträge, die Ostverträge, sind, und umgekehrt, das ist, meine Damen und Herren, auch wenn Sie sich Ihrer Allwissenheit sicher zu sein scheinen, des Nachdenkens auf allen Seiten unserer innenpolitischen Auseinandersetzung über Außen-und Sicherheitspolitik wert. Ich sage: es ist des Nachdenkens und dann auch des allmählichen Aufeinanderzukommens wert.
    Der Herr Kollege Strauß, der ja sicher zu den Prominenten in diesem Hause gehört, modelliert auf seine Weise an den Westverträgen herum. Ich zitiere ihn aus einer Zeitung, die ihm bestimmt nicht übel will, aus der „Welt" vom 6. November, also von heute früh. Ich finde diese Meditationen hochinteressant. Deutschland spiele noch immer die amerikanische Karte, ist ihm von einem französischen Gesprächspartner beinahe vorgeworfen, jedenfalls fragend entgegengehalten worden. Er hat darauf geantwortet:
    Wissen Sie, wenn Sie einen Rock haben, kann es sein, daß Sie auch einen Mantel brauchen. Für uns ist der Mantel Amerika. Und der Rock, das ist Europa. Man kann nicht von den Amerikanern verlangen, daß sie für alle Ewigkeit die politische und militärische Verantwortung für Europa tragen. Die beste Lösung wäre unserer Meinung nach eine politische Union Europas, die Hand in Hand mit der Unterteilung der NATO in zwei Zweige ginge: einen amerikanischen und einen europäischen.

    (Vereinzelter Beifall bei der CDU/CSU)

    — Daß Sie Strauß applaudieren würden, habe ich erwartet. Der Applaus war dünn. Tut mir leid, Herr Strauß. Aber er ist ja nicht hier.

    (Heiterkeit)

    Die einzige Macht, die der Sowjetunion imponiert, sind die Amerikaner. Wir, wir unterhalten Operettenarmeen. Es ist nicht normal, daß die europäischen Zwerge die einen in Konflikt mit Größenwahn, die anderen in weinerlicher Art — sich ständig an die amerikanischen Rockschöße anhängen.
    Sie können sich nun aussuchen, ob wir zu den Zwergen der weinerlichen Art oder zu denen „in Konflikt mit Größenwahn" gehören. Eine dritte Möglichkeit gibt es hier nicht. Aber der Herr Kollege Strauß hat sich außerdem in einem Interview des Zweiten Deutschen Fernsehens noch einmal der Frage der Europäer gewidmet und gesagt:
    Die Europäer können doch nicht darauf warten, daß die Amerikaner auf unbegrenzte Zeit — sagen wir, für den Rest des Jahrhunderts und vielleicht noch für das nächste Jahrhundert — die alleinige Verantwortung für Europa übernehmen. Das ist zwischen uns und den Amerikanern und auch zwischen Herrn Kissinger und mir schon oft besprochen worden.
    So weit Herr Strauß. Das ist sicher, jeder macht sich auf seine Weise Gedanken über die Westverträge, weil sie ja für Jahrzehnte die Grundlage und der Rahmen unserer deutschen Politik sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dünne Suppe!)

    Bei den Ostverträgen sind Sie, meine Damen und Herren, noch nicht so weit, jedenfalls nicht so weit, daß Sie sich imstande fühlten, mit ihnen realistisch umzugehen,

    (Dr. Evers [CDU/CSU] : Aber Gedanken machen!)

    obwohl es von Ihrer Seite oft beteuert wird, wobei Sie allerdings gleichzeitig, jedenfalls bis heute — bei Herrn Carstens war es ein wenig im Hintergrund —, immer noch die Verträge selbst im Wert herabsetzen. Was Sie sich, die Sie meinen, einmal wieder Regierungspartei zu werden — und warum denn nicht in diesem Lande mit demokratischen Wechselmöglichkeiten —, damit selbst antun, das werden Sie noch merken, sogar noch im Laufe Ihrer Oppositionszeit. Das liegt meines Erachtens daran, daß Sie eine andere Vorstellung von der Dynamik der Westverträge gehabt haben und daß Sie, nicht alle unisono, aber doch gern und oft diese alte Vorstellung von der Dynamik wieder zur Geltung bringen möchten. Das ist eine andere Dynamik, sagte ich, als die, die diesen Verträgen zugekommen ist und zu-



    Wehner
    kommen kann, so bedeutend sie für die nächsten Jahrzehnte unserer Politik bleiben werden, weil es keine Alternative für sie gibt.
    Da hat es mich interessiert, daß Ihr Generalsekretär, der Herr Professor Biedenkopf, in einem nachdenklichen Rückblick auf die Zeit der „Einfachheit" d. h.

    (Baier [CDU/CSU] : Worüber reden wir eigentlich?)

    — wir kommen noch dazu, Herr Baier (Mosbach) — auf die Zeit des kalten Krieges zurückkam, in der es, wie er selber sagt, „einfach" war, weil das militärische und das ideologische „Feindbild" übereinzustimmen schienen. Weiter meditierte er, es könnte so sein oder es könnte so ausgelegt werden, daß der Westen auf die ideologische Konfrontation verzichten müsse, wenn er mit seiner Entspannungspolitik Fortschritte erzielen wolle. Das kommt alles aus der Vorstellung, daß militärische Entspannung und Entspannung auch in dem, was er ideologisch nennt, eben so nicht geht; es war „einfacher" in der Zeit, in der es ein „Feindbild" militärisch und ideologisch gegeben hat.
    Nun, wie wäre es denn, in Ihrer Betrachtung, die doch sicherlich noch eine ganze Weile im Gange sein wird, wie man Sie kennt, statt dessen alternativ Verträge zum beiderseitigen Nutzen einzubringen als etwas, das mit unseren Interessen übereinstimmt, und dies auch als Ihre Politik anzuerkennen? Sie können ja an den Verträgen Kritik üben, Sie können an der Handhabung der Verträge Kritik üben, warum denn nicht, natürlich ist das Ihr gutes Recht; aber Sie sind als Opposition in einer seltsamen Situation, weil Sie immer wieder versucht sind, die Verträge selbst als Nichtverträge abzuwerten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Das ist Ihre Situation.

    Aber hier geht es um Verträge zum beiderseitigen Nutzen, die mit unseren Interessen übereinzustimmen haben; andere Verträge wären keine Verträge, die unsere Zustimmung haben könnten.
    Ich komme auf Herrn Strauß zurück, es tut mir leid. Er hat statt dessen inzwischen noch einmal mit der Dynamik der Westverträge zu operieren versucht und hat hypothetische europäische Möglichkeiten in die Debatte gebracht. Es geht bei diesem West/Ost um unsere Interessen, das können Sie nicht voneinander trennen, es tut mir leid. Herr Strauß weiß das besser als Sie; er ist aber heute nicht hier. Herr Strauß hat also z. B. auf die Frage, wie er sich eine Verantwortlichkeit in Europa und im Westen vorstelle, gesagt:
    Wir haben im Wahlkampf — auch da Wahlkampf —
    das Thema Gebietsreform gehabt. Und da redet man über Gemeindereform, Landkreisreform, Länderreform usw. Das Wesentlichste wäre die europäische Gebietsreform.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Der Bundeskanzler war in Moskau! Darüber sprechen wir doch!)

    — Lassen Sie das bitte auf der Zunge zerschmelzen, Sie Diplomat: „die europäische Gebietsreform."
    Aus der Vielzahl kleiner und mittlerer selbständiger europäischer Staaten mit protokollarischer Souveränität und politischer Bedeutungslosigkeit
    — sehr freundlich gegenüber den Nachbarn —
    und militärischer Ohnmacht einen europäischen
    Bundesstaat zu schaffen, mit einer Armee. Und
    dieser könnte dann den Partner Europa gegenüber dem Partner USA im Rahmen einer nach
    wie vor zusammenhaltenden NATO darstellen.

    (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    — Sehen Sie, es läßt sich einfach darüber klatschen, wenn auch durch eine Minorität. — Wenn es so einfach wäre, ließe sich darüber reden. Nur, das ist die alte Dynamik-Vorstellung in einer neuen Aufzäumung. In der Zeit der Gemeinde- und der sonstigen Gebietsreformen ist es verständlich, greift man auch gerne einmal über die eigenen Gebiete hinaus.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Du lieber Himmel!)

    Nur, da gehören einige dazu.
    Nun komme ich noch einmal zu den Bemerkungen von Herrn Biedenkopf über gemeinsames Bemühen um die Bewältigung gesellschaftlicher, geistiger und wirtschaftlicher Aufgaben, von denen er sagt, daß sich die Partner der NATO damit als Gegenstand eines gemeinsamen Zieles des Bündnisses in stärkerer Weise als bisher befassen sollten.